Der Zug der Waisen - Christina Baker Kline

  • Christina Baker Kline: Der Zug der Waisen
    Goldmann Verlag (10. November 2014) 352 Seiten
    ISBN-13: 978-3442313839. 19,99€
    Originaltitel: Orphan Train
    Übersetzerin: Anne Fröhlich


    Verlagstext
    Ein bewegender Roman über ein vergessenes Kapitel der amerikanischen Geschichte
    New York, 1929: Mit neun Jahren verliert Vivian Daly, Tochter irischer Einwanderer, bei einem Wohnungsbrand ihre gesamte Familie. Gemeinsam mit anderen Waisen wird sie kurzerhand in einen Zug verfrachtet und in den Mittleren Westen geschickt, wo die Kinder auf dem Land ein neues Zuhause finden sollen. Doch es ist eine Reise ins Ungewisse, denn nur die wenigsten von ihnen erwartet ein liebevolles Heim. Und auch Vivian stehen schwere Bewährungsproben bevor ... Erst viele Jahrzehnte später eröffnet sich für die inzwischen Einundneunzigjährige in der Begegnung mit der rebellischen Molly die Möglichkeit, das Schweigen über ihr Schicksal zu brechen.


    Die Autorin
    Christina Baker Kline wuchs in England und in den Vereinigten Staaten auf. Sie hat Literatur und Kreatives Schreiben unterrichtet und sich als Buchautorin und Herausgeberin von Anthologien einen Namen gemacht. Ihr Roman "Der Zug der Waisen" war in den USA ein großer Erfolg und hielt sich monatelang an der Spitze der New-York-Times-Bestsellerliste. Mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen lebt die Autorin in Montclair, New Jersey.


    Inhalt
    Molly wirkt wie ein Goth aus dem Bilderbuch, geschminkt, gesträhnt und gepierct. Das siebzehnjährige Mädchen hat nach dem Tod des Vaters und der Gefängnisstrafe der Mutter viele Pflegestellen und viele verschiedene Schulen erleben müssen. Die Erwachsenen funktionieren wie auf Knopfdruck. Wenn Molly provoziert, explodieren ihre Erziehungsberechtigten, Molly wird wieder fortgeschickt und fühlt sich jedes Mal kurzfristig als Siegerin. Ralph und Dina, die aktuellen Pflegeeltern, nehmen vermutlich an keiner Selbsthilfegruppe für Pflegeeltern teil; denn ihr gemeinsames Motiv, einen schwierigen Jugendlichen aufzunehmen, ist zwischen den Partnern nicht geklärt worden. Als Molly ein Buch aus der Bibliothek zu stehlen versucht, droht ihr – reichlich martialisch – gleich ein Jugendarrest. Mollys guter Freund Jack will sich auf keinen Fall von Molly trennen und dringt darauf, dass sie die Strafe in Form von Sozialstunden abarbeitet. Jack hat auch gleich eine Idee wie, Molly soll der betagten Vivian beim Entrümpeln des Dachbodens helfen.


    Vivian, 91 Jahre alt, verfügt über die gebieterische Ausstrahlung einer Ordensschwester und findet gleich den richtigen Ton bei Molly. Schnell wird klar, dass Vivian sich noch nicht von den Erinnerungsstücken auf ihrem Boden trennen kann; denn über ihr Schicksal als Adoptivkind in den USA der harten 30er Jahre hat sie bisher kaum gesprochen. Vivian wurde gemeinsam mit anderen Kindern aus dem New Yorker Waisenhaus mit dem Orphan Train nach Minnesota aufs Land geschickt und dort als kostenlose Arbeitskraft an so genannte Adoptiveltern verschachert. Die Interessenten wollten entweder ein Baby, einen kräftigen Jungen als Arbeitskraft oder ein Mädchen, das den Haushalt führt und die leiblichen Kinder betreut. Für die Adoptiv-Kinder bestand eine Art Rückgaberecht, so dass sie jederzeit befürchten mussten, wieder fortgeschickt zu werden.


    Ich kann mir gut vorstellen, dass Molly vor den Gesprächen mit Vivian nicht bewusst war, dass ein Pflegekind sich den Wünschen anderer so stark anpassen kann, bis es nicht mehr spüren kann, wer es selbst ist. Vivian, die eigentlich Niamh hieß, musste sogar zweimal ihren Vornamen wechseln, um sich den Wünschen ihrer wechselnden Pflegeeltern zu unterwerfen. Im Unterricht in Amerikanischer Geschichte entdeckt Molly (deren Vater indianischer Abstammung war) gerade die Geschichte der Ureinwohner, die ihre Habe mit sich transportieren und dafür klug auswählen mussten. Die Portage, das Verpacken des persönlichen Besitzes, kann im übertragenen Sinn für Aufbruchssituationen im Leben stehen. Molly erkennt, dass Vivians Nachlass dringend eine Vermittlerin wie sie selbst braucht, damit auch andere die Bedeutung der Dinge verstehen können. Molly und Vivian finden in der jeweils anderen unerwartet eine Gesprächspartnerin, der man das eigene Schicksal nicht erst erklären muss und es kommt für alle Beteiligten zu unerwarteten Wendungen.


    Fazit
    Christina Baker Kline hat mit ihrem flüssig zu lesenden Buch den Kindern der Orphan Trains ein Denkmal setzen wollen und dokumentiert die historischen Ereignisse eindringlich mit zeitgenössischen Fotos. Zusätzlich hat sie ein wunderbares Buch über Pflegekinder und Pflegeeltern geschrieben, das seinen Lesern Einblick in die Gefühle eines entwurzelten Kindes gibt – und das darüber hinaus einige schwer auszurottende unrealistische Vorstellungen über die Beziehung zwischen Pflegekind und Wahlfamilie aus der Welt schaffen kann. Ich bin froh, dass ich von Vivians und Mollys Schicksalen gelesen habe, auch wenn ich Schicksalsberichten anfangs meist skeptisch gegenüberstehe.


    9 von 10 Punkten

  • Der Zug der Waisen


    Mein Eindruck:
    Es handelt sich um ein schön gestaltetes Hardcover vom Goldmann-Verlag.
    Wie bei vielen belletristischen Unterhaltungsromanen sind hier Handlungsstränge der Gegenwart und der Vergangenheit miteinander verknüpft. Glücklicherweise ist es in diesem Roman so, dass sie motivisch gut miteinander verknüpft und daher nahezu gleichwertig zu lesen sind. Auch wenn der Vergangenheits-Handlungsstrang wichtiger und dominierender wird.


    Die 91jährige Vivian und die 17jährige Molly haben eine Gemeinsamkeit. Sie mussten ohne Eltern aufwachsen und durchliefen zunächst glücklos verschiedene Familien.
    Vivian erzählt dem Mädchen ihre Lebensgeschichte, beginnend ab 1929, als sie als Waise mit einem Zug von New York nach Minnesota verschickt wird.
    Da erwartet die Kinder ein ungewisses Schicksal. Ob sie tatsächlich von guten Menschen adoptiert werden oder als billige Arbeitskräfte ausgebeutet werden, ist Schicksal.


    Anfangs war ich noch skeptisch, ob die Figuren ausführlich genug dargestellt waren. Bei den Nebenfiguren war das nicht immer der Fall, ich war sogar mal verwirrt, wer jetzt eigentlich wer ist, doch Vivian und Molly sind starke Figuren.
    Ich hatte den Eindruck, dass sich der Roman von jedem Abschnitt ab noch mehr steigerte und verdichtete.


    Die Geschichte der Orphan Trains ist anhängend im Buch inklusive Photos beschrieben. Eine nicht unumstrittenes Wohlfahrtsprogramm.
    Dieses Element ist wichtig für die Handlung, denn das Vivians, Dutchys u.a. keine Einzelschicksale sind, bestimmt doch die Wertigkeit der Ereignisse.
    9 Punkte für den Roman und für die Autorin, die diesen nicht sehr bekannten Teil der amerikanischen Geschichte transparent macht!

  • Ein ungemein interessantes, beeindruckendes und ich wage jetzt schon einmal zu behaupten: nachhaltiges Buch!
    Wie in den vorstehenden Rezensionen bereits erwähnt, haben wir es mit zwei Erzählsträngen zu tun, einem in der Vergangenheit liegenden um das Mädchen Niamh, das diesen Namen allerdings nicht behalten darf und auch den nächsten, Dorothy, ablegen wird, und einen in der Gegenwart um die Heranwachsende Molly. Beide Stränge lassen sich durch jeweils vorstehende Orts- und Datumsangaben gut auseinander halten. Der ältere Strang erhält zudem eine hervorragende Ergänzung durch der eigentlichen Geschichte nachfolgendes Informationsmaterial nebst Fotos.
    Ohwohl ich mich in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Nordamerika für relativ bewandert hielt, war mir das Kapitel dieser Kindertransporte, welche - größtenteils den herrschenden Verhältnissen, manchmal aber auch persönlicher Gier und Gewinnsucht geschuldet - stark an die Behandlung der einige Jahrzehnte früher aus Afrika zwangseingereisten Sklaven erinnerten, bisher völlig unbekannt.
    Ohne mahnend erhobenen Moralzeigefinger wird einem sehr deutlich vor Augen geführt, in welchem oft gar nicht mehr wahrgenommenem Luxus die Jugend heute aufwachsen darf. Dass es auch in unserer Zeit zu Komplikationen kommen kann, wird an der rebellischen Molly deutlich, die ihre Sozialstrafstunden bei einer hochbetagten Dame ableisten soll.
    Als diese beiden Menschen aufeinander treffen, werden in den bereits erwähnten Erzählsträngen zwei unterschiedliche und doch auch wieder ähnliche Schicksale einander gegenüber gestellt.
    Vor allem im heute spielenden Strang sind die weiteren Personen eher "Stichwortgeber-Statisten" ohne eigene bedeutsame erkennbare charakterliche Entwicklung. Umso besser kann der Leser sich auf das Schicksal der beiden Protagonistinnen konzentrieren.
    Dies habe ich - tief beeindruckt - getan und vergebe überzeugt die höchste mögliche Anzahl von Eulenpunkten.
    Frau Kline ist eine Autorin, von der ich sehr gern weitere Bücher dieses Genres lesen würde!

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • "Der Zug der Waisen" behandelt ein Thema in der amerikanischen Geschichte, welches mir bis jetzt unbekannt war.
    Es geht um die "Orphan Trains", die Waisenzüge, welche verwaiste oder heimatlose Kinder in den Mittleren Westen transportierten. Dort wurden sie wie Waren ausgestellt und zum "Verkauf" ( Adoption ) angeboten.
    Manche hatten wohl das Glück, von Familien aufgenommen zu werden, welche ihnen ein gutes Zuhause bieten konnten und wollten.
    Viele aber waren nichts anderes als billige Arbeitskräfte und wurden dementsprechend schlecht behandelt. Manche kamen von Familie zu Familie und mussten furchtbare Dinge miterleben.
    Von einem solchen Kind handelt der Teil dieser Geschichte, der in der Vergangenheit spielt. Niamh muss all diese Stationen durchmachen, erlebt über Jahre nichts Schönes in ihrem Leben und schafft es trotzdem, all dies zu überstehen, zu überleben.


    Weiterhin erzählt das Buch in der Gegenwart die Geschichte der 17-jährigen Molly. Diese lernt als Pflegekind ebenfalls, wie es ist und was es heisst, in immer wieder wechselnden Familien zu leben.
    Das Schicksal führt sie zu der 91-jährigen Vivian.
    Zwischen beiden entwickelt sich ein gutes Verhältnis, ihre Geschichten ähneln sich in vielen Punkten und nach und nach werden Vergangenheit und Gegenwart zusammengeführt.


    Das Buch entwickelt ziemlich schnell einen Lesesog, es liest sich leicht und fesselnd, der Schreibstil ist sehr angenehm.
    Zudem wird das Thema sehr gut umgesetzt.
    Für mich ein wirkliches Lesehighlight des Jahres 2014.


    Ich vergebe dafür 9 von 10 Punkten.

  • Dieses Buch ist die sehr gelungene Verarbeitung historischer Gegebenheiten in den USA des 19. und 20. Jahrhunderts in einem fesselnden und bewegenden Roman.
    Hauptpersonen sind die 17jährige Molly und die 91jährige Vivian. Molly hat als Pflegekind genug schlechte Erfahrungen gemacht, um zu wissen, dass sie nie zu viel von sich zeigen darf, um nicht verletzt zu werden. Sie verschanzt sich hinter einem abweisenden Äußeren und unnahbarem Benehmen. Um dem Jugendgefängnis zu entgehen, leistet sie Sozialstunden bei der wohlhabenden Vivian ab, die in einer prachtvollen Villa lebt und ihren Dachboden entrümpeln möchte.
    Bei dieser von außen gesehen nicht sehr erfolgreichen Aufräumaktion kommen sich die beiden ungleichen Frauen näher und Molly erfährt von der dramatischen Jugend Vivians, die als Waisenkind in den mittleren Westen verschickt wurde und bei "Pflegeeltern" ausgebeutet und vernachlässigt wurde.


    Ganz behutsam werden die Vergangenheit Vivians und das Leben und die Schwierigkeiten der jungen Molly erzählt und miteinander verwoben. Besonders eindrücklich fand ich, dass die Eigenheiten der beiden immer deutlich blieben, jede in ihrer eigenen Identität und Besonderheit nachvollziehbar dargestellt wurde. Da das Leben Vivians in der Ich-Form geschildert wurde, war es leicht, von ihrem Schicksal gefesselt zu werden.


    Sehr gelungen finde ich auch den dokumentarischen Teil am Ende des Buches, in dem die Geschichte der in den Orphan Trains verschleppten Kinder erzählt und durch zeitgenössische Fotos noch eindrücklicher dargestellt wird.

  • Der Zug der Waisen


    Die 17-jährige Molly, ein ungeliebtes und unglückliches Pflegekind, wurde wegen eines geringen Vergehens zu 50 Sozialstunden verurteilt und soll nun der 91-jährigen Vivian helfen ihren Dachboden zu entrümpeln.
    Die alte Dame kann sich gut in die junge Rebellin hineinversetzen, denn sie selbst wurde als achtjährige zur Waise und mit den sogenannten "Orphan Trains" von New York in den mittleren Westen gebracht um dort von ihren Pflegefamilien wie eine Sklavin ausgebeutet zu werden.
    Dieses Schicksal teilte sie mit vielen tausend Kindern, die im Laufe von mehreren Jahrzehnten bis in die 1930er Jahre auf diese Weise entwurzelt wurden.


    Mit jedem Karton, den Molly auspackt, erinnert sich Vivian an die traumatischen Erlebnisse ihrer Kindheit, den Kampf ums Überleben, aber auch an Momente des Glücks und der Zufriedenheit.
    Mit jeder Erinnerung, die Vivian mit dem jungen, unglücklichen Mädchen teilt, wird dieses reifer und ausgeglichener.
    Auch wenn Jahrzehnte zwischen den Schicksalen von Vivian und Molly liegen, sind sie sich doch sehr ähnlich. Beide wurden im gleichen Alter zu Waisen und haben intensive Erinnerungen an ihre Eltern, die selber am Leben verzweifelt sind.
    Beide müssen eine Odyssee durch verschiedenste ungeeignete Pflegefamilien über sich ergehen lassen und entwickeln sich doch zu starken Persönlichkeiten.


    Fazit:
    Ein bewegendes Buch, das in zwei verschiedenen Zeitebenen spielt.
    Besonders die historischen Ereignisse gehen dem Leser sehr nah. Es ist heutzutage kaum vorstellbar, welche physischen und psychischen Leiden diese Kinder durchleben mussten.
    Der Roman ist packend und lebendig geschrieben und man kann das Buch kaum aus der Hand legen.


    10 Eulenpunkte!

  • Schon lange hat mich kein buch mehr so gefesselt wie dieses, das ich trotz Leserunde in einem Rutsch weggelesen habe.
    Die Autorin beschreibt die Schicksale ihrer beiden Hauptfiguren Molly und Vivian so einfühlsam und fesselnd, dass ich von der ersten Seite an mitgelitten habe und einfach nicht aufhören konnte zu lesen.
    Da mich das Ende allerdings enttäuscht hat, bekommt dieses ansonsten sehr gute Buch "nur" 8 Eulenpunkte von mir.

  • Ich habe das Buch im Rahmen der Leserunde gelesen.
    Ein DANKESCHÖN nochmals an Wolke und den Verlag.



    Molly, ein schwieriges, junges Mädchen muß kurz vor der Volljährigkeit Sozialstunden ableisten. Durch Vermittlung eines Freundes darf sie das im Haus der reichen Vivian. Zusammen wollen sie den Speicher der Villa aufräumen. Aber bereits nach kurzer Zeit wird klar, eigentlich will Vivian nichts entrümpeln, sondern vergangene Zeiten nochmals Revue passieren lassen. Die 91-jährige Vivian erzählt Molly ihre Lebensgeschichte von der Auswanderung aus Irland, ihrer Ankunft in New York und wie sie im Jahr 1929 mit nur 9 Jahren ihre Eltern bei einem Wohnungsbrand verloren hat. Mit anderen Waisenkindern wird sie in einem Orphan Train in den Mittleren Westen zu Pflegeeltern verschickt. Ihr Leben, ihre psychischen und auch psychischen Leiden und ihr letztendliches Glück schildert der Roman.


    Im Strang der Gegenwart nähern sich die beiden Frauen durch diese Erzählungen und verschiedene Parallelen in ihrer beider Leben immer mehr an und es entsteht ein Vertrauensverhältnis und der Beginn einer Freundschaft. So schafft es Molly, sich nach und nach zu öffnen und auch in der Schule fällt sie plötzlich durch positive Leistungen auf. Das Ende mag eine etwas „heile Welt“ darstellen, gibt aber der traurigen Geschichte einen runden Abschluß.



    Die Autorin hat einen mir unbekannten Teil der amerikanischen Geschichte zum Thema ihres Buches gemacht. Sehr einfühlsam erzählt sie das Leben von Vivian stellvertretend für viele Waisenkinder, die in den Orphan Trains reisen mußten. Sehr interessant sind auch das Nachwort der Autorin mit der Geschichte der Orphan Trains und mit den seltenen alten Bildern und einem Plakat. So wird alles noch spürbarer und bewegender.


    Es ist ein Buch, das sich flüssig liest und auf jeden Fall zum Nachdenken und Diskutieren anregt. Vor allem unter dem Gesichtspunkt wie aktuell das Thema Pflege-, Waisen- und Flüchtlingskinder in verschiedenen Teilen der Welt heute noch ist.


    Für mich ist das Buch eindeutig ein Anwärter auf den Titel „Highlights des Jahres“!

  • Nach dem Diebstahl eines Buchs stellt sich für die 17-jährige Molly nur die Frage, ob sie lieber ins Gefängnis geht oder bei Vivian 50 Arbeitsstunden ableistet. Sie entscheidet sich, der 91-jährigen Vivian beim Aufräumen ihres Dachbodens zu helfen. In den unzähligen Kisten kommt eine unvorstellbar turbulente Kindheit zum Vorschein, bei der die beiden Frauen feststellen, dass sie mehr gemeinsam haben, als es auf den ersten Blick scheint. Molly erfährt Dinge über Vivian, die sie ihr gesamtes Leben verheimlicht hat.


    In der Zeit zwischen 1854 bis 1929 wurden rund 200.000 Waisenkinder mit der Eisenbahn von New York in den Mittleren Westen gebracht. Die Children’s Aid Society machte es sich zur Aufgabe, diesen Heimkindern ein neues Zuhause zu geben. Nur wenige dieser Kinder genossen anschließend eine unbeschwerte Kindheit. Die meisten wurden als billige Arbeitskräfte auf Farmen angesehen, wurden seelisch und körperlich misshandelt und fristeten ein ärmliches Dasein. Fast immer wurde ihr Geburtsname geändert, Geschwister wurden getrennt und den meist irisch-katholischer Herkunft stammenden Kindern wurde eine andere Religion aufgezwungen. Der Verlust der Identität und das Bewusstsein der eigenen Wurzeln war die Folge. Auch wurde es schwer, als Erwachsener nach seinen auf diese Weise verstreuten Familienangehörigen zu suchen.


    Vivian steht dabei stellvertretend für die Waisen und deren teilweise traumatischen Erlebnisse. Die Protagonistin verliert im Alter von neun Jahren durch ein Unglück ihre Familie bis auf ihre Schwester, die noch ein Kleinkind ist. Vivian, die damals noch Niamh hieß, wurde durch das Adoptionsverfahren von New York nach Minnesota gebracht. Sie durchlebte Torturen bei zwei Pflegefamilien, bevor sie durch den Einsatz ihrer Lehrerin an eine dritte Familie vermittelt wurde, die sie endlich wie eine Tochter aufnahmen. Wie so viele „Zugfahrer“ verschloss sich auch Vivian vor der Vergangenheit, sodass sie nie wieder Kontakt zu ihrer Schwester bekam. Erst Molly zeigt ihr einen Weg, wie man durch die modernen Kommunikationsmittel Informationen über einen Verbleib beschaffen kann. Schritt für Schritt wird Vivian mutig genug, sich ihren Gefühlen zu stellen.


    Von diesen Begebenheiten berichtet Christina Baker Kline in ihrem Roman. Durch unzählige Interviews mit Betroffenen bekam sie einen Einblick über die Zustände der historischen Reise, auf der ein starker Wille der Kinder und ein liebevolles Zuhause von den Pflegeeltern das Überleben ausmachten. Sie schreibt auf eine sachliche, aber doch anrührende Weise und lässt so ihre Leser die bedrückende Einsamkeit der Kinder mitfühlen. 75 Jahre nach dem letzten Zug lenkt sie die Aufmerksamkeit auf einen dunklen Teil der amerikanischen Geschichte. Sie legt vor allem den Fokus auf die Zeit nach der Kindheit. Die Ereignisse waren nun Teil eines Lebens und hatten Ängste geschürt. Zeiten der Depression und der Zweite Weltkrieg ließen nochmals Entbehrungen entstehen. Die Autorin schafft es, eine abgerundete Handlung zu entwerfen, bei der sämtliche Fäden hinterher verknüpft werden. Im Anhang geben Bilder der damaligen Zeit den Figuren ein Gesicht. Das inzwischen fünfte Buch der Autorin ist erstmals auf Deutsch erhältlich. Es bleibt zu hoffen, dass auch die anderen Veröffentlichungen übersetzt werden.

  • Zwei Frauen, die aufgrund besonderer Umstände zueinander eine enge Verbindung entwickeln, helfen sich in diesem Buch gegenseitig zu innerem Frieden und einer konstruktiven Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte.


    Das Buch überzeugt durch den sehr zugänglichen Erzählstil. Die häufig recht nüchtern gehaltenen Schilderungen verleihen dem Ganzen eine Authentizität, die an Berichte von Augenzeugen erinnert und in ganz besonderer Weise berührend ist. Gleichzeitig verleihen geschickte Wechsel von Erzählperspektive und von sprachlichen Details zwei Protagonistinnen ihre Unverwechselbarkeit.
    Definitiv handelt es sich um ein Buch mit „Sogwirkung“: Die Autorin beschränkt sich stark auf die wesentlichen Begebenheiten im Leben der Protagonistinnen, wodurch die Spannung und das Interesse bei mir als Leser stets gewahrt blieben. Tatsächlich habe ich hier kein einziges Mal quer gelesen, was für mich schon etwas ungewöhnlich ist. :grin
    Die beiden Protagonistinnen kriegen von mir so viele Punkte, wie ich vergeben kann: Beide sind menschlich, sympathisch, mit Ecken und Kanten, haben deutliche Ähnlichkeiten und ebenso deutliche Unterschiede und verfallen zu keinem Zeitpunkt in ein Klischee. Die Nebenfiguren bleiben allerdings farblose Skizzen, insbesondere die in der Molly-Handlung, was ich nach wie vor ein bisschen schade finde.
    Schließlich handelt das Buch vom Thema „Entwurzelung“: Was bleibt von der eigenen Identität bei allen Brüchen, die in Lebensläufen vorkommen und was hält man selbst am Lebensende noch für bedeutsam? Diese Thematik wurde meiner Meinung nach sehr gelungen entwickelt am Beispiel der zwei Protagonistinnen und konsequent bis zum Ende weitergeführt ohne moralistisch zu werden oder individuelle Antworten vorzugeben. Die Autorin bewies hier sehr viel Einfühlungsvermögen und Toleranz. Für mich erreicht sie damit nicht nur Pflegekinder, sondern regt generell den Leser zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie an.


    Einige Details finde ich noch besonders erwähnenswert:
    Der Einsatz von Symbolen der Identität in Form von Halsketten und in Mollys Fall auch von Tattoos sowie die Details aus der Kultur der Penobscot-Indianer haben mir sehr gut gefallen. Auch die zahlreichen Hinweise auf andere literarische Verarbeitungen des Themas fand ich sehr gelungen. Die historischen Belege am Ende des Buches sind informativ und die Fotos gut ausgewählt. Dass die Autorin bei der Recherche des Buches mit zahlreichen Betroffenen gesprochen hat, merkt man der Geschichte definitiv an und hierfür gibt es von mir ein ganz großes Plus!


    Insgesamt schafft die Autorin es irgendwie, dass trotz der vielen schwierigen Erfahrungen der Protagonistinnen ein positives Gefühl bei mir überwiegt, sodass dies kein deprimierendes Buch ist, sondern immer optimistisch bleibt.


    Von mir gibt es 9 von 10 Eulenpunkten und eine dicke Lese-Empfehlung!

    It’s not enough for the phrases to be good; what you make with them ought to be good too. - Aldous Huxley

  • Der Roman "Der Zug der Waisen" spielt auf zwei Zeitebenen und stellt zwei Menschen in den Fokus des Geschehens.
    Da ist zum einem Niamh, Kind irischer Einwanderer, die durch einen Unglücksfall 1929 ihre ganze Familie verliert und in New York im Waisenhaus landet. Und zum anderen ist da im Jahr 2011 die 17-jährige rebellische Molly, die sich bei ihren derzeitigen Pflegeeltern nur geduldet fühlt und ihr verletztes Inneres hinter Gruftielook und Piercings versteckt.


    Vor 100 Jahren war es in Amerika Praxis, Waisenkinder aus den Großstädten der Ostküste in einen Zug zu packen und quer durchs Land zu schicken, um passende Pflegefamilien zu finden. Dabei wurde weniger Wert auf das Glück der Kinder sondern mehr auf eine Unterbringungen in Privathaushalten gelegt, um die Kassen der Waisenhäuser zu entlasten. So landen viele der Kinder, vor allem die, die schon aus dem Kleinkindalter heraus sind, auf Farmen und in Klein-Betrieben als kostengünstige Arbeitskräfte. Ähnlich ergeht es auch Niamh bei "ihrer" ersten Pflegestelle, wo sie (wie Harry Potter) unter der Treppe schlafen muss und den ganzen Tag bei Näharbeiten hilft. Als die Rezension zuschlägt, wird sie kurzerhand an das Waisenhaus zurückgegeben, die sie sofort an einen neuen Platz weitervermitteln. Diesmal trifft sie es noch schlechter und als der Pflegevater zudringlich wird, flieht sie in die eisige Winternacht hinaus.
    Molly, deren Mutter zwar noch lebt aber außer Stande ist, für ein Kind zu sorgen, hat bereits eine lange "Karriere" als Pflegekind in verschiedenen Haushalten hinter sich. Sie hat gelernt, dass es besser ist, sich einen dicken Kokon zuzulegen und niemanden in ihr Innerstes hereinzulassen. Nur dann kann man die diversen Verletzungen durch die Menschen aushalten. Ihre aktuelle Pflegemutter sieht in ihr nur eine leichte Möglichkeit durch den Staat an etwas Extra-Geld zu kommen. Molly behandelt sie abweisend, ja fast verächtlich. Nach einem kleine Diebstahl muss Molly einige Sozialstunden absolvieren, wenn sie nicht ins Gefängnis will. Deshalb hilft sie der über 90-Jährigen Vivan beim ausmisten ihres großen Dachbodens. Dabei kommen sich die alte Frau und das junge Mädchen schnell näher und Molly erfährt, dass Vivian einst Niamh hieß und ebenfalls ein Schicksal in Pflegefamilien hatte.


    Christina Baker Kline schafft es, anhand ihrer zwei Hauptdarstellerin eindringlich zu erzählen, wie das Schicksal von Waisenkindern damals war und heute noch immer mit ähnlichen Problemen belastet ist. Wie die Kinder versuchen mit den psychischen Belastungen fertig zu werden, wie die Gesellschaft mit ihnen umging und umgeht und wie die jungen Menschen es dennoch schaffen können, ihren Platz zu finden auch wenn sie es unendlich schwerer haben, als Kinder aus intakten Familienverhältnissen. Die Methode der Kinderverschickung war an sich keine schlechte Idee aber die Auswahld und Überwachung der Pflegeeltern war damals noch sehr schlecht organisiert und die Kindererziehung ging nicht auf die besonderen Probleme der Waisenkinder ein. Aber auch heute noch ist es nicht immer einfach für elternlose Kinder, einen Platz zu finden, wo sie geliebt und aktzepiert werden.


    Das Buch ist trotz eines ruhigen und eher nüchternen Erzählstils an einigen Stellen sehr anrührend und traurig. Es macht wütend, wie viele Erwachsene mit den Kindern umgehen und ich habe Niamh und Molly für ihre Stärke bewundert. Ein hochinteressantes wichtiges Thema, einfühlsam aufbereitet und zum Nachdenken und Nachforschen animierend. Das aufschlussreiche Nachwort rundet den Roman ab und ich hebt noch den Gesamteindruck.


    Von mir gibt es auch 9 Punkte und eine Leseempfehlung. :-)

    Hollundergrüße :wave




    :lesend








    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, daß er tun kann, was er will, sondern daß er nicht tun muß, was er nicht will - Jean Rousseau)

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  • Christina Baker Kline erzählt in ihrem Buch „Der Zug der Waisen“ die Geschichte der sog. „Orphan Trains“, der Waisenzüge, die zwischen 1854 und dem Beginn der 1930er Jahre Hundertausende Waisenkinder von der Ostküste der USA in den Mittleren Westen brachten, wo man hoffte, dass sie in Familien aufgenommen werden und ein neues Zuhause finden würden. Was sich zunächst als ein gutes Hilfsangebot für die Kinder liest, stellte sich aber oft für die Kinder als alles andere als ein liebevolles Heim dar.


    Eines dieser Kinder ist Vivian, die wir zu Beginn des Romans als 91jährige Witwe kennenlernen, bei der die 17jährige Molly, die zweite Hauptfigur des Romans, gemeinnützige Arbeit ableisten soll, in dem sie der alten Dame beim Entrümpeln ihres Dachbodens helfen muss.
    Auf den ersten Blick haben beide nichts gemeinsam und Vivian und die nach außen hin rebellisch wirkende Molly scheinen Welten zu trennen. Doch Molly ist ebenfalls eine Waise. Sie lebt bei Pflegeeltern, mit denen das Zusammenleben nicht einfach ist.


    Im Laufe der gemeinsamen Arbeit beginnt Vivian ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Die Art und Weise wie die Autorin diese Geschichte erzählt, hat mich sehr berührt. Ich hatte beim Lesen das Gefühl mit Vivian gemeinsam zurückzublicken und konnte ihre Empfindungen dadurch sehr gut wahrnehmen. Das war nicht immer leicht, denn ihre Geschichte ist hart.
    Aber auch Mollys Leben und ihre Entwicklung, die sie im Laufe des Buches macht, hat mich bewegt.


    Beide Erzählstränge wechseln sich ab, wobei es der Autorin hervorragend gelingt, sowohl Vivian als auch Molly „eine Stimme“ zu geben. Beide Geschichten erfahren wir rein aus der Sicht der jeweiligen Erzählerin, was dazu führt, dass der Leser die weiteren Figuren ebenfalls nur aus einem Blickwinkel kennenlernt. Sie bleiben also eher eindimensional, was der Geschichte selbst aber nicht schadet, im Gegenteil.
    Die Autorin hat wohl beide Erzählperspektiven bewusst so gewählt, um die in Vergessenheit geratene Geschichte der "Orphan Trains" und die damit verbundenen Schicksale in Erinnerung zu rufen. Gleichzeitig hat sie versucht, die Problematik von Waisen bzw. Pflegekindern in der heutigen Zeit dem gegenüberzustellen und auch hier auf immer noch bestehende Probleme hinzuweisen.
    Das ist ihr gelungen.


    Herausheben möchte ich noch, das sehr informative Nachwort der Autorin. Hier kann man gut erkennen, warum sie die Geschichte von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende genauso erzählt, wie sie es getan hat.


    Die Bücher, die einen am meisten berühren in den Momenten, in denen einer Figur, die bis jetzt nur Schlimmes erlebt hat, endlich etwas Schönes widerfährt, sind etwas Besonderes. Die vergisst man meist nicht so schnell. Dieses ist so eins. Das Buch hat sicherlich kein leichtes Thema, aber ich habe es sehr, sehr gerne gelesen und es wird mich sicher noch eine Weile beschäftigen.
    Ich vergebe 10 Eulenpunkte.

  • Dieses Buch ist wieder eines der Schätzchen, auf die ich ohne die Büchereule nie aufmerksam geworden wäre!
    Mich hat das Buch sofort in seinen Bann gezogen, sowohl die Rahmenhandlung um Molly, das rebellische Pflegekind, das seine Sozialstunden bei der 91-jährigen Vivian ableisten muss und dabei nach und nach zu sich selbst findet, wie auch Vivians Geschichte, die als kleine Waise mit einem der Waisenzüge in den Mittleren Westen verschickt wurde und dort viel Schlimmes erleben musste, bis sie endlich doch noch Stabilität und ein halbwegs glückliches Leben finden konnte.


    Man merkt dem Buch an, dass die Autorin sehr gut recherchiert hat und mit viel Herzblut bei der Sache war. Sie lässt in Vivians Geschichte die damalige Zeit mit vielen historischen Details wieder lebendig werden und auch die Figuren wirken durch und durch lebendig und authentisch. Aber auch in Mollys Geschichte, die indianische Wurzeln hat, werden viele kleine Informationen über ihren Indianerstamm und deren Traditionen verwoben - besonders die Idee der "Portage" hat mich fasziniert und auch über die Lektüre hinaus noch eine Weile beschäftigt.


    Beide Handlungsstränge gingen mir beim Lesen sehr zu Herzen und oft war ich von meiner Lektüre so gefesselt, dass ich das Buch am liebsten gar nicht mehr aus der Hand gelegt hätte. Das Ende ist sehr versöhnlich und für meinen Geschmack fast schon ein wenig zu kitschig, aber das tut dem Lesevergnügen keinerlei Abbruch.


    Das Nachwort fand ich sehr informativ, gerade weil es auch einiges an Fotos mit beinhaltet, und ich kann mir gut vorstellen, dass es in den USA vielleicht den einen oder anderen Leser zu weiteren Nachforschungen animieren könnte.


    Von mir gibt es eine uneingeschränkte Lese-Empfehlung und 10 Eulenpunkte - das Buch ist einfach toll! :-)


    LG, Bella

  • Meine Meinung zum Buch:


    Titel: Zwei berührende Schicksale per Zufall vereint…


    Mich hat das Buch vor allem interessiert, weil ich noch nie von Waisenzügen in den USA gehört hatte und ich sehr gern Unterhaltungsromane mit historischem Touch lese. Das Buch hat mich definitiv überwältigt, ein Überraschungshit.


    Im Buch lernen wir die flippige, 17 jährige Molly kennen, deren Leben aus Revolution besteht, denn sie ist gegen alles und jeden und durch ihre Optik als Goth grenzt sie sich zusätzlich ab. Ihr Leben war bisher alles andere als leicht, wird sie doch von einer Pflegefamilie in die andere gereicht, weil ihr Vater tot ist und ihre Mutter im Knast sitzt. Als sie ein Bibliotheksbuch stiehlt, wird sie zu 50 Arbeitsstunden verdonnert, die sie bei einer 91 jährigen Dame abarbeiten muss, bei Vivian. Gemeinsam beginnen die gegensätzlichen Frauen den Dachboden von Vivian auszumisten, der voller Erinnerungen ist. Sehr bald merken die beiden, dass sie gar nicht so unterschiedlich sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Diese Begegnung wird ihr Leben für immer verändern, oder nicht?


    Die Autorin erzählt die Geschichte aus zwei Zeiten, denn mal wandeln wir in der Gegenwart im Jahr 2011 und mal in der Vergangenheit ab 1929. Mich konnte vor allem das Leben von Vivian sehr fesseln, denn sie musste sehr viel durchmachen. Die Autorin beleuchtet hier eine dunkle Zeit in der amerikanischen Geschichte, die mir bis dato absolut unbekannt war. Halbwaisen- und Waisenkinder, die als billige Arbeitskräfte in ländliche Regionen geschickt worden sind, anstatt ihnen ein neues Heim zum Wohlfühlen und Gedeihen zu bieten.


    Mich hat die Autorin mit diesem Roman sehr berührt. Sie hat die Ereignisse sehr sachlich und unkompliziert geschildert und ich empfand es als gelungen, dass sie zwei so unterschiedliche Schicksale miteinander verknüpft hat.


    Fazit: Ein beeindruckender Roman, den ich sehr gern gelesen habe und den ich uneingeschränkt empfehlen kann.


    Bewertung: 9/ 10 Eulenpunkten

  • Vielen Dank, dass ich dieses schöne Buch im Rahmen der Leserunde lesen durfte.


    In der Gegenwart lernen wir Molly kennen. Eine rebellische Jugendliche, die schon in mehreren Pflegefamilien untergebracht wurde und nun auch wieder nicht die ideale Familie gefunden hat. Da sie aufgrund eines Diebstahls Sozialstunden ableisten muss lernt sie die 91jährige Vivian kennen. Bei einer Aufräumaktion auf Vivians Dachboden entwickelt sich ein vertrauter Umgang. Beide erkennen viele Parallelen.
    In der Vergangenheit lernen wir das Leben von Vivian kennen. Als sie zur Waise wurde musste sie sich mit dem Waisenzug auf den Weg begeben und hoffen, dass eine gute Familie sie aufnimmt. Leider war die Realität ganz anders.


    Dieses ist ein wunderschöner aber auch trauriger Roman. Mit vielen Kindern habe ich mitgelitten und getrauert. Die flüssige Schreibweise hat immer zum Weiterlesen animiert. Obwohl ich mich mit dem Ende nicht ganz anfreunden kann vergebe ich aber die volle Punktzahl.
    Das Nachwort und die Fotos runden den gesamten Roman wunderbar ab.

  • Ich habe das Buch heute ausgelesen und muss sagen, ich bin tief bewegt.


    Als erstes muss ich erwähnen, dass ich noch nie zuvor von den "Orphan Trains" gehört habe - und ich bin froh, dass mein Bewusstsein für diesen Teil der amerikanischen Geschichte geweckt wurde. Es hat mich auch veranlasst, darüber zu recherchieren.


    Das Buch geht einem absolut unter die Haut. Das Schicksal dieser Waisenkinder ist furchtbar.


    Anhand Vivians Lebensgeschichte erfährt man hautnah, wie es einem Kind damals erging. Dabei wurden die Lebensumstände so plastisch geschildert, dass man sich in die Zeit zurückversetzt fühlte.


    Aber das allein ist noch nicht alles, sondern die Geschichte des kleinen Waisenmädchens verwebt sich mit der Geschichte desselben Mädchens als alte Frau - und als dritten Handlungsstrang lernen wir noch Molly kennen, die ebenfalls ein Pflegekind ist und mit Vivian in die Vergangenheit eintaucht, woraus eine wundervolle Freundschaft entsteht.


    Dabei ist aber immer alles klar strukturiert und in Kapitel gegliedert, so dass man die verschiedenen Lebensläufe nicht durcheinander bringt.


    Nicht zuletzt muss man hervorheben, dass Christina Baker Kline eine wundervolle Art des Erzählens hat, alles ist stimmig und die Ausdrucksweise sehr schön - ein absolut packendes, bewegendes Buch, das man kaum aus der Hand legen will.


    Den letzten Abschnitt konnte ich nur noch unter Tränen lesen.


    Absolut 10 Punkte!

  • Zum Inhalt haben hier bereits viele geschrieben, ich möchte mich auf meine Eindrücke beschränken.


    Ich habe vorher noch nie von den orphan trains gehört und wusste daher nicht, dass es diese gegeben hat. Eine entsetzliche Vorstellung, dass alle Waisen in einem Zug zusammengesammelt wurden und an wildfremde Menschen verteilt wurden. Dabei geschah es häufig, dass die Kinder nur als billige Arbeitskräfte aufgenommen wurden.


    In Christina Baker Klines Roman wird genau dies geschildert, die Autorin geht behutsam mit dem schwierigen Thema um. Eindrucksvoll schildert sie das Schicksal von Vivian, die erst durch mehrere "schlechte Familien/Erfahrungen" gehen muss, bevor sie ein halbwegs normales Familienleben findet.


    Molly ist ein schwieriges Mädel, welches in einer Pflegefamilie lebt. Mit dieser kommt sie nicht wirklich klar, sie bringt sich in Schwierigkeiten und muss Sozialstunden ableisten - bei Vivian. Diese erzählt Molly nach und nach ihre Geschichte.


    Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen, es liest sich "weg wie nix", ein richtiger Pageturner. Berührend und fesselnd, traurig und auch schön. Für mich ist Der Zug der Waisen mein persönliches Jahreshighlight, und das bereits vor Jahresende!


    Ich danke Wolke und dem Verlag :anbet , dass ich dieses Buch in der hiesigen Leserunde mitlesen durfte und vergebe die volle Eulenpunktzahl! :wave

    Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden. (Der Turm, S. King)


    Wir fächern die Zeit auf, so gut wir können, aber letztlich nimmt die Welt sie wieder ganz zurück. (Wolfsmond, S. King)


    Roland Deschain

  • Im Jahre 1929 in New York verliert Vivian Daly, 9 Jahre alt, bei einem Wohnungsbrand ihre ganze Familie. Sie ist die Tochter irischer Einwanderer und wird mit anderen Waisen in einen Zug gesteckt und in den mittleren Westen geschickt, wo sie ein neues Zuhause finden sollen. Sie wissen leider nicht wohin sie die Reise führt, denn es warten harte Zeiten auf fast alle Kinder.


    Erst mit 91 Jahren bricht Vivian ihr Schweigen und erzählt der jungen rebellischen Molly, die zufällig in ihr Leben getreten ist, ihr Schicksal.



    Von Anfang an war ich gefangen von dem Buch. Ich fühlte mich gleich in die Vergangenheit hineinversetzt und habe mit Vivian gelitten und mich auch für sie gefreut. Es waren damals wirklich harte Zeiten, vor allem für die meisten Waisenkinder. Ich war wirklich entsetzt wie mit den meisten Waisenkindern umgegangen wurde, da ich vorher noch nie etwas über den Orphan Train gehört hatte.


    Ich vergebe 10 Punkte. Das Buch ist mein Jahreshighlight für 2014.

  • Das Buch „Der Zug der Waisen“ handelt von Molly (17 Jahre) und Vivian (91 Jahre). Beide haben die Gemeinsamkeit das sie in Pflegefamilien aufgewachsen sind. Als Molly als disziplinarische Maßnahme bei Vivian mithelfen soll den Dachboden zu entrümpeln beginnen die beiden sich anzufreunden. Nach und nach erzählt Vivian Molly ihre Lebensgeschichte. Man erfährt was über die „Orphan Trains“ die bis um die 1930 Jahren Waisenkinder aus den Großstädten auf das Land gebracht habe um dort „Pflegefamilien“ zu finden. Was Vivian in der Zeit erlebt hat erzählt sie so nach und nach Molly.


    Für mich war es ein Buch was ich nicht mehr so schnell aus der Hand legen wollte denn der Schriftstellerin gelingt es die Geschichte so zu erzählen das man sich sofort im Lesesog befindet. Sie hat das Thema gut recherchiert. Auch für mich ist es mit eines der besten Bücher die ich in diesem Jahr gelesen habe.

  • Klappentext:
    Ein bewegender Roman über ein vergessenes Kapitel der amerikanischen Geschichte
    New York, 1929: Mit neun Jahren verliert Vivian Daly, Tochter irischer Einwanderer, bei einem Wohnungsbrand ihre gesamte Familie. Gemeinsam mit anderen Waisen wird sie kurzerhand in einen Zug verfrachtet und in den Mittleren Westen geschickt, wo die Kinder auf dem Land ein neues Zuhause finden sollen. Doch es ist eine Reise ins Ungewisse, denn nur die wenigsten von ihnen erwartet ein liebevolles Heim. Und auch Vivian stehen schwere Bewährungsproben bevor ... Erst viele Jahrzehnte später eröffnet sich für die inzwischen Einundneunzigjährige in der Begegnung mit der rebellischen Molly die Möglichkeit, das Schweigen über ihr Schicksal zu brechen.


    Produktinformation:
    Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
    Verlag: Goldmann Verlag (10. November 2014)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 344231383X
    ISBN-13: 978-3442313839
    Originaltitel: Orphan Train


    Meine Meinung:
    Die Geschichte wird in zwei Zeitsträngen erzählt. Zum einen lernen wir in der Gegenwart Molly kennen, die bei Pflegeeltern aufwächst. Nachdem sie in der Bücherei beim Stehlen eines Buches erwischt wird, muss sie Sozialarbeit leisten. Diese Stunden will sie bei der 91 jährigen Vivian ableisten, indem sie deren Dachboden aufräumt. Mit der Zeit erfährt Molly immer mehr über das Leben von Vivian, die als Kind als Waise auch bei mehreren Pflegefamilien aufgewachsen ist.
    Die Autorin versteht es hervorragend, die beiden Zeitstränge miteinander zu verknüpfen. Die Hintergrundinformationen über die sogenannten Orphan-Trains sind sehr interessant und die Atmosphäre hat sie Autorin sehr anschaulich geschildert. Man kann deutlich spüren, dass hier intensiv recherchiert wurde. Auch das angefügte Nachwort ist sehr interessant und liefert noch einen Einblick auf die tatsächlichen Vorkommnisse während die Transporte der Waisenkinder.
    Mich hat das Buch sehr berührt, und ich fand es äußerst informativ. Es hat mir viel Spaß gemacht, es zu lesen.


    9 von 10 euelnpunkten