Fredy Neptune - Les Murray

  • Gebundene Ausgabe: 500 Seiten
    Verlag: Ammann


    Aus dem australischen Englisch von Thomas Eichhorn.


    Kurzbeschreibung:
    Friedrich Boettcher, alias Fredy Neptune, der australische Seemann aus einer deutschen Immigrantenfamilie, wird während des Ersten Weltkriegs Zeuge der türkischen Greueltaten gegen die Armenier. Als er sieht, wie eine Gruppe von Frauen bei lebendigem Leib verbrannt wird, ist das der Schock seines Lebens. Er merkt, daß er von nun an keine Empfindungen mehr wahrnimmt, allerdings fortan zu immensen Kraftleistungen im Stande ist. Fredy versucht, nach Australien zurückzukehren, doch seine deutsche Herkunft wird ihm zur Last gelegt, womit kaum mehr ein Ort existiert, wohin er heimkehren könnte. Und so wird Fredy ins kalte Wasser der Geschichte geworfen und kämpft darum, den Kopf oben zu behalten. Die Umstände führen ihn nach Amerika, wo er sich als Hobo durchschlägt und in Hollywood kleine Filmrollen übernimmt, und nach Deutschland.


    Über den Autor:
    Leslie Allan (»Les«) Murray, geboren 1938 in New South Wales/Australien, studierte in Sydney moderne Sprachen. Er ist Preisträger zahlreicher renommierter Literaturpreise, unter anderen des Grace Leven Prize for Poetry, des T.S.Eliot Prize und der Queen's Gold Medal for Poetry. 1995 gewann er den Petrarca-Preis. Seine Werke wurden bereits in ein halbes Dutzend Sprachen übersetzt.


    Über den Übersetzer:
    Thomas Eichhorn, geboren 1962 in Steinach, Thüringen, arbeitet seit 1994 als freiberuflicher literarischer Übersetzer. Er hat u.a. Arthur Rimbaud, William Blake und Peter Ackroyd ins Deutsche übertragen.


    Mein Eindruck:
    Fredy Neptune! Was für ein Koloss von einem Buch!


    Zweisprachig (Deutsch und Englisch) gestaltet, die Seiten Extralarge und auf jeder Seite steckt mehr drin, als andere Autoren in einem ganzen Buch verarbeiten.


    Der australische Lyriker Les Murray nennt dieses Opus seine heimliche Autobiografie.
    Es handelt von einem Mann namens Fredy Böttcher, der als Seemann und vielen anderen Berufen durch fast die ganze Welt streift. Als junger Mann musste er hilflos einen Völkermord mit ansehen, bei dem armenische Frauen bei lebendigem Leib verbrannt wurden. Dieses schreckliche Ereignis traumatisiert ihn so, dass er fortan körperlich gefühllos wurde. Zusammen mit seiner gewaltigen Körperkraft verleiht ihm das jedoch die Fähigkeit, Gefahren zu überstehen. Sein Vorteil ist natürlich auch sein Fluch, den er muss auch gegen emotionale Gefühllosigkeit ankämpfen, und Fredy ist kein gleichgültiger Mensch. Wenn er nicht selber jede Menge Ärger hat, ist er meistens auf der Seite der Underdogs und Unterdrückten. Dabei gefällt mir gut, das Fredy nie als Superheld dargestellt ist, seine Stärken und Schwächen bestimmen sein Leben.


    Er reist durch die Welt, ist nicht nur Seemann, sondern auch Artist und Kraftmensch im Zirkus, fliegt Zeppeline und wird Tramp. Ganz unten angekommen, wird er überraschend Filmstatist im frühen Hollywood, z.B. beim Film Im Westen nichts Neues. Er lernt sogar Marlene Dietrich kennen, die ihm Gedichte vorträgt. Doch es zieht ihn wieder in die Heimat, wo er auch Frau und Sohn hat. Doch zunächst gibt es wieder dunkle Zeiten, als er in Deutschland landet, wo Hitler gerade an die Macht kommt.


    Fredy Neptune ist ein umfangreicher Roman, ein Versroman, der durch Derek Walcotts Omeros inspiriert wurde.


    Les Murray hat sprachlich und inhaltlich mit diesem Buch vieles übertroffen, was die zeitgenössische Literatur zu bieten hat. Er hat einen modernen Klassiker geschaffen. Ich habe mit großen Unterbrechungen tatsächlich 4 Jahre an dem Roman gelesen. Oft ist es nicht einfach, alles zu verstehen. Es gibt viele Anspielungen, auch Dialekt. Aber es hat sich sehr gelohnt.