Nancy Krahlisch - Seemannsbraut

  • Über den Autor
    Nancy Krahlisch, geboren 1979 im Süden Brandenburgs, studierte Journalistik in Bremen und Stoke on Trent/England. Während ihrer Ausbildung arbeitete sie unter anderem für das ZDF und den Stern. Seit 2003 wohnt sie in Berlin und ist Redakteurin bei der Berliner Zeitung. Nancy Krahlisch ist eine überzeugte Landratte. Nicht nur, weil ihr auf dem Wasser schnell übel wird. Der Liebe wegen durchkreuzt sie nun aber doch hin und wieder die Weltmeere.


    Kurzbeschreibung
    Heribert ist Seemann, Nancy Landratte in Berlin. Oft sehen sie sich vier, sechs Monate lang nicht. Wenn Heribert durch Piratengewässer oder Sturmgebiete fährt, ist Nancy durchaus bang. Auch weil sie über Wochen nichts von ihm hört.


    Nein, alltäglich ist diese Beziehung nicht. Und was für Heribert und Nancy einfach
    Liebe ist, ist doch die vielleicht längste Fernbeziehung der Welt.


    Meine Rezension
    Nancy Krahlisch, die als Journalistin arbeitet, ist etwas, das sie vermutlich nie sein wollte: eine Seemansbraut. Acht Monate im Jahr ist ihr jetziger Ehemann Heribert Riesenhuber als Kapitän von Frachtschiffen auf allen Weltmeeren unterwegs. Nach vier Monaten auf See kommt er wieder für zwei Monate nach Hause, um danach erneut in See zu stechen.


    Nancy Krahlisch berichtet uns hier von ihrem Leben. Ich muß allerdings gestehen, daß ich mit ihr - zumindest so, wie sie sich und ihr Leben im Buch darstellt - nicht so recht warm geworden bin.


    Wenn Heribert zuhause ist, richtet sie ihr Leben völlig nach ihm aus und vernachlässigt ihre Freunde, weil sie am liebsten jede Sekunde mit ihm verbringen möchte. Ist er weg, fällt sie erst in ein tiefes, schwarzes Loch und kümmert sich erst dann anschließend wieder um ihre sozialen Kontakte.


    Witzig fand ich hierbei allerdings, daß beide in seiner "Heimatzeit" zunehmen und in ihrer getrennten Zeit wieder abnehmen. Er, weil er an Bord viel unterwegs ist und oft keine geregelten Mahlzeiten hat und sie, weil sie sich ganz anders ernährt, wenn er auf See ist und z.B. kaum Fleisch ist.


    Ist er nicht da, würde sie am liebsten nicht mehr in Bars oder auf Parties gehen - sie könnte ja seinen Anruf verpassen.mZu den Ritualen nach seinem Abschied gehört auch, ihn erst einmal "wegzuputzen" und alle seine Sachen wegzuräumen. Das ist etwas, das ich irgendwie befremdlich fand.


    Für mich fühlte sich das Buch so an: er hat das interessante Leben und sieht die Welt. Sie kreiselt nur um ihn, vermisst ihn … und jammert. Sicher, er vermisst sie auch sehr - das kommt in den abgedruckten Briefen ganz deutlich durch. Dennoch vermitteln sie für mich ein ganz anderes Stimmungsbild.


    Seine Schilderungen sind interessant und positiv, egal wo er gerade steckt und was er gerade tut. Ihre Gedanken sind immer irgendwie "ja, aber …." Ich hatte das Gefühl, sie lebt ein Leben in Warteschleife und ohne ihn ist alles nur halb so viel wert. Egal, wo sie ist - auf einer Party oder der Hochzeit ihrer besten Freundin in Sidney. Immer überlegt sie, wie es wohl wäre, wenn er dabei ist. Man hat das Gefühl, sie kann richtig unbeschwerten Spaß und Freude - ohne auch nur einmal an ihn zu denken - nicht zulassen.


    Immer erwähnt sie, daß sie noch nie Weihnachten, Silvester etc. zusammen verbracht haben und nun schon wieder sein / ihr Geburtstag oder der Jahrestag anstehen und sie wieder alleine ist. Ich hatte immer das Gefühl, auch nach den vielen Jahren, in denen sie nun schon zusammen sind, kann sie sich einfach nicht mit der Tatsache arrangieren, daß sie 2/3 des Jahres ein ICH ist und nur 1/3 davon ein WIR.


    Ich habe noch ein paar Interviews mit ihr gelesen, die diesen Eindruck leider allesamt noch bestätigt haben.


    Ich muß zugeben, daß ich mir hier mehr über das Leben als Paar in so einer ungewöhnlichen Beziehung vorgestellt habe. Letztlich war es - überspitzt und ein wenig böse ausgedrückt - letztlich mehr ein Bericht über das Leben (und vor allem Leiden) einer Frau, deren Partner sehr viel in der Ferne schweift. Dabei muß es das nicht sein. Die Autorin ist als Journalistin tätig und hat mit Sicherheit auch ohne den ständigen Partner an seiner Seite ein interessantes und eigenständiges Leben.


    Doch trotz dieser Kritik habe ich das Buch gerne gelesen. Das Leben auf einem Frachtschiff ist sicher sehr ungewöhnlich und interessant und Beziehungen zu Seemännern aufgrund der großen Distanz und der vielen "Solo-Zeiten" sicher auch nicht einfach.


    Besonders interessant fand ich das Reisetagebuch, als Nancy ihren Heribert ein paar Wochen auf dem Schiff begleitet. Hier wird das Bordleben viel transparenter und man kann sich ein wenig drunter vorstellen, wie es sich auf hoher See so lebt.


    Diese Passagen haben mich ein wenig an JELLA erinnert, in dem eine junge Frau ebenfalls über ihre Reise auf einem Containerschiff berichtet.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)