Arno Geiger - Selbstporträt mit Flusspferd

  • Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
    Verlag: Carl Hanser Verlag
    ISBN-13: 978-3446247611


    Der Verlag über das Buch (Quelle: hanser-literaturverlage.de)
    Die Geschichte einer Trennung, einer Liebe und eines Flusspferds. Arno Geiger erzählt von der Schwierigkeit des Erwachsenwerdens.


    Wie fühlt es sich an, heute jung zu sein? Arno Geiger erzählt von Julian, einem Studenten der Veterinärmedizin, der seine erste Trennung erlebt und erstaunt ist, wie viel Unordnung so eine Trennung schafft. Um die Unordnung ein wenig zu lindern, übernimmt er bei Professor Beham die Pflege eines Zwergflusspferds, das bald den Rhythmus des Sommers bestimmt: es isst, gähnt, taucht und stinkt. Julian verliebt sich in Aiko, die Tochter des Professors, verfolgt beunruhigt, wie täglich Schockwellen von Katastrophen um den Erdball fluten und durchlebt eine Zeit des Umbruchs und Neuanfangs. Ein Roman über die Suche nach einem Platz in der Welt.


    Der Verlag über de Autor (Quelle: hanser-literaturverlage.de)
    Arno Geiger, 1968 geboren, lebt in Wolfurt und Wien. Sein Werk erscheint bei Hanser, zuletzt Alles über Sally (2009) und Der alte König in seinem Exil (2011). Er erhielt u. a. den Deutschen Buchpreis (2005), den Hebel-Preis (2008), den Hölderlin-Preis (2011) und den Literaturpreis der Adenauer-Stiftung (2011).



    Gedanken zum Buch
    Wien 2004. Der 22-jährige Julian, Student der Veterinärmedizin, wird von Judith verlassen, das kam nicht unverhofft, sondern deutete sich schon über längere Zeit an. Nur jetzt zog Judith den Schlussstrich, weil die Zeit günstig war und momentan für keinen Prüfungen anstanden, deren Vorbereitung durch eine solche Entscheidung gestört werde könnte. Julian muss die Wohnung verlassen, für deren Nutzung Judiths Vater nachträglich noch einen Mietanteil von ihm fordert. Nun muss er schauen, wie er über die Runden kommt, seine Schulden bezahlt und sein Leben neu ausrichtet. Zunächst kommt er bei einem Freund unter, der ihm auch gleich, weil er mehr Lust auf Urlaub hat, seinen Job überlässt, der darin besteht, das Zwergflusspferd von Professor Beham zu versorgen. Sein Tagesablauf wird schnell durch den des Flusspferdes bestimmt. Im Gleichklang der Sommertage reflektiert Julian über sich und seinen Standort in der Welt. Er lernt aber auch Aiko, die Tochter des Professors kennen und verliebt sich in sie.


    Ein wenig war ich irritiert, wie unreif und unfertig der Protagonist Julian mit seinen 22 Jahren war. Er war ein durchaus intelligenter und kluger Kopf, seinen Platz im Leben hat er allerdings noch nicht gefunden, davon war er sogar noch weit entfernt. So reihten sich zunächst auch banale Gedanken aneinander und und mit dem Jüngelchen und sein Gehangel zwischen Liebeskummer, Entscheidungslosigkeit, Weltschmerz und Orientierungslosigkeit konnte ich mich nur schwer erwärmen. Auch die sich langsam entwickelnde Beziehung zu Aiko, die ihm immer wieder bescheinigt, noch die Eierschalen hinter den Ohren zu haben, kam mir ebenso skurril vor wie die Beziehung, die er zu dem Zwergflusspferd entwickelt. Obwohl der Roman von Julian, dem Ich-Erzähler recht persönlich erzählt wird, blieb sie für mich deutlich spürbar eine Fiktion, auf die ich mich nur schwer einlassen konnte. So wie dem Protagonisten die Orientierung fehlte und er danach, bzw. nach einer Person, die sie ihm geben konnte, suchte, so suchte ich etwas die Originalität des Helden. Er war mir zu blass und austauschbar. Aber wahrscheinlich, ist das genau das Bild, das Julian von sich auch hat.


    Erst die letzten einhundert Seiten des Romans versöhnten mich mit meiner Entscheidung, das Buch nicht vorzeitig zur Seite gelegt zu haben. Dann wurde die Geschichte runder, Julian begann mehr zu agieren, ließ sich weniger treiben und seine Gedanken wurden tiefer. So machte er wirklich noch eine Entwicklung durch, mit der ich nicht mehr gerechnet hätte.


    Zitat

    „Gehe ich rechts oder links? Mache ich mein Studium fertig oder nicht? Wird eine stabile Persönlichkeit aus mir oder ein Niemand, der nichts auf die Reihe kriegt und von allen herumgeblasen wird? Finde ich meinen Platz oder gehe ich unter.An allen Möglichkeiten bin ich nahe dran. Wenn mir ein, zwei Fehler unterlaufen und ich einmal richtig Pech habe, befinde ich mich im freien Fall. Denn alle Wege, die mir lohnenswert erscheinen, sind gefährlich -“ (S. 276)


    Auch wenn ich mit dem Buch zunächst sehr fremdelte, lag dies nicht an der sprachlichen Gestaltung des Romans, sondern an den Problemen, die ich generell mit Mitmenschen habe, die sich dermaßen treiben lassen, im Selbstmitleid suhlen und die Unentschlossenheit leben.


    So lässt mich „Selbstporträt mit Flusspferd“ etwas zwiegespalten zurück. Nein, ich musste mich nicht wirklich durch den Roman quälen. Eher hätte ich Julian gern auf den richtigen, besser gesagt auf einen Weg gebracht. Aber eigentlich haben bereits die ersten Seiten dieses Romans gezeigt, dass er diesen schlussendlich auch selbst gefunden haben muss, was mich dann doch wieder versöhnlich stimmt.


    7 von 10 Eulenpunkten

  • Julian ist 22 und ist derzeit Flusspferdpfleger bei Professor Beham. Die Aufgabe das Zwergflusspferd, das eins der letzten seiner Rasse ist, zu versorgen, hat er angenommen um sich abzulenken. Denn erst vor Kurzem ist die Beziehung zu seiner Langzeitfreundin Judith in die Brüche gegangen. Die Trennung verlief in beiderseitigem Einverständnis und doch fühlt sich Julian etwas mehr davon betroffen. Er hat das Gefühl Judith zu vermissen, für uns Hörer / Leser stellt sich schnell heraus, dass er lediglich Opfer seiner eigenen Gewohnheit ist.


    Dies ändert sich erst, als er Aiko kennenlernt. Die eigensinnige uneheliche Tochter des Professors, die vehement französisch mit ihrem Vater spricht, obwohl dieser behauptet, dass er dieser Sprache überhaupt nicht mächtig ist. Sie bringt wieder etwas Schwung in Julians Leben, sorgt allerdings auch dafür, dass er sich selbst zunächst immer unsicherer wird. Seine Suche nach sich selbst, ist auch mit ihr noch lange nicht abgeschlossen.


    Ich mag es eigentlich gar nicht Bücher als "Porträt einer Generation" zu bezeichnen, da man keine Generation über einen Kamm scheren kann. Geiger schreibt hier von der Sinnsuche, den Möglichkeiten über den eigenen Lebensweg zu bestimmen. Gedankengänge mit denen wir uns vermutlich ganz besonders im Alter des Erwachsenwerdens beschäftigen.


    "Selbstporträt mit Flusspferd" und ich haben eine Weile gebraucht, bis wir eins wurden. Bis ich mir sicher war Geigers Gedanken zustimmen zu können und einen Weg mit ihnen beschreiten zu können. Julian hat es mir nicht ganz leicht gemacht. Die Trägheit mit der er in seinem Leben, das eigentlich aus Neugier, Spannung und ausprobieren bestehen sollte, begegnet, hat mich ein wenig abgestoßen. Adam Nümm hat dieses Gefühl, das mir sehr fremd ist, so perfekt umgesetzt, dass ich mich lange Zeit fehl am Platz fühlte. Erst Aiko konnte dies ändern, auch wenn sie mit ihrer dreisten, unentschlossenen und teils rücksichtslosen Art eher keine Sympathien bei mir wecken konnte.


    Mein liebster Charakter (außer dem Flusspferd) ist der Professor, der all die Eskapaden und Versuche der jungen Leute, einen geeigneten Weg einzuschlagen, mit Ruhe und Gelassenheit aufnimmt. Die Ruhe, die bei Julian fehl am Platz ist, dem Professor aber gut zu Gesichte steht.


    Und so landen wir doch wieder bei dem Begriff "Generationenroman", denn man sollte zwar jedes Mitglied einer Generation individuell betrachten, kann ihnen aber einige Eigenschaften zuschreiben, für deren Erfüllung sie in ihrem Lebensabschnitt zuständig sind. Auch, wenn ich ein wenig gebraucht habe mit Julian und dem zu ihm gehörigen Erzählton zurecht zu kommen, hat mich Arno Geiger im Endeffekt überzeugen können.

  • Ich bin ein Fan des klaren und ökonomischen Ausdrucks. Manchmal war mir die Sprache zu geziert und zu verziert. Das wirkte aufgetakelt. Dennoch kann man dem Autor keinesfalls absprechen, dass er schreiben kann. Wahrhaftig, das kann er. Und mein Empfinden bezüglich des Stils ist eher Geschmackssache.


    Bisweilen wusste ich nicht so genau, was der Autor exakt ausdrücken wollte. Das Werk ist ein Sammelsurium - ein bisschen Coming of Age, vielleicht ein wenig Spätjugendbuch, dann findet man ein bisschen Gesellschaftskritik und zuletzt eine Chronik der ersten großen Liebe. Sicherlich habe ich noch was vergessen. Ein kleines Buch über alles und nichts richtig?


    Die Charaktere haben mir ausgesprochen gut gefallen. Der Protagonist, den man in sich spüren kann, mit dem man mitleidet, seine Ex, seine Mitbewohnerin, sein Freund, der todkranke Professor, dessen durchgeknallte Tochter. Nicht zuletzt das Flusspferd, von dem wir alle etwas lernen könnten, falls wir genau hinschauen. Mit Ausnahme des Flusspferds haben alle eine Macke. Realistisch? Vielleicht war das ein bisschen zu viel des Guten.


    Hätte ich das Buch als Zwanzigjähriger gelesen, hätte ich mehr mitnehmen können. Damit bin ich bei der richtigen Zielgruppe: Achtzehn- bis Fünfundzwanzigjährige. Ihnen kann ich das Buch empfehlen. Ganz bestimmt!