Über den Wolken. Kurioses aus dem Fliegeralltag - Claudia Busch

  • Claudia Busch: Über den Wolken. Kurioses aus dem Fliegeralltag, Köln 2014, Bastei Lübbe AG, ISBN 978-3404607952, Klappenbroschur, 266 Seiten, Format: 12,8 x 2,8 x 18,5 cm, Buch: EUR 8,99, Kindle Edition: EUR 7,49. Auch als Hörbuch-Download und Audio-CD erhältlich.


    Hochzeit, Haus, Hund und der Horrorjob als Lehrerin, den sie sich ganz anders vorgestellt hat – das sind die Perspektiven der 25jährigen Claudia Busch. Will sie das alles selber oder möchten das nur die anderen? Wenn sie ehrlich ist, will sie lieber Freiheit, Freunde und – fliegen. Der Job ihres Kumpels Michael hat es ihr angetan. Er ist Flugbegleiter.


    Claudia zieht die Notbremse. Sie lässt ihre sichere Laufbahn als Lehrerin sausen, löst ihre Verlobung und beginnt eine Ausbildung zur Flugbegleiterin. Ihre Angehörigen sind entsetzt: Saftschubse will sie werden! Wo sie es doch so ein tolles und sicheres Leben hätte haben können!


    Dass man als Flugbegleiterin weit mehr ist als nur eine Kellnerin in der Luft, ist Claudias Familie nicht klar. Und auch manch ein Bewerber unterschätzt die Ausbildung. Es reicht nicht, wenn man gut aussieht, etwas vom Schminken versteht und mal in einer Castingshow aufgetreten ist. Das muss die Kursteilnehmerin Fiona schmerzlich erfahren: Sie hat das Lernen nicht ernst genug genommen. Claudia kämpft mit den Flughafenkürzeln und dem Kofferpacken, Kollegin Mia mit dem Styling, und so mancher, der vorher große Töne gespuckt hat, kommt über den theoretischen Teil der Ausbildung gar nicht hinaus.


    Erst im praktischen Teil, bei den Check-Flügen wird sich zeigen, wer wirklich das Zeug zu diesem Job hat. Da geht’s nämlich für die Azubis auf echte Flüge mit echten Passagieren – und mit ganz realen Problemen. Nun beginnt das, worauf wohl die meisten Leser warten: Die dramatischen, die unfassbaren und die lustigen Erlebnisse an Bord, der Stress mit der Technik, der Organisation und natürlich mit den Sorgen, Nöten und Ansprüchen der „Paxe“ (Passagiere).


    Claudia bekommt es mit medizinischen Notfällen zu tun, mit ungebärdigen Haustieren, überforderten Eltern, allein reisenden Schulkindern, übertrieben anspruchsvollen, hemmungslos streitende oder psychisch auffälligen Reisenden. Und ein uns andere Mal kommt’s zum Kulturclash, wenn z.B. männliche Passagiere, die sich von Haus aus nichts von Frauen sagen lassen, hier auf Damen treffen, die das Sagen haben.


    Auch ein paar deftige Geschichten gibt’s. Alles, was mit der Flugzeugtoilette zusammenhängt, sollte man tunlichst nicht in der Öffentlichkeit (Bahn oder Flugzeug) lesen. Es sei denn, man kann damit leben, von den Mitmenschen schräg angeschaut zu werden, wenn man grinst oder kichert. Und das verliebte Pärchen, das unbedingt dem Mile-High-Club beitreten will, ist auch nicht ohne. Die Reaktionen der peinlich berührten Mitreisenden kann man sich sehr gut vorstellen.


    Vielleicht erkennt der Leser auch eigene Flugerlebnisse wieder. Dass jemand zentnerschweres Baumaterial als Handgepäck mit an Bord schleift, habe ich schon miterlebt. Und auch Tiere in der Passagierkabine haben mitunter für Hysterie und Aufregung gesorgt.


    Auch wenn das Personal bei Langstreckenflügen nur wenige Tage Aufenthalt in den Zielländern hat und die Zeit eher zum Ausruhen als zum Herumreisen nutzt, sehen Claudia und ihre Kollegen doch ein bisschen etwas von der Welt. Sie bereut es keine Sekunde, ihr altes Leben hinter sich gelassen zu haben und Flugbegleiterin geworden zu sein. Auch ihr Ex-Verlobter fehlt ihr nicht. Einen Partner hätte sie schon gerne wieder an ihrer Seite. Aber wie soll das funktionieren, wenn sie dauernd unterwegs ist? Ihre Freundin und Kollegin Mia ist mit einem Berufskollegen liiert, und da dreht sich alles um die Vereinbarkeit ihrer Dienstpläne.


    Nette Männer gibt es auch unter den Passagieren. Der Geschäftsmann Tom, der regelmäßig zwischen Frankfurt und München pendelt, ist so einer ... und durchaus interessiert. Aber hätte eine Beziehung eine Chance, bei der man sich selten sieht und dazu noch ständig zwischen Düsseldorf, Frankfurt und München hin- und herreisen müsste? Das klingt doch schon von vornherein nach Stress und Komplikationen. Wir ahnten es schon: Sonderlich familienfreundlich ist dieser Beruf nicht.


    Jobs mit viel Kontakt zu Menschen sind ja immer für ein paar Schwänke gut. Die haarsträubenden Anekdoten aus Claudias Berufsleben nehmen denn auch den größten Teil des Buchs ein, doch es ist keine reine Sammlung mit Stewardessen-Kurzgeschichten. ÜBER DEN WOLKEN erzählt chronologisch aus dem Leben einer Flugbegleiterin. Auch Claudias Vorgeschichte, ihre Ausbildung und ihr Privatleben spielen eine Rolle.


    Wer schon immer wissen wollte, wie es beim Fliegen hinter den Kulissen zugeht und ob Flugbegleiter/in tatsächlich ein Traumjob ist, kann sich hier auf unterhaltsame Art informieren – und selbst entscheiden, ob das fliegende Personal eher zu beneiden oder zu bemitleiden ist.


    Womit Passagiere dem Personal auf die Nerven gehen, erfahren wir in diesem Buch auch. Diese Nerverei wird sich allerdings nie komplett vermeiden lassen. Nicht weil die Leute doof sind, sondern weil es immer wieder Neulinge und ungeübte Gelegenheitspassagiere geben wird, die mit den Vorgängen an Bord einfach nicht vertraut sind. Auch so ein „Pax“ muss schließlich erst lernen, was von ihm erwartet wird.


    Die Nachteile, die dieser Beruf mit sich bringt, scheint Claudia Busch gerne in Kauf zu nehmen. Auch nach mehr als zehn Jahren im Dienste der Fluggesellschaft sagt sie: „Ich würde nie in einem Büro sitzen oder vor einer Schulklasse stehen wollen, solange ich stattdessen, diesen abwechslungsreichen, aufregenden und spannenden Beruf ausüben kann. Das Fliegen hat für mich noch lange nicht seinen Reiz verloren.“ (Seite 266)


    Die Autorin
    Claudia Busch, 1977 in Moers geboren, studierte Deutsch und Geografie auf Lehramt. Nach ihrem Referendariat entscheidet sie sich gegen den Schuldienst, um ihrem Traumberuf nachzugehen. Sie absolviert eine Ausbildung zur Stewardess. Mittlerweile arbeitet sie seit zehn Jahren als Flugbegleiterin bei einer bekannten deutschen Airline. Zusammen mit ihrer Familie wohnt sie in der Nähe von Düsseldorf.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner