Die heilige Jungfrau vom Nil - Scholastique Mukasonga

  • Verlag: Wunderhorn
    OT: Notre-Dame du Nil
    Aus dem Französischen von Andreas Jandl


    Kurzbeschreibung:
    Ruanda in den 1970ern: Hoch in den Bergen, nahe einer der Quellen des Nils, liegt das christliche Mädcheninternat Notre-Dame-vom-Nil. Mädchen aus einflussreichen Familien erhalten hier unter strenger katholischer Aufsicht fernab allen Verführungen der Großstadt ihre Schulbildung. Die meisten Mädchen sind aus gutem Haus und größtenteils Hutus. Die Aufnahme der Tutsi ist durch eine 10% Quote geregelt. Vor dem Hintergrund der aufkommenden Gewalt, die zwanzig Jahre später zum verheerenden ruandischen Völkermord eskaliert, schildert dieser Roman den Schulalltag der Töchter ranghoher Politiker, Militärs, Geschäftsleute und Diplomaten einerseits, sowie mittelloser Bauern andererseits. Die Schule wird zu einem faszinierenden Mikrokosmos der politischen Realität Ruandas in den 70 er Jahren.


    Über die Autorin:
    Scholastique Mukasonga, geboren 1956 in Ruanda, musste aus politischen Gründen 1973 nach Burundi ins Exil. Seit 1992 lebt sie in Frankreich, wo ihre Bücher von Gallimard verlegt werden. Notre-Dame vom Nil ist bereits ihr viertes Buch und wurde 2012 mit dem »Prix Renaudot« ausgezeichnet.


    Über den Übersetzer:
    Andreas Jandl, geboren 1975, studierte Theaterwissenschaften, Anglistik und Romanistik in Berlin, London und Montréal. Seit 2000 arbeitet er freiberuflich als Redaktionsassistent, Dramaturg und Übersetzer aus dem Englischen und Französischen. Zu seinen Übersetzungen gehören Theaterstucke und Romane u.a. von Daniel Danis, Nicolas Dickner, Mike Kenny, Michael Mackenzie, Gaétan Soucy und Jennifer Tremblay.


    Mein Eindruck:
    Der Wunderhorn-Verlag hat mit diesem Roman ein Buch in gelungener Aufmachung veröffentlicht.


    Bei einem Roman aus Ruanda erwartet man als Leser natürlich als Hauptthema den Völkermord an die Tutsi, der Minderhiet in Ruanda.
    Das ist bei “Die heilige Jungfrau vom Nil“ natürlich auch der Fall, aber ungewöhnlicherweise ist die Handlung Anfang der siebziger Jahre angesiedelt, also rund 20 Jahre vor dem Genozid.


    Die Heilige Jungfrau am Nil ist der Name einer Schule, genauer einem katholischen Mädchen-Pensionat für die Kinder der Elite des Landes.
    90 Prozent der Schülerinnen sind Hutu, nur wenige Tutsi sind dabei.
    Manchmal wird das nicht so deutlich, da alle Mädchen bei katholischen Namen wie Veronika oder Virginia genannt werden. Ihre Außenseiterrolle ist dennoch klar definiert.


    Die in Ruanda geborene Autorin Scholastique Mukasonga macht dadurch deutlich, dass das Denken in ethnischen Kategorien schon früh verbreitet war, sogar bis in die Köpfe der Mädchen hinein. Nicht umsonst beginnt manch hetzerische Satz mit „Mein Vater sagt, …“

    Die meisten Passagen liest man vom Alltag der Mädchen, Träume und Ziele unterscheiden sich eigentlich kaum zwischen ihnen. Doch immer wieder zeigt sich, wie die Tutsi-Mädchen selbst bei alltäglichen Abläufen benachteiligt werden.


    Der Roman leidet meiner Meinung nach daran, dass die Figurenentwicklung nicht so sehr in die Tiefe geht und die Figuren deshalb wenig Profil haben.


    Positiv jedoch, wie geschickt die Autorin die Gesellschaft abbildet. Auch der Einfluss der ehemaligen Kolonialmächte wie Belgien (bis 1962) wird nicht positiv gezeigt, schon gar nicht das Auftreten der Armee. “Wir Ruander müssen die Tutsi immer wieder daran erinnern, dass sie nur Ungeziefer sind.”


    Im Bewusstsein der unmenschlichen Grausamkeiten, die kommen werden, lassen einen solche Sätze schlucken und man liest sie nur mit Beklemmung, die sich zum Ende hin noch steigert.
    Der größte Teil des Roman zeichnet sich aber durch eine gute Lesbarkeit aus.


    Der im Original 2012 erschienene Roman “Die heilige Jungfrau vom Nil” ist für den LiBeraturpreis 2015 nominiert. Das hat der Roman verdient, dass er aber auch gewinnt, bezweifle ich. Dafür dass die Autorin zeigt, was dem brutalen Völkermord in Ruanda vorausging, wäre es aber vielleicht wirklich verdient.