Der Autor (Quelle: Amazon)
Thilo Sarrazin ist einer der profiliertesten politischen Köpfe der Republik, ein Querdenker, der sich nicht scheut, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Als Fachökonom war er Spitzenbeamter und Politiker, er war verantwortlich für Konzeption und Durchführung der deutschen Währungsunion, arbeitete für die Treuhand und saß im Vorstand der Deutschen Bahn Netz AG. Von 2002 bis 2009 war er Finanzsenator in Berlin, anschließend eineinhalb Jahre Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank. Sein Buch "Deutschland schafft sich ab" (2010) wurde ein Millionenerfolg und löste eine große gesellschaftliche Debatte aus. Bei der DVA erschien zuletzt von ihm "Europa braucht den Euro nicht" (2012).
Das Buch (Quelle: Amazon)
Mit der drohenden Staatspleite einzelner Länder hat der Traum von der Europäischen Währungsunion seinen Glanz eingebüßt und seine Risiken offenbart. Angela Merkels Diktum „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ versucht die Währungsfrage in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Das tut auch Thilo Sarrazin in seinem neuen Buch, aber auf andere Weise und mit anderen Ergebnissen. Er zeichnet die verheerenden Resultate politischen Wunschdenkens nach und stellt die Debatte vom Kopf auf die Füße.
Meinung
Unbestritten, 2012 hat er etwas geschrieben, worüber er viel weiß. Als Volkswirt, als Berliner Senator für Finanzen, als Bundesbankvorstand und als Architekt der deutschen Währungsunion kennt er sich aus. Abenteuerliche Spekulationen über das Sarrazin-Gen fehlen und Provokationen findet man selten. Zugegeben, er schrieb gewohnt kühl, aber auch sachlich.
Schon 1998 hatte er das Buch „Der Euro“ veröffentlicht. Zwar war der Autor damals noch Euro-optimistischer, doch viele seiner Mahnungen und Warnungen sind leider nicht befolgt worden. Liest man heute sein 2012 erschienenes Buch „Deutschland braucht den Euro nicht“, dann kann man nur sagen: Hätte Griechenland schon 2010 Pleite gemacht, dann wären uns viele Hilfsprogramme erspart geblieben.
Im Zentrum seiner Thesen steht: Die Währungsunion sei eine Geschichte von Vertragsbrüchen. „No-Bail-out“ wurde geopfert zugunsten der Maxime „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“.
Dabei braucht Europa den € nicht unbedingt. Die Südländer werden ökonomisch vom Norden abgehängt und leiden darunter, weil sie nicht abwerten können. Eigentlich wollten sie ja nur günstige Zinsen, um ihre Haushalts- und Leistungsbilanzdefizite zu finanzieren. Letzteres ist geblieben und ihre Schulden sind sogar viel höher geworden. Abwerten können sie ja nicht. Doch wie sollen sie ihre Produktivitätsnachteile ausgleichen? Letztendlich bleibt nur die Schuldenspirale: Last Grexit!
Und wie schneiden die Länder im Norden ab? Die reichen Länder haben Zinsnachteile und tragen ein hohes Risiko. Entweder akzeptieren sie irgendwann Eurobonds oder sie schauen zu, wie diese quasi durch die Hintertür eingeführt werden und zwar indirekt durch Ankauf von Staatsanleihen, die das Geld nicht wert sind. Letztendlich rechnet sich der Euro auch für die Reichen nicht. Sarrazin stellt fest, dass sich der Euro für niemanden gelohnt habe.
Dennoch gibt er zu, dass es zum Austritt viel zu spät sei. Um zu retten, was noch zu retten ist, empfiehlt er zum Schluss, die negativen Target 2-Salden zu begrenzen. Deutschland hat über 500 Milliarden € Forderungen. Griechenland hat knapp 100 Milliarden € Verbindlichkeiten, Spanien sogar fast 200 Milliarden €. Unvorstellbar was passierte, wenn nach Griechenland auch noch Spanien insolvent werden würde. Sarrazin besteht auf die Wiederherstellung des „No-Bail-out“-Gebots, sowie auf die Rückkehr der EZB zur ihrer originären Aufgabe: Geldwertstabilität!
Da man die politische Union (noch) nicht realisieren konnte, versuchte man es zuerst mit einer Währungsunion. Nun steht die Währungsunion am Abgrund und der politische Wille für eine politische Union ist geringer als vorher. Sarrazin hat ein gutes Buch geschrieben mit vielen historischen Exkursen von der Lateinischen Münzunion bis zu Bretton Woods. Beim Euro war der Wunsch Vater des Gedankens. Man glaubte, es könnte funktionieren. Heute stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Uns bleibt nur die Hoffnung auf einen Turnaround.