Silberwolf – Petra Schmidt (ab ca. 11 J.)

  • Die fünfzehnjährige Jasmin schmollt. Von ihrer Mutter wurde sie zur Oma verschleppt, in ein Dorf in der Lausitz. Als Kind war sie gern dort, für eine Teenager ist das Landleben aber Horror pur. Horror pur ist auch ihre Mutter. Erstens hat sie ihre Ehe an die Wand gefahren und heult den halben Tag nur noch, zu anderen hat sie auch Jasmins Freund vergrault.
    Schon am ersten Tag aber zeigt sich, daß das Landleben doch etwas zu bieten hat, Wölfe nämlich. Die werden seit kurzem in den Brandenburgischen Wäldern ausgewildert. Dazu paßt das schöne Gruselmärchen vom Silberwolf, das Jasmins Oma so schon zu erzählen weiß. Das Märchen wird wahr und so erlebt Jasmin ziemlich unheimliche Tage, bis ihr Leben wieder im Lot ist.


    Das klingt nach einer guten Voraussetzung für ein Jugendbuch. Das Ergebnis läßt aber sehr zu wünschen übrig. Geschrieben ist es auf das Schlichteste, sprachlich wie vom Aufbau her. Was geschieht, wird einfach heruntererzählt. Echt ist da gar nichts, keine der Figuren wirkt lebendig. Stimmungen wechseln von einem Satz zum nächsten, wie es eben ins Konzept paßt.
    Die Ich-Erzählerin Jasmin soll eine Art Teenager-Jargon sprechen, gibt aber vor allem Plattheiten von sich. Wenn es sein spannend sein soll, greift die Autorin ins komisch-ironische Register, soll es emotional werden, ins Sentimentale. Ausdrücke sind entweder abgenutzt oder schief. So wirft Jasmin etwa ihrer Mutter vor, daß sie ihre Ferien ‚zur Sau macht‘.


    Ein Teil der Handlung spielt im stockfinsteren Wald, wo die Figuren um der Komik Willen hin und wieder an Bäume stoßen oder in Gruben fallen, aber trotzdem jede und jeder unweigerlich das findet, was sie suchen. Im anbehaupteten Gefühlschaos findet gleichfalls jede, was sie sucht. Vor allem gibt es eine innige Mutter-Tochter-Verbindung in beiden Generation, so zuckersüß, daß der Leserin flau wird.
    Kaum daß Mutti dann ihren Wolf gefunden hat, ist die Geschichte aus. Jasmin muß sich noch ein weiteres Mal gewaltig umstellen. Aber das nimmt sie ebenso oberflächlich hin, wie alles vorherige. Etwas emotionaler wird sie nur, wenn es darum geht, ihren Vater zu denunzieren. Der hat die Gehässigkeit aber verdient , schließlich hat er die Familie verlassen. Diese unangenehm boshafte und selbstgerechte Jasmin ist alles andere als sympathische und hinterläßt, da sich die sich diese Entwicklung erst auf den letzten Seiten zeigt, einen schlechten Eindruck.


    Tiere und Tierschutz sollen neben der innig-kitschigen Mutter-Tochter-Beziehung ein Thema sein. Dabei unterliegt die Autorin allerdings dem landläufigem Irrtum, daß Tiere für die Menschen da sind. So schützen die Wölfe die in Not geratenen Romanfiguren und verhalten sich überhaupt sehr märchenhaft. Kuscheln mit Wolf, die moderne Freizeitbeschäftigung.
    Es reicht offenbar nicht, daß Wölfe ausgerottet wurden. Die neue Generation darf zur Bedürfnisbefriedigung herhalten. Um sich schon mal auf das neue Spielzeug einzustellen, gibt es viele schöne Illustrationen dieser märchenhaften WaldbewohnerInnen.


    Am Ende dankt die Autorin der Herausgeberin für eine ‚Kernsanierung‘ des Manuskripts vor Drucklegung. Man schaudert, wenn man sich auch nur ansatzweise vorstellt, wie es vor der ‚Kernsanierung‘ ausgesehen haben muß.
    Von Interesse ist dieses schlichte Geschichtchen vor allem deswegen, weil es ein deutliches Schlaglicht darauf wirft, wie viele Amateurinnen schreibend unterwegs sind, ohne die geringste Ahnung davon zu haben, was es bedeutet, schreibend zu erzählen. Man denkt und fühlt halt so vor sich hin und Papier ist geduldig. Wie Wölfe. Allerdings beißen die irgendwann doch mal zu. Glückliche Tiere!


    Erträglich nur für Leserinnen mit sehr geringen Ansprüchen.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus