Im Auge des Leuchtturms - Antonia Michaelis

  • Broschiert: 312 Seiten
    Verlag: Emons Verlag (16. Juli 2015)


    Klappentext:
    Nada Schwarz ist jung und erfolgreich. Sie hat keine Zeit, nett zu sein, keine Zeit für Freunde – und keine Zeit, sich zu erinnern. Als sie eine mysteriöse Postkarte mit einem Leuchtturmmotiv erhält, macht sie sich auf den Weg zu der winzigen Insel, die auf der Karte zu sehen ist. Und stellt fest, dass sie schon einmal hier gewesen sein muss. Was ist damals geschehen? Als sie der rätselhafte Hilferuf eines Kindes erreicht, beginnen Traum und Realität zu verschwimmen ...


    Die Autorin:
    Antonia Michaelis wurde in Kiel geboren und ist in Augsburg aufgewachsen. Sie hat in Greifswald Medizin studiert und unter anderem in Indien, Nepal und Peru gearbeitet. Heute lebt sie mit Mann und drei Töchtern gegenüber der Insel Usedom im Nichts, wo sie zwischen Seeadlern, Reet und Brennnesseln in einem alten Haus lauter abstruse Geschichten schreibt.


    Meine Meinung:
    Wenn man Nada Schwarz beschreiben müsste, würde das ungefähr so aussehen: Sie ist 37 Jahre alt, lebt für ihre Arbeit, verabscheut die Dunkelheit, weshalb sie Licht, vor allem in Form von Lampen, die am besten keine Schatten in keine Ecke und keinen Winkel werfen können, bevorzugt. Und selbst das wäre noch untertrieben. Sie braucht die Helligkeit zum Atmen. In den Lichtspielhäusern - Restaurants -, die sie entworfen hat, findet sich das Element in immenser Stärke wieder. Nada wirkt kalt, in sich gekehrt, unnahbar, organisiert bis ins letzte Detail und hat keine eigene Familie und keine Freunde.
    Einzig Frank, für den sie als Managerin in den Restaurants arbeitet, versucht, ihr nahe zu kommen, doch Nada Gedanken schweifen ganz woanders hin.
    Eine mysteriöse Postkarte hat sie erreicht, auf der ein Leuchtturm abgebildet ist. Verwaschen ist die Schrift, aber sie kann entziffern, dass jemand dort auf sie wartet.
    Sie beginnt sich zu fragen, ob sie auf der Insel Nimmeroog schon einmal war. Getrieben von den Schatten der Vergangenheit macht sie sich auf den Weg ins Ungewisse, denn etwas in ihr scheint zu lauern, sich auszubreiten, ohne, dass sie etwas dagegen tun kann, doch sie bekommt es nicht zu fassen. Nicht, bevor sie zwischen Ebbe und Flut, den geheimnisvollen Nachbarn und dem blauen Ferienhaus angekommen ist. Und ab diesem Zeitpunkt wird alles anders.


    Traum und Realität verschwimmen in dem Buch wie die Farben auf einem Aquarellbild. Bald schon weiß Nada nicht mehr, was Wirklichkeit oder Einbildung ist. Fantasiert sie sich durch die Nacht, in der sie Träume hat, die keinen Sinn ergeben? Oder ist sie wirklich dort, an dem Ort, der sie anzuziehen scheint wie das Leuchten, das sie so dringend braucht?


    Die Geschichte besticht durch einen poetischen Schreibstil, der langsam, fast wie in Zeitlupe den Leser in seinen Bann schlägt und durch das Grauen, das sich am Ende offenbart, gnadenlos die Emotionen in die Tiefe reißt.
    Über die gesamte Handlung bekommt man Hinweise, versteckte Botschaften, die erkennen lassen, was geschehen sein könnte. Vor vielen Jahren, in einem anderen Leben, einer anderen Existenz.


    Wer Bücher von Antonia Michaelis kennt, der wird wissen, dass Vergangenheiten rückwärts aufgerollt werden und dass mit Urängsten gespielt wird.
    Was liegt in uns selbst auf der Lauer? Wieso können wir mit gewissen Dingen nicht abschließen?
    Irgendwann muss man sich der Situation stellen, sonst kann man nie mit früheren Zeiten abschließen. Und so ist Nada ist eine Frau, die sich ihren Ängsten stellen muss, um herauszufinden, wer die Karte schrieb und welche Antworten sie auf der Nordseeinsel mitten im kalten November findet.


    "Ihr Körper gefror. Sie hob die Hände, um sich die Ohren zuzuhalten, das Fahrrad rutschte ihr weg, verkeilte sich zwischen ihren Beinen und riss sie mit sich zu Boden. Dort blieb sie liegen, reglos, und hörte ihren eigenen Atem, gehetzt und flach. Dann war das Schreien so laut, dass es ihren Atem übertönte. Sie versuchte, doch noch aufzustehen aber ihre Jacke hatte sich irgendwo verhakt. Das Schreien kam näher. Jetzt war es direkt neben ihr, nur noch getrennt von Nada durch ein paar Äste..."


    Auch die anderen Figuren haben ihre Geschichte und diese bleibt bis auf einige Andeutungen undurchsichtig. Wobei mich der Nachsatz nochmals überrascht hat.


    Man kann das Buch als Krimi und Thriller sehen, der gekonnt mit der Fantasie des Lesers verschmilzt. Ich rate, genau zu lesen, denn so kann man selbst schon vielen Spuren im Sand von Süderwo folgen, die die richtigen sein könnten.


    Atmosphärisch, düster, außergewöhnlich.


    10 Punkte.