Clemens J. Setz - Die Stunde zwischen Frau und Gitarre

  • Titel: Die Stunde zwischen Frau und Gitarre
    Autor: Clemens J. Setz
    Verlag: Suhrkamp
    Erschienen: September 2015
    Seitenzahl: 1021
    ISBN-10: 3518424955
    ISBN-13: 978-3518424957
    Preis: 29.95 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    In einem Wohnheim für behinderte Menschen wird die junge Natalie Reinegger Bezugsbetreuerin von Alexander Dorm. Der Mann sitzt im Rollstuhl, ist von unberechenbarem Temperament und gilt als "schwierig". Dennoch erhält er jede Woche Besuch - ausgerechnet von Christopher Hollberg, jenem Mann, dessen Leben er vor Jahren zerstört haben soll, als er ihn als Stalker verfolgte und damit Hollbergs Frau in den Selbstmord trieb. Das Arrangement funktioniere zu beiderseitigem Vorteil, versichert man Natalie, die beiden seien einander sehr zugetan. Aber bald verstört die junge Frau die unverhohlene Abneigung, mit der Hollberg seinem vermeintlichen Freund begegnet. Sie versucht, hinter das Geheimnis des undurchschaubaren Besuchers zu kommen und die Motive seines Handelns zu verstehen.


    Der Autor:
    Clemens J. Setz wurde 1982 in Graz geboren. Seit 2001 studiert er an der dortigen Universität Mathematik und Germanistik. Er ist Obertonsänger, Übersetzer und Gründungsmitglied der Literaturgruppe Plattform. Zahlreiche seiner Gedichte und Erzählungen wurden in Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht. 2008 wurde er beim Bachmann-Wettbewerb mit dem Ernst-Willner-Preis, 2013 mit dem Literaturpreis des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft ausgezeichnet.


    Meine Meinung:
    Ljoma Mangold hat dieses Buch in der ZEIT vom 27. August 2015 als „einen genialen Roman“ bezeichnet – und übertreibt damit nicht einmal ansatzweise. Es ist ein Roman für den genaugenommen jedes Superlativ zutrifft.
    Clemens J. Setz ist ein großartiger Erzähler, dem irgendwelche Konventionen, Standards und Regeln völlig egal sind. Und gerade dieses Unangepasstsein zeichnet ihn als Autor aus, der nicht in irgendwelchen austretenen Pfaden vor sich hin latscht. Er hat seinen eigenen Stil, eigenwillig und unglaublich lesenswert.
    Dieser Roman ist teilweise skurril, manchmal sogar ansatzweise etwas surreal – aber nie abgehoben oder unverständlich. Der Autor versteckt sich eben nicht hinter Unverständlichkeiten um gelehrt rüberzukommen – ganz im Gegenteil. Er erzählt und als Leser kann man eigentlich nur begeistert sein von diesem Einfallsreichtum und von dieser Phantasiefühle. Ein Autor, der auch jetzt schon in einem relativ jungen Lebensalter zu den Großen seiner Zunft gehört.
    Jede Seite dieses Buches hat mich fasziniert. Keine Seite dieser über tausend Seiten haben ich als überflüssig erachtet. Jedes Wort, jeder Satz passt und hat seine Daseinsberechtigung. Und so wird dieser Roman auch an keiner Stelle langweilig oder man ist versucht dieses Buch beiseite zu legen. Dieser Roman von Clemens J. Setz ist ein echtes Highlight der deutschsprachigen zeitgenössischen Literatur.
    Wenn man über diesen Roman schreibt, sein Meinung dazu äußert, dann sollte man eines nicht vergessen: Dieses Buch hat es nicht auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft. Das ist ein klarer Beweis für die Engstirnigkeit und Dummheit der Jury. Man staunt da wirklich nur über den literarischen Unverstand dieses Gremiums. Schickt sie in die Wüste damit sie kein weiteres literarisches Unheil anrichten. Wahrscheinlich hat nicht einer dieser Jury-Kasper den Sinn dieses Buches auch nur ansatzweise verstanden. Vielleicht haben diese Knalltüten dieses Buch auch gar nicht gelesen. Zuzutrauen wäre es ihnen.
    1021 Seiten geballte Erzählkunst. Zu keiner Zeit auch nur irgendwie langweilig oder uninteressant. Ein großartiges Buch – ein Roman der Spitzenklasse. 10 Eulenpunkte sind eigentlich zu wenig. Nach „Indigo“ hat es der Autor geschafft, nicht unter die selbstauferlegte Meßlatte zu fallen. Man darf jetzt schon auf sein nächstes Buch gespannt sein. Denn wenn einer so großartig erzählen kann – dann soll er auch bitteschön erzählen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich möchte mich anschließen. Bei meiner Recherche nach Buchgeschenken für meinen Lieblingsmann bin ich nun schon zum zweiten Mal durch Voltaire fündig geworden. Der Setz wurde schon in mehreren Literatursendungen gelobt und steht nun auf meinem Bestellzettel.

  • Meine Meinung:

    Ich bin begeistert von diesem Buch und habe einen neuen Lieblingsautor entdeckt.

    Zunächst war es die Sprache, die mich magisch in diesen Roman gezogen hat. Dann konnte ich mich kaum von Natalie lösen, der irrsten, schrägsten und fantasievollsten Protagonistin, die mir je in einem Buch begegnet ist.

    Setz ist ein Meister der Sprache, ein Wort-Erfinder im besten Sinne. Das hat mich so sehr begeistert.

    Natalie ist von einem „aurigen“ Gefühl umgeben, sie lieb es, in „non sequitur“ zu sprechen, also in zusammenhangslosen Sätzen zu sprechen, die aber eine eigene lyrische Kraft und Schönheit haben.

    Das Buch quillt über von wundervollen Sätzen, ein wahres Füllhorn sprachlicher Schönheit, so habe ich das empfunden.

    Die Handlung stand für mich gar nicht so im Vordergrund, sondern eher, dass ich es genossen habe, mich vollkommen in Natalies Gedankenwelt aufzulösen. Ich habe es als Geschenk empfunden, dass ich ihre irren Gedanken teilen durfte.

    Dabei schafft es Setz, dass die ungewöhnlichsten Ticks, davon hat Natalie eine Menge, ganz selbstverständlich wirken. Zum Beispiel nimmt sie ihre eigenen Essgeräusche auf, um sie später wieder abzuspielen und sich damit zu beruhigen.

    Natalie hat wie ihr Erfinder ein intensives Sprachgefühl. Wörter nehmen in ihrem Kopf eine Farbe und eine Form an. Ich kenne keine schönere Beschreibung, wie man Wörter und Sprache empfinden, fühlen kann.

    Innerhalb dieser Sprachschönheit spielt sich eine horrorhafte Geschichte im Umfeld eines Wohnheims für behinderte Menschen ab. Das ist in meinen Augen meisterhaft.

    „Irgendwo in der Erdatmosphäre bellte ein Satellit.“ Die letzten 400 Seiten habe ich am Stück gelesen und war fern der realen Welt. „Du wirst dir auch immer ähnlicher.“ Am Ende der Lektüre fragt man sich, ob es ein Vorteil ist, wenn man sich selbst als normal empfindet oder ob einem eine tiefere Erfahrung abhandenkommt, wenn man nicht zwischen den Welten

    empfindet, wenn man nicht ein kleines bisschen Natalie ist.

    1000 Seiten Psychotrip – entweder man liebt dieses Buch oder man hasst es.

    Ich liebe es.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

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