Daniela Krien - Muldental

  • Titel: Muldental
    Autorin: Daniela Krien
    Verlag: Graf
    Erschienen: März 2014
    Seitenzahl: 224
    ISBN-10: 3862200221
    ISBN-13: 978-3862200221
    Preis: 18.00 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Sie können selbst nicht fassen, was sie da tun, und doch tun sie es. Und es geht erstaunlich leicht. Halb aus Spaß, halb aus Verzweiflung setzen die Freundinnen den langgehegten "Plan B" in die Tat um: Sie mieten eine Wohnung und lassen sich über einen gemeinsamen früheren Freund Freier beschaffen … Das größte Glück und der tiefste Abgrund liegen immer nur eine Handbreit auseinander. So auch bei Marie, die vergeblich versucht der Erpressung durch die Stasi standzuhalten. Aber nun, an einem der heißesten Tage des Sommers, kommt es zur Eskalation. In zehn Geschichten schildert Daniela Krien Menschen, deren Hoffnungen und Pläne nach der Wende erfüllt oder betrogen wurden.


    Die Autorin:
    Daniela Krien, geboren 1975 in Mecklenburg-Vorpommern, aufgewachsen in einem Dorf im Vogtland (Sachsen), lebt mit Mann und zwei Töchtern in Leipzig. Sie studierte Kulturwissenschaften, Kommunikations- und Medienwissenschaften und arbeitete unter anderem als Drehbuchautorin und Cutterin. 2015 wurde Daniela Krien mit dem Nicolas-Born-Preis ausgezeichnet.


    Meine Meinung:
    Zehn Erzählungen haben den Weg in dieses Buch gefunden. Sie spielen in Deutschland Anfang der Neunzigerjahre. So weit so gut. Eigentlich sind diese Erzählungen gar nicht so schlecht – wenn da nicht sehr oft die Ossi-Weinerlichkeit durchscheinen würde. Auf der einen Seite der gute Osten – ihm gegenüber der böse Westen. Mal mehr mal weniger.
    Selbstbewusstsein sieht anders aus. Vielleicht einfach mal die Arschbacken zusammenkneifen, Luft holen und sich den Widrigkeiten des Lebens stellen. Jammern bringt nichts und nervt nur.
    Trotzdem sind diese Erzählungen durchaus lesenswert – wenn sicher auch nicht das ultimative Highlight der zeitgenössischen deutschen Literatur.
    Stilistisch durchaus ordentlich geschrieben. Darum kann man auch 5 Eulenpunkte vertreten.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich finde, das als Ossi-Weinerlichkeit abzutun, ist nicht fair.
    (Diese Aussage spiegelt ziemlich gut den aktuell wieder aufgeblühten Ost-West-Diskurs wieder, mit dem nunmal nicht alles zu erklären ist. Und auch mit dem gut gemeinten Rat des "Arschbacken-Zusammenkneifens" kommt man nicht weiter. Nur kurz dazu.)
    Die Kurzgeschichten sind nämlich insofern aufmerksam zu lesen, als sie nicht anachronistisch im Sinne von "Die Ossis beschweren sich ja immer noch", sondern als Scheiben aus verschiedenen Etappen und Leben der letzten 20 Jahre verstanden werden sollten.
    Bezüglich diverser Überspitzungen aber gebe ich Dir Recht, Voltaire.
    Tatsächlich sind die Figuren in den Geschichten wirklich sehr desillusioniert und erzählen hauptsächlich vom Scheitern.
    Einige dokumentieren den schwierigen Weg Ostdeutscher als neu-BRDler fernab der Heimatregion und stellen die "Wessis" ausnahmslos als blöde Arschlöcher da. (Wobei auch die binnenmigrierten Ossis nicht allzu sympathisch erscheinen.)
    Sie erzählen, natürlich, von der Stasi, von alleinerziehenden Müttern, Prostitution, Niedergang.
    An Klischees mangelt es nicht: Daumenlutscher werden Massenmörder, in Sachsen wohnen hauptsächlich Nazis, Professoren schlafen mit Studentinnen und, last but not least, im Osten ist es schrecklich trist.
    Nun fragt man sich: Ist das wahr?
    Nein. Diese Überspitzungen sind sicherlich nicht einfach so in diese Sammlung hineingeschrieben worden. Sie führen einem vor Augen, inwiefern man von ihnen ergriffen ist.
    Ich denke, kein aufmerksamer Leser wird bei der Lektüre ausnahmslos "jawoll!" schreien wollen, denn an irgendeinem Punkt wird man zwangsläufig darauf aufmerksam werden, dass hier keine allgemeingültigen Aussagen getroffen werden, sondern eben auch die Übertreibung am Werk ist.
    Sei es als Wessi, Ossi, Post-ossi, Deutscher oder interessierter Europäer, der sich zufällig für das Muldental interessiert: Irgendwann denkt sich jeder: "Das stimmt jetzt aber so nicht" oder "Hier übertreibt sie aber." und wird somit zum Nachdenken angeregt.
    Andererseits ist diese Sammlung einfach so negativ, weil dies eben deren Ausrichtung ist.
    Eine Geschichte eines in der BRD glücklichen und erfolgreichen Menschen würde hier einfach, gelinde gesagt, die neblig-düstere Stimmung versauen.
    Nimmt man all das nicht als Beispiel und Beschreibung dessen, wie "es" im "Osten" so ist, kann man an diesem erzählerisch ansprechenden Band jedoch seine Freude haben.

  • Meine Meinung zum Buch:



    Titel: So viel mehr als nur Kurzgeschichten...



    Nachdem ich "Die Liebe im Ernstfall" verschlungen habe, lese ich natürlich gern etwas Neues von dieser Autorin. Daher griff ich zu diesem Kurzgeschichtenband, auch wenn ich sonst eher selten Kurzgeschichten lese.



    Im Buch versammeln sich diverse Kurzgeschichten unterschiedlichster Couleur, die alle einen Angelpunkt haben: die Wendezeit. Was macht so ein geschichtlicher Umbruch mit den Menschen? Gibt es nur Gewinner oder auch Verlierer?



    Besonders überrascht hat mich, dass die Geschichten um einiges düsterer ausfallen als ich es erwartet habe und dennoch erzählen sie so intensiv und so viel mehr als ein fünfhundert Seiten Roman je könnte. Ich hatte mich erst gesperrt für die vermeintlich wenigen Seiten entsprechend ins Portemonnaie greifen zu müssen, aber diese Investition lohnt sich voll und ganz.



    Gelungen empfand ich, dass der Band im Muldental beginnt und dort mit einer weiteren Geschichte rund um die Figuren vom Anfang endet. Das macht das Gesamtpaket sehr rund.



    Meine Lieblingsgeschichte war ganz klar "Freiheit". Selten hat mich etwas so berührt. Ich war komplett geschockt und hatte Tränen in den Augen. Das muss ein Autor erstmal schaffen. Wenn jemand solche Emotionen bei einem Leser hervorrufen kann, dann ist derjenige auf jeden Fall fähig zu schreiben.



    Das Gute an dem Band ist, dass jeder Leser seinen persönlichen Favoriten finden wird und sich mit einer handelnden Figur wird identifizieren können. Oder man fühlt sich an jemanden erinnert, der einem selbst mal über den Weg gestolpert ist.



    Fazit: Etwas, dass man in einem Rutsch oder wohl portioniert lesen kann. Ich habe jede Seite genossen und kann nur eine klare Leseempfehlung aussprechen. Klasse!



    Bewertung: 10/ 10 Eulenpunkten

  • Voltaire : Ich finde es schade, dass du so empfindest. Als Ossi- Jammerei würde ich das Ganze nicht bezeichnen, da das was den Figuren passiert auch jedem anderen passieren kann, egal wo jemand lebt. Niemand ist vor dem Absturz im eigenen Leben geschützt, oft sind es die äußeren Umstände die dazu führen.


    Und ich denke einen kompletten Systemwandel kann nur derjenige nachvollziehen, der es tatsächlich auch erlebt hat. Ich bin mit 34 zu jung, das beurteilen zu können, da ich mich an die Zeit nicht wirklich erinnern kann. Daher sehe ich die Sammlung auch aus einem anderen Gesichtspunkt. Okay Angelpunkt soll hier die Wende sein, aber auch andere Umbrüche könnten ähnliches hervorrufen, wie man an der aktuellen Lage sehen kann. Da wissen wir auch noch nicht was auf uns zu kommt und was das in unserer Gesellschaft verändert.

  • Ich traue mich beinahe nicht, meine Meinung zu diesem Buch hier zu schreiben, eine inhaltliche Kritik diesem Level kann ich beim besten Willen nicht beisteuern. Ich bin auch eigentlich zu jung, um mir dazu eine Meinung anmaßen zu dürfen. Zum Zeitpunkt des Mauerfalls war ich ein Kleinkind im Kindergartenalter - was kann ich da also schon dazu sagen?


    Ich habe die einzelnen Erzählungen als persönliche Schicksale einzelner Personen eines Ortes gelesen. Und jede Geschichte hat mich auf eine ganz spezielle Art und Weise berührt. Manchmal war ich fassungslos, mal standen mir die Tränen in den Augen. Kalt gelassen hat mich an diesem Buch auf jeden Fall nichts.