Eine Therapie für Aristoteles - Melanie Sumner

  • Aristoteles Thibodeau ist die 12-jährige Ich-Erzählerin des Romans „Eine Therapie für Aristoteles“. Eigentlich ist sie die Verfasserin des Buches, denn mit Hilfe des Ratgebers „Einen Roman schreiben in 30 Tagen“ wird sie zur Schriftstellerin werden, um die Familie zu ernähren, und was bietet sich als Themengrundlage besser an, als die eigene Geschichte?


    In Aris Familie geht es ziemlich turbulent zu. Vater Joe ist vor 8 Jahren verstorben. Mutter Diane ist chaotisch, geht leicht in die Luft und immer kurz davor ihren Job zu verlieren. Der 8-jährige Max ist ein schwieriges Kind. Hochsensibel. Explosiv. Und Aris? Die sollte sich eigentlich um die Probleme kümmern, die ein Mädchen ihres Alters beschäftigen. In Wirklichkeit dreht sich ihr Leben aber täglich darum, die Familie zusammen- und auf Spur zu halten.


    Jedes Familienmitglied hat das Gefühl, dass Joe, der Vater fehlt. Dass prinzipiell ein Vater fehlt und dass mit ihm alles einfacher, alles besser wäre. Die drei haben es wirklich nicht leicht. Sie müssen sich durchkämpfen und Überlebensstrategien entwickeln. Das gelingt ihnen nur mittelmäßig, doch in einem sind sie ganz gut: im Familie sein. Denn egal, was passiert, was wieder einmal schief geht – sie sind füreinander da.


    „Eine Therapie für Aristoteles“ ist eins der Bücher, die während des gesamten Leseaktes unterschiedliche Gefühle und Meinungen hervorrufen. Wie kann es sein, dass eine 12-jährige so (alt-)klug ist und das Kommando im Familiensystem übernimmt? Dass sie in diesem Ton ihre eigene Geschichte erzählt und den Blickwinkel eines Erwachsenen einnimmt? Kann man dies als künstlerische Freiheit gelten lassen oder sorgt die Autorin damit für einen unrealistischen Kontext?


    Es ist ein bisschen was von allem und das macht das Buch so besonders. Es polarisiert auf eine eigene, vielleicht etwas skurrile Art und Weise, es wirbelt seine Leser durcheinander und fügt sie wieder zusammen, es fordert sie auf mitzudenken und es berührt, denn keine 12-jährige sollte das Gefühl haben in die Rolle eines Erwachsenen schlüpfen zu müssen.