Mein Name ist Leon - Kit de Waal

  • Mein Name ist Leon - Kit de Waal



    Inhalt
    Leon ist neun und ziemlich dunkelhäutig, sein Halbbruder Jake dagegen ganz blond und erst sechs Monate alt. Als ihre Mutter Carol mal wieder richtig Pech mit einem Kerl hat, bleibt sie einfach im Bett liegen. Und Leon muss sich um Jake kümmern, ihn wickeln, etwas zu Essen besorgen.


    Das fliegt natürlich irgendwann auf, das Sozialamt schaltet sich ein. Es bringt die beiden Jungs erst einmal bei Pflegemutter Maureen unter: übergewichtig, rothaarig, etwas nah am Wasser gebaut - man muss sie schon ein bisschen kennenlernen, um zu merken, was für ein riesengroßes Herz Maureen hat. Bald findet sich auch eine richtige Adoptivfamilie. Allerdings nur für Jake, denn der ist ja klein und blond. Leon weiß nicht mehr ein und aus vor Schmerz. Und er fasst einen Plan. Einen gefährlichen Plan, in diesem heißen Londoner Sommer 1981 …


    Autorin
    Kit de Waal (sie ist übrigens Edmund de Waals Schwägerin) wurde in Birmingham als Tochter einer Irin und eines karibischen Vaters geboren. Fünfzehn Jahre arbeitete sie in der Familienhilfe, sie ist Coach und Spezialistin für Familienrecht und Adoptionsfragen. Daneben machte sie einen Abschluss in Creative Writing in Oxford. Ihre Kurzgeschichten wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. «Mein Name ist Leon» ist ihr erster Roman, der in Großbritannien schon vor dem Erscheinen für Furore sorgt.




    Meine Meinung
    Ich habe lange keine derart berührenden Roman mehr gelesen.
    Der kleine Leon läßt einen einfach nicht mehr los, auch nach beenden des Buches nicht.


    Leon, die Hauptperson des Buches ist 8 einhalb, als er großer Bruder wird. Oder großer Halbbruder.
    Er selber hatte einen karibischen, dunkelhäutigen Vater und seine Mutter Carol ist weiß. Er demensprechend dunkel.
    Sein kleiner Bruder Jake hat einen weißen Vater, ist somit ebenfalls weißhäutig.


    Das Buch beginnt mit der Geburt von Jake. Leon verliebt sich gleich im Krankenhaus in seinen kleinen Bruder.
    Ihre Mutter Carol ist sehr labil, leidet unter anderem an postnatalen Depressionen und es fällt ihr zunehmend schwerer, sich um ihre Söhne zu kümmern.
    Fortan übernimmt Leon die Rolle, seinen kleinen Bruder zu versorgen, sich um seine Mutter zu kümmern.


    Der Zustand Carols wird immer schlechter, irgendwann läßt es sich auch nicht mehr verbergen und Leon & Jake kommen vorübergehend zu einer Pflegemutter.


    Nach einiger Zeit wird klar, daß sich Carol wohl nicht mehr richtig um ihre Kinder kümmern kann und als Jake dann ca. 9 Monate alt ist, wird er adoptiert.
    Allerdings eben nur Jake und Leon verbleibt erst einmal bei der Pflegemutter.


    Die Geschichte spielt 1980/81 - scheinbar war es damals noch wesentlich schwerer ein schwarzes Kind zur Adoption zu vermitteln, als heutzutage - ich weiß es nicht genau.


    Dieser Punkt hat mich sehr getroffen, Geschwister überhaupt zu trennen.
    Für mich ein Ding der Unmöglichkeit.
    Vermutlich konnte sich zu der Zeit niemand die Auswirkungen auf Leon - der bisher die stärkste Bezugsperson für den Kleinen war - vorstellen.
    Er leidet sehr unter der Trennung, zudem auch noch unter der Trennung von seiner Mutter.


    Das Buch ist aus Sicht Leons geschrieben. Seine Gedanken, seine - unterdrückten oder auch für ihn nicht ausdrückbaren - Gefühle sind das Hauptthema des Buches.
    Was es für mich eben auch so besonders und so berührend macht. Das auf einer Seite mit ihm mitleiden, auf der anderen Seite am liebsten die Erwachsenen kräftig durchschütteln wollen, machen viel der Gefühle beim lesen aus.


    Wie sich Leon im Sommer 1981 verhält, was er denkt, plant und vorhat nimmt einen großen Raum ein und vermischt sich mit der tatsächlichen Geschichte des Jahres.
    Bsp. das mitfiebern und freuen auf die Hochzeit des Jahren - Charles und Diana.
    Die Straßenschlacht in England im Juli 1981, die wohl die extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit mit als Ursache hatte



    Der Schreibstil ist schön, flüssig und eben hauptsächlich auch aus Sicht des kleinen Leon zu lesen.
    Die Ereignisse, die er selber so noch nicht verstehen kann, sind oft so dargestellt, daß er es erlauscht, erliest und sich anhören muß. Insofern ist es auch kein Jugendbuch, sondern ein Roman für Erwachsene.



    Fazit
    Ein sehr berührender Roman aus Sicht eines neunjährigen Jungen, der mit seinem kleinen Bruder zu einer Pflegemutter kommt und zusehen muß, daß sein Bruder alleine adoptiert werden soll...
    Wunderbar beschrieben und sehr anschaulich wird die Sicht und Denkweise von Leon dargestellt.


    Ich kann es sehr empfehlen.

  • Die englische Schriftstellerin Kit de Waal erzählt die Geschichte vom neunjährigen Leon der früh in seinem jungen Leben aus den familiären Strukturen herausgerissen wird. Wobei diese nie in der klassisch geordneten Form, wie es die meisten Leser/-innen kennen dürften, vorhanden waren. Sein Vater ein Hallodri und seine Mutter Carol eine schöne aber mental schwache Frau. Als sein kleiner Bruder Jake geboren wird, blüht in ihm ein Zuneigungs- und Verantwortlichkeitsgefühl auf. Als Carol in ihren schweren Depressionen nicht mal mehr das Bett verlassen kann, kümmert sich Leon rührend um das Baby. Die Sozialbehörden werden nach einiger Zeit auf die unhaltbaren Zustände aufmerksam und trennen die Familie. Der kleine Jake wird adoptiert und zieht für Leon unerreichbar weit weg und er selbst kommt bei einer erfahrenen Pflegemutter unter. Obwohl sich Maureen fürsorglich um Leon sorgt, bleibt der schmerzliche Verlust seines kleinen Bruders.


    Ein geschenktes BMX-Fahrrad, die Geschichte spielt im Jahre 1981 und da waren diese Fahrräder schwer angesagt, erweitert Leons Horizont und er erkundet seine nähere Umgebung. Er landet in einer Schrebergartensiedlung und freundet sich mit Tuffty an. Ein Schwarzer der seine Vorliebe für Fahrräder teilt und ihm die Finessen der Gemüseanpflanzung beibringt. Aber so eine Gartengemeinschaft hat strenge Regeln und es gibt immer einen der sie mit scharfem Auge überwacht … Die Autorin spielt im Buch mit der Metapher, dass es mit Kindern ähnlich ist wie mit Bohnensetzlingen, sie brauchen eine Stütze an denen sie sich während des Wachstums festhalten und daran wachsen können. Als Nebenhandlungsstrang wird die Thematik der Rassendiskrimierung in England in die Geschichte mit eingeflochten.


    Der Roman gefällt durch seinen Hauptfiguren und wie sie mit- und untereinander agieren. Die Autorin lässt den sprichwörtlichen Holzhammer weg und hat ein feines Gespür die Spannungen aus der Sicht eines 9-Jährigen jungen zu schildern. Da Leon Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist, ist dieses Buch für Erwachsene sehr leicht zu lesen. Wobei diese Aussage für den Schreibstil gilt, inhaltlich hat es ein paar Passagen die einem emotional berühren. Die Protagonisten selbst haben klare Konturen und sind passend in die Handlung eingearbeitet so dass sich ein stimmiges Grosses und Ganzes ergibt.


    Meiner Meinung nach ein geglücktes Debüt einer Autorin, die sich ihrem Lebenslauf nach mit Familienrecht und Adoptionsfragen auskennt und diese Kenntnisse in einer lesenswerten Geschichte einbringt. Wertung: 8 Eulenpunkte