Ariane - Claude Anet

  • OT: Ariane, jeune fille russe


    Kurzbeschreibung:
    An einem Gymnasium in Zürich besteht die exilrussische Schülerin Ariane Kusnetzowa ihr Abitur. Sie beschließt, für ein Studium nach Berlin zu reisen. Bei einem Opernbesuch lernt sie den soignierten, welterfahrenen und deutlich älteren Konstantin Michael kennen, einen charmanten und doch ein wenig unterkühlten Gentleman und Lebemann. Er beginnt, um sie zu werben, und das junge und anfänglich noch schüchterne Mädchen versucht mit ihm gleichzuziehen, in dem sie ihm die erfahrene Abenteuerin, die bereits über einige Erfahrungen mit Männern verfügt, vorspielt.


    Erste Sätze:
    Ein Himmel von fast morgenländischer Klarheit, schön, rein, leuchtend und blau wie ein Türkis aus Nischapur dehnte sich über den Häusern und Gärten der noch schlummernden Stadt. Nur das Zwitschern der Spatzen, die einander auf Dächern und den Ästen der Akazien verfolgten, und das behagliche Gurren einer Taube vom Wipfel eines Baumes störten die tiefe Ruhe des frühen Morgens. Von weitem ertönte dann und wann das ächzende Knarren eines Bauernkarrens, der langsam auf dem holprigen Pflaster der Sadowaja, der größten und elegantesten Straße der Stadt, herankam.
    Angrenzend an den breiten, staubigen, verlassenen Domplatz umschloß eine Holzverschalung den Hof des Hotel London, dessen eintönige lange Fassade mit drei Stockwerken aus grauen Steinen, verdrießlich wie ein regnerischer Herbsttag, ohne Erker, ohne Pfeiler, ohne Säulen, schmucklos in die Sadowaja starrte.
    Dieses Hotel, das erste der Stadt, war durch seine Küche berühmt. Die »jeunesse dorée«, Offiziere, Industrielle und Aristokraten waren die Gönner seines renommierten Restaurants, in dem ein Orchester von drei blassen Juden und zwei Kleinrussen nachmittags und bis spät in die Nacht banale Potpourris aus Eugen Onegin und Pique Dame, sentimentale Volkslieder und rhythmisch zerhackte Zigeunerweisen spielte. Wie viele fröhliche Gesellschaften, glänzende Feste und »Orgien« – um diesen Ausdruck zu gebrauchen, der bei uns für die Veranstaltungen des Hotel London beliebt war – hatten dessen Wände schon umschlossen!


    Über den Autor:
    Claude Anet (eigentlich Jean Schopfer) wurde am 28.05.1868 in Morges in der Schweiz geboren und starb am 09.01.1931 in Paris. Anet studierte Philosophie an der Sorbonne. Er arbeitete ab 1888 als Vertreter einer amerikanischen Firma in Paris. Er reiste zu Rad und mit dem Auto durch Italien, Persien und Rußland und schrieb darüber Reiseberichte. Die russische Revolution erlebte er als Augenzeuge mit.


    Mein Eindruck:
    Meine literarische Weltreise führt mich diesmal zu einer Liebesgeschichte in Moskau, geschrieben von einem französischen Schriftsteller Schweizer Herkunft.
    Ein bemerkenswerter Klassiker! Claude Anet gehört heute leider zu den fast vergessenen Autoren. Das liegt sicher daran, dass er schon so lange tot ist, er starb 1931
    Dieser Roman ist jedoch in Erinnerung geblieben, da er ein Skandalpotential hatte und mehrfach verfilmt wurde, unter anderen von Billy Wilder mit Audrey Hepburn in der Hauptrolle unter dem Titel “Liebe am Nachmittag“.


    Ariane gehört zu den Perlen der klassischen Weltliteratur. Darin erzählt Claude Anet von einer jungen Frau, die nicht ganz so ist, wie sie sich gibt, die aber auf jeden Fall bemerkenswert ist.


    So fragt sich auch der männliche Protagonist: “Was war eigentlich dieses junge, eigensinnige, überlegene Mädchen, voll sprühendem, Geist und lebhafter Intelligenz, für ein Wesen?”


    Ariane kommt als 17jährige zum Studieren nach Moskau und trifft da den wesentlich älteren Konstantin Michael, der wiederum Ariane auch für ein erfahrenes Mädchen hält. Ihre Beziehung ist fortan vom Schein geprägt, beide verbergen ihr Inneres voreinander. Schließlich eskaliert die Situation in Gesprächen, die sie entweder einen oder trennen wird.


    Natürlich merkt man dem 1920 geschriebenen Roman in der Sprache sein Alter an, doch in den besten Passagen ist der Stil zeitlos und erinnert leicht an Stefan Zweig oder W.Somerset Maugham.