Schreibwettbewerb Juni 2005 - Thema: "Pure Lust"

  • Thema Juni 2005:


    "Pure Lust"



    Vom 01. bis 20. Juni 2005 könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb Juni 2005 zu o.g. Thema per Email an webmistress@buechereule.de oder über das Kontakt-Formular (s.o. im Forum) zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym eingestellt.


    Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.



    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörter wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!



    TIPP: Schreibt Eure Beiträge in Word und nutzt die Rechtschreibhilfe. Im Programm Word findet Ihr unter „Extras“ die Möglichkeit „Wörter zählen“.



    Wir wünschen Euch viel Spaß und viel Erfolg!

  • von Doc Hollywood



    „Willste ficken?“, fragte mich das Mädchen mit dem kurzen roten Schottenrock, als ich an ihr vorbei ging. Ihre Haare waren grün und rot und ihre Schläfen kahlgeschoren. Sie streckte mir schlabbernd ihre gepiercte Zunge entgegen und machte mit den Hüften ein paar schaukelnde Bewegungen.


    Jeden Tag komme ich an der kleinen Gruppe Punks vorbei, die in der Nähe des Bahnhofs herumlungern. Und fast jeden Tag denke ich mir, daß die Zeit der Punks doch schon längst vorbei ist. Warum sagt das denen denn niemand? Heutzutage laufen die Punks doch alle mit tiefschwarz gefärbten langen Haaren herum, haben wallende schwarze Mäntel um sich geschlungen und sehen so blass aus, daß eine Leiche dagegen wie ein Sommerfrischler wirkt. Punks heissen heute Gothics, sagt meine Tochter. Die muß das wissen, läuft schließlich selbst herum, als ob alle anderen Farben tödlich für sie wären.


    Die schottenberockte Punkerin würde ich nicht ficken wollen. Nein, definitiv nicht. Bäh. Diese nett lächelnde junge C&A-Frau in den hübschen Dessous, die mich von der Plakatwand herunter ansah, wäre da schon eher etwas für mich. Rund zwei Blocks vor „meiner“ Straße blieb ich dann auch noch kurz am Schaufenster des Sex Shops hängen. Eine Schaufensterpuppe in einem Krankenschwesterkostümchen aus glänzendem Latex hielt ein Schild mit der Aufschrift „Trauen Sie sich herein, wir beraten Sie gerne!“ in der Hand. Um die Puppe herum lagen Ledermasken mit Nieten und Reißverschlüssen am Mund, Handschellen und Peitschen und jede Menge bunter Plastikspielkram. Sabine und ich hatten sowas auch schon mal ausprobiert. Der Erfolg war umwerfend. Wir mussten dabei beide so lachen, daß am Ende gar nichts mehr ging. Wir waren uns hinterher einig, daß wir lieber weiterhin Sex pur geniessen wollten.


    Schon vor der Wohnungstür hatte ich Sabines Kochgeruch in der Nase. Lecker. Ich hatte bereits auf dem Heimweg Hunger, also beeilte ich mich aufzuschließen. Ich hing meinen Rucksack und meine Jacke an die Garderobe und rief: „Hallo, bin da. Das riecht ja lecker.“
    „Dauert aber noch. Hallo Schatz!“, hörte ich Sabine aus der Küche mit dem Geschirr klappern.
    Ich ging ins Badezimmer und warf vorher noch einen kurzen wehmütigen Blick ins frühere Kinderzimmer. Sabine hatte es fertiggestrichen. Blasses Orange, hübsch. Es soll ein kombiniertes Computer- und Bastelzimmer werden, jetzt da Anne eine günstige WG gefunden hat und ausgezogen ist. Meine Klamotten landeten im Wäschesammler und ich stieg unter die Dusche. Während ich mich einseifte und über kurze Schottenröcke, Krankenschwestern in Latex und C&A-Dessous-Mädchen nachdachte, bekam ich Lust. Lust auf Sabine.


    Noch ziemlich nass, nur notdürftig abgetrocknet und mit einem Ständer auf den ich in meinem Alter zurecht stolz war, rief ich mit einer Mischung aus Geil- und Heiterkeit auf dem Weg zur Küche: „Sabine, willste ficken?“.
    Mit großem Elan bog ich in die Küche ab und blieb wie angewurzelt stehen. Anne, unsere Tochter, saß am Küchentisch und grinste mich an: „Hallo Paps, alles klar?“
    Sabine antwortete auf meine Frage in einem amüsiert entspannten Tonfall, während sie gerade in einem Topf rührte: „Sicher Schatz, nur lass uns warten, bis Anne wieder weg ist, ja?“

  • von Magali



    Noch einmal fuhr sie mit den Fingerspitzen darüber, gemächlich, von oben nach unten. Sie genoß das Gefühl, die Glätte, ein wenig wie Seide, aber fester, nicht kühl, nicht wirklich warm. Das Prickeln in ihren Fingerspitzen verstärkte sich und wanderte langsam über die Handinnenflächen ihre Unterarme hinauf. Ihr Atem ging jetzt rascher.
    Sie hatte den Drang schon gespürt, als kaum die Haustür hinter ihr zugefallen war. Sie kannte ihn genau. Er würde schneller wachsen als ihre Schritte sie über die Straße, um die Ecke und die nächste lange Straße hinunter tragen konnten. Sie wußte auch, daß er, wenn sie am Ziel war, sich in Verlangen verwandelt haben würde, in reines Verlangen, das nicht zu unterdrücken war. Sie hatte es nie auch nur versucht. Sie liebte den Drang, seit dem allerersten Mal, als sie ihn verspürt hatte. Ebensowenig hatte sie je einen Grund gesehen, sich die Befriedigung zu versagen. Energisch griff sie nach dem Verschluß und zog ihn auf.
    Sie spürte den Blick ihres Gegenübers auf sich. Sie hob den Kopf. Seine Augen waren größer geworden. Sie verzog keine Miene, sondern sah wieder hinunter auf ihre Hände. Sie öffneten und schlossen sich fast im Rhythmus der Musik, die Finger mit den korallenroten Nägeln zuckten. Eine vertraute Bewegung. Dirty Dancing nannte sie sie insgeheim. Sie bewegte ein wenig die Hüften.
    Sie hatte ihn gleich entdeckt, als sie die Bar betreten hatte. Sie war noch nie hier gewesen und hatte befürchtet, daß sie erst würde suchen müssen. So aber hatte sie ihn ohne Umstände ansteuern können. Es hatte problemlos funktioniert. Der Mechanismus war eigentlich einfach und sie war erfahren genug, das Passende bereit zu haben.
    Eine Hand kam auf sie zu. Wieder sah sie auf. Sein Kehlkopf bewegte sich, sein Mund war halb geöffnet, gleich würde er etwas sagen. Sie schüttelte den Kopf, noch war es nicht so weit. Auf einmal war ihr Mund trocken, sie tupfte vorsichtig mit der Zungenspitze über die Lippen. Ihre Hände vollführten die letzten Bewegungen jetzt wie von selbst. Sie hörte das leise Rascheln trotz des Lärms hier. Jetzt lag alles offen vor ihr. Tief in ihrem Innern glühte das Verlangen, ihre Knie wurden schwächer. Sie preßte die Oberschenkel fest zusammen.
    Sie gönnte sich einen letzten Moment, um zu betrachten, was in ihrer Hand lag, dann beugte sie sich darüber und schnupperte. Der Geruch war wichtig. Würzig, eine Spur bitter, unvermittelt - frisch, nicht seines ureigenen Aromas beraubt durch diese künstlichen Schutzvorrichtungen.
    ‚Sag nichts!’ flehte sie stumm. ‚Laß mir diesen einen Augenblick noch.’ Sie faßte zu und schob sich das Ende schnell zwischen die Lippen. Das Gefühl war so schön, daß sie leise aufstöhnte.
    „Feuer?“ fragte er.
    „Ja, bitte“ antwortete sie abwesend. Ihr Gegenüber hatte den richtigen Moment abgewartet, wirklich ein süßer Typ. Sicher würde sie ihn später abschleppen. Doch ebenso sicher würde sie sich jetzt nicht ablenken lassen von der ersten filterlosen Zigarette aus einer neuen Packung.

  • von Mareike



    Ein kleines Mädchen saß auf der Bank vor der Kirche.
    Ihre Haare waren wohl einmal blond gewesen doch nun sahen sie eher gräulich aus.
    Ihr Gesicht war wohl einmal hübsch gewesen doch nun sah man es vor lauter Schmutz nicht mehr.
    In der Hand hielt sie eine Puppe nichts feines, aber doch sehr gepflegt und schön.
    Sie sah mich an mit ihren grünen Augen, die mich an eine Katze erinnerten.
    Dann senkte sie wieder ihren Kopf.
    Ich ging zu ihr ganz langsam, lächelte sie dabei an, doch sie sagte nichts.
    Ich wollte ihre Puppe in die Hand nehmen da fing sie anzuweinen.
    "Nimm mir Nana nicht weg ich muss doch Nana beschützen. Wer beschützt sie denn wenn ich es nicht mehr kann. Bitte lass meine Nana hier. Ich hab doch nur noch sie."
    Das kleine Mädchen wollte nicht mehr Leben einfach nichts mehr Essen.
    Sie hatte die Lust am Leben verloren.
    Erschrocken von soviel Leid ging ich nach der Schule zur Kirche um ihr mein Pausenbrot zu schenken.
    Doch das Mädchen war nicht mehr da.
    Gestorben war sie mit Nana in der Hand, die nun in der Mülltonne lag.
    Da nahm ich Nana an mich und nahm sie mit mir.
    Ich wollte die kleine beschützen, wie das kleine Mädchen es getan hätte.
    Ich legte sie in das alte Puppenbett das einst meiner Mutter gehörte.
    Jeden Tag wenn ich aufwache schau ich sie nun an und frage mich: "Warum lebt man?"
    Und dann ist es mir als würde die Puppe mit einer fröhlichen Stimme sagen: "Es ist die pure Lust."

  • von Tom



    Fluchend bückte ich mich nach der dusseligen Chipkarte und bekam sie erst beim vierten Versuch richtig in den Schlitz. „Fotze“, brummte ich, meinte die Chipkarte und die Schlampe von der Hotelbar, die massenweise Drinks auf meine Rechnung genommen, mir aber durch das Zusammenschlagen ihrer Oberschenkel beinahe eine Mittelhandfraktur beigebracht hatte, als ich meine Hand auf ihr Knie legte. Dabei hatte sie keinen Slip getragen, wie ich fasziniert im verspiegelten Unterbau des Bartresens sehen konnte.
    Die Hand pochte immer noch. Mit hochrotem Kopf war sie weggerannt. „Fotze“, wiederholte ich, und donnerte die Zimmertür extralaut gegen die Zimmerwand.
    Schwankend ging ich zum Bett, warf mich in voller Montur darauf und nahm die Fernbedienung. Meine Lider kamen mir etwas schwer vor, trotzdem erkannte ich den Pornosender sofort. Während ich zwei durchaus hübsche Frauen dabei beobachtete, sich gegenseitig die Genitalien zu befingern, fummelte ich die meinigen aus der Anzughose. Kaum war ich fertig, verschwand das Bild. „Doppelkreuz, Zimmernummer, Doppelkreuz und OK drücken, um das kostenpflichtige Programm fortzusetzen.“ Eine Hand um den Schwengel schlurfte ich zur Tür, sah nach der Zimmernummer, ging zurück und tippte dabei die Codefolge ein. Der Porno lief wieder. Ich schob mir die Kissen zurecht und malträtierte meinen Fortpflanzungsknochen, der aufgrund des Alkohols nicht so richtig wollte. Es dauerte eine Weile, bis eine Art Erektion zustandegekommen war, da schaltete der Porno wieder ab. Die Glotze zeigte Flimmern. Es war halb vier morgens. Auch auf dem anderen ‚Blue Movie’-Kanal nur Schnee. Ich griff zum Telefon, hielt aber in der Bewegung inne. „Natürlich habe ich keine Schweinefilme gesehen!“ würde ich beim Auschecken brüllen und meinen Ehering auf den Counter klacken lassen. „Rufen Sie einen Techniker, lassen Sie das prüfen. Und schämen Sie sich dafür, in einem besseren Sexshop zu arbeiten. Ich bin ein verheirateter Mann!“ Ich freute mich schon auf die Szene, das klappte immer. Und genau deshalb konnte ich nicht anrufen.
    Irgendwo liefen doch Stripteasevideos. Ich hangelte durch die Kanäle, tatsächlich räkelte sich auf DSF ein Model, aber die Kamera sparte die interessanten Bereiche aus. Mein Lullermann wurde langsam heiß - und schlaff. Ich stand auf, aber selbst von oben konnte man ihr nicht in den Schritt gucken. Außerdem wurde der Clip unterbrochen. „0190-GANZTIEFREIN. Die pure Lust. Hier fickst Du richtig. 0190-GANZTIEFREIN.“ Ich griff mein Handy und tippte die Nummer. Die Abrechnung sah Bea ja nicht.
    Eine Ansage erklärte mir die horrenden Kosten, dann kam ein Endlosjingle. Und irgendwann sagte eine tatsächlich erotische Frauenstimme: „Na, wollen wir Spaß haben?“


    Ich hatte schlecht und wenig geschlafen und war wie gerädert, als ich an die Rezeption kam.
    „Hundertsieben Euro Übernachtung, neunzehn für Video“, sagte die Mitarbeiterin grinsend.
    „Video?“ fragte eine Frauenstimme, als ich gerade zu meiner Schimpftirade ansetzen wollte.
    „Oh, Bea.“
    „Ich dachte, ich überrasche Dich. Eine Freundin wohnt hier.“
    „Wo warst Du gestern Nacht plötzlich hin?“ fragte eine andere Frauenstimme, die Schlampe von der Bar.
    Mein Telefon klingelte. Bea nahm es vom Tresen, hörte ein paar Sekunden zu. Ihr Gesicht verfärbte sich.
    „Ich kann das erklären ...“, setzte ich an.

  • von Hansschali



    Ja, liebe Freunde des Eros, bei dem Thema ‚Pure Lust’ denkt ihr – und ich kann es euch nicht einmal verdenken – immer nur an das Eine und daran, auf welche Weise ihr das Objekt der Begierde schnellstens ins Bett bekommt. Zugegeben, es gibt weibliche Ausführungen des homo sapiens, die sind derart appetitlich anzuschauen, dass man sofort und auf der Stelle mit ihnen alles Mögliche anstellen möchte. Doch seien wir ehrlich: Das bringt es nicht. Wir Männer machen uns von den Launen der Angehimmelten zu sehr abhängig. Mal können sie nicht, ein andermal wollen sie nicht und dazwischen haben sie ihre Migräne. Da habe ich mir eines Tages gesagt: Lothar, sage ich, du machst jetzt nicht mehr den Affen und gehst allen Weibern, egal ob rasiert oder behaart, intimgepierct oder nasengepierct, mit oder ohne Arschgeweih, aus dem Weg und widmest dich nur noch oralen Genüssen, fest oder flüssig, süß oder sauer, weich oder hart. Seither miete ich mich regelmäßig für fünf Tage in einem Wellness-Hotel im Sauerland ein. Tagsüber lasse ich mich mit Ölmassagen a la Ayurveda verwöhnen, genieße die Ozontherapie und feiere hymnisch meinen in einem Schlammbad steckenden Körper, indem ich ihm zuraune: Mein schöner runder Leib, dich, nur dich liebe ich.
    Abends verzehre ich bei Kerzenschimmer ein 7-Gänge-Menue, der Sommelier empfiehlt mir edelste Tropen von Rhein, Ahr und Mosel. Dann strebe ich leicht beschwingt meinem Zimmer zu und wünsche allen älteren Paaren an den Tischen, an denen ich vorbeigleite, hämisch eine gute Nacht. Aber die werden sie nicht haben, denn der Griesgram liegt als dritter Gast in ihrem Bett. Und dann stelle ich mich vor den Spiegel und schaue mein Gegenüber an: Ein feiner Kerl, ein echter Freund. Und mir irgendwie ähnlich. Rahtol oder Lothar, wer von den beiden bin wohl ich und wer ist der weißhaarige Schöngeist im Spiegel? Ich weiß es nicht, aber glücklich sinke ich in die Federn

  • von Geli



    Es war ein grauer Tag, es nieselte, einer dieser Tage, die man morgens schon vergessen möchte. Nichts klappte, der Kaffee verbrannte ihre Zunge, auf der Marmelade war ein wenig Schimmel zu sehen, also gab es Buttertoast, denn natürlich hatte sie es auch mal wieder nicht geschafft, noch einkaufen zu gehen. Und die Verabredung am späten Nachmittag lag ihr auch schwer im Magen. Aber immerhin war Wochenende.


    Sie hatte vor kurzem den Arbeitsplatz gewechselt, von der beschaulichen kleinen Handwerkerfirma war sie in die nächste Großstadt gezogen und arbeitete nun bei einem Hersteller von Haushaltsgeräten in einem Großraumbüro. Die Kollegen hatten sie sehr freundlich aufgenommen und so mochte sie nicht schon wieder ablehnend auf die nette Aufforderung reagieren, mit den anderen etwas zu unternehmen. Auch ihre Mutter sagte ihr immer wieder, sie dürfe sich nicht absondern, müsse Freunde finden. Doch nach den Vorfällen der Vergangenheit mochte sie einfach nicht mehr. Jeder Tag war eine Qual.


    Es war Zeit zu gehen, sie war mit den Kollegen zum Volksfest verabredet. Früher, als sie ein kleines Mädchen war, ging sie mit ihrem Vater Zuckerwatte essen, Luftballons kaufen und Karussell fahren. Wie vertrauensvoll hatte sie sich an den Vater geschmiegt, ihre kleine Hand in seiner großen gespürt. Bei ihm war sie unverletzbar. So langsam kam die Erinnerung hoch, damals, als sie noch unbeschwert war, wie oft hatte sie gelacht. Und dann? Sie seufzte und schluckte schwer. Aber sie hatte keine Zeit, sich der Schwermütigkeit hinzugeben.


    Die Kollegen warteten schon, die Mädels waren am Kichern, die Männer standen beieinander, erst wollte sie abbiegen angesichts der Gemeinschaft, zu der sie sich noch nicht zugehörig fühlte, doch da wurde sie schon freudig begrüßt. Anna, ihre direkte Kollegin, hakte sie unter, sie sprudelte immer über vor Fröhlichkeit und Lebendigkeit. Wäre sie ihr nur ähnlich…


    Der Bummel über das Volksfest war gar nicht so einfach, es war ziemlich voll, sie ließ sich herumführen, achtete kaum auf ihre Umgebung. Schließlich landeten sie vor einem Fahrgeschäft, bei dessen Anblick ihr schon anders wurde. Alle wollten es wagen, da konnte sie doch nicht kneifen? Schließlich saß sie in der Gondel, Anna neben ihr, gegenüber zwei Kollegen aus dem Büro nebenan. Das Karussell setzte sich in Bewegung, sie verspürte ein Kribbeln, ihr würde doch nicht übel werden? Sie horchte auf die Musik, eins ihrer Lieblingslieder, sie schaltete den Kopf ab, überließ sich dem Wirbel aus Musikfetzen und dem Lachen ihrer Kollegin, das Kribbeln wurde stärker, je schneller sich die Gondel mit ihnen drehte und so langsam kam aus ihrem Bauch ein Lachen hervor, sie schrie, juchzte und fühlte eine gewisse Schwerelosigkeit. Als die Fahrt zuende war und sie mit wackligen Beinen ausstieg, lachte und kicherte mit den anderen.


    Als sie abends nach Hause kam, die nächste Verabredung schon abgemacht, fühlte sie sich wie beschwipst. Wann hatte sie eigentlich das letzte Mal so eine pure Lust am Leben verspürt?

  • von Iris



    Am Tresen sitze ich mit Marlene und Gesa, Wangen und Augen flackern im Kerzenlicht. Sie saugen an ihren Zigaretten, bringen den Tabak zum Glühen, inhalieren den Rauch, als gälte es das Leben, und blasen ihn zur Decke. Wir haben uns gerade noch über den Film unterhalten, aber jetzt haben sie das Gespräch usurpiert. Beide beschwören die Helden mit ihrem fettigem Haar, den Stoppelbärten und grindigen, dreckverkrusteten Pranken. Wieder beschreiben Schwertklingen Kreise und Achten, fliegen häßliche Köpfe, spritzt schwarzes Blut, und die Eingeweide der Monster quellen über das Gras. Nein, mit den schmollippigen und großäugigen Damen möchten die beiden sich nicht identifizieren, da hat sich der Regisseur aber geschnitten, aber diese Männer! Wie scharf man mit einem Waffenrock, einem Kettenhemd aussehen kann! Ich lehne mich zurück und lausche schierer Begierde, welche die wortkargen Helden mit ihrem fettigen Haar, ihren Stoppelbärten und grindigen, dreckverkrusteten Pranken in Badewannen zerrt in der Hoffnung auf harte Körper ohne Rettungsring und auf unermüdlicher Geilheit, beißend und keilend wie ein Mustang, während sie vergeblich um Gnade, um Zärtlichkeit flehen.
    Bis gerade eben fühlte ich mich schuldig wegen Jörg, weil ich mit ihm geschlafen habe, dem waidwunden Tier, das unter mir schluchzte und keuchte, als gälte es das Leben, mit deinem Jörg, Marlene, dem du unter Freunden so gern über den Rettungsring streichst, nachdem er nicht nur das Häuschen am Stadtrand, sondern auch die schicke Altbauwohnung erwirtschaftet hat, dieser grundehrliche Mathematiker, der Versicherungsprämien und –beiträge berechnet.
    Aber er hat letztes Jahr ja auch mit Gesa. Damals ärgerte es mich noch, daß er dich betrog, während du seine Aktentasche durchwühltest und der Anblick der Zahlenkolonnen jegliche Eifersucht auslöschte, nichts zurücklassend außer dem Hunger nach diesen Summen und danach, was man damit alles kaufen könnte.
    Zum Beispiel Waschbrettbäuche, Muskelberge, vielleicht sogar fettiges Haar, Stoppelbärte und grindige, dreckverkrustete Pranken. Ich seh’s doch im Gym: Du kannst nicht an der Männerumkleide vorbeigehen, ohne deinen Kopf reingesteckt zu haben. Und nachher lästerst du über die winzigen Piephähne der strammen Athleten.
    Ich lehne mich zurück und leere mein Glas, während Marlenes rosa Zunge über die Lippen schnellt. Warum habe ich mir diesen blöden Streifen bloß mit euch angeschaut? Sicher nicht wegen der Handlung, denn da gab’s keine. Auch nicht wegen der gestählten Männerkörper. Nein, ich liebe es einfach, euch dabei zuzuschauen, wie ihr jetzt eure erhitzten Pos auf den Barhockern nach hinten schiebt und die Brüste noch ein bißchen mehr aus dem Ausschnitt schiebt, wie eure Lippen schwellen, die Zungenspitze blitzt und der Mund immer ein bißchen offensteht.
    Gelegentlich greift euch einer an den Po, dann zetert ihr empört, aber in Wirklichkeit wünscht ihr euch, ein strammer Athlet würde euch mit grindigen, dreckverkrusteten Pranken über den Tresen werfen und ein riesiges, hartes, heißes Gemächt in den feuchtwarmen Leib rammen. Gnadenlos.
    Ach, Marlene, ich werde mich jetzt verabschieden, werde freundlich grinsen und jeder von euch Küßchen geben. Du wirst ungebumst nach Hause gehen, wo niemand mehr auf dich wartet. Denn du weißt ja noch nicht, daß Jörg heute die Scheidung eingereicht hat.

  • von Asrai



    Ein Interview? Nun gut, was wollen Sie denn wissen? Was für mich „Pure Lust“ ist? Wieso denn das? Für einen Schreibwettbewerb? Soso...
    Wie? Nein, nein, das stört mich gar nicht, wär’ nur schön, wenn Sie mir aus der Sonne gehen könnten, wo sie ausnahmsweise mal scheint. Sie finden kein Thema für Ihren Beitrag? Ja, das soll’s geben, kann ich verstehen, nicht, dass ich mich jemals an so was beteiligen würde, nein, das nicht...
    Wieso fragen Sie eigentlich mich? Wenn Sie so nett wären, Sie sind näher an der Küche, könnten Sie mir was zu trinken holen? Ja, das wär’ lieb...
    Ach, Ihrer Meinung nach sehe ich also so aus, als wüsste ich über „Pure Lust“ Bescheid, nun gut...
    Lust beginnt damit, tief einzuatmen und sich lebendig zu fühlen, sich strecken hilft auch, probieren Sie nur! Aber nein, Sie sind doch nicht ungelenkig, prima machen Sie das. Wer lacht? Ich nicht...
    Aber wenn Sie meinen...
    Als weiteres Anschauungsobjekt könnten Sie mir die Schachtel aus der Küche holen, ja, die große weiße mit der roten Schrift, genau, die mit dem Knabberkram. Sehen Sie, wie ich genüsslich kaue? Das hängt eng mit Lust zusammen. Probieren Sie. Nein? Warum denn nicht? Meine Güte, sind Sie aber wählerisch! Also mir schmeckt’s...
    Ach ja, zu Ihrer Frage...
    Manche unserer Gelüste ändern sich mit zunehmendem Alter...
    Wären Sie so lieb und gäben mir das Bällchen dort? Ist gut gegen Stress, wenn man es knetet und ein stressfreier Geist fördert das Lustempfinden...
    Sie sehen noch nicht so aus, als wären Sie mit meinen Antworten zufrieden? Dabei habe ich sie extra auf Sie zugeschnitten! Nun gut, wenn Sie meine bisherigen Lusterlebnisse nicht teilen wollen, dann wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie die Terrassentür aufmachen würden, damit ich hinausgehen und mit purer Lust im Garten umherstöbern kann. Kann ich nur empfehlen...
    Ich habe aber den Eindruck, dass Sie mich immer noch nicht ganz verstanden haben, wahrscheinlich wird dieses Gespräch daran scheitern. Oder doch nicht? Danke für’s Türöffnen, bis später! Das mit dem Interview, das sollten wir mal wiederholen, war mir ein Vergnügen! Sie kennen jetzt einiges von dem, was uns Katzen Lust bereitet und ich weiß, dass ich Sie dringend besser dressieren sollte, das dauerte alles einfach viel zu lange!

  • von Churchill



    Ich bin allein. Sie ist am Wochenende
    mal wieder schnell zur Mutter heimgefahr’n.
    Zurück denk’ ich an die Jahrtausendwende,
    als wir ein Herz und eine Seele war’n.


    Was ist passiert? Ich darf bei Gott nicht klagen.
    Wir liebten uns und waren nie verkracht.
    Und doch: Ich muss es heute Abend wagen,
    das Handeln liegt nicht mehr in meiner Macht.


    Erhöhter Puls. Die Hände feucht. Zu wissen,
    was dieser Akt bedeuten kann, tut weh.
    Ich dreh’, gepeinigt von Gewissensbissen,
    mich hin zum Bett, wo ich sie liegen seh’.


    Ganz ohne Hülle scheint sie so verletzlich.
    So glatt, so nackt. Ich habe es gewusst:
    Die Tat als solche wirkt vielleicht entsetzlich,
    doch birgt sie die Erfüllung meiner Lust...


    Sie stets zu schonen, das war mein Versprechen .
    Heut endet es. Ich spüre Freiheit nur,
    greif die CD, sie lustvoll durchzubrechen –
    ins Abenteuerland verschwindet PUR ...