Schreibwettbewerb März - Mai 2017 - Thema: "Streng geheim"

  • Thema März - Mai 2017:


    "Streng geheim"


    Vom 01. März bis 30. April 2017 - 18:00 Uhr könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb März/Mai 2017 zu o.g. Thema per Email an schreibwettbewerb@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym am 1. Mai eingestellt. Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!



    Achtung: Achtet bitte auf die Änderungen! Annahmeschluß ist ab sofort immer am Monatsletzten um 18:00 Uhr und die e-mail Adresse hat sich wie folgt geändert - schreibwettbewerb@buechereule.de

  • von Johanna



    Angstvoll kauerten die Frau und die beiden Mädchen im Unterholz des Herrenwaldes, inmitten der „eisernen Hand“.
    Es war tief in der Nacht, die Dunkelheit nur durchbrochen durch immer wieder aufleuchtende Suchscheinwerfer deutscher Grenzsoldaten.
    Rachel, „Tante“ Lieselotte und Simone, deren Tochter, warteten in unerträglicher Anspannung in diesem Waldstück am Maienbühl, auf einen günstigen Moment.


    Rachel sinnierte über die letzten unruhigen Jahre nach. Endlich hatte sie sich dank „Tante“ Liesl, wieder etwas sicherer gefühlt nach all den schrecklichen Jahren von Versteck zu Versteck.
    Gut, sie hieß nun eben Renate und nicht mehr Rachel, doch das war auch lebensnotwenig, da nicht nur ihr Leben, sondern auch das ihrer neuen Familie davon abhing.
    Als die Lage immer schwieriger wurde, die Verstecke, in denen Rachels Eltern mit ihr unterkommen konnten, immer rarer wurden, hatte sich Mutters beste Freundin Lieselotte eingeschaltet.
    Eben jene „Tante“ Liesl, die mit ihrer Mutter auf einem Schweizer Internat gewesen war und die beiden seitdem eine innige Freundschaft verband.
    Sie hatte Rachels Mutter angeboten, ihre Tochter als ihre Nichte „Renate“ aufzunehmen, deren Eltern im Feuersturm im Juli 1943 in Hamburg umgekommen waren.
    So sollten Rachels Eltern es leichter schaffen können, sich nach England durchzuschlagen. Ein Unterfangen, das mit einem Kind nahezu unmöglich wäre.
    So kam Rachel dann im August 1943 zu ihrer „Tante“ Liesl nach Lörrach.
    Ein gutes Jahr lang war auch alles gut gegangen, „Renate“ wurde als Lieselottes Nichte anerkannt und lebte relativ frei, bis vor gut zwei Wochen ein neuer Gauleiter in das Städtchen kam.
    Unglücklicherweise kannte dieser die Familie Lieselottes noch aus Kindertagen, so dass er angesichts Renates schnell mißtrauisch wurde.
    Als dann Simone vor einigen Tagen nach Hause gestürmt kam, mitteilte, dass sie ein Gespräch zwischen dem Gauleiter und der BDM Führerin belauscht habe, in dem sie hörte, dass eine Razzia geplant sei, die gesamte Stadt nach versteckten Juden zu durchkämmen, mußten sie sofort fliehen.
    Einzige Fluchtmöglichkeit war die Schweiz, die in unmittelbarer Nähe lag und doch so unerreichbar schien, seit der Grenzverlauf mit einem hohen Stacheldrahtverhau verschlossen worden war und ein Durchkommen unmöglich machte.
    Nur das kleine Fleckchen, die sogenannte eiserne Hand, das Schweizer Landstück, das sich wie ein langer Finger in das reichsdeutsche Gebiet hinein streckt, wurde beim Bau der Stacheldrahtmauer ausgelassen. Scharf bewacht, aber der einzige Weg in die Freiheit.
    Der Maienbühlhof, auf Schweizer Seite gelegen, war ihr Ziel. Auf Umwegen hatte Lieselotte mit der Bäuerin Marie, die ihn bewirtschaftete, Kontakt aufgenommen und von ihr die genauen Positionen der Schleichwege erfahren.
    Hier saßen sie nun, den Maienbühlhof schon in Sichtweite, mußten nur noch die Strecke durch den Wald über den Bergrücken ins sichere Bauernhaus schaffen.
    Plötzlich hörten sie ein leises Flüstern: „Schnell, kommt mit, gerade ist Wachwechsel, wir müssen sofort zum Hof. Marie erwartet Euch bereits“. Sie folgten dem Mann und erreichten atemlos den Hof.
    Entgegen ihrer Anweisung, die Polizei zu rufen um die Flüchtlinge vom Hof abzuholen, veranlaßte Marie, dass Rachel, Lieselotte und Simone von ihrem vertrauten Knecht ins nahegelegene Riehen gebracht wurden um dort in Sicherheit das Ende des Krieges abzuwarten.

  • von Inkslinger



    Stundenlang laufe ich schon durch die Gegend. Die Sonne brennt mir auf den Schädel und schwitzende Menschen drücken sich in den engen Straßen an mir vorbei. Heute ist einer dieser Tage, an denen ich meinen Job hasse. Wäre ich doch bloß Bankkauffrau geblieben. Dann säße ich jetzt in der klimatisierten Filiale und würde Geld zählen anstatt ihm hinterher zu rennen wie ein geisteskranker Gauner. In stetiger Ungewissheit, was auf mich zukommt.
    Doch ich mag das selbstständige Arbeiten. Kein Boss, der mir ständig im Nacken hockt und sagt, ich solle schneller machen. Kein Katzbuckeln und einschleimen, nur klare, präzise Absprachen mit dem Auftraggeber. Wenn ich mal was verbocken sollte, kriege ich das sofort zu spüren. Dafür brauche ich keinen Chef, der mir auf die Finger klopft. Unser Job ist hart, aber er zahlt sich aus.
    Menschen wie ich werden gebraucht, obwohl manche niemals zugeben würden, meine Dienste in Anspruch genommen zu haben. Aber auch, wenn es undankbare Kunden gibt, kann ich mich eigentlich nicht beschweren.
    Jetzt wird’s aber Zeit. Mein Auftrag erfordert größte Diskretion und Konzentration. Ein Fehler, und ich lande in Teufels Küche.
    Ich schleiche durch die Hintertür in das Haus der Zielperson. In der Küche riecht es nach Zwiebeln und Fett. Der Familienhund hebt nur kurz den Kopf als ich eintrete und döst dann weiter. Die tagelange Annäherungsphase zeigt letztendlich doch Wirkung.
    Selbstzufrieden stelle ich meinen Arbeitskoffer auf die Küchentheke und fange an. Ich präpariere alles mit meisterlich ruhiger Hand. Drähte werden gespannt, Tinkturen gemischt.
    Nach vier Stunden bin ich fertig. Ich werfe dem Hund noch ein Leckerli hin, dann verschwinde ich genauso, wie ich gekommen bin. Ungesehen und ungehört.


    Am nächsten Tag klingelt mein Arbeitshandy. Die Auftraggeberin ist dran. Anscheinend ist sie keine der undankbaren Sorte.
    „Hallo! Ich wollte mich persönlich bei Ihnen bedanken. Die Überraschungsparty für meinen Mann war einfach super! Ich habe Sie all meinen Freundinnen weiterempfohlen!“
    Wieder ein zufriedener Kunde. Ich liebe meinen Job!

  • von Suzann



    Albert Semerdjians Kopf schreckte vom Kissen hoch. Ein Blick auf die Uhr bestätigte ihm, dass es schon spät war. Irgendwas hatte ihn geweckt. Er stieg aus dem Bett, humpelte steif ins Wohnzimmer und spähte durch die Jalousien. Garantiert war sein Nachbar O´Sullivan die Ursache der nächtlichen Störung oder dessen riesiger Köter. Seit einem Jahr wohnte dieser penetrant gut gelaunte Baumumarmer ihm gegenüber und ging ihm auf den Senkel. Albert hatte sich hier in Tempe Arizona auf sein Altenteil zurückgezogen und wollte seine Ruhe haben und keinen irischen Wolfshund in der Nachbarschaft, der in seinen Vorgarten kackte. Dieser barfuß latschende Ökotyp hatte nicht mal ein Auto. Irgendwas war faul an dem Kerl, das roch er eine Meile gegen den Wind. Er hatte nur noch nicht herausgefunden was.


    Blinzelnd versuchte er zu erkennen, was draußen vor sich ging, aber außerhalb der Lichtkreise der Straßenlaternen sah man nur Schemen. Albert fühlte sich nicht bedroht, da hatte er früher ganz andere Dinge erlebt und in seiner Garage versteckte er so viele Waffen, dass er die halbe Nachbarschaft hätte in Schutt und Asche legen können. Es ärgerte ihn, dass der Typ ständig sein Gefahrenradar aktivierte und längst vergessene Instinkte in ihm weckte. Er hatte angefangen O´Sullivan im Auge zu behalten, aber bis heute war ihm nichts Verdächtiges aufgefallen. Der Rotschopf verbrachte viel Zeit in seinem Garten, wühlte mit nacktem Oberkörper in der Erde und hatte auf der rechten Körperhälfte seltsam in sich verschlungene Tattoos. O´Sullivan sah vielleicht aus wie ein unbedarfter Zwanzigjähriger mit seinem lächerlichen Ziegenbärtchen, aber seine Ausstrahlung war die eines abgebrühten Kriegsveteranen. Da ertönten Schreie. Albert war schon auf dem Weg zum Waffenschrank, da besann er sich. Diese Tage waren vorüber. Also lief er stattdessen zum Telefon und rief die Polizei. Dann trieb ihn die Neugierde aus dem Haus. Was er sah, ließ ihn an seinem Verstand zweifeln.


    O´Sullivan stand mit dem Rücken zu seinem großen Mesquite-Baum und deutete mit der rechten Hand auf eine Gruppebärtiger Männer in dunklen Anzügen, die gerade von der Straße abbogen und auf sein Grundstück rannten. Einer davon lag schreiend am Boden. Dann zog sein Nachbar ein Schwert von seinem Rücken. Albert schüttelte verwirrt den Kopf, aber die skurrile Szene veränderte sich nicht. Sein durchgeknallter Nachbar fuchtelte mit dem Ding vor seinen ungebetenen Besuchern in der Luft und tänzelte herum, als wäre er beim Riverdance. Auch die Angreifer vollführten seltsame Bewegungen und stießen mit ihren Händen ins Leere. O´Sullivan hielt abrupt inne. Plötzlich quoll Blut aus seiner Schulter. Seine Tattoos begannen zu leuchten und gleichzeitig schossen kräftige Ranken aus dem Boden. Blitzschnell schlangen sie sich um den Anzugträger, der O´Sullivan gerade packen wollte. Der Wolfshund attackierte knurrend die Fersen eines weiteren. In der Ferne waren Polizeisirenen zu hören, aber Albert war von dem Spektakel dermaßen abgelenkt, dass er nicht einmal bemerkte, wie sich ihm eine Gestalt näherte und mit zwingender Stimme befahl: „Sieh mir in die Augen!“


    Als Albert Semerdjian am nächsten Morgen erwachte, hatte er an die Ereignisse der vergangenen Nacht keinerlei Erinnerungen mehr.

  • von Lese-rina



    „Was war das?“ Erschrocken zuckte Marco zusammen. „Nur irgendein Tier“, versuchte ich ihn zu beruhigen, doch auch mir schlug das Herz bis zum Hals. Mitten in der Nacht eine Abkürzung durch den Wald zu nehmen, war wohl doch keine so gute Idee. „Und wenn es doch etwas anderes ist?“ Marcos Stimme klang zaghaft. „Hast du nicht auch die Geschichte mit den seltsamen Lichtern gehört?“ „Ach was“, tat ich die Sache ab, obwohl mir genauso mulmig zumute war. „Die Kleinenhaben ein paar Bier zu viel getrunken.“ Ich wurde schneller. „Komm, in zehn Minuten sind wir am Waldrand.“


    „Da!“ Marco blieb so abrupt stehen, dass ich in ihn hineinlief. Diesmal hatte ich es auch sehr deutlich gehört: ein klägliches Wimmern, kein Schreien, mehr ein Stöhnen. Es begann wieder. Ein sehr hoher, heller Ton, der kurz darauf wieder abbrach. Alle Härchen an meinem Körper stellten sich auf. Es war eindeutig kein Mensch. „Lass uns abhauen, schnell!“ Marco zog an meinem Arm. „Jetzt warte doch mal. Da braucht etwas Hilfe!“ „Ja, aber was? Das kann doch alles sein. Zombies, Aliens …“ „Marco!“ Ich versuchte, meine Angst zu bezwingen. „Es gibt keine Aliens! Und schon gar keine Zombies!“ Nicht nur ihn, auch mich wollte ich überzeugen. „Du liest zu viele Bücher!“ „Das ist sicher irgendein Tier“. Das Wimmern erklang wieder. „Es kommt von links. Da ist doch der alte Steinbruch, oder?“ Ohne weitere Diskussionen packte ich Marco und zog ihn hinter mir her. Nach einigen Hundert Metern sahen wir einen Lichtschimmer, auf den wir uns vorsichtig zubewegten.


    Der Lichtschein kam tatsächlich aus dem alten Steinbruch. Da wir von oben nichts erkennen konnten, kletterten wir vorsichtig nach unten. Marco war sichtlich unwohl. Mir auch, aber das wollte ich natürlich nicht zugeben. Die ganze Sache war seltsam. „Hier!“ Marco zeigte auf den Fuß der steilsten Stelle. Irgendetwas bewegte sich dort im Licht. Ich schluckte schwer. Wir hätten doch weglaufen sollen, als es noch Zeit war.


    Ich umklammerte Marcos Hand, als wir uns langsam näherten. Was wir sahen, war unglaublich. Eine armlange Gestalt war die Lichtquelle. Sie strahlte von innen heraus und war wunderschön. Zumindest glaubte ich das, den Einzelheiten konnte ich nicht erkennen, obwohl ich lange in das fließende Licht starrte. Marco riss mich aus der Erstarrung. „Was ist das?“ Ich konnte nicht antworten, sah aber, warum das Wesen so jämmerlich schrie. Mehrere Steine lagen auf ihm. Gemeinsam räumten wir sie schnell zur Seite und da streckte das Geschöpf seinen Arm aus.


    Die Berührung war sanft, wie ein Windhauch und eine Ewigkeit kurz. Ich sah Bilder vor meinen Augen, eine ganze Reihe von Bildern. Von bekannten und fremden Menschen, fremde Länder und vertraute Landschaften. Irgendwann verblassten die Bilder und plötzlich standen Marco und ich alleine im dunklen Wald.


    Ohne uns abzusprechen, verloren weder Marco noch ich je ein Wort über diese Begegnung. Wir wollten ja nicht als verrückt abgestempelt werden. Doch die wunderschönen Wesen begleiteten mich durch mein ganzes Leben und auch wenn ich sie nie mehr sah, so wusste ich doch, sie waren da.

  • von Serendipity8



    25.02.16
    Ich habe es getan. Es tat so entsetzlich weh, aber es war die richtige Entscheidung. Sylla war dabei. Es hat gut getan, ihre Hand zu halten und ihre aufmunternden Blicke zu sehen. Sie hat nicht viel gesagt, aber das brauchte ich auch nicht. Ich war ja selbst schweigsam. Sylla hat uns hingefahren, einen Parkplatz gefunden und mich wieder zurück gebracht. Dann haben wir eine Gesichtsmaske aufgelegt, Tom und Basti sollen denken, wir haben uns einen schönen Beautytag gemacht. Nachgefragt haben sie nicht. Am Abend bin ich früh ins Bett, Tom hat Fußball geschaut. Zum Glück.


    30.02.16
    Ich glaube, er hat nichts gemerkt. Ich habe nichts gesagt und Sylla schweigt natürlich auch. Es war die richtige Entscheidung. Wir sind beide noch viel zu jung und ich möchte jetzt wirklich meine Karriere voranbringen. Und Tom, der geht auch völlig auf in seinem neuen Job. Er kann wirklich stolz sein. Das hätte ja alles nur durcheinander gebracht. Es war richtig, wir sind noch nicht so weit. Es hätte ja sowieso alles verkompliziert.


    Die Seite wird zitternd umgeblättert. Keine weiteren Einträge seither. Vielleicht bald mal wieder. Das Lesezeichen wird ordentlich hineingelegt. Das kleine Vorhängeschloss wird fahrig durch die metallenen Laschen geschoben und geschlossen. Der kleine Schlüssel kommt in das blaue, kleine Buch im Bücherregal.


    Am Abend
    Sylla und Basti sind zum Abendessen gekommen. Es gibt Raclette, die Stimmung ist locker und doch geht mir der Gedanke nicht aus dem Kopf: War es die richtige Entscheidung? Ich scheine abwesend zu wirken, denn Basti klopft mir auf die Schulter: „Alles okay?“ – „Klar!“, antworte ich. „Möchte noch jemand ein Bier?“. Ich stehe auf und gehe in die Küche. Zurück im Esszimmer redet Sylla über einen Film, den sie gesehen hat. „Es geht um Albert Einstein. Es ist nicht ganz biographisch genau, schätze ich, aber es war irgendwie beeindruckend zu sehen. Er hat ja einiges verändert und wusste es selbst noch nicht. Viele Theorien wurden ja erst nach seinem Tod bestätigt. Wie neulich, diese … wie hießen die nochmal? Graviditätswellen?“ Sie blickt hilfesuchend zu Basti. „Gravitationswellen“, sagt er, mit vollem Mund. „Gravidität bedeutet Schwangerschaft.“ Er muss lachen. Syllas Blick wird kurz nicht deutbar. Erinnert sie sich an etwas? Dann schluckt er. „Ich hab das ja nicht ganz verstanden, muss ich sagen. Aber er hat das damals schon so vermutet und jetzt, im Juni 2016 liegt ja der endgültige Beweis vor. Haben irgendwelche Forscher veröffentlicht.“ Ich nicke interessiert. „Spannend. Und er bekommt es gar nicht mit!“, sagt Sylla schnell. „Ja und vor allem!“, Basti schaut nun sehr ernst und lehnt sich nach vorne, verschwörerisch. „Ich frage mich, ob die ohne ihn überhaupt auf die Idee gekommen wären. Stell dir mal vor, er wäre nie geboren worden? Oder seine Mutter hätte ihn nicht gewollt!“ Basti lacht schallend. Jetzt bin ich sicher. Da war ein Blick zwischen Sylla und meiner Freundin. In mir brodelt es. Ich umklammere die Bierflasche. Ich habe nachgerechnet und ich muss es jetzt wissen: War es die richtige Entscheidung? Und war es meins?

  • von Jeanette



    Helens Blick wanderte über das Bücherregal. An einem Büchlein mit grünem Einband blieb er hängen. Streng geheim, stand darauf. Helen konnte sich nicht erinnern, dieses Buch gekauft zu haben. Neugierig zog sie den schmalen Band heraus. Auch auf der Vorderseite glänzten in goldener Schrift die Worte Streng geheim. Helen wollte das Buch aufklappen, doch die Seiten schienen aneinander festzukleben. Sie zupfte erst vorsichtig daran, bald wurde sie ungeduldiger und schließlich zog sie die Buchdeckel mit aller Kraft auseinander. Doch das Buch blieb hartnäckig geschlossen. Helen wunderte sich. Wie konnte das sein?


    In diesem Moment klingelte ihre Mutter an der Tür. Doch Helen war nicht nach einem Nachmittagsplausch zumute. Stattdessen zeigte sie ihr sogleich das geheimnisvolle Buch. Die alte Dame schlug es mühelos auf. Helen wunderte sich noch mehr. Neugierig schaute sie ihrer Mutter über die Schulter. „Da steht ja gar nichts drin“, bemerkte Helen enttäuscht. Ihre Mutter sah sie verwirrt an. „Das ist doch alles eng bedruckt, in einer alten verschlungenen Schrift.“ Helen starrte sie überrascht an. „Les mal vor.“ Die alte Dame kramte nach ihrer Lesebrille. Doch als sie zu sprechen begann, verstand Helen kein Wort. „Was ist das für eine Sprache?“, unterbrach sie ungeduldig. „Das ist Deutsch“, entgegnete ihre Mutter verwundert. „Ich höre nur unverständliches Kauderwelsch.“ Die alte Dame klappte das Buch zu und sah ihre Tochter aus gütigen Augen an. „Es gibt vieles zwischen Himmel und Erde, was wir nicht verstehen. Dieses Buch ist wohl nicht für dich bestimmt. Ein Zauber liegt darauf.“


    Helens Gedanken kreisten den ganzen Nachmittag um das geheimnisvolle Buch. Ungeduldig wartete sie, bis ihr Mann von der Arbeit kam. Er sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren und klappte das Buch mühelos auf. Aber als er las, verstand Helen ihn nicht. Sie überlegte, dann reichte sie ihrem Mann Zettel und Stift. Er verdrehte die Augen und begann, einen Satz abzuschreiben. Helen sah ihm über die Schulter. An seine krakelige Schrift war sie gewöhnt, doch was er jetzt zu Papier brachte, waren nur sinnlose Striche.


    Eine Stunde später kehrte ihr Sohn vom Fußballtraining zurück. Helen zog ihn zum Bücherregal und erklärte ihm das Problem. Er sah sie groß an und meinte dann: „Vielleicht siehst du es auf einem Foto?“ Schon zog ihr Sohn sein Smartphone hervor und knipste eine Seite. Er sah ihr tief in die Augen. Seine unwiderstehliche Anziehungskraft… Helen jubelte. Sie konnte es lesen! Gegen moderne Technik war der alte Zauber anscheinend nicht gewappnet. Es kostete sie das Versprechen, ihm neue Fußballschuhe zu kaufen, dann kopierte ihr Sohn das gesamte Buch. Tatsächlich konnte Helen auch die Seiten lesen, die der Kopierer ausspuckte. Sogleich zog sie sich mit dem dicken Papierstapel auf ihre Lesecouch zurück. Wenig später sah Helen enttäuscht auf. Es war eine banale Liebesgeschichte, wie sie in jedem billigen Heftroman stehen könnte. Helen strich über das grüne Büchlein, das ihr jetzt nicht mehr sonderlich geheimnisvoll erschien. Warum reizt uns immer das am meisten, was wir nicht haben können?

  • von wirbelwind



    Elisa duckte sich noch ein wenig weiter auf den lehmigen Boden. Ihr Versteck hinter der Hecke bot nicht allzu viel Schutz vor den lauernden Blicken ihrer Verfolger, die sie nun schon seit Stunden nicht mehr aus den Augen ließen. Verfolger, die eigentlich das gleiche Ziel wie Ihre Truppe hatten. Und doch nur Böses damit planten.


    War Elisa mit ihren Kollegen vor wenigen Wochen noch voller Euphorie zu ihrer Mission aufgebrochen, blieben heute nur noch Angst und Sorge. Ursprünglich sollten Sie Lebensraum und Bestand des seltenen gefleckten Elches erforschen. Das Tier war zwar bisher in der Welt der Wissenschaft relativ unbekannt, dennoch regierte schon jetzt die Gier das Handeln bestimmter Menschen. Wie das ihrer Verfolger, die nur wenige hundert Meter weiter darauf lauerten, dass sie einen Fehler begingen. Das Geweih des Tieres enthielt Substanzen, denen eine heilende Wirkung bei Rheuma nachgesagt wurde. Dies sollte an sich schon Grund genug sein, dass alle wissenschaftlichen Gruppen gemeinsam an einem Strang ziehen sollten.


    Stattdessen gönnte keiner dem anderen auch nur einen Krümel des großen Kuchens und die Dinge, die es zu erforschen galt rückten dadurch immer mehr in den Hintergrund.


    Ihr Vorgesetzter setzte volles Vertrauen in ihre Fähigkeiten und darein, dass sie alles im Griff haben würde. Pustekuchen. Hier waren sie nun gelandet. Vom Feind umzingelt und von allen Kontaktmöglichkeiten abgeschottet. Es gab keine Fluchmöglichkeit.


    Sie zwang sich durchzuatmen. Vielleicht sollte sie einfach losrennen. Ohne Rücksicht auf Verluste und ohne sich um mögliche Konsequenzen Gedanken zu machen. Sollten ihr auch Kugeln um die Ohren fliegen oder bissige Köter auf den Fersen sein. Sie würde laufen, so schnell sie ihre Beine trugen und Hilfe holen. Vielleicht ihre letzte Chance. Also was hatte sie zu verlieren? Die letzten Vorräte waren aufgebraucht, die Kräfte am Ende.


    Sie spannte ihre Muskeln an, bereit jederzeit loszulaufen. Das Blut pochte laut in ihren Ohren und das Adrenalin ließ sie wachsam sein. Mit all ihrer Kraft setzte sie sich in Bewegung...


    … und wurde unsanft von hinten zurückgerissen. “Elisa, was machst du denn hier? Wir haben dich schon überall gesucht. Du kannst doch nicht so einfach verschwinden und dich in dreckigen Hecken verstecken. Was da alles passieren könnte. Komm mit, dann können wir da hinten in der Eisdiele noch ein Eis essen gehen.”


    Seufzend kam Elisa aus ihrem Versteck hervor und folgte ihrer Mutter die Straße entlang. Immer diese Spielverderber...