Dora Heldt - Wir sind die Guten

  • Taschenbuch: 512 Seiten
    Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
    erschienen am 9. Juni 2017


    zur Autorin:
    Dora Heldt, 1961 auf Sylt geboren, ist gelernte Buchhändlerin und lebt heute in Hamburg. Mit ihren Romanen führt sie seit Jahren die Bestsellerlisten an, die Bücher werden regelmäßig verfilmt. (Quelle: dtv Verlag)


    zum Inhalt:
    Karl Sönnigsen ist pensionierter Polizeibeamter. Das bedeutet, dass er die Polizeiarbeit lieber den derzeitigen Beamten überlassen sollte. Dabei könnten die doch so gut von seiner Erfahrung profitieren. Maren, die Tochter von Karls Freund Onno, kann ein Lied davon singen, mit welchen Ausreden sich Karl Zugang zu den Ermittlungsakten verschafft. Es ist nicht möglich, Karl, Onno, Helga, Inge und Charlotte davon abzuhalten, sich um das Verschwinden einer jungen Frau zu kümmern, nämlich der Haushaltshilfe von Inge und Charlotte. Die Motivation dahinter ist durchaus verständlich. Auch warum sich Walter und Heinz mit unversteuerten Einnahmen aus Schwarzarbeit beschäftigen, liegt auf der Hand. Alle zusammen bringen nicht nur die Sylter Polizeistation ins Schwitzen.


    meine Meinung:
    Dora Heldt führt ihre Leser auch diesmal wieder auf Deutschlands nördlichste Insel. Die steife Brise und die schroffen Klippen bilden diesmal wieder die Kulisse für Straftaten. Dabei ist der Krimi nicht einmal blutig. Zuerst wird lediglich eine Frau vermisst, bevor dann auch noch eine Leiche am Strand gefunden wird. Insgesamt drei Verbrechen werden begangen, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Es werden die hohen Kosten für Immobilien ins Spiel gebracht und dementsprechend die Kosten für die Instandhaltung. Der ein oder andere Inselbewohner lässt sich da schon mal etwas einfallen, um ein paar Ausgaben zu sparen. Schwarzarbeit und Umgehung der Mehrwertsteuer lässt dabei vor allem Walter aufhorchen, der als ehemaliger Finanzbeamte die Gesetzeslage genau kennt. Das Bindeglied zwischen allem ist aber immer Karl Sönnigsen.


    Gerahmt wird der humorvolle Krimi wieder mit viel Persönlichem, was den Figuren Leben einhaucht. Onno findet seine zweite Liebe, was den bereits erwachsenen Kindern eine neue Situation verschafft. Maren hat weiterhin eine Fernbeziehung und fühlt sich dennoch eingeengt. Während ihrer Ermittlungen erfährt sie, dass auch in den Familien, die sie schon lange kennt, nicht immer eitel Sonnenschein herrscht. Auffällig ist dabei, dass die Probleme so alltäglich scheinen, dass man sich gut einfühlen kann. Dennoch sind sie spannend genug, um den Krimi nur schwer aus der Hand zu legen. Die 500 Seiten hätte ich am liebsten in einem Rutsch gelesen. Auch diesmal hält sich die Vorhersehbarkeit der Motive in Grenzen.


    Die Charaktere sind bei den Fans natürlich schon aus den Papa-Büchern bekannt. Aber auch ohne deren Kenntnis oder den Vorgänger „Böse Leute“ hat man keinerlei Verständnisschwierigkeiten. Die Entwicklungen der Beziehungen untereinander macht natürlich mehr Spaß, wenn man die Chronologie einhält. Wer die Guten sind, sollte Fans aber schon von vornherein klar sein. Der fluffige Nordsee-Krimi enthält nebenbei auch viel Lokalkolorit, was sich wie ein Ausflug in die Dünen anfühlt. Jetzt warte ich gespannt auf den nächsten Fall.

  • Dora Heldt: Wir sind die Guten. Kriminalroman, München 2017, dtv, ISBN 978-3-423-26149-4, Klappenbroschur, 506 Seiten, Format: 13,5 x 4,3 x 21,1 cm, Buch: EUR 15,90 (D), EUR 16,40 (A), Kindle Edition: EUR 13,99.


    „Er drehte sein Gesicht wieder in die Morgensonne und schloss die Augen. (...) Der Tote kam ja gerade zum richtigen Zeitpunkt. Wie bestellt. So hatte die Polizei erst mal zu tun und Karl konnte sich in aller Ruhe um die verschwundene Mieterin von Wilma kümmern.“ (Seite 134)


    Dies hier ist der zweite Krimi aus dem Sylter „Papa-Heinz-Serienuniversum“ und spielt ein Jahr nach BÖSE LEUTE, ISBN 978-3-423-21677-7). Karl Sönnigsen, Hauptkommissar a.D. der Polizei von Westerland, hadert immer noch mit seiner Pensionierung. Seinen Nachfolger hält er für unfähig. Besonders hart trifft ihn, dass er seit den Vorfällen im letzten Jahr nicht mehr bei seinen alten Kollegen reinschneien, sie aushorchen und von der Arbeit abhalten darf. Vor allem wurde ihm streng untersagt, noch einmal zusammen mit seinen Zivilistenfreunden privat zu ermitteln. Mord und Totschlag sind kein Gesellschaftsspiel, mit dem man sich bei Kaffee, Kuchen und einem Eierlikörchen die Langeweile vertreibt!


    Der Ex-Kommissar und seine Rentner-SOKO
    Karls „Rentner-SOKO“, bestehend aus seinem besten Kumpel Onno Thiele, dessen Lebensgefährtin Helga Simon sowie den verschwägerten Ehepaaren Müller und Schmidt, sieht das allerdings ganz anders. Wenn sie unter Karls ebenso kundiger wie autoritärer Leitung Kriminalfälle aufklären, ist das 1. aufregend, 2. hilfreich für die Opfer 3. entlastend für die Polizei und 4. ein Freibrief dafür, die Nase in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken. So etwas tut ein anständiger Mensch normalerweise ja nicht.


    Helga Simon zögert deshalb keine Sekunde, als sie von ihrer Ex-Kollegin Wilma Konrad um die diskrete Untersuchung eines Vermisstenfalls gebeten wird: Ihre Mieterin, Sabine Schäfer, ist verschwunden. Zur Polizei traut Wilma sich nicht, denn sie hat ihre Wohnung „schwarz“ vermietet. Sabine war nirgendwo gemeldet. Ihr Mietverhältnis war genauso illegal wie ihre diversen Putzjobs.


    Die verschwundene Putzfee und der Tote vom Roten Kliff
    Unter anderem hat sie schwarz bei Charlotte Schmidt und Inge Müller von der Rentner-SOKO geputzt, und zwar immer dann, wenn deren Ehemänner in der Sauna waren. Der superkorrekte pensionierte Finanzbeamte Walter Müller hätte in seinem familiären Umfeld nie im Leben Schwarzarbeit zugelassen! Aber Sabine wollte partout nichts Schriftliches.


    Charlotte und Inge sind hell entsetzt über Sabines Verschwinden. Natürlich werden sie ermitteln und alles daran setzen, ihre zuverlässige Putzfee heil und gesund wiederzufinden!


    Die Polizei hat gerade alle Hände voll mit einem ungeklärten Todesfall zu tun. Ein unbekannter Mann ist nachts im Suff vom Roten Kliff gestürzt. Oder gestürzt worden. Der Rentner-SOKO kommt diese Ablenkung sehr gelegen, so können sie ungestört nach der Vermissten suchen.


    Zwei Herren mit Dreck am Stecken
    Noch jemand anderem kommt der tödliche Klippensturz sehr zupass: zwei erfolgreichen Herren, die mit dem Toten ein schreckliches Geheimnis verbindet. Ein Mitwisser weniger! Doch die Erleichterung der beiden währt nicht lange – in einem Sylter Café stehen sie plötzlich einer Person gegenüber, die sie seit 17 Jahren für tot gehalten haben. Und diese Person könnte sie mit ihrem Wissen ans Messer liefern.


    Womit dieser Mensch die zwei feinen Herren in der Hand hat, weiß der Leser (noch) nicht. Und er kann sich auch (noch) keinen Reim darauf machen, wie die Tagebuchaufzeichnungen einer jungen Frau ins Bild passen, der das Schicksal übel mitgespielt hat.


    Wie schon im ersten Band ist es hier für die Wahrheitsfindung von Nachteil, dass verschiedene Grüppchen isoliert vor sich hin ermitteln und eifersüchtig ihre Erkenntnisse hüten. Würden sie ihr Wissen miteinander teilen, wäre der Fall ruckzuck gelöst. So aber fahnden der Ex-Finanzbeamte Walter und sein Schwager Heinz nach Schwarzarbeitern, Karl, Onno und die drei Damen suchen die verschwundene Putzfrau, während die Polizei den sich um den toten Mann vom Roten Kliff kümmert. Und so ahnen die Beteiligten nicht, was den Lesern allmählich klar wird: dass das alles irgendwie zusammenhängt.


    Spannender Krimi und heiteres Geplänkel
    WIR SIND DIE GUTEN ist sowohl Krimi als auch Papa-Heinz-serientypischer Familienklamauk. Die Amateurermittler stellen sich selbstverständlich unprofessionell und tapsig an. Schließlich beziehen sie ihr kriminalistisches Wissen nur aus Fernsehkrimis. Und alle pflegen ihre Macken und Marotten. Die Clique kennt einander schon ihr ganzes Leben, da wird dann schon mal recht gnadenlos auf die Unzulänglichkeit des anderen hingewiesen. Erbsenzählerei, Geiz und Umständlichkeit, Egoismus, Neugier und Eifersucht kommen unverblümt zur Sprache.


    Die Dialoge sind oft zum Brüllen und dabei allenfalls minimal überspitzt. Und haarsträubend schräg wie in früheren Bänden sind die Aktionen der Helden bei weitem nicht mehr.


    Geradezu bösartig real wirkt das Telefonat zwischen Sabines Vermieterin Wilma und ihrer Ex-Kollegin Helga Simon. Wilma macht brutal deutlich, dass sie sich nicht die Bohne für Helga interessiert. Sie will nur zügig ihr Anliegen erledigt haben und sonst nichts. Solche Gespräche gibt’s. Dora Heldt scheint ganz genau zuzuhören, wenn Menschen miteinander reden.


    So amüsant das heitere Geplänkel zwischen alten Freunden und Verwandten ist – man ertappt sich dennoch dabei, vorblättern zu wollen, weil man unbedingt wissen will, was mit Sabine passiert ist, was es mit der bedauernswerten Gärtnerstochter auf sich hat und was die zwei ehrenwerten Herren zu verbergen haben.


    Man kann mit den Ermittlern miträtseln. Sachdienliche Hinweise gibt es reichlich. Und manchmal ist auch das wichtig, was NICHT gesagt wird. Ich war trotzdem auf der falschen Fährte. :-(


    Ein Krimi ohne Schmidts und Müllers?
    Es wäre durchaus vorstellbar, dass die ermittelnden Kommissarinnen Maren Thiele und Anna Petersen sich künftig vom Serienuniversum emanzipieren und nur ganz am Rande Unterstützung von der Sylter Rentner-SOKO bekommen. Die Weichen dafür könnten möglicherweise schon gestellt sein. So ein richtig taffer, eigenständiger Krimi ohne den lustigen Familienzirkus drumherum, das wäre mal was Neues. Und ich glaube, Dora Heldt kriegt das hin.


    Die Autorin
    Die gelernte Buchhändlerin wurde 1961 auf Sylt geboren, wohnt inzwischen in Hamburg und bezeichnet sich selbst als großen Inselfan und Familienmenschen. So kommen ihre Geschichten nicht von ungefähr: Die Nordsee-Eilande Sylt und Norderney etwa spielen in ihren Romanen "Tante Inge haut ab" und "Urlaub mit Papa" - beides Vater-Tochter-Geschichten - zentrale Rollen. Im Zentrum der Plots stehen dabei oft Frauen in den besten Jahren, mit all ihren Träumen und Sehnsüchten. Seit 1992 arbeitet Dora Heldt, wenn sie nicht gerade an ihren eigenen Geschichten schreibt, als Verlagsvertreterin.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner