Angstrausch (The White Road) - Sarah Lotz

  • Klappentext


    Simon Newman liebt die Gefahr. Mit der Kamera begibt er sich an hochgefährliche Orte, an denen Menschen regelmäßig verunglücken. Doch als ein Video, das zeigt, wie er fast zu Tode kommt, einen Hype auslöst, ist sogar der wagemutige Adrenalinjunkie überrascht. Von nun an wollen seine Follower ihn in immer neuen Extremsituationen sehen. Simon nimmt die Herausforderung an: eine Expedition auf den Mount Everest. Auf dem höchsten und tödlichsten Berg der Welt ist er nicht nur den Naturgewalten ausgesetzt, sondern stößt auch auf eine menschliche Tragödie. Und plötzlich steht er einer Gefahr gegenüber, wie selbst er sie noch nicht erlebt hat


    Die Autorin

    Sarah Lotz ist Drehbuch- und Romanautorin und lebt mit ihrer Familie und diversen Tieren in Kapstadt, Südafrika.



    Ich habe die englische Originalversion "The White Road" gelesen. Die deutsche Übersetzung erschein am 17.9.2018


    Sarah Lotz gelingt es auch in ihrem dritten Buch, mich zu faszinieren. „Die Drei“ war ein absolutes Lesehighlight für mich. Ihr zweites Buch „Day Four“ konnte mich leider nicht ganz überzeugen, war aber immer noch ein ungewöhnliches Leseerlebnis. In „The White Road“ verlegt sie ihren Handlungsschauplatz zuerst in ein Höhlensystem und später dann an den Mount Everest.


    Ich bin schon seit langem fasziniert von Büchern, die in unwirtlichen Gegenden spielen. Niemals würde ich selber auf die Idee kommen, Berge zu beklettern oder ins ewige Eis zu fahren und gar dort längere Zeit zu bleiben. Umso lieber lese ich aber davon. Und hier bedient mich Sarah Lotz gleich doppelt, da es zuerst noch in eine klaustrophobische Höhle geht.


    Simon irrt im Grunde ziellos durchs Leben. Über seinen Hintergrund erfahren wir nur wenig. Irgendwie ist es dazu gekommen, dass er mit einem Freund eine Website betreibt, die einen gewissen morbiden Voyeurismus bedient. Sein Freund Thierry ist mehr der Ideengeber und Techniker. Er schickt Simon, der etwas sportlicher ist, raus, um in besagtem Höhlensystem Cwm Pot in Wales Fotos zu machen von den Skeletten dort verunglückter Kletterer. Da die Höhle geschlossen ist, verabredet er sich mit einem Mann dort, der ihm verspricht, ihn doch da hinein zu bringen und zu führen. Die Tour geht natürlich schrecklich schief und lässt Simon schwer traumatisiert zurück. Thierry aber nutzt gegen seinen Willen sein Filmmaterial und Simon wird zum YouTube Star und die Website geht durch die Decke.


    Da so eine Website ja immer neues Futter braucht, drängt Thierry Simon schließlich dazu, sich einer Tour zum Mt. Everest anzuschließen. Bekanntermaßen liegen dort ja überall Leichen herum, die man für die Website fotografieren könnte. Hier muss man als Leser vielleicht nicht ganz so viel darüber nachdenken, ob Simon tatsächlich ohne Training fit genug ist, so eine Tour machen zu können. Lassen wir das mal einfach außer Acht.


    Durch einen anderen jungen Mann aus seiner Gruppe kommt er mit mysteriösen Sache des „Third Man Factor“ in Berührung. Simon selber fühlt sich seit dem Unfall in den Höhlen verfolgt. Menschen in extremen Situationen, in denen es um Leben und Tod geht und sie kurz vor dem Aufgeben standen, haben oft eine Gestalt wahrgenommen, die ihnen Trost und Kraft spendete. Doch Simon hat das Gefühl, das sein Third Man ihm nicht so gut gesonnen ist.


    Sarah Lotz gelingt es von der ersten Seite an, eine sehr gruselige Atmosphäre aufzubauen. Es geht direkt in die Höhlen und ich fühlte mich unglaublich beengt beim Lesen und war sehr angespannt. „The White Road“ ist keine große Literatur und man kann gewiss noch mehr daran kritisieren als nur Simons mangelnde Klettererfahrung. Aber hier stimmt einfach die Atmosphäre. Die Charaktere sind alle sehr individuell, obwohl wir nur Simon näher kennenlernen. Er ist eine sehr menschliche Figur mit all seinen Fehlern und charakterlichen Unzulänglichkeiten, denen er sich auch bewusst ist. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass das Buch in der letzten Hälfte etwas durchhängt während wir Simons dabei zusehen, wie er all die unverarbeiteten Erlebnisse nicht mehr auf die Reihe bekommt. Das Ende kommt dann sehr rasch und ließ mich mit einer Gänsehaut zurück.


    Wie bei Sarah Lotz üblich, ist auch hier ein wenig übernatürliches nicht ausgeschlossen. Während in ihren anderen Büchern aber ziemlich klar war, dass es da irgendetwas nicht Erklärbares gab, ist es hier nicht ganz so eindeutig. Den Third Man Factor gibt es wirklich und man kann es leicht ergooglen und einige irritierende Berichte lesen. Mir hat die düstere und unheilvolle Atmosphäre gefallen. Simon mit seinem etwas zwielichtigen Charakter war mal eine etwas andere Hauptfigur. Ich warte gespannt auf das nächste Buch von Sarah Lotz.


    9 Punkte




  • Sarah Lotz - Angstrausch



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    Kurzbeschreibung von Amazon:

    Simon Newman liebt die Gefahr. Mit der Kamera begibt er sich an hochgefährliche Orte, an denen Menschen regelmäßig verunglücken. Doch als ein Video, das zeigt, wie er fast zu Tode kommt, einen Hype auslöst, ist sogar der wagemutige Adrenalinjunkie überrascht. Von nun an wollen seine Follower ihn in immer neuen Extremsituationen sehen. Simon nimmt die Herausforderung an: eine Expedition auf den Mount Everest. Auf dem höchsten und tödlichsten Berg der Welt ist er nicht nur den Naturgewalten ausgesetzt, sondern stößt auch auf eine menschliche Tragödie. Und plötzlich steht er einer Gefahr gegenüber, wie selbst er sie noch nicht erlebt hat ...


    Meine Meinung:

    Das Buch ist in mehrere Teile untergliedert und man begleitet nicht nur Simon bei seinem Abenteuer (zunächst in die Höhle, in der er beinahe zu Tode kommt und später auf den Everest), sondern auch Juliet. Schnell erfährt man, dass ihre Geschichte einige Jahre zuvor spielt und sie auf dem Everest etwas wahrgenommen hat, was sie heimgesucht hat. Der Leser wird so in das Thema "Dritter-Mann-Phänomen" eingeführt und lernt den Everest das erste Mal kennen.


    Als Simon später mit einer Gruppe, die ebenfalls vorgestellt wird und aus denen Einzelne später im Buch noch eine wichtige Rolle einnehmen, ebenfalls auf den Everest steigt, kann man den Wandel im Everest-"Tourismus" bereits spüren und man bekommt stets ein sehr eindringliches Bild über Nepal, Tibet, China und die Situation, den Tourismus am Everest, den buddhistischen Glauben und die touristischen Verhaltensweisen vor Augen gehalten.


    Mich hat das Buch mit Abstand am meisten in diesen Schilderungen beeindruckt und nicht in der Thriller-Handlung um das Dritte-Mann-Phänomen. Ein paar wenige Dinge habe ich nachgegoogelt und sie haben mich in ihrer Intensität sehr berührt. Man erfährt viel über die Sherpas und es hat mich sehr beeindruckt. Die gesamte Atmosphäre im Buch war unheimlich dicht.


    Nach einem Zeitsprung am Ende, wo Simon erneut zum Everest reist, bekommt man wieder einen neuen Blick auf Nepal.


    Der Thriller-Anteil ist eher für kalte Schauer auf der Wirbelsäule verantwortlich und die Grenzen dessen, was das Gehirn in Extremsituationen leisten kann, werden auch dargestellt...mich hat die Suche nach der Auflösung bei Juliet in die richtige Richtung Vermutung lassen, bei Simon hat sie mich am Ende dann doch überraschen können, aber ich fand es irgendwo konsequent und notwendig...


    Auch die Aufmachung des Buchs ist überaus stimmig. Das Cover, aber auch die Innenfolder, der Beginn und die Karte vom Everest und den Besteigungsrouten Nord und Süd. Glossare (allgemein zu Kletter-Begrifflichkeiten im Wesentlichen und Bergen im Speziellen) sind am Ende ebenso enthalten wie eine Bibliographie, durch die ich - mit frisch gewecktem Interesse am Everest - gleich noch etwas genauer stöbern werde.


    Es war mein erstes Buch von Sarah Lotz und ich habe feststellen müssen, dass ich schon einmal recht lange um ein Buch von ihr herumgeschlichen bin. Das hier habe ich in keiner Weise bereut.


    In den Wechseln zwischen Juliet und Simon wechselt im Übrigen auch der Schreibstil. Juliets Teile sind im Tagebuch-Stil geschrieben und wirken durch Durchstreichungen und teilweise Schreibfehler mit zunehmender Höhe auf dem Mount Everest noch deutlich realistischer. Ich habe Juliets Schilderungen immer sehr entgegen gefiebert auch aufgrund der besonderen Darstellungsart.


    Der letzte Funken ist aber am Ende doch nicht übergesprungen, und das liegt - so traurig das ist - am Thriller-Teil des Buchs.


    9 Punkte und eine klare Leseempfehlung.