Hildegard von Bingen - Maria Regina Kaiser

  • „Sie haben dich gewählt. Du musst zustimmen“, flüsterte Sniwindis.

    Hildegard senkte den Kopf.

    „Klein Arm“, hörte sie das Lebendige Licht sprechen und ihr Körper erwärmte sich und erstarkte. „Klein Arm, es wird dir gelingen.“ (Seite 102)


    9783451382390_200.jpg255 Seiten, etliche Abbildungen und Illustrationen, Glossar, Literaturhinweise, Zeittafel, gebunden

    Verlag: Verlag Herder GmbH, Freiburg 2018

    ISBN-10: 3-451-38239-3

    ISBN-13: 978-3-451-38239-0


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    Zum Inhalt (eigene Angabe)


    Als zehntes und zudem kränkliches Kind einer Adelsfamilie wird es bald klar, daß Hildegard in ein Kloster soll und möchte. Als sie 14 Jahre alt ist, ist es soweit: mit ihrer älteren Cousine Jutta von Sponheim sowie einer weiteren Jutta zieht sie in eine Klause in der Abtei Disiboden ein. Schon als Kind hatte sie Visionen, die als Erwachsene auch von der Kirche anerkannt werden. So darf sie - extrem ungewöhnlich für eine Frau dieser Zeit - schreiben, predigen und die Bibel auslegen. Daneben entwickelt sie ein großes Wissen um die Heilkunst.

    Im Laufe der Jahre wächst das Frauenkloster stark an; nach dem Tod der Jutta von Sponheim wird Hildegard ihre Nachfolgerin. Schließlich wagt sie mit ihren Schwestern den Neuanfang auf dem Rupertsberg bei Bingen, wo sie ein neues Kloster gründet. Auch hier strömen die Menschen herbei zur berühmtesten und wohl klügsten Frau des Mittelalters.



    Über die Autorin


    Maria Regina Kaiser wurde 1952 in Trier geboren und hat in Frankfurt/M. Alte Geschichte, Archäologie und Hispanistik studiert. Nach dem Studium war sie zehn Jahre in der Forschung, später für einige Jahre als Lektorin tätig. Seither ist sie freischaffende Autorin. Mit ihrer Familie lebt sie in Bad Camberg.



    Informationen im Internet:

    - Der Wikipedia-Artikel über die Autorin

    - Die Seite zum Buch beim Verlag (mit Leseprobe)



    Meine Meinung


    Die heilige Hildegard von Bingen wird heute vor allem mit Naturheilkunde in Verbindung gebracht. Wie sehr dies zu kurz greift, zeigt auf eindrückliche Weise diese Romanbiographie. Denn die hl. Hildegard von Bingen ist eine der, wenn nicht die, eindrucksvollste und vielleicht einflußreichste Frau des Mittelalters.


    Ein besonderes Plus dieses Buches ist, daß die Autorin große Sachkenntnis mit ungemein flüssig lesbarem Schreibstil verbindet. Schienen mir zunächst knapp zweihundertvierzig Seiten Text relativ wenig, so hat es die Autorin in der Tat verstanden, auf diesem Platz das Leben der Heiligen so nachzuerzählen daß man meint, selbst dabei gewesen zu sein und sich das Gefühl einstellt: da fehlt nichts. Zwar schien es mir zu Beginn etwas episodenhaft erzählt zu sein, aber in einer Biographie kann es nicht darum gehen, jedes Detail nachzuerzählen (zumal die alle gar nicht bekannt sind, man bedenke nur den Zeitabstand), sondern um das Große Ganze. Und das ist hervorragend getroffen.


    Aus dem Anhang (und Äußerungen der Autorin an anderer Stelle) erfährt man, daß sie sich sehr eng an die verfügbaren Quellen und Informationen gehalten hat, dichterische Freiheit fand nur an wenigen (und im Nachwort erwähnten) Stellen Verwendung. Gerade darum ist es - aus heutiger Sicht - um so verwunderlicher und erstaunlicher, daß Hildegards Leben so gelungen ist. Als Frau und Nonne hatte sie es im Mittelalter nicht leicht, sie hatte in der Klausur still zu leben und durfte vielleicht Bücher abschreiben (kopieren), nicht aber selbst verfassen. Und doch - genau das hat sie getan - mit allerhöchster Erlaubnis! Frauen hatten keine Predigterlaubnis - und doch hat sie gepredigt. Sie war als Heilerin und als Ratgeberin gefragt. Und hat „nebenbei“ noch da Kloster auf dem Rupertsberg bei Bingen gegründet und durch die ersten sehr schweren Jahre geleitet. Noch erstaunlicher wird dieses ungeheure Pensum, wenn man erfährt, daß sie zeitlebens kränklich und oft ans Bett gefesselt war.


    Hervorzuheben ist auch die hervorragende Ausstattung, die der Verlag dem Buch hat angedeihen lassen: von der grafischen (und Einband-) Gestaltung bis hin zur buchbinderischen Verarbeitung. Das Buch hat auch nach dem Lesen einen geraden Rücken, sieht also aus wie (fast) neu. Prima - eine solche Qualität ist heute (leider) selten geworden.


    Insgesamt stellt diese Romanbiographie in der Tat die „mächtigste Nonne des Mittelalters“ auf so verständliche, aber dennoch sachkundige, Weise vor, daß man meint, sie persönlich gekannt zu haben. Das Buch wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben und zur Folge haben, daß ich auch einige der Schriften der Kirchenlehrerin lesen werde.



    Mein Fazit


    Eine umfassende und sehr gut lesbare Biographie der hl. Hildegard von Bingen, ergänzt durch einen umfassenden und informativen Anhang.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")