Drauß’ vom Walde. Bitterböse Weihnachten - Friederike Schmöe

  • Friederike Schmöe: Drauß’ vom Walde: Bitterböse Weihnachten, Meßkirch 2018, Gmeiner Verlag, ISBN 978-3-8392-2307-9, Softcover, 216 Seiten, Format: 12,1 x 2,5 x 20 cm, Buch: EUR 10,- (D), EUR 10,30 (A), Kindle: EUR 8,99.


    „Sobald es ums Planen ging, musste sie selber ran. Wenn nur irgendjemand mitdenken würde! Oder sie nicht alles dreimal sagen und aufschreiben müsste. (…) Heimkommen von der Arbeit bedeutete für Christian Entspannung. Für Hella ging der Stress erst richtig los.“ (Seite 23)


    Für alle, die sich von einer großen Anzahl von Romanfiguren überfordert fühlen, ist hier ein packendes „Fünfpersonenstück“ mit Katze. Und die gesamte Handlung spielt sich innerhalb von vier Tagen ab. Damit’s den LeserInnen nicht gar so leicht gemacht wird, ist die Geschichte nichtlinear erzählt. Das heißt, man springt in der Handlung vor und zurück.


    Darum geht’s: Drei Jahre nach dem Unfalltod ihrer Eltern kann sich Viviane, Mitte 30, endlich dazu durchringen, ihr Elternhaus im Frankenwald zu verkaufen. Zusammen mit ihrem Verlobten Torsten will sie eine Eigentumswohnung in der Stadt erwerben, da kommt ihr eine Finanzspritze gerade recht. Viel wird sie für das entlegene alte Haus jedoch nicht erzielen, auch wenn ein großes Grundstück dazugehört.


    Ein letztes Weihnachtsfest im Elternhaus

    Am 27. Dezember will eine Interessentin kommen und das Haus besichtigen. Da bietet es sich an, davor ein letztes Mal dort Weihnachten zu feiern. Mit Torsten, natürlich. Und weil er der Schwager ihrer besten Freundin Hella ist, auch mit ihr und ihrem Ehemann, Torstens Bruder Christian.


    Torsten, ein Charmeur und Glücksritter, der nie etwas zu Ende bringt, was er begonnen hat, hat zwar keine Lust auf Weihnachten in einer verschneiten Einöde, aber tut alles, um Viviane bei Laune zu halten. Er behauptet, dass er sie liebt, aber in der Hauptsache ist er scharf auf ihr Geld aus dem Hausverkauf. Das braucht er dringend.



    Vier Menschen, vier kollidierende Pläne


    Hella ist eine kluge Frau und weiß natürlich, dass sie ein Kontrollfreak ist und damit ihre Mitmenschen manchmal in den Wahnsinn treibt. Doch sie kann nicht anders. „Sie brauchte gute Vorbereitung, egal wofür. Sie würde niemals verreisen, selbst über ein paar Tage nicht, ohne akribisch zu planen.“ (Seite 170) „Nein, Christian ahnte nicht einmal, dass Improvisieren ihr Angst machte. Dass Spontaneität ihr das Gefühl gab , ausgeliefert zu sein.“ (Seite 185)


    Dass sie dabei ist, Christian zu verlieren, ist Hella bewusst. Um ihre Ehe zu retten, würde sie ja etwas ändern, wenn sie nur wüsste, wie!


    Die Situation eskaliert

    Als die vier an Weihnachten in dem kleinen Häuschen zusammengepfercht sind und wegen des ungastlichen Wetters nicht hinauskönnen, wird so manches offensichtlich was sie bisher erfolgreich verbergen könnten. Der Traumprinz ist ein Windei mit Tendenz zum Goldgräber, der Gatte an einer Fortsetzung der Ehe und demzufolge an Hellas Bemühungen nicht im Geringsten interessiert. Aus Gründen. Und er gönnt seinem Bruder die attraktive und zerbrechliche Braut nicht.


    Alle vier sehen ihre Felle davonschwimmen und versuchen, zu retten, was zu retten ist. An Heiligabend eskaliert die Situation dann auf dramatische Weise.


    Die fünfte Person in dieser Geschichte ist die eigenbrötlerische Fenja, die im Nachbarhaus die Habe ihres jüngst verstorbenen Vaters sichtet, eines ehemaligen Bibliothekars. Der Hausrat ist Plunder, darauf hat er nicht viel Wert gelegt. Aber er hat eine Unmenge von Büchern hinterlassen – und einen Kater namens Lermontov. Nur weil dieser Kater immer raus und rein will, bekommt Fenja mit, dass sich in dem seit Jahren unbewohnten Haus nebenan etwas tut. Ehe sie es sich versieht, steckt sie mittendrin in der Tragödie, die sich dort drüben abspielt. Dabei will sie doch nichts als ihre Ruhe!


    Man sieht die Katastrophe kommen

    Durch die nichtlineare Erzählweise wissen wir von Anfang an, dass die Weihnachtsfeier der beiden Paare auf eine Katastrophe zusteuert. Nur, was genau passiert ist und wie es so weit kommen konnte, das erfahren wir erst ganz zum Schluss.


    Die Personen haben keine Nachnamen und wo sie normalerweise zuhause sind, erfahren wir auch nicht. Aber durch ihre Gespräche, Gedanken und die häufigen Perspektivwechsel lernen wir sie so gut kennen, dass das gar nicht weiter auffällt.


    Es gibt eigentlich keinen Bösewicht in der Geschichte, nur Wünsche, Pläne und Interessen, die denen der anderen zuwiderlaufen.


    Offen und ehrlich ist hier niemand

    Hella, die zwanghaft alles organisiert, weil sie panische Angst vor unbeherrschbarem Chaos hat, kann nicht aus ihrer Haut. Sie hätte mit ihrem Mann vielleicht mal über ihre Ängste sprechen sollen. Dann hätte er ihr ein Gefühl der Sicherheit vermitteln können statt sich von ihrer Organisationswut terrorisiert zu fühlen. Aber offen und ehrlich ist hier niemand und deshalb können die Konflikte auch nicht auf konstruktive Weise gelöst werden.


    Hilflos und mit wachsendem Entsetzen sieht man als LeserIn, wie die Situation immer mehr aus dem Ruder läuft. Das ist spannend und erschreckend zugleich, weil die Personen mit ihren Problemen so normal sind – und doch so nah am Abgrund.


    Wenn einem an Weihnachten die ganze Besinnlichkeit zu viel wird, ist DRAUSS‘ VOM WALDE sicher eine passende Lektüre. Und vielleicht ist man dann froh und erleichtert, dass es in der eigenen Familie nicht ganz so drastisch abgeht wie in Friederike Schmöes spannendem Roman.


    Die Autorin

    Geboren und aufgewachsen in Coburg, wurde Friederike Schmöe früh zur Büchernärrin - eine Leidenschaft, der die Universitätsdozentin heute beruflich nachgeht. In ihrer Schreibwerkstatt in der Weltkulturerbestadt Bamberg verfasst sie seit 2000 Kriminalromane und Kurzgeschichten; sie gibt Kreativitätskurse für Kinder und Erwachsene und veranstaltet Literaturevents, auf denen sie in Begleitung von Musikern aus ihren Werken liest.




    https://www.amazon.de/Drauß-vom-Walde-Kriminalromane-GMEINER-Verlag/dp/3839223075/ref

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner