V.S.Naipaul Eine Begegnung auf Trinidad – Lieve Joris

  • Piper, 2001, 77 Seiten


    Übertragen aus dem Niederländischen von Maurus Pacher.


    Kurzbeschreibung
    Lieve Joris, vielfach ausgezeichnete Autorin ungewöhnlicher Reiseberichte, hat V.S. Naipaul in seiner Heimat Trinidad getroffen und ein einfühlsames und atmosphärisch dichtes Porträt des weltläufigen Schriftstellers, seiner Familie und der Insel Trinidad gezeichnet.


    Über die Autorin
    Lieve Joris, gebürtige Belgierin, ist Reiseerzählerin. Zu den Themen ihrer Bücher gehören Ungarn, Syrien und immer wieder Schwarzafrika - seit ihrer ersten Reise in diesen Teil der Erde ist die Faszination dafür stetig gewachsen. Die Autorin lebt heute in Amsterdam. Auf deutsch liegen vor "Mali Blues", "Die Tore von Damaskus", "Die Sängerin von Sansibar" und "V.S. Naipaul".


    Meine Meinung
    In diesem kurzen Reisebericht erzählt Lieve Joris von ihrem Interview aus dem Jahr 1992 mit dem späteren Literaturnobelpreisträger. Sie hat ihn und seine Familie für wenige Tage auf Trinidad besucht.


    Dieser Bericht ist auch schon einmal als Teil des Buches Die Sängerin von Sansibar.Reiseberichte aus einer magischen Welt erschienen.


    Lieve Joris versucht sich auf die Person V.S.Naipaul zu konzentrieren, wie er wirkt, wie er wirklich ist. Das gelingt ihr jedoch kaum, da eine spürbare Distanz zu dem zurückhaltenden Autor unverkennbar ist. Naipaul lässt sich nicht so einfach in die Karten sehen. Vielleicht hat Lieve Joris aber auch einfach nicht die Qualität dafür, wie es einst der exzentrische Autor Paul Theroux schaffte, so treffend und gnadenlos über V.S.Naipaul zu schreiben.


    Dennoch gibt es auch in diesem Buch ein paar gute Momente, wenn die Autorin als Otto Normalbürgerin ihre Eindrücke schildert.
    Sie spricht auch mit Bekannten und Verwandeten Naipauls, zum Beispiel seiner Schwester. So lässt sie ein Bild Naipauls entstehen, dass seine Zerrissenheit in der Welt Trindadas, seinen indischen Einflüssen, sein Leben in England zeigt. Als Persönlichkeit ist er bei aller Härte und Kompromisslosigkeit ein Mensch, dem die Dinge, das Land und die Menschen nicht gleichgültig sind. Aber er bleibt bei seinen Ansichten und scheut nie die Kritik, die von seinen Gegner als Rassissmus und Konservatismus.


    Wie Lieve Joris etwas naiv erkennt, ist sein Glas immer halbleer, wenn sie die Schönheiten der Natur sieht, erkennt Naipaul daran die Verwahrlosung, erkennt sie in den Menschen Fröhlichkeit, macht er sie auf die Faulheit und Gleichgültigkeit aufmerksam.


    Manchmal werden Bezüge zu Naipauls Romanen genommen, wenn sich die gesellschaftspolitische Ereignisse anbieten (Guerillas) und bei autobiographischen Bezügen (Herr und Diener, Ein Haus für Mr. Biswas).
    Insbesondere der Roman „Ein Haus für Mr.Biswas“, dass von Erlebnissen Naipauls Vater handelt, ist für z.B. Naipauls Schwester nur schwer zu lesen, so sehr trifft es die Realität.
    Diese Abschnitte haben mit gut gefallen, insgesamt wird Naipauls Charakter jedoch kaum ergründet und sein Werk zu wenig durchdrungen. Dafür ist das Büchlein auch viel zu kurz!