Beiträge von Idgie

    Das Problem daran ist, dass man es ja selbst kaum merkt, dass man vieles vergisst und nicht mehr weiß.

    Kann passieren, aber es kommt bei bestimmten Demenzerkrankungen auch vor, dass man zu Beginn merkt, was mit einem passiert. Ich habe in meinem Umfeld einen sehr traurigen Fall gehabt, bei dem der Patient sich der Tatsache bewusst war und auch die niederschmetternde Diagnose verstanden hat. Das nicht mehr Erkennen von Familienmitgliedern kam Jahre später und dazwischen war es für die Familie sehr schwer auszuhalten. Verallgemeinern kann man den Verlauf aber sicher nicht.

    Grauer Star ist sehr gut behandelbar. ;-)

    Tom , mit Kompensieren meine ich ja nicht, dass ich das aufhalten oder ausgleichen kann und so weiterlebe, als ob ich noch 20, 30 oder 40 wäre. Aber ich hoffe, dass ich damit leben lerne und manchen Dingen nicht so viel Raum einräume, dass sie mein Leben total bestimmen. Das wäre ziemlich deprimierend und vermutlich lebensverkürzend, wenn ich meinen Alltag im Fokus darauf verbringe, was ich nicht mehr kann. Es ist zumindest zum Teil eine Frage der inneren Einstellung. Ich kann heulen und hadern über Fähigkeiten, die mir abhanden gekommen sind oder ich kann mich darauf konzentrieren, was mein Leben schön und lebenswert für mich macht und einfach beschließen, vordringlich glücklich zu sein. Denn sicher ist, dass es keinen Deut ändert, dass ich bestimmte Dinge nicht mehr kann, wenn ich nur darauf blicke.

    Das ist meiner Meinung nach nicht mal allein so ein Alt-werden-Ding, es betrifft viele auch junge Menschen, die zum Beispiel sehr krank werden, oder nach einem Unfall im Rollstuhl landen. Da entscheidet sich auch irgendwann, welchen Weg man gehen möchte. Manch einer hat keinen Lebensmut mehr, aber andere schauen, wie ihr Alltag mit Einschränkungen trotzdem erfüllend werden kann. Darauf hoffe ich, aber das klappt nur, wenn ich noch in diese Richtung zu denken und zu entscheiden in der Lage bin. Deshalb wäre es für mich sehr schwer, wenn ich an einer Demenz erkranken würde. Irgendwann in fortgeschrittenem Stadium wäre ich natürlich auch dann nicht mehr in der Lage das zu reflektieren, aber das geht nicht von heute auf morgen. Mitzukriegen, dass mein Geist und alles was mich ausmacht sich verabschiedet, stelle ich mir sehr grausam vor.

    Tom ach du Sch.... :huh:
    Man kann mit vielen Dingen des Altwerdens eigentlich ganz gut umzugehen lernen. Schlechtes Sehen und Hören, Laufen, nach Wechselgeld an der Kasse kramen und anderen Dingen, die man mal konnte aber im Alter immer weniger gut kann. Dement werden und das selbst nicht mehr mitkriegen, wie man sich benimmt und seine Umwelt mit Ausfallerscheinungen erschreckt, ist eins der wenigen Dinge, wovor ich ernsthaft Angst habe, wenn ich ans Altwerden denke. Alles andere hoffe ich, wenn es auftritt, irgendwie kompensieren zu können.

    .....denn es sollte nur vor Augen geführt werden, dass es keine Sicherheit gibt, wirklich absolut keine, und dass man das Leben deshalb unaufhörlich umarmen sollte. Das Leben und das Glück und die Menschen, die einem wichtig sind, denn nichts sonst zählt. Auch eine "Karriere" nicht....

    Das ist für mich die Kernbotschaft des Buches und dazu war meiner Meinung nach auch das Aneurysma am Ende noch mal wichtig, weil es die Wichtigkeit der Konzentration auf das Leben an sich und es zu genießen, unterstreicht. Ich möchte eigentlich nur noch hinzufügen, dass man denjenigen, die einem am Herzen liegen, nicht oft genug sagen kann, dass man sie liebt.


    Seit 14 Jahren bin ich ehrenamtlich in der Hospizbewegung unterwegs und begleite Menschen am Lebensende aber auch trauernde Angehörige. Seither hat sich meine Wahrnehmung etwas verschoben und zwar sehr deutlich in Richtung Achtsamkeit und das Bewusstsein, was im Leben wirklich wichtig ist, was man nicht versäumen sollte und worauf man nicht so viel Energie verschwenden sollte. Jeden Tag schaffe ich das immer noch nicht, aber ich übe. Wenn Zeit endlich wird, wird sie kostbar und je mehr wir versuchen, sie einzufangen, umso schneller entgleitet sie. Meiner Erfahrung nach hilft es dann, nicht all zu sehr darüber nachzugrübeln, was alles passieren könnte, sondern mehr im Moment zu leben, zu genießen, dass man morgens wach wird und nicht Montags damit zu hadern, dass eine ganze Woche Arbeit vor einem liegt und man nur für das kommende Wochenende lebt. Schwierig aber machbar mit dem richtigen Fokus. Und ich denke, in diesem Buch kommt am Ende genau das heraus.

    Ich muss gestehen, dass ich solche Dinge wie den Wechsel der Zeitform beim Lesen nicht bewusst wahrnehme. Aber mein Unterbewusstsein scheint das zumindest dahingehend korrekt zu verarbeiten, dass ich mitkriege, ob in der Retrospektive oder Gegenwart erzählt wird. Sonst hätte ich mich genau das gefragt: wo in der Geschichte bin ich grad. Hab ich nicht, also war ich da wohl auch ohne bewusste Wahrnehmung nicht irritiert und mein Lesefluss war nicht gestört. Ich verstehe aber, dass das zur Kunst richtigen Erzählens gehört und das ist dann in diesem Fall für mich sehr gut gelungen.

    Selbst in diesem - für den Roman völlig belanglosen - Fall hätte er allerdings keinen Anspruch gehabt.

    sag ich ja. ;) Und wie ich oben geschrieben habe, ist das für mich nicht von Bedeutung. Ich reagiere nur reflexartig auf nicht ganz korrekte Vermutungen - in diesem Fall zu Erbansprüchen. Ist wohl beruflich bedingt.

    Breumel logische Fehler im Plot würden mich stören, aber ungelöste Fragen, die der Roman selbst gar nicht thematisiert, stören mich nicht. Es geht für mich nicht darum, was Tabea in den 10 Jahren gemacht hat, bis sie Alexander wieder trifft und warum. Die beiden haben sich wiedergefunden und entschieden, ihr Leben miteinander zu verbringen. Die Botschaft, dass die beiden sich lieben und miteinander glücklich sind, reicht mir als Info. Hauptthema ist ja nicht die lückenlose Lebensgeschichte der beiden, sondern Alexander Bengst bevorstehender 60. Geburtstag, der ihn etwas aus der Bahn seines ziemlich beschaulichen Lebens zu werfen droht. Die Bomben, die da nebenbei zu platzen drohen, sind mir auch nicht zu weit hergeholt. Sie sorgen für Spannung und haben mich neugierig gemacht, was da passiert und vor allem, wie Bengt damit umgeht. Seine Beichte bei seiner Verlegerin macht ihn für mich sympathisch, grade, weil er selbst Skrupel hat, an der Verfilmung der geklauten Idee zu verdienen, die vielleicht nicht mal so sehr viel mit der Ursprungsfassung gemein hat. Er hat eine Antenne für richtiges und falsches Verhalten und trennt das vom juristisch zulässigen Handeln.

    Ich war kurz auf einer falschen Fährte und hatte Ayksen Brahoon als Fahrer des Unfallwagens in Verdacht, der dann seine Tournee in Asien als Alibi braucht. Allerdings wäre das im Nachhinein sehr unlogisch gewesen, weil er die Tournee vor dem Unfall erwähnt hat. Ich brauche wiederum nicht die Antwort auf die Frage, warum Tabeas Eltern Rafael nicht adoptiert haben. Mir reicht, für die Entwicklung der Figuren von Tabea und Alexander, dass und wie sie Rafaels Forderungen akzeptieren. Ob Rafael das wusste oder nicht, ist für Alexander Bengts Leben und Gefühle und damit für die Story nicht wichtig und muss für mich nicht zwingend aufgeklärt werden. Für mich rundet es die Beschreibung von Tabeas und Alexanders Charakter ab. Die beiden brauchen einander, keine juristisch einwandfreie Klärung oder irgendeine Form von Genugtuung. Und am Ende erkennen sie wohl beide, wie wichtig das Leben in der Gegenwart ist. Das Aneurysma scheint für mich eine Richtschnur für die Konzentration auf die Wertschätzung jeden einzelnen Tages zu sein, statt auf den bangen Blick auf einen 60. Geburtstag und das vermeintlich nahe Lebensende.

    Ich hab die Abschnitte etwas durcheinander gebracht aber das macht ja nichts. Teil 4 des Buches beantwortet einige Fragen, aber nicht alle. Das macht aber nichts, denn hier passiert für meinen Geschmack genug. Da dürfen ein paar Fragen offen bleiben, z. B. wie viele Solarien es in Berlin geben muss, denn auffallend viele Akteure scheinen die Bodytoaster sehr intensiv zu nutzen.
    Was für eine Geburtstagsparty! Man wünscht sich, dabei zu sein. Die Wolken am Horizont lösen sich auf, es gibt sogar ein neues vielversprechendes Buchprojekt, vermutlich neue Songtexte mit Brahoon und als ob das nicht genug wäre, erfüllt sich Alexanders Jugendtraum. Aber bevor der Leser eine quietsch-rotgoldene Sonne über Kleinmachnow untergehen sieht, verlässt Gürsel die Bühne. So was muss wohl sein, damit die Leser keinen Happy-End-Zuckerschock erleiden. Am Ende wird also vieles wieder richtig gut und wie Tabea und Alexander das Rafael-Problem gelöst haben, finde ich richtig gut. Weil sie es gemacht haben, obwohl sie nicht mussten.


    Ich hab das Buch gelesen, weil ich neugierig war, wie der Protagonist diesen runden Geburtstag samt mulmiger Endzeitstimmung in den Griff kriegt. Als ich 30, 40, 50 wurde, hat das so gar nichts mit mir angestellt, aber diese 60 ist schon ein bisschen anders gewesen. Ich bin ja an diesem Tag, wie an jedem anderen Tag davor auch nur einen Tag älter geworden, aber trotzdem ist das was anderes. Vielleicht weil diese Zahl den Beginn einer ganzen Lebensphase und blöderweise der letzten einläutet und nicht einfach nur ein neues Lebensjahr. Es hat mich nicht so runtergerissen wie Alexander, aber einige Wochen beschäftigt. Kurz nach dem Geburtstag war der Spuk dann wieder vorbei.
    Meinen Kindern hab ich schon vor 20 Jahren erklärt, dass sie sich keine vorschnellen Hoffnungen auf's Erbe machen sollten, weil ich plane 96 zu werden. Sie haben gelacht und mein Jüngster hat nachgefragt, was ich denn mache, wenn ich 96 bin und immer noch lebe. Meine spontane Antwort war: "Neue Pläne." the idea is to die young as late as possible. :)

    Na ja, der Prolog deutet schon auf die erste Katastrophe hin. Die Lügenrezensionen und die abgekupferte Romanidee lassen zumindest ahnen, dass das auch entgleisen könnte. Lediglich die unsägliche Erbschaftssache war nicht so ganz vorhersehbar. Ein bisschen schon, wenn man aufmerksam gelesen hat, dass Tabea das Haus allein geerbt hat, weil der Bruder verschollen war. Verschollen ist aber nicht tot und damit raus aus dem Erbe. Wer nur vorübergehend weg ist, kann durchaus unter bestimmten Bedingungen trotzdem erben und dann hilft es auch nichts, wenn Jahre vorher alles anders verteilt wurde.

    In diesem Abschnitt realisiere ich, dass ich die Gegend, in der das Katapult lag, kenne. Der Mini-Idgie hat 2 Jahre in der Apostel-Paulus-Straße gewohnt, in den letzten zwei Jahren seines Studiums. Inzwischen lebt er in München, vermisst das Bayrische Viertel aber immer noch, weshalb er auch die Wohnung in Schöneberg noch nicht aufgegeben, sondern untervermietet hat.
    Dass Alexander da seinen alten Arbeitgeber Big G wieder findet, hilft ihm vermutlich, nicht total durchzudrehen. Das ist auch alles ein bisschen zu viel auf einmal. Auf so enormen Stress reagiert der Körper scheinbar immer noch ziemlich steinzeitlich, totstellen oder wegrennen. Alexander läuft weg, denkt erst mal nicht an seine Kinder, die ja auch Trost und Hilfe brauchen. Verübeln würde ich ihm das nicht allzusehr. Er ist ja keine Maschine, sondern ein Mensch, dem man aktuell ein paar Päckchen zuviel aufgeladen hat. Möglicherweise resetet er sich nach diesem Absturz ja wieder.

    Was gilt als richtig und falsch? Trump und seine Anhänger halten diesen Kerl für unfehlbar also so was wie den Papst. Viele andere beurteilen sein Verhalten nach anderen Maßstäben und können genau wie ich die Worte Trump und richtiges Verhalten absolut nicht in einen sinnvollen Zusammenhang setzen.

    Mein moralischer Kompass schlägt da nicht aus.

    Meiner durchaus. Alex wäre von allein nie auf diesen Plot gekommen und die Ähnlichkeit zum beschriebenen Original würde ich als deutlich bezeichnen. Dass der Autor tot ist und sein Roman nie veröffentlicht wurde, wäre nebensächlich. Klar, er hat nichts verbotenes getan, aber etwas moralisch sehr sehr fragwürdiges. In meinen Augen.

    Sicher!

    Ich meine das hier im Gegensatz zu den Möglichkeiten, die sie gehabt hätte, wenn ihr Probleme anderer wichtig wären - von Ärztin bis Politik (was Du eben alles aufgezählt hast).

    Warum sollten ihr die Probleme anderer wichtiger sein, als ihr eigenes Lebensglück? Siehst du sowas wie eine Verpflichtung aus ihrer Hochbegabung das Bildungsmaximum rauszuholen oder mindestens gesellschaftlich hochbewertete Berufe auszuüben?

    Ein Studium, und dann beispielsweise Ärztin oder Wissenschaftlerin werden. In die Forschung gehen. Oder mit ihrem Background in die Politik. Oder in einer Organisation wie Amnesty International arbeiten, für Menschenrechte, oder eine Umweltorganisation, oder eine humanitäre Organisation.

    Natürlich ist das nicht "wertvoller" als eine Kinderdorfmutter oder eine Altenpflegerin. Aber sie hatte Chancen und Möglichkeiten, die viele andere nicht haben, und ich frage mich was sie daraus gemacht hat.

    Ich scheine nicht richtig in Worte fassen zu können, worum es mir geht. Ich nehme an, sie hat das draus gemacht, dass für sie am besten gepasst hat. Im Roman wird ja erwähnt dass sie zwei Studiengänge abgeschlossen hat und auch in diesem Berufen gearbeitet hat, aber mit dieser Wahl nicht glücklich war.

    Für eine hochbegabte Diplomatentochter ist ein Yogastudio dann auch nicht wirklich eine erfolgreiche Karriere ...

    Genau das meinte ich in meinem vorherigen Beitrag mit der Einsortierung von Erfolg und gesellschaftlicher Stellung. Verkrachte Existenz war vielleicht ein bisschen hart ausgedrückt, aber wir bewerten und beurteilen danach, was ein Mensch im Leben erreicht hat, an eher finanziellem und beruflichem Erfolg und nicht so sehr nach privatem Glück und Zufriedenheit. Das zeigt sich ja auch im Roman an den Stellen, an denen beschrieben wird, dass Hochschulabsolventen bestimmter Studiengänge ihren Lebensunterhalt als Taxifahrer oder mit Aushilfsjobs bestreiten. Da schwingt immer ein wenig abfällig die Feststellung zumindest vergeudeter Fähigkeiten oder eben gescheiterter Lebensplanung mit. Ob die so beurteilten Personen für sich selbst ihr Leben aber als erfüllt betrachten, weil sie glücklich und zufrieden und großteils mit sich im Reinen sind, ist scheinbar egal. Ich vermute mal, dass so ein Denken geprägt ist durch Erziehung und ganz speziell die Generation der Kriegskinder und -enkel scheint dafür sehr empfänglich zu sein. Meine Eltern sind beide noch vor dem 2. Weltkrieg geboren und mein Vater kannte noch sehr deutlich die Entbehrungen und die sehr schwierigen Startbedingungen nach Flucht und Vertreibung. Da fiel auch in meiner Kindheit sehr häufig der Satz, dass die Kinder es mal besser haben sollten, vor allem wirtschaftlich und beruflich. Was Erfolg bedeutet, wurde an diesen Maßstäben gemessen und natürlich macht das was mit den Menschen.


    Ganz im Gegensatz zu dieser stereotypen Einordnung scheint die Generation der 2000er zumindest zum Teil ihr Leben zu planen und wird dafür von vielen Älteren als faul, absolut unbelastbar und im schlimmeren Fall als Sozialschmarotzer abgekanzelt, weil sie andere Wertmaßstäbe für das eigene Leben setzen. Jedenfalls nicht an vorderster Front die 40-Stundenwoche, mit Haus im Grünen, mehr Kohle als nötig, mindestens ein- oder mehrmals im Jahr Luxusurlaub und teuren Hobbys.


    Meinen Kindern habe ich versucht, mitzugeben, dass das Wichtigste im Leben sein sollte, dass man glücklich und zufrieden ist, mit dem was man tut, auch beruflich. Man sollte möglichst keine Existenzsorgen haben weil das dann mit Glück und Zufriedenheit kollidieren könnte. Und es ist wichtig für sich selbst festzulegen, was man im Leben erreichen möchte und das möglichst nach eigenen Maßstäben und nicht fremdbestimmt.

    So, wie ich das bei den Romanfiguren bisher verstanden habe, haben die das auch unabhängig von fremden Ansichten hinbekommen - zumindest bis zu diesem Teil des Romans.