Liebe Lipperin - so schöne, so wichtige Gedanken hier von Dir, die mich aufgeregt herumzappeln lassen, weil ich merke, es kommt bei Dir so an wie ich es gemeint habe. Und weil ich so gespannt bin, wie es Dir weiter mit den Personen dieser Geschichte geht ...
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Original von Lipperin
Raharjo ist nun also reich geworden, eine Heirat wird arrangiert wie ein Geschäft (auch wenn die Braut nie im Leben "nein" gesagt hätte), er hat ein Haus gebaut, das wunderschön sein muss – besonders die Beschreibung des Inneren, des Lichts und der Farben hat es mir angetan, dafür hat er meine Hochachtung -.
Ist inspiriert vom Inneren des Malay Heritage Centre in Singapur, dem früheren Palast des Sultans von Johor - heißt zwar Palast, ist für europäische Begriffe allerdings mehr eine grozügige Villa.
Und neben all dem anderen Schönen, das mir dort für dieses Buch begegnete, dachte ich dort immer wieder: so müsste Raharjo wohnen, so würde er sich ein Haus einrichten, das entspricht ihm.
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Original von Lipperin
Er ist ein seltsamer Mensch, Treibholz seiner Zeit, seiner Umgebung.
So schön ausgedrückt.
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Original von Lipperin
Im Moment finde ich wenig Liebenswertes an ihm … und wenn er so weitermacht, ist ihm wenigstens augenblicksweise meine Verachtung sicher.
Finde ich absolut nachvollziehbar.
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Original von Lipperin
Georgina … in gewisser Weise ist sie Raharjo sehr ähnlich. Ein Teil ihres Wesens fehlt, sagt sie Seite 224. Ein wesentlicher Teil, möchte man hinzufügen. Manchmal habe ich das Gefühl, sie habe irgendeine (familiäre?) Bindung an die Orang Laut. Etwas beängstigend empfinde ich die Beziehung zu Raharjo. Liebe, sagt sie, sagt er. Aber in dieser Abhängigkeit ist fast etwas Seltsames, etwas nicht Erklärbares (dämonisch fiel mir auch noch ein, aber der Begriff ist mir dann doch zu stark) … jedenfalls sehe ich da etwas, was ich mit dem Begriff Liebe, so wie ich sie verstehe, nur bedingt in Einklang bringen kann. Leidenschaft – einverstanden. Rausch, Lust, Begierde – auch einverstanden. Mir kam der Liebestrank aus „Tristan und Isolde“ in den Sinn. So wirkt das auf mich: Etwas hat seinen „Zauber“ gesprochen, sein „Netz“ ausgeworfen, und die beiden sind darin gefangen, ob sie wollen oder nicht (und das ist ihnen natürlich nicht bewusst).
Ja, sie ist ihm sehr ähnlich. ZU ähnlich.
Für mich hat das in dieser Zeit auch nicht viel mit Liebe zu tun, das hat etwas Obsessives, Zerstörerisches, viel mit Macht zu tun.
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Original von Lipperin
Manchmal habe ich den Eindruck, sie ist nicht wirklich bindungsfähig, etwas hält sie ab, sich ganz einzulassen, sich ganz zu öffnen. Ihre Kinder scheint sie zu lieben, sie scheint auch zu wissen, welchen Halt ihr Bigelow bietet, bieten kann. Hat man sie allzu deutlich spüren lassen – und nicht im Guten -, dass sie als einziges Kind überlebte, während alle anderen und die Mutter starben? Jedenfalls: Ab einem Punkt ist sie nicht mehr zu fassen, und ich vermute stark, das würde auch für Raharjo gelten.
So empfinde ich sie auch, ja.
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Original von Lipperin
Paul Bigelow jedenfalls tut mir aufrichtig leid. Manchmal, das sei eingestanden, werfe ich ihm ein „konntest du dich nicht in jemand anderes verlieben?“ an den Kopf. Schlimm, nicht wahr?
Schlimm für Paul auf jeden Fall.
Für uns, die wir dessen Zeuge werden, finde ich das eine verständliche Reaktion. 
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Original von Lipperin
Die historischen Begebenheiten, die Beschreibungen von Land und Leuten, von Farben und Gerüchen haben es mir angetan und ich mag mir gar nicht vorstellen, wie viele Recherchen dafür nötig waren, wie viel Zeit das „gekostet“ hat (ist ja schon beantwortet, aber, Pardon, es war nun schon mal geschrieben :grin). Für mich bringen sie jedenfalls Ruhe in diesen Roman, derer ich manchmal doch etwas nötiger bedarf.
Auch dafür waren sie gedacht - und ich freu mich, dass Du sie so empfindest.
An den Faktor Zeit denke ich gar nicht so oft. Einerseits, weil man diesen Beruf so nicht sehen kann und auch besser nicht sollte. Andererseits - und das wiegt wesentlich schwerer - überwiegt doch immer die Neugierde, die Freude an der Spurensuche, am Entwickeln der Geschichte und ihres Hintergrunds. Es ist nicht immer so, es gibt auch zähe, frustrierende Tage, anstrengende Phasen - aber die meiste Zeit bin ich einfach gern in so einer entstehenden Romanwelt unterwegs.
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Original von Lipperin
Die Personen lassen mich nicht gleichgültig, ich würde die Eine oder den Anderen manchmal am liebsten in den Arm nehmen und trösten, ich schimpfe mit ihnen, schüttele über sie den Kopf, in einem Fall habe ich mich gar dabei ertappt, eine Ohrfeige austeilen zu wollen! Ich! Schlimm, ich sag's ja...
Ich ganz persönlich bin da sehr glücklich drüber, genau darauf hatte ich beim Schreiben gehofft.
Ein zahmeres Personal hätt's mir für diesen Roman nicht getan, das hätte dem Schauplatz und seiner Geschichte nicht entsprochen.
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Original von Lipperin
Wieder eine Frage: Was bitte, ist „herzloses Blau“ (Seite 237)? So etwas wie ein kalter eisblauer Januarhimmel, versetzt ins schwül-heiße Singapur?
Es geht schon in die Richtung eines klaren Winterhimmels bei uns. In Singapur ist der Himmel manchmal von einem sehr intensiven, durchdringenden Blau, so blau, dass es fast in den Augen wehtut. Für mich eine Farbe, die nicht unbedingt Leichtigkeit vermittelt, sondern eine gewisse Härte hat - und dazu noch in Georginas Wahrnehmung an diesem Tag dann auch "herzlos".