Rebecca Michéle
Das ging allerdings noch sehr lange so - selbst in der Generation meiner Großeltern und Eltern wurden Depressionen und PTBS (z.B. als Folge des Kriegs) oft eher noch schulterzuckend hingenommen und auch massive Wechseljahresprobleme wurden eher mit "ist jetzt halt so" ertragen.
Das muss ich leider bestätigen. Meine Großmutter (geb.1903) und meine Mutter (geb. 1930) mussten im Januar 1945 zu Fuß aus Ostpreußen fliehen. Im Westen angekommen, hatten sie auch lange Zeit ein sehr schweres Leben. Das hinterließ Spuren. Als Kind und Jugendliche empfand ich gerade meine Mutter in vielen Bereichen als etwas "seltsam", sie hatte auch schwere Depressionen und trank einige Jahre viel zu viel. Erst später, als ich mich mit der Geschichte meiner Familie auseinandersetzte, verstand ich, dass sie von den Ereignissen zutiefst traumatisiert war. Psychologische Hilfe gab es keine, alle wollten die Schrecken des Krieges einfach nur vergessen und nach vorne sehen.
Meine Oma hingegen sprach öfters über die Vergangenheit und auch der Flucht, meistens jedoch nur in Bröckchen. Ich wuchs mit kurzen Erzählungen aus der Zeit in Masuren, wo sie direkt an einem See lebten, auf. Irgendwann jedoch verschleierten sich die Augen meiner Oma, sie murmelte "Und dann kam der Krieg ..." und dann schwieg sie.
Meine Mutter erzählte lange Zeit gar nichts über ihre Kindheit und Jugend. Erst, als ich beschloss (und mich emotional und schriftstellerisch in der Lage fühlte), deren Geschichte als Roman niederzuschreiben, konnte ich meine Mutter interviewen. Auf alle Fragen, die ich ihr stellte, bekam ich oft keine Antwort, manche nahmen sie so sehr mit, dass sie weinte. Ich bin da sehr vorsichtig vorgegangen.
Glücklicherweise habe ich einen noch lebenden Onkel (geb. 1928 in Ostpreußen, Cousin meiner Mutter), der mit der Vergangenheit sehr gut umgeht und mir unheimlich viel erzählen konnte. Noch heute ist er geistig beneidenswert vollkommen fit!
Übrigens. ein wenig Werbung ;). Der Roman "Der Weg der verlorenen Träume" erschient 2018, ist inzwischen als TB neu aber nicht mehr erhältlich, wird als e-Book aber im Juni wieder erscheinen.