Beiträge von GregorKeuschnig

    "nachhaken" würde ich das nicht nennen. Im Interview sagt Wiedau übrigens abweichend zur Berichterstattung im Artikel, dass er in 40 Jahren 10.000 Bücher gelesen hat (also nicht in 10 Jahren). Und er relativiert den Begriff Rezension zu 'Zusammenfassungen mit kurzer Meinung' (sinngemäß).

    Da ich mit meinem Beitrag zu diesem Artikel verlinkt bin, möchte ich kurz auf die Diskussion eingehen.


    Es ist meines Erachtens nicht gleichgültig, ob und wie der sogenannte Top-Rezensent sein Pensum bewerkstelligt hat. Ich erachte es im Gegenteil für ziemlich wichtig zu befragen, (1.) ob man überhaupt 10.000 Bücher in der genannten Geschwindigkeit lesen und vor allem erfassen kann und (2.) welche Auswirkungen dies auf die sogenannte "Rezension" hat. Ich behaupte: das geht nicht.


    Niemand scheint sich die Frage zu stellen, wie jemand Kinderbücher, Reiseführer, Kochbücher und Romane in der dem Genre würdigen Form "rezensieren" kann (und damit meine ich nicht nur die Quantität). Hat er jemals ein Rezept aus einem besprochenen Kochbuch nachgekocht? Einen Wanderweg in einem Reiseführer überprüft? Wo liegen die Kriterien? Ich habe mir inzwischen einige "Rezensenten" angesehen. Etliche besprechen nahezu alles durcheinander: Nietzsche, Winnetou, IT-Bücher. Die im Artikel genannten 30 Zeilen sind bei diesen Inflationslesern offensichtlich noch viel - manche referieren Kant in zehn Zeilen (wie drollig dann, wenn eine Empfehlung ausgesprochen wird).


    Ich stimme denen hier im Forum zu, die sich mehr über die Persönlichkeit des angeblich Gemobbten gewünscht hätten. Wo bleibt die Analyse, was Leute dazu treibt, sich in virtuellen Listen nach oben und andere nach unten zu werten? Wäre das nicht die Frage an Amazon gewesen? Wie wäre es mit einem Identitätsnachweis für "Rezensenten" (der könnte ja bei Amazon verbleiben, wenn jemand unbedingt unter Pseudonym schreiben möchte)?


    In Wirklichkeit hat Amazon gar kein Interesse an einer Eindämmung dieses Pseudorezensententums der Zehn- oder Dreißigzeiler. Sie pushen damit ihren Vertrieb. Hauptsache, es gibt möglichst viele Bewertungen und Sterne.


    Noch etwas zu der mehrfach geäußerten These, jemand verkaufe für ein Rezensionsexemplar seine Seele. Ich bekomme auch welche (und weiss daher, welche Verlage beispielsweise Amazon-Schreibern keine schicken), habe aber noch nie einen entsprechenden Druck verspürt. Ich verreisse auch - gebe mir dabei jedoch Mühe, dies nicht auf einer persönlichen Ebene zu tun (in den meisten Fällen kenne ich die Autoren ja nicht).