Beiträge von Ars_scribendi

    Der Eindruck vom Lesen ist noch so stark, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Denn der Roman hat mich in seinen unzähligen Aspekten geradezu überwältigt und einen tiefen Eindruck hinterlassen. – Hikikomori ist viel mehr als ein Buch über einen Jungen, der sich allmählich von der Welt zurückzieht, seine utopisch anmutende Parallelwelt aufbaut, der den Kontakt zu der alten Umgebung immer mehr kappt, äußerlich verwahrlost und innerlich doch aufzublühen scheint. Hikikomori ist ein Buch aus unserer Zeit und über unsere Zeit.
    Wer sich darauf einlässt (was natürlich etwas Anstrengung bedeutet), erfährt diesen unheimlich Sog, den radikale Lebenswege versprühen. Die Figuren sind allesamt so authentisch und psychologisch feinfühlig beschrieben, dass man meinen würde, echte Menschen vor sich zu haben. Auch wenn man vielleicht sagt, solche Eltern kenne ich nicht, oder mein Sohn oder meine Tochter würden so etwas nie tun, ist Tills Rückzug doch glaubhaft eine der Möglichkeiten unserer Zeit. Eine Zeit, und das wird in dem Roman von Kevin Kuhn schnell klar, die zwar anstrengend und fordernd ist mit ihrem Innovations- und Selbstfindungsdrang, die aber auch viel bietet, gerade auf dem Kontinent der Digitalen Welt.
    Dieses Buch ist ein Muss. Man wird sich daran stoßen. Man wird aber auch als ein Anderer die Geschichte verlassen.