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Zwar ist Melville nicht derart schwierig zu übersetzen wie etwa William Faulkner oder ein Nikolai Leskow. Dennoch gelten auch hier nach Ansicht verschiedener Literaturwissenschaftler die meisten deutschen Übertragungen des Moby Dick aus den vergangenen rund 80 Jahren als ungenügend - und wurden teilweise gar erheblich gekürzt.
Nach drei oder vier völlig missratenen Translationen aus den 20er und 30er Jahren, die man getrost vergessen kann, wird die (auch heute noch recht verbreitete) Bearbeitung von Thesi Mutzenbecher & Ernst Schnabel aus dem Jahr 1946 gemeinhin als ganz passabel und gut lesbar eingestuft.
Als noch werkgetreuer, aber auch etwas sperriger, empfiehlt der renommierte Kritiker Dieter E. Zimmer wahlweise die Übertragung von Alice & Hans Seiffert (1956), Richard Mummendey (1964) oder Matthias Jendis (2001).
Auch der in Übersetzerkreisen nicht unbekannte Friedhelm Rathjen hat vor einigen Jahren eine - recht kontrovers diskutierte - Fassung vorgestellt, verlegt beim 2001-Verlag. Eine Arbeit, die besonders genau sein soll und laut Herausgeber "die Eigentümlichkeiten der Melville'schen Prosa am besten einfängt....".
Mir persönlich sagt Rathjens Version nicht zu. Wie so viele Verfechter einer extrem wortgetreuen Übersetzung vergisst Rathjen, dass , um die Geschlossenheit und die Prägnanz des Originals zu erreichen, gewisse Umschreibungen und gelegentliche kleine Veränderungen (manchmal auch Ergänzungen) nahezu unumgänglich sind.
Beherzigt man dies nicht und klebt allzu stur an der Originalvorlage, ist dies zuweilen kontraproduktiv - und der Übersetzer fabriziert ein befremdliches, verkorkstes Deutsch, wie Dieter Zimmer und einige seiner Kritikerkollegen Friedhelm Rathjen vorwerfen.
Wie solch ein verkorkstes, befremdliches Deutsch mitunter aussieht, erkennt man im Vergleich einiger Textpassagen.
Nachfolgend ein Beispiel im Original sowie jeweils in den beiden neuesten deutschen Übersetzungen nach der Jahrtausendwende - von Rathjen bzw. Jendis:
Melville (Kapitel 28):
„But the Pequod was only making a passage now; not regularly cruising; nearly all whaling preparatives needing supervision the mates were fully competent to, so that there was little or nothing, out of himself, to employ or excite Ahab, now; and thus chase away, for that one interval, the clouds that layer upon layer were piled upon his brow, as ever all clouds choose the loftiest peaks to pile themselves on.“
Rathjen:
„Aber die Pequod befand sich jetzt erst auf Passage; kreuzte nicht regulär; beinah aller Walfangvorbereitungen, die der Oberaufsicht bedurften, waren die Maate voll und ganz befähigt, so daß es da nun wenig oder gar nichts gab, um Ahab weg von sich selbst zu beschäftigen oder aufzuregen; und solchermaßen wenigstens für dieses Zwischenspiel die Wolken fortzujagen, die sich Schicht auf Schicht auf seiner Stirne türmten, wie immerdar alle Wolken die erhabensten Gipfel wählen, um sich daran aufzutürmen.“
Jendis:
„Aber die Pequod befand sich jetzt bloß auf der Überfahrt; sie kreuzte nicht in den Fanggründen, und fast alle Vorbereitungen für den Walfang, die der Aufsicht bedurften, konnten bestens von den Steuerleuten erledigt werden, so daß es außer ihm selbst zur Zeit kaum etwas gab, das Ahab Arbeit oder Ablenkung hätte verschaffen und wenigstens vorübergehend das Gewölk hätte vertreiben können, das Schicht um Schicht auf seiner Stirne lag, so wie die Wolken stets die erhabensten Gipfel wählen, um sich an ihnen zu ballen.“
Eine umfassende Analyse von Dieter Zimmer hierzu findet sich in einer November-Ausgabe der 'Zeit' aus dem Jahr 2001:
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