Beiträge von Swansea

    Der 3. Fall Jackson Lamb's - "Real Tigers" von Mick Herron, erschien (TB,2020) im Diogenes-Verlag, Zürich und wurde aus dem Englischen von Stefanie Schäfer übersetzt.

    Für mich stellt diese Reihe intelligenter Agentenkrimis etwas Besonderes dar und auf 'Real Tigers' in der deutschen Übersetzung habe ich mich nach dem Genuss der beiden Vorgänger sehr gefreut: Auch hier wurde ich nicht enttäuscht, da Mick Herroneinen genialen Schreibstil (und schräge Figuren) hat, die stets ein Schmunzeln und großen Lesegenuss bereithalten.


    Dieses Mal stellt uns ein "Geist", der durch Slow House wandert, die "Abservierten" kurz vor. Es gibt also ein Wiedersehen mit Jackson Lamb und seinen Agenten, die allesamt etwas vermurkst haben und als "Lahme Gäule" im Slow House des Regent Park's (Hauptsitz des MI5 und Secret Service, London) outgesourcet wurden, um dort stupide und eintönige Arbeiten zu verrichten. Man hofft darauf, dass jeder Einzelne aufgibt und die Kündigung einreicht, doch davon sind (Gott sei's gedankt) die meisten weit entfernt:

    Wir begegnen River Cartwright, dem Enkel des legendären David Cartwright; Catherine Standish, der Assistentin Jackson Lamb's, Roderick Ho, dem IT-Spezialisten, der jedoch kein Glück bei Frauen hat, Louisa Guy, die seit dem Tod von Min (früherer Kollege und auch Partner) einen recht zweifelhaften Lebensstil führt, Marcus Longridge (der sich bemüht, seine Spielsucht in Grenzen zu halten) und die zuweilen koksende Shirley Dander, die beiden Neuzugänge im Slow House.

    Wie gewohnt malträtiert Jackson Lamb seine "Untergebenen" gerne, hält ihnen oft den Spiegel des Versagens vor; jedoch mag er es nicht, wenn einer seiner Agenten in Gefahr schwebt - und jemand nicht zum Dienst erscheint.


    Was im Falle von Catherine Standish, einer trockenen Ex-Alkoholikerin, eines Morgens der Fall ist. Es sollte sich herausstellen, dass ein Ex-Liebhaber sie kurzerhand entführt hat, um (im Austausch der Agentin) an ein Dossier des Premierministers zu gelangen, das in den heiligen Archiven des Regent Parks vermutet wird: An der Hüterin dieses Archivs (eine alte Fledermaus auf Rädern namens Molly Doran, aus den früheren Krimis bestens bekannt) ist kaum ein Vorbeikommen, doch River versucht dennoch sein Glück und schleicht sich in die Katakomben ein (obwohl es den Agenten des Slow House strengstens verboten ist, den Regents Park zu betreten).

    Leider ist das Eindringen Rivers nicht von Erfolg gekrönt und Nick Duffy, ebenfalls ein alter Bekannter der Serie und Chef der "Dogs", wie die Mitarbeiter des Regent Parks genannt werden, knöpft sich River vor....

    Eine weitere illustre Gestalt, (die sehr viel äußerliche Ähnlichkeit mit dem derzeitigen Premierminister Englands hat) ist Peter Judd, der amtierende Innenminister sowie Ingrid Tearner (Direktorin des MI5 und aalglatt) wie auch Diana Taverner oder "Lady Di", die ihre eigenen Interessen verfolgt und ebenfalls wie ihre Vorgesetzte mit allen Wassern gewaschen ist.


    Weshalb wurde Catherine entführt? Wer sind die maßgeblich Beteiligten? Was geht hinter den Kulissen des Regent Parks vor sich? Sind die Akten im Archiv, bei denen es sich teils um brisante Daten handelt, auch sicher? Wer könnte ein Interesse haben, die Personalakte des Premiers (dessen Vergangenheit mit Sicherheit glattgebügelt wurde) zu entwenden? All diesen Fragen muss sich Jackson Lamb stellen und ist wie immer nicht alleine, den Fall zu lösen: Er hat seine Slow Horses...


    Der Leser verfolgt mit Spannung die Aktivitäten Jackson Lambs und seiner Agenten, wobei es in diesem Agentenkrimi um Macht geht und wie die Mächtigen sie sichern; um Verschwörungstheorien und "Graue Bücher"; um die Möglichkeiten, die eigene Position zu sichern (und nach Möglichkeit, dem jeweils Ranghöheren ans Bein zu pissen, am besten erfolgreich) und die Methoden, wie dies (am besten unter Ausschluss der Öffentlichkeit) zu bewerkstelligen ist.


    Mick Herron's unvergleichlicher Schreibstil lebt von den bissigen, oft witzigen Dialogen der Slow Horses - ganz besonders von Jackson Lambs - und des alltäglichen Schlagabtauschs untereinander. Auch schwarzer Humor ist keine Seltenheit, der skurrile Handlungen (die oftmals gar nicht so unrealistisch erscheinen) noch betont.


    Der spannende Showdown in der stillgelegten Fabrik klärt gegen Ende einiges und der oben erwähnte "Geist" führt den Leser wiederum durch die Büros des Slow House: Resümierend bis zu einem schnarchenden Jackson Lamb, dessen Tür nicht von einem Geist, sondern einer weiß behandschuhten Hand geöffnet wird - wobei allzu oft vergessen wird, dass sich hinter so mancher Tür tatsächlich ein Tiger verstecken kann ;-)


    Fazit:


    Mick Herron vertritt nach meinem Dafürhalten die hohe Kunst der intelligenten Unterhaltung in Form eines weiteren Agentenkrimis, der zum Ende hin durchaus Thrillerelemente in sich trägt, in Reinkultur.

    Wer schwarzhumorige, teils sarkastische, pointierte, vor allem aber sehr intelligent geschriebene und tiefgründige Spionagekriminalromane mag, sollte diese Reihe unbedingt lesen! Am allerbesten chronologisch, wie in diesem Genre ratsam. Fans der "Slow Horses" dürften sich (wie ich) gefreut haben, dass sie letztendlich das bessere "Tiger-Team" sind! Von mir gibt es 4,5 * und eine absolute Leseempfehlung.


    ASIN/ISBN: 3257300808

    "Schicksalstage am Fjord" von Sofie Berg erschien (Paperback, 2019) im Gmeiner Verlag, München. Die Autorin, deren Großmutter selbst Norwegerin war, verwebt hier sehr gekonnt und spannend die an ihre eigene Familiengeschichte angelehnte Geschichte der fiktiven Familie Bakken in Trondheim, Norwegen in einer düstere Zeit: Unter der Besatzung des Nazi-Regimes im 2. Weltkrieg.


    "Das Leben in Norwegen unter der deutschen Besatzung ist gefährlich, vor allem für diejenigen, die Widerstand leisten. Nach der Verhaftung von Vater und Schwager wendet sich die junge Norwegerin Ingrid Bakken hilfesuchend an ein Mitglied der norwegischen Nazipartei und wird damit für ihre Familie zur Verräterin. Ingrid bemüht sich, das Verhältnis zu ihrer Familie zu retten - und hat Erfolg. Doch dann begegnet ihr die große Liebe - in Gestalt eines deutschen Soldaten. Wird sie es wagen, ihren Gefühlen nachzugeben?"

    (Quelle: Buchrückentext)


    Die Besetzung Norwegens durch deutsche Truppen des Nazi-Regimes im 2. Weltkrieg begann am 4. April 1940; in den folgenden Kriegsjahren begleiten wir die Familie Kristine und Nils Bakken aus Trondheim, besonders die Hauptprotagonistin Ingrid Bakken, als 19jähriges Mädchen die Jüngste der Familie: Ihr Bruder Arne ist im Widerstand und überzeugt seinen Schwager Einar, der bereits 1941 verhaftet wurde und erst nach Wochen wieder frei kam, der Gruppe beizutreten: Die Gestapo hat ihr Hauptquartier im früheren "Missionshotel" und verfolgt jede Spur des Widerstands - dazu kommt noch die Gesinnungslage mancher Norweger, die sich in der Nazipartei "Nasjonal Samling" vereint haben und mit denen die "Jossinge", die königstreuen und loyalen, antifaschistischen Norweger nichts zu tun haben wollen, hinzu. Die Bakkens sind allesamt Jossinge - und gehören der Gewerkschaft und teils der kommunistischen Partei an. Daher hat die Familie wenig Verständnis für Ingrid, die durch eine frühere Freundin, deren Eltern der Nasjonal Samling angehören und Feste mit den Deutschen feiern, Hilfe erfährt, um ihren Vater aus der Haft zu entlassen: Ingrid hatte große Angst, dass sie ihrem Vater und auch Schwager etwas antun könnten.

    Die Familie interpretiert den Kontakt zu Solveig anders: Ingrid ist von nun an eine Verräterin, die den Kontakt zu Solveig nicht unterbunden hat. Hier spielt der Stolz des Vaters eine Rolle, der von Menschen mit dieser Gesinnung keine Hilfe annehmen will.


    Ingrid arbeitet in einer Konservenfabrik und da die Lebensmittelknappheit größer wird, überlegt die Familie, über den Sommer nach Selbu an der Grenze zu Schweden zu reisen, wo sie Verwandte hat und die Versorgungslage entspannter ist. Nur Ingrid soll in Trondheim bleiben - sie wird überhaupt nicht in die Reisepläne der Familie einbezogen. Und damit nimmt das Schicksal seinen Lauf:


    Solveig überredet Ingrid, mit zum Tanztee zu kommen, wo auch deutsche Soldaten sind. Ihr Bruder Arne hat Ingrid davor gewarnt, sich mit dem Feind einzulassen und kann sie vor einem Übergriff des Nachbarn, der ihr Avancen macht, retten: Ragnar Mykland. Dieser trägt im weiteren Verlauf Persönlichkeitszüge von Henry Rinnan, dem Anführer der Rinnan-Bande, die als Kollaborateure der Gestapo sich in Widerstandsgruppen einschleusten und diese aufdeckten: Ihre Methoden waren dabei ebenso inhuman wie die der Nazis: Sie folterten und töteten unschuldige Norweger (Rinnan wurde 1946 zum Tode verurteilt und hingerichtet).


    Angewidert von Ragnars wiederholten Annäherungsversuchen, findet Ingrid in Georg Reimers einen jungen sympathischen Mann, der sehr sanft ist und sie wiedersehen will: Doch Georg ist gebürtiger Hamburger, ein Soldat der deutschen Wehrmacht - und damit eigentlich ihr Feind!

    Es ist mehr als berührend zu lesen, wie tragisch der innere Konflikt von Ingrid ist, die sich darüber bewusst ist, dass es einen Bruch mit der Familie geben würde, wenn sie diese Liebe offen leben würde. Daher blüht sie im Geheimen - und lässt sich dennoch von Krieg und Gewalt nichts befehlen: Sie ist einfach da.


    Genau dies versteht Sofie Berg sehr gut, herauszuarbeiten: Aber auch die inneren Konflikte, die in der Familie durch die Verbindung von Ingrid und Georg entstehen, sind sehr bildhaft und authentisch beschrieben. Einzig die Mutter, eine sehr starke Persönlichkeit, deren oberstes Gebot ist, die Familie zusammen zu halten und keines ihrer Kinder (Astrid, die Älteste, die mit Einar verheiratet ist und 2 Söhne hat, Kjell und Per; Arne, ihren Sohn und Ingrid) zu bevorzugen: Auch nach dem "Fehltritt" von Ingrid, der doch eines Tages offenkundig wird, steht sie zu ihr, während Astrid, die durch die Inhaftierung und Deportation nach Deutschland ihres Mannes Einar die Deutschen hasst, ebenso wie ihr Vater Nils und vor allem auch ihr Bruder Arne sich von Ingrid abwenden. Erschüttert muss man lesen, dass Bruder, Schwester und der eigene Vater das Zimmer verlassen, wenn Ingrid hereinkommt. Dass sie kein Wort oder nur das Allernötigste mit ihr sprechen. Dass Ingrid auch keine Erklärungen ihrerseits abgeben kann, die anerkannt werden; etwas, dass Georg nicht dafür verantwortlich ist, dass Einar verhaftet wurde. Im Verlauf des Romans, in dem auch (1942) Hamburg dem Erdboden gleich gemacht wird, stellt sich mehr und mehr heraus, dass Georg kein überzeugter Nationalsozialist ist. Dennoch wird er als Feind von der Familie abgelehnt (ausser von Kristine, ihrer Mutter) und Ingrid wird immer klarer, dass sie sich zwischen beiden entscheiden muss....


    Der historische Roman von Sofie Berg gibt einen sehr guten Einblick in eine fiktive norwegische Familie, die exemplarisch für viele stehen könnte, während der deutschen Besatzungszeit: Auch historische Ereignisse und Personen werden genannt, über die man bei Interesse anderenorts noch mehr in Erfahrung bringen kann (Quisling, Rinnan). Auch die Zeit nach der deutschen Kapitulation und das Aufatmen der vom deutschen Joch befreiten norwegischen Bevölkerung erlebt man mit Kristine und den anderen Familienangehörigen mit: Für Menschen, die in deutschen Firmen arbeiteten (Bautruppen z.B.) oder in Fabriken, war es auch nach dem Krieg sehr schwer, eine neue Anstellung zu finden. Frauen, die mit deutschen Soldaten ein Liebesverhältnis eingingen, wurden (ebenso wie in Frankreich) geschoren, verachtet, beschimpft und kamen in ein Lager: Liebe in Kriegszeiten wird von der Gesellschaft hart bestraft und viele dieser Frauen wurden zu Unrecht gedemütigt und drangsaliert. Ingrids Schrecken, als sie eine ihr bekannte Frau so sieht, kann man gut nachvollziehen.


    Ingrid selbst fand ich sehr authentisch und sympathisch; die stärkste Frau im Roman ausser Ingrid selbst ist ihre Mutter Kristine, die sich wie eine Löwin vor ihre Tochter stellte und sehr souverän handelte. Weniger sympathisch war mir Astrid, Ingrid's Schwester: Ihren Hass auf die Deutschen übertrug sie gar auf ihre Söhne und ihr Verhalten Ingrid gegenüber empfand ich als bösartig und sehr gehässig. Anders Einar, ihr Mann, der stets ein gutes Verhältnis mit seiner Schwägerin Ingrid hatte! Der Vater, der sich auch sehr hart von seiner jüngsten Tochter abgewandt hatte, bekam einen Pluspunkt am Romanende: Er hatte ein ganz besonderes Geschenk für sie, was mich überaus freute.


    Fazit:


    Ein sehr lesenswerter, auch spannender und gut geschriebener Roman aus der Zeit der deutschen Besatzung, der sehr berührt und nachdenklich stimmt. Ich hatte eigene, persönliche Gründe, diesen Roman zu lesen und muss sagen, dass es ein erhellender (weiterer) Lichtblick für mich war, diese Zeit aus der Perspektive einer norwegischen Familie (mit)erleben zu können, der sehr authentisch wirkte. Die Großmutter der Autorin war selbst Norwegerin, wie sie im Nachwort schreibt und der Roman basiert teils auf den Aussagen und Erzählungen des Großvaters. Das Glossar, das die norwegischen Begriffe erklärt, rundet zudem diesen außergewöhnlichen Roman positiv ab.

    Ich vergebe 4,5 Sterne und empfehle diesen Roman gerne uneingeschränkt weiter!



    ASIN/ISBN: 3839224608

    "Das letzte Licht des Tages" von Kristin Harmel erschien in Übersetzung (aus dem amerikanischen Englisch) von Veronika Dünninger im Knaur Verlag (Paperback, 2020, ISBN 978-3-426-22712-1).

    Frankreich, Ville-Dommange, (Champagne), 1940:

    Die Deutschen besetzen Frankreich und auch Michel und Inés, seit 2 Jahren ein Ehepaar und Besitzer eines Weinguts in der Champagne, befürchten Schlimmes: Sie produzieren seit Generationen Champagner; unterstützt von Théo, dem Kellermeister und Céline, seiner Ehefrau, die Halbjüdin ist. Céline macht sich große Sorgen um ihre Eltern, von denen sie lange nichts hörte...

    Während Michel und Théo alte Freunde sind und sich im Berufsalltag ohne Worte verstehen, tun sich Inès und Céline eher schwer, eine Freundschaft aufzubauen. Der "Winzerführer" Klaibusch und seine Nazi-Kumpanen plündern alle Weingüter und erlegen den Winzern auf, dass sie fortan eine gewisse Menge des edlen Gebräus nach Deutschland zu entsenden haben. Zu dieser Zeit haben sich bereits Widerstandszellen gebildet und auch viele Winzer gehören der Résistance an, die versuchen, die Ziele der Nazis zu durchkreuzen. So erfährt eines Tages auch Inès davon, dass Michel Waffen und auch jüdische Flüchtlinge in den weitverzweigten Kellern des Gutes versteckt und muss sich für eine Seite entscheiden. Sie wirkt, kaum über zwanzig, sehr naiv auf mich und ist nicht glücklich in ihrer Beziehung zu Michel: Daher sucht sie ab und andas Weite, um ihre Freundin in Reims zu besuchen, die dort mit ihrem Mann das"Moulin Rouge", ein Restaurant mit Bar, betreibt. Édith ist ebenfalls dem Widerstand angehörig und gibt wichtige Informationen an die Netze der Résistance weiter, die sie von den betrunkenen deutschen Soldaten erlauscht.

    Dort lernt Inès einen Franzosen kennen, der ihr Komplimente macht und sie in ihrem mangelnden Selbstwertgefühl und ihrem Unglück tröstet: Ein fataler Fehler, wie sich später herausstellen sollte....

    Liv, die nach einer gescheiterten Ehe Jahrzehnte später ihrer exzentrischen Großmutter zurück nach Frankreich folgt, wundert sich über die Rätsel, die ihre Großmutter verschweigt und die in deren Vergangenheit führen: Als Èdith, die Großmutter Liv's, mit ihr Reims und das frühere Weingut der Familie Chauveau besucht, überschlagen sich die Ereignisse und der junge Anwalt Julien Cohn wird von Èdith beauftragt, ihr "reinen Wein einzuschenken"; ihrer Enkelin das zu sagen, was sie selbst nie konnte....

    Meine Meinung:

    In diesem Roman, den Kristin Harmel vorlegte, ist gekonnt und auf bewährte Art eine Liebesgeschichte mit Zeitgeschichte verwoben; der Zeit des 2. Weltkrieges, in der Frankreich (abgesehen von der Zone libre im Süden) von Nazideutschland besetzt war. Der zweite Erzählstrang ist in der Gegenwart angesiedelt: Édith Thierry ist inzwischen fast 100 Jahre alt (dabei jedoch sehr agil und trinkfest; was für mich etwas unrealistisch dargestellt war, aber lustig) und möchte ihrer Enkelin sagen, was sie ihrem Sohn zeitlebens verschwieg: Die Wahrheit über die tragische Vergangenheit, die sich in Reims und auf dem Weingut der Familie Chaveau abspielte. Harmel gelingt es, zum Einen die Herstellung von Champagner zu beschreiben, zum anderen die schöne Landschaft der Champagne mit Reims, dessen Kathedrale sich mit Notre Dame de Paris durchaus messen kann. Charaktere wie Édith und Céline waren mir sehr sympathisch; mit Inès und Édith hatte ich meine Probleme, da die Verwandlung einer Hauptprotagonistin auf mich etwas hölzern und nicht authentisch wirkte. Aus einer naiven und wenig selbstbewussten Inès wurde später eine Résistance-Kämpferin, die im Süden gar ein Messer nutzte, um einen Gegner auszuschalten. Letzteres von dem Gefühl abhängig, etwas wieder gut zu machen, was unumkehrbar war.

    Themen des Romans sind u.a. Liebe, Freundschaft, Kinderlosigkeit, in Zeiten desKrieges Liebe und Verrat, Denunziantentum, die Verfolgung der Juden auch in Frankreich; tragische Schicksalsverknüpfungen während der Zeit der Résistance, die viele Opfer forderten. Der Schreibstil ist flüssig zu lesen und die Rück- und Einblicke in die französische Geschichte, besonders während der Nazidiktatur, flossen in den Roman ein. Das letzte Romandrittel war berührender als der Beginn und hier klärt sich auch das Rätsel, das Édith enthüllt. An überraschenden Wendungen und einem tragischen Ende fehlt es dem Roman nicht; auch die Beschreibungen der "caves", der Weinkeller und der Kelterei sind interessant, jedoch am Ende, als eine silbergrauhaarige Frau auf die Bühne tritt, war mir dies dann doch ein "zuviel desGuten"; es wirkte konstruiert und weniger wäre hier mehr gewesen, um die Geschichte abzurunden.

    Fazit:

    Ein flüssig geschriebener und leicht lesbarer Roman, der in zwei Zeitebenen erzählt wird und die tragische Geschichte der französischen Winzerfamilie Chaveau aus der Zeit des 2. Weltkrieges und der Résistance lebendig beschreibt. Leider fand ich trotz recht gutem Unterhaltungswert die Personenzeichnung und zuweilen auch den Romanverlauf nicht ganz überzeugend. Der Hauptprotagonistin konnte ich mich nicht wirklich nähern (am ehesten der 99jährigen Édith und ihr Verhalten wie auch ihre charakterlichen Kontraste und Veränderungen wirkten auf mich etwas konstruiert. Interessant und gelungen fand ich hingegen das Einfließen historischer Fakten der "Grande Nation" in der besetzten Champagne in den Kriegsjahren des 2. Weltkrieges. Von mir erhält der Roman 3* und 85° auf der "Histo-Couch".


    ASIN/ISBN: 3426227126

    "Habt alle ein schönes Fest und einen warmen Ofen" - Hrsg. und kommentiert von Petra Müller und Rainer Wieland erschien Propyläen/Gruppe Ullstein Verlag 2018. Dieses wunderschöne Buch stand bereits letztes Jahr auf meinem "Weihnachts-Leseprogramm" und in diesem - etwas anderen Jahr der Pandemie hat es mich an den Weihnachtstagen und in der Adventszeit sehr gut unterhalten.


    Die Autoren haben sehr persönliche Weihnachtsbriefe an Menschen, denen die berühmten Schriftsteller, Komponisten, Märchendichter, Bildhauer und Maler nahestanden; seien es Ehefrauen oder Männer, Freunde oder Gönner, in diesem Buch literarisch brillant zusammengestellt, dass es eine Freude ist, sowohl die Briefe selbst als auch die Kommentare der AutorInnen, die ein tieferes Verständnis zu Person und Texten geben, zu lesen.


    Besonders berührt haben mich die Weihnachtsbriefe an seine Kinder von J.R.R. Tolkien, der vielen FreundInnen der Fantasie als Autor des "Hobbits" und "Der Herr der Ringe" bekannt ist: Bereits die Überschrift, die dem Brief entnommen ist, zeugt von dessen Humor, Fantasie und Vorstellungskraft: "Die Nordpolspitze ist mitten entzweigebrochen und auf das Dach meines Hauses gefallen", so Tolkien. Auch Helene Hanff's Briefe aus New York, die später veröffentlicht werden sollten, haben mich sehr amüsiert (obgleich die Autorin so spartanisch lebte (1978), dass ihre Kleiderstange unter den Mänteln der vielen Gäste zum Weihnachtsessen in der winzigen Wohnung das Zeitliche segnete, was das Ende der Weihnachtspartys mit Freunden bedeutete...

    Auch von Soldatenweihnachten (Franz Marc an seine Frau Maria) ist zu lesen und Heinrich Böll empfand "die militärischen Erheiterungsaktionen" am Christfest als eine Qual - und beschreibt sehr glaubwürdig, weshalb. Wir lesen vom berühmten Märchendichter Hans Christian Andersen, dass er Weihnachten oft im Schloss der Grafen von Moltke verbrachte und stets "auf fliegenden Koffern" lebte, nie sesshaft war. Als der jüngste Sohn des Grafen an Typhus starb, war das Schloss an Weihnachten ein Trauerhaus geworden und Moltke blieb "in den Mauern Kopenhagens": Sicher sehnte er sich nach dem üppigen und unterhaltsamen Fest, was in das Märchen um den kleinen Tannenbaum eingeflossen sein mochte (das ich sehr gerne mag und weshalb ich lieber seit vielen Jahren einen kleinen, künstlichen Baum mein eigen nenne, der immer wieder zum Leuchten gebracht werden kann, statt ihn bar aller Nadeln entsorgen zu müssen....

    Als große (frühere) Bewunderin des intellektuellen Paares ihrer Zeit Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre habe ich mit großem Interesse deren Korrespondenz, zumindest ausschnittweise, folgen können und hatte einen Einblick in die "offene Beziehung" der beiden, die sich jedoch im Leben und wohl auch im Schreiben ein Anker waren. Der Brief Brigitte Reimanns an ihre Jugendfreundin berührte mich tief und sehr beeindruckt war ich vom nur neunjährigen Wilhelm Busch, der an seine (mit Emotionen geizenden) Eltern einen rührenden Weihnachtsbrief schrieb und sich für seine neuen Hosen bedankte (er wuchs bei seinem Onkel, einem Pfarrer auf, der ihm die Grundlagen des Zeichnens u.v.a. beibrachte). Der (zeitlebens wohl schüchterne) Chopin traf mit seinem Brief an einen Freund ebenfalls mein Herz und mit den schönsten Weihnachtsbrief fand ich im letzten der Briefreihe von Theodor Fontane an Mathilde von Rohr, mit der er offenere Worte fand als seiner Frau gegenüber und der bis ins hohe Alter trotz seinem schriftstellerischem Fleiß (und Können) mit seiner Familie oftmals in Geldnot war; am Existenzminimum lebte, bis er 70 Jahre alt war... Besonders das im Buch abgedruckte Gedicht von Fontane, das auch eine Art Lebensbilanz ist, erweckt das Gefühl, dass der berühmte Schriftsteller recht eins war mit sich selbst. Gerade an Weihnachten sicher ein eher gutes Gefühl!


    Fazit:


    Ein wundervoller Band mit den schönsten Weihnachtsbriefen berühmter Persönlichkeiten aus dreihundert Jahren, der nachdenklich stimmt, prächtig unterhält, den Leser die "BriefeschreiberInnen" aus einer großen Nähe entdecken lässt und vom Autorenduo Müller/Wieland in den jeweiligen Kommentaren ein interessantes, abgerundetes Bild der jeweiligen Eindrücke erhält. Ein Buch, das ich absolut weiterempfehlen möchte - ein literarischer Genuss, ganz besonders in der Advents- und Weihnachtszeit. 4,5*


    ASIN/ISBN: 3549076452

    Lucky Friday bei Junghanswolle: KLICK


    Die Überraschungsboxen reizen mich ja sehr, aber ich habe doch schon so viel Zeugs hier rumliegen ... ;(

    Mich reizten die überhaupt nicht (bin aber auch auf der Suche nach einer GANZ BESTIMMTEN Wolle, die eigentlich ein SoWo-Garn ist, aber so weich, dass man damit (Verlaufsgarn) auch Tücher stricken kann ;-)

    Wonderlands - Die fantastischen Welten von Lewis Carroll, J.K. Rowling, Stephen King, J.R.R. Tolkien, Haruki Murakamu u.v.a. (Untertitel)


    Wonderlands erschien (HC, gebunden, 2020) im wbg-Theiss Verlag und das Cover in deutscher Übersetzung (von Hanne Henninger, Susanne Kolbert und Madeleine Kaiser) ist identisch mit der englischen Originalausgabe, die 2016 bereits erschienen ist.


    Dieses sehr aufwendig und eindrucksvoll gestaltete und illustrierte Buch, in dem es um die Welten berühmter Schriftsteller geht, die diese auf Papier schufen, ist ein Augenschmaus und eine Lesefreude für jeden Bücherwurm. Auf über 300 Seiten (farbig illustriert) wird der Frage nachgegangen, woher die Schriftsteller ihre Inspirationen für ihre fantastischen Erzählwelten nahmen. Auf diese Spurensuche begibt sich der Leser, wenn er in die Ursprünge seiner Lieblingsgeschichten eintaucht: Der Inhalt von "Wunderwelten" ist übersichtlich gegliedert:


    1- Alte Mythen und Legenden (1730 v. Chr. - 17. Jhd.)

    2 - Wissenschaft und Romantik ((18 Jhd. - 20. Jhd.)

    3 - Das goldene Zeitalter der Fantasy ((1906 - 1945)

    4 - Neue Weltordnung ((1946 - 1979)

    5 - Das Computerzeitalter (1982 - 2015 ff)


    "Fantastische Literatur befand sich schon immer in einem vielschichtigen Dialog mit der realen Welt. Viele von uns lesen diese Romane, um der Welt zu entfliehen, aber oft wollen uns diese Geschichten einfach dazu bringen, unser eigenes Leben in einem neuen Licht zu sehen" (Zitat aus der Einleitung entnommen, S. 11)


    Insofern können die Welten fantastischer Literatur unseren Geist über uns selbst hinaustragen, die eigene Fantasie und Vorstellungskraft steigern. Die Hintergründe zur Erschaffung dieser fantastischen Welten werden dem Leser in diesem wundervollen, prächtigen Bildband nähergebracht; besonders spannend für mich waren diese Hintergründe zu den klassischen Epen (Homer's Odyssee, 1001 Nacht, König Arthur, Shakespeare's Sturm z.B.) sowie (Wissenschaft und Romantik) R.L. Stevenson, der zu meinen Lieblings-Abenteuer-Autoren aller Zeiten gehört sowie Mark Twain und Jules Verne.


    Sehr informativ und überaus spannend fand ich die Beiträge (und Illustrationen) zu H.P. Lovecraft (Ctulhu-Geistergeschichten, die mich in Jugendzeiten faszinierten), Antoine de Saint-Exupéry und allen voran J.R.R. Tolkien, dessen "Herrn der Ringe" und die Vorgeschichte "Der kleine Hobbit", die auch verfilmt wurden, unzählige LeserInnen erfreuten.


    Die (lange) Namensliste aller AutorInnen, die an diesem Buch mitgewirkt haben, sind im Anhang ersichtlich; es folgt ein Register sowie ein Bildnachweis.


    Fazit:


    Ein fantastisch gestalteter und informativer literarischer "Spaziergang" (auch und besonders in visueller Hinsicht) durch Fantasiewelten berühmter Schriftsteller und Klassiker der Weltliteratur, den ich nur empfehlen kann: Ein ultimatives Lesevergnügen für jeden Buchliebhaber! 5*

    Der neue Roman von Karin Kalisa - Bergsalz - erschien 2020 im Droemer-Knaur Verlag (HC, gebunden) und wird von einem zum Romaninhalt sehr gut gewählten (und optisch sehr schönen) Cover, das die Bergwelt der Alpen in verschiedenen Blautönen zeigt, umhüllt.


    Karin Kalisa entführt ihre Leser in die karge Bergwelt der Voralpen, der Roman beginnt poetisch mit dem Wind, der seinen Weg ins Haus der 75jährigen Franziska Heberle findet: Er könnte für eine Metapher eines "frischen Windes" stehen, der das Leben der Dorfbewohner; zumeist ältere Frauen, deren Männer bereits verstorben sind - oder vor Zeiten das Weite suchten, grundlegend verändern sollte....


    Franziska, von allen Franzi genannt, wird beim Kochen ihres Mittagessens gestört, als eine Nachbarin klingelt, deren Anliegen wohl tiefer geht als das, sich eine Kelle Mehl zu borgen. Nachdem Franzi Johanna hereingebeten hat, klingelt es gar ein zweites Mal an der Tür, dieses Mal ist es Elsbeth, deren Päckchen mit einer Aromalampe (deren Aroma das sinnliche Gefühl wie aus 1001 Nacht wiedergeben soll) versehentlich bei Franzi abgegeben worden ist (Toni, der Ehemann von Elsbeth, hat vor Jahren mit einer jüngeren Sizilianerin das Weite gesucht, so dass Elsbeth ihre Kinder alleine großziehen musste und sich nun auch mal ein sinnliches Vergnügen leisten mag). Was stockend beginnt, da normalerweise jede jede in Ruhe lässt und alleine lebt, man sich nur vom Sehen kennt, entwickelt sich dennoch: Reihum laden die Frauen sich zum Essen ein und stellen fest, dass die jeweilige Küche viel zu klein ist, denn vom Kochen "füreinealleine" wurde unmerklich ein "miteinanderzusammen". Da die Frauen allesamt praktisch veranlagt sind und Gefallen am zusammen essen finden, überlegen sie, dies im lange leerstehenden "Rössle", dem Dorfgasthof, weiter zu betreiben: Für die Geflüchteten, die in den oberen Stockwerken untergebracht wurden, wird eben gleich mitgekocht! So begegnen sich Franzi und Esma, eine Syrerin, die die Küche bereits zu kennen scheint (aber nicht benutzen durfte) und entdecken ein großes Gefäß voller Bergsalz, der dem Roman seinen Namen gab - und nun die Speisen würzen soll, die gemeinsam gekocht werden.


    Und es bleibt nicht bei der "Offenen Küche", in der für jedermann und kleines Geld gekocht wird, sondern man überlegt sich, den stillgelegten Dorfladen wiederzueröffnen und ein Repair-Café zu betreiben. Unterstützt werden diese Projekte von Ben, einem jungen Engländer, der wie Sabina, der Tochter von Elsbeth, einige Jahre in Krisengebieten war, um zu helfen. Beide finden durch diese Tätigkeiten im Dorf zueinander - und auch nach Traumatisierungen zurück ins Leben, was die Autorin wundervoll und ausdrucksstark schildert.


    In Rückblicken und in Form von Einschüben beschreibt Kalisa kurz das Leben der Bauernfamilie Endres zur Zeit der Bauernkriege im 16. Jahrhundert und des "Bundschuhs"; der Vereinigung der Bauern, die aufbegehrten und viele ihr Leben lassen mussten. Im "Einödle", einem alten Bauernhaus, in das eine der ProtagonistInnen einzieht, schließt sich der Kreis und es wird klar, dass beide Geschichten miteinander verwoben sind.


    Stilistisch ist der Roman sehr eingängig zu lesen und die Verwendung des alpenländischen Dialekts in den Dialogen steigert die Authentizität. Am Ende kommt auch Humor ins Spiel, etwa wenn sich der Sohn des Bürgermeisters auf eine "Internetschulung für Best Agers" vorbereitet und "Betreutes Skypen" anbieten möchte; sein Vater hingegen tief seufzt - und sich auf die neuen Aufgaben freut.


    "Bergsalz" ist ein anspruchsvoller und dennoch sehr gut zu lesender Roman, der in die Tiefe geht und mir sehr gut gefallen hat! Die Themen sind sehr vielschichtig; es geht um Vereinzelung und Einsamkeit, Freundschaft und Kooperation, Veränderungen durch das Aufbrechen verkrusteter Lebensweisen, Bauernkriege und auch Bürgerkrieg (Syrien), den Klimawandel, "Kulturelles über den Tellerrand blicken", um Gemeinschaftssinn und Solidarität.


    Die Figuren sind fein gezeichnet und Sympathieträger(Innen) - allen voran Franzi, Esma und Sabina sind mir sehr ans Herz gewachsen und ein positives Beispiel dafür, wie schön es sein kann, seinem Leben eine neue Richtung, einen neuen Sinn zu geben!


    Fazit:


    Ein sehr lesenswerter Roman, der auch kulturhistorische Aspekte im Voralpenland beleuchtet und im Sprachstil (poetisch, zuweilen humorvoll) in die Tiefe geht und die Figuren authentisch ausleuchtet. Gerade in Pandemiezeiten hat "Bergsalz" etwas ungeheuer Aktuelles: Gemeinsam statt einsam!


    Von mir erhält der Roman begeisterte 5* und eine absolute Leseempfehlung.


    ASIN/ISBN: 3426282089

    "Teatime mit Lilibet" von Wendy Holden erschien (HC, gebunden) 2020 im List-Verlag. Die Autorin, selbst Journalistin, zeichnet hier den Weg der einstigen Gouvernante Marion Crawford nach und gibt einen kleinen "Einblick" hinter die Kulissen - oder die "Glaswand" der britischen Royals von den 30er bis Ende der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts, als Crawford oder von der königlichen Familie Crawfie genannt, als Hauslehrerin die beiden Prinzessinnen Elizabeth (Lilibet) und Margaret unterrichtet.


    Eigentlich war das berufliche Ziel von Marion Crawford, einer jungen angehenden Lehrerin aus Edinburgh, die sozial benachteiligten Kinder in den Slums zu unterrichten und somit für mehr Chancengleichheit zu sorgen. Doch ihre Mentorin erkennt (Marion ist ihre beste Schülerin) ihre Fähigkeiten und so begibt sich Marion nach London, um der Bitte der Herzogin von York, der Mutter von Lilibet und Margaret, zu entsprechen und die beiden kleinen Prinzessinnen (Lilibet ist 7 Jahre alt; geboren 1926) in den verschiedensten Fächern zu unterrichten. Was anfangs als ein "Probemonat" bei den Royals angedacht war, sollte viele Jahre andauern, obgleich Marion Crawford einige Male ernsthaft versuchte, ihre (sehr begehrte) Stelle im englischen Königshaus zu beenden (letzteres wurde besonders durch die Mutter der Prinzessinnen immer wieder vereitelt mit dem Hinweis, "man brauche sie").


    Somit führt uns der Roman in die königlichen Schlösser Balmoral, wohin sich Queen Elizabeth II noch heute im frühen Herbst gerne zurückzieht; auch in den Kensington Palace, nach Piccadilly 145, London - und in den Buckingham Palace. Auch viele einflussreiche Politiker und Adelige sowie reiche Familien kreuzen den Weg des Lesers; die königliche Familie selbst, zwei der Mitford-Schwestern, deren politische Ansichten weit auseinandergingen, die Kennedy's, Chamberlain und Winston Churchill, der eine wichtige Rolle für Großbritannien im 2. Weltkrieg spielen sollte. Es ist - abgesehen von den sehr üppigen Schilderungen der Feste, Bälle und Zeremonien, der Krönung (1937) und der Abdankung von Prinz Eduard, dem Onkel von Lilibet, wodurch ihr Vater König von England wurde, ein interessanter Spaziergang durch die (oftmals für die Völker Europas jedoch auch leidvolle) Geschichte des 20. Jahrhunderts; speziell der von Großbritannien, das gesellschaftliche Umbrüche verkraften musste und der Adelsstand einem gewissen Niedergang folgte.


    Wendy Holden beschreibt also das Leben, den Alltag (und auch einige Intrigen) innerhalb "der Glaswand", des Palastes und fängt hierbei die Gefühle von Marion Crawford ein, die aus einfachen Verhältnissen stammt und all der Pracht erst einmal staunend gegenübersteht. Einerseits verfolgte sie andere berufliche Ziele, andererseits schließt sie schon bald besonders die ältere Prinzessin, Lilibet, sehr ins Herz und erhält auch von den Mädchen und der royalen Familie selbst eine gewisse Zuneigung. Diese erschweren es Marion Crawford, nach einigen Jahren die Royals zu verlassen und ihre Tätigkeit als Gouvernante zu beenden - was sich zum Teil als Tragik für sie selbst lesen lässt, denn sie verzichtet auf vieles - und es gibt auch Enttäuschungen,mit denen zu leben muss. Ivy, eine Bedienstete und Freundin von Marion, rät ihr zu einer Beziehung "innerhalb der Glaswand", da alles andere unmöglich ist. So sind ihre Erfahrungen mit Männern eher negativ und sie fühlt sich oftmals einsam. Einzig die Liebe zu den Prinzessinnen, die sie wie eine zweite Mutter beschützt, macht vieles wieder wett....


    Sie versucht, den Mädchen einen Bezug zum ganz normalen Leben der BürgerInnen Englands zu geben; die sogenannte "Operation Normal", die sich jedoch als sehr schwierig gestaltet und oft von einem Privatdetektiv begleitet wird. Die Zwänge des Palasts sind durchaus spürbar und auch Marion kann dies nicht grundlegend verhindern. Dennoch fährt sie mit den Prinzessinnen U-Bahn, besucht ein Kino und macht einen Ausflug in einen Park, was die Mädchen sehr erfreut. Mrs. Knight, die alte Nanny der beiden, hat für solcherlei Dinge kaum etwas übrig und verkörpert das restringente Verhalten des alten Hochadels, wo sich bestimmte Dinge (wie z.B. Spielkleider) nicht geziemen. Die Autorin beschreibt auch die andere Seite der sozialen Schichten, die in konträrem Gegensatz zum Leben im Palast stehen: Millionen Arbeitslose, Hungermärsche, Hunger und auch Elend, das im Lande grassiert. Marion Crawford ist lange Zeit hin- und hergerissen, ob es ihre wirkliche Berufung ist; Anfang 20, als sie ihre Stellung bei Hofe antritt - und fast 40, als Lilibet Prinz Philip von Griechenland heiratet (und wie man weiß, noch heute Prinzgemahl von Elizabeth II. ist - sie stolze 94, Prinz Philip 99 Jahre alt). Aber sie ist loyal und - selbst kinderlos geblieben - überwiegt ihre Liebe gegenüber den Prinzessinnen immer wieder in der Entscheidung, zu gehen - oder zu bleiben.


    Der Stil von Wendy Holden ist eingängig zu lesen; jedoch fand ich viele Beschreibungen sehr langatmig, sich wiederholend und inhaltlich etwas ausufernd, so dass es nach einiger Zeit ermüdete. Auch die Schriftgröße des Romans ist sehr klein, was die Lesefreundlichkeit leider etwas mindert. Ausser einigen Nebensächlich- bis hin zu Nichtigkeiten habe ich zumindest erfahren können, dass "Lilibet" als Kind bereits sehr willensstark war; ein hohes Empathievermögen, besonders gegenüber Tieren hatte; einen fast zwanghaften Ordnungssinn (Sicherheit gebend) und Uniformen mochte.

    Es fehlen genauere Angaben über Wahrheit und Fiktion, wobei sich der Roman jedoch an reale historische Begebenheiten weitgehend hält. Auch basiert der Roman auf dem Buch von Marion Crawford selbst ("The Little Princesses"), dessen Inhalt mich noch mehr interessieren würde. Denn die Gouvernante ist eine tragische Figur: Sie hatte eine sehr wichtige Aufgabe im Königshaus der Windsors zu erfüllen - und darüber ihre Lebenswünsche und ihr eigenes Glück hinten angestellt, sich den Wünschen besonders der Königinmutter gebeugt. Zeitgeschichtlich muss man diese Entscheidungen Marions jedoch auch im Beginn der Zeit sehen, zu der es Frauen überhaupt erst möglich war, ihren Unterhalt selbst zu verdienen und sich zu emanzipieren. Letzteres ist Marion Crawford auf jeden Fall gelungen, ich habe nur den betroffenen Eindruck, dass es ihr nicht gedankt wurde.


    Für LeserInnen, die sich für Her Majesty, Queen Elizabeth II und der Kindheit der beiden Prinzessinnen im Hause Windsor interessieren und mehr über Marion Crawford, der Gouvernante von Lilibet und Margaret erfahren möchten, kann ich das Buch bedingt empfehlen. Gänzlich überzeugt hat es mich leider nicht, daher von mir knappe 3,5 *

    Heute begonnen mit einer Autorin, die ich schon länger nicht mehr gelesen habe ;-), die ich aber sehr mag (Der Ort der Ewigkeit - und "Echo einer Winternacht" ganz besonders)


    Val McDermid - Das Grab im Moor


    ASIN/ISBN: 3426282232


    Kein Grab ist tief genug für die Wahrheit!

    Eine Moor-Leiche in den schottischen Highlands wird zum 5. Cold Case für DCI Karen Pirie

    Die Suche nach dem geheimnisvollen Erbe ihres Großvaters führt eine junge Engländerin in die schottischen Highlands: Auf einer provisorischen Karte ist ein Ort mitten im Moor markiert. Dort stößt sie auf ein erstaunlich gut erhaltenes amerikanisches Motorrad, Baujahr 1944 – und auf eine männliche Leiche deutlich jüngeren Datums.

    DCI Karen Pirie, spezialisiert auf Cold Cases, ist eigentlich wegen eines anderen Falles in der Gegend, doch der Tote im Moor lässt ihr keine Ruhe. Er trägt ein sehr spezielles Paar Nike-Sneakers, eine Sonderanfertigung aus dem Jahr 1995. Und er ist offensichtlich keines natürlichen Todes gestorben …

    Mit der sympathisch-kantigen Karen Pirie hat die britische Bestseller-Autorin Val McDermid eine Kommissarin erschaffen, die sich um so hartnäckiger in einen Cold Case verbeißt, je unlösbarer das Rätsel scheint.

    Die Krimi-Reihe mit Karen Pirie ist in folgender Reihenfolge erschienen:

    • Echo einer Winternacht

    • Nacht unter Tag

    • Der lange Atem der Vergangenheit

    • Der Sinn des Todes

    • Das Grab im Moor

    "Mord in Highgate" von Anthony Horowitz erschien (HC, gebunden) 2020 im Insel-Verlag. Bereits nach den ersten Seiten war mir klar, dass es hier um einen klassischen englischen Kriminalroman im Stile von Sherlock Holmes und seinem Partner Watson geht: Auf den Spuren von niemand Geringerem als Arthur Conan Doyle wandelt hier Daniel Hawthorne, meist mürrisch und schlecht aufgelegt, gerne rauchend und keinen Millimeter seines Privatlebens preisgebend, zudem Ex-Polizist bei Scotland Yard gemeinsam mit - und dies ist eine Besonderheit - "Tony", der eigentlich als Scriptschreiber im Filmgeschäft arbeitet, hier jedoch die Rolle von Holmes einnimmt, Hawthorne in den Ermittlungen zu kniffligen Fällen, zu denen ihn Scotland Yard nach wie vor braucht, begleitet....


    Im zweiten Fall von Daniel Hawthorne geht es um die Aufklärung des Mordes an einem bekannten Scheidungsanwalt, Richard Pryce, der zuvor an einem Fall arbeitete, in dem es um Millionen ging: Lockwood, ein windiger Immobilienhai, wollte sich von seiner Frau Akira Anno, einer feministischen Schriftstellerin, scheiden lassen und ist Mandant von Pryce. Da der Anwalt zugunsten Lockwoods vereiteln kann, dass Anno die Hälfte seines (nicht unbeträchtlichen Vermögens) erhält, kippt diese in einem Restaurant Pryce ein Glas Rotwein über den Kopf und bedauert, dass es nicht die Flasche war... Das Kuriose: Genau so endete das Leben des Staranwalts; er wurde mit einer hochpreisigen Flasche Rouge in seiner Wohnung erschlagen....


    Im Stile eines crime noir lernen wir nun etwaige Verdächtige kennen: Stephen Spencer, der in Tränen aufgelöste Ehemann von Pryce; Akira Anno und deren Freundin und Verlegerin Dawn; Davina Richardson - um einige zu nennen.

    Letztere verlor ihren Ehemann vor 6 Jahren durch ein Unglück bei einer Höhlenwanderung, die Richard Pryce, Greg Taylor und Richardson jedes Jahr gemeinsam unternahmen. Könnte der Mord in Zusammenhang mit der gemeinsamen Höhlenwanderung stehen, die die drei Freunde damals unternommen hatten? Hätte Stephen Spencer, Krokodilstränen weinend, nicht ebenfalls ein Motiv? Und wie viel soll Tony der unsympathischen DCI Grunshaw und ihrem Assistenten Darren von der gemeinsamen Ermittlungsarbeit mit Hawthorne preisgeben, wozu diese ihn gezwungen hat?


    Der Ort des Geschehens ist London, wobei ich den Ausflug nach Yorkshire zu der besagten Höhle sehr genoss: Einzig die Figur Hawthorne wurde mir immer unsymphatischer, da er unnahbar, wenn auch überaus scharfsinnig, seinem Partner nichts von seinem Privatleben verraten mochte. Andererseits ist es für mich auch ein stilistischer "Schachzug", denn vielleicht wird der Leser in einem späteren Band doch einiges zur Vorgeschichte von Daniel Hawthorne erfahren? (ausser der Tatsache, dass er gerne Airfix-Modelle zusammenbaut).


    Der Fall nimmt viele Wendungen; zu Beginn wird die Spannung angefacht , jedoch kam es durch einige Wiederholungen immer wieder zu einer Abflachung des Spannungsbogens, was mich zuweilen störte.

    Gefallen hat mir jedoch der ironische und zuweilen humorvolle Unterton, der auch Selbstkritik nicht aussparte und vor allem die Besonderheit, dass der Autor alias Watson in der Ich-Form den Leser an seinen Gedankengängen teilhaben lässt und gleichzeitig im Roman selbst als Protagonist agiert: Die Bemühungen (oder das Konkurrenzdenken?) Tonys, den Fall noch vor Hawthorne lösen zu können, sind gut herauszulesen; ebenso gibt Horowitz freimütig einige Informationen (oder Desillusionen) zu seinem Schriftstellerleben preis, die durchaus interessant sind, aber mit dem Roman selbst nichts zu tun haben. Der britischen AutorInnen eigene "trockene Humor" kommt stellenweise auch nicht zu kurz; etwa bei Tonys "Auftritt" im Lesekreis Hawthornes...


    Es werden jede Menge falscher Fährten gelegt und beim Rätselraten, wer nun den Mord begangen hat - und aus welchen Motiven, wird der Leser einbezogen: Wird es Tony tatsächlich gelingen, den Mörder noch vor Hawthorne ausfindig zu machen?


    Fazit:


    Einem versierten Krimileser ist schnell klar, dass es sich hier um einen Kriminalroman handelt, auf dem der Schatten von Sherlock Holmes von Beginn an über dem Fall lag. Mir ging es ein wenig so, wie es "Tony" beschreibt: "Ich hatte das Gefühl, einen alten Krimi in einem s/w Fernseher zu sehen" (Zitat S.321). Ein solider Kriminalroman im Sinne des crime noir, der an den Stil von Sherlock Holmes erinnert - und dennoch hier in flüssig geschriebener, unterhaltsamer und modernisierter Form aufwartet.

    Ich vergebe 87° auf der "Krimi-Couch" und 4 Sterne.


    ASIN/ISBN: 3458178724

    Anthony Horowitz - Mord in Highgate


    ASIN/ISBN: 3458178724


    Ein elegantes Haus am Rande von Hampstead Heath. Ein toter Scheidungsanwalt. Eine rätselhafte Botschaft in grüner Farbe. Eine unglaublich teure Weinflasche als Tatwaffe… Zweifellos ein Fall für Daniel Hawthorne, Ex-Polizist und Privatdetektiv, und Scotland Yard immer einen Schritt voraus.

    Als der smarte Prominentenanwalt Richard Pryce tot in seinem Haus gefunden wird, erschlagen mit einer Flasche 1982 Chateau Lafite Rothschild im Wert von 2000 £, scheint schnell klar, wer es war: Nur wenige Tage zuvor hat die berühmte feministische Autorin Akira Anno ihm genau diesen Tod angedroht – und ihm ein Glas Rotwein ins Gesicht geschüttet. Aber ist es wirklich so einfach? Denn jeder hat hier Dreck am Stecken, und als ein weiterer Toter gefunden wird, muss Hawthorne gemeinsam mit seinem Assistenten und Stichwortgeber Anthony Horowitz tief in die Vergangenheit der Opfer eintauchen, um die Lösung des Rätsels zu finden

    "Robinsons Tochter" von Jane Gardam ist im Verlag HanserBerlin (HC, 2020) erschienen und wurde (wie die Vorgänger der englischen Autorin) von Isabel Bogdan ins Deutsche übersetzt. Im Original (Crusoes Daughter) erschien der Roman bereits 1985 und ich freute mich sehr auf diesen Roman, da Jane Gardam zu meinen britischen LieblingsautorInnen zählt.


    England, 1904:


    Polly Flint, Hauptprotagonistin dieses wundervollen Romans, erzählt uns ihr Leben in der Ich-Form, wodurch nach und nach eine besondere Nähe zu den Gefühlen und Gedanken Pollys geschaffen wird und sie dem Leser mehr und mehr ans Herz wächst....

    Als 6jähriges Mädchen wird Polly von ihrem Vater, einem Seemann, zu Aunt Mary und Aunt Frances ins "Gelbe Haus", auch Oversands genannt, von Wales aus ins nördliche England gebracht, wo sie fortan (nach vielen Pflegefamilien, ihre Mutter Emma starb, als Polly ein Jahr alt war) leben sollte. Die Tanten sind die älteren Schwestern ihrer Mutter; die weiteren Bewohner sind Charlotte und Mrs. Woods; erstere das Hausmädchen und Mrs. Woods eine alleinstehende ältere Witwe, die Polly in Französisch und etwas Deutsch unterrichten wird. Aunt Mary ist von strengem Wesen; Frances dagegen sanftmütiger und das Leben der frommen Tanten ist nicht gerade auf Kinder zugeschnitten: So gibt es für Polly in dem großen und geheimnisvollen Haus kaum Abwechslung, auch wenn die Tage (und sogar die Wochenenden, samstags wird z.B. grundsätzlich gebeichtet und Sonntag folgen die Kirchgänge) durchgetaktet sind: Sehr interessiert ist Polly jedoch an den in reicher Zahl vorkommenden Bücher im Gelben Haus und liest alles, was ihr in die Hände fällt; einige englische Klassiker wie Jane Austens Romane z.B. Doch ein Buch hat es ihr ganz besonders angetan: Daniel Defoes "Robinson Crusoe".


    Im Laufe der Zeit, die sich stellenweise biografisch lesen, wird dieses Buch die "Rettungsinsel" und das Zentrum geistigen Denkens, mentaler Stärke und Kraft für Polly, denn das Leben hält allerlei für sie bereit: Selbst eher Güte als Liebe und Zuneigungsbekundungen von den Tanten erfahren, verliebt sich Polly als 16jährige erstmals in Paul Treece, einem angehenden Dichter Anfang 20, der in "Thwaite", dem Haus eines alten Freundes der Familie, zu Gast ist: Der ältere, wortkarge, aber sehr sympathische Mr. Thwaite hat sie in sein Haus eingeladen, das so anders ist als das "Gelbe Haus"; laut Lady Celia, der Schwester von Mr. Twaithe, weiß man hier nicht, wem man im Flur so über den Weg laufen könnte... Das Haus ist ein Zufluchtsort und Ort der Regeneration, wie es scheint, für (etwas versponnen anmutende) Dichter, Maler und Schriftsteller (und -innen), um die sich Celia sehr liebevoll kümmert. Mr. Thwaite dagegen bleibt eher im Hintergrund, jedoch strahlt er eine "Sanftheit, Zufriedenheit und einen Frieden aus, verbreitet in jedem Raum eine angenehme Atmosphäre" - und spricht stets eher im "Telegrammstil". Diese interessante und überaus sympathische Figur, die am Ende des Romans eine Schlüsselrolle im Leben Pollys zukommen soll, hat mich sehr fasziniert.


    So trifft man Menschen, die Polly kennenlernt: Stanley, den armen Jungen, der jeden Mittwoch ins Gelbe Haus kommt und von Charlotte verköstigt wird; die Zeits - eine jüdische Familie mit deutschen Wurzeln, mit denen Polly - sie ist 16 - eine wichtige Freundschaft pflegt und in dessen Sohn Theo sie sich verliebt; der bereits genannte Paul Treece, der ebenso wie Theo Zeit im 1. Weltkrieg zu Felde ziehen müssen. Wir verfolgen die Entwicklung Pollys zu einer jungen, klugen und verletzlichen Frau, die Liebe, Enttäuschung, Verlust, Depression, aber auch wahre Freundschaft erlebt: Alice, die nach Charlotte ins Gelbe Haus als Hausmädchen arbeitet, zieht die selbst etwas "schiffbrüchig" gewordene nun über 30 Jahre alte Polly wieder an Land: Auch in dieser Situation (Polly griff etwas häufig zur Whiskyflasche) und der Wende ist "RobinsonsTochter" ihr wie immer ein literarischer Leuchtturm:


    "Denn meine Befreiung lag greifbar vor mir, alles war bereitet, und ein großes Schiff wartete nur darauf, mich hinzubringen, wohin ich wollte". (S. 279)


    Die Zeitgeschichte des letzten Jahrhunderts (beide Weltkriege) sind in die Handlung verwoben und ein wichtiger Einschnitt in Pollys Leben, die - selbst nur privat unterrichtet und nie selbst in einer Schule gewesen - Kinder unterrichtete (ihre Mutter Emma war eine wundervolle Lehrerin), geschieht kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges: In einem Brief aus Deutschland wird Polly gebeten, zwei jüdische Mädchen, die mit einem Flüchtlingszug in London ankommen, abzuholen und sich um sie zu kümmern. So begeben sich der nun 80jährige Mr. Thwaite, Ms. Maitland (seine Haushälterin) und Polly auf die Reise nach London und wieder einmal bin ich fasziniert von dem Empathievermögen des alten Herrn: Während der Zug von Yorkshire Richtung London rollt, überlegt er, wo in Holland der Zug der Kinder jetzt sein könnte....


    Eine ganz besondere, wundervoll erzählte, atmosphärisch dichte Lebensgeschichte einer Frau mit allen dramatischen Wendungen, die das Leben für sie bereithalten sollte - von ihrer Kindheit bis ins hohe Alter, die auch gesellschaftliche Veränderungen im England des 20. Jahrhunderts aufzeigt; von feiner Ironie gezeichnet und hier und da mit dem Jane Gardam so eigenen britischen trockenen Humor gewürzt, kann ich diese besondere Reise durch Polly Flints selbstbestimmte Lebenswelt sehr empfehlen. Von mir gibt es daher 4,5 Sterne und einen besonderen Platz (neben den Vorgängern) im Bücherregal!


    ASIN/ISBN: 3446267832

    Ohne die Reisen von "Hector" zu kennen, hat mir diese Reise überaus gut gefallen, da sie durchaus "Wege" zum persönlichen Glück aufzeichnet, aber sich andererseits auch sehr kritisch mit dem momentanen Zustand unseres "Blauen Planeten" auseinandersetzt; ja geradezu dazu auffordert, die Natur und auch die Ressourcen zu schützen und anders damit umzugehen, als im Roman bereits erfolgt....

    Ein absoluter Eyecatcher ist das Cover, das sich in blauem Buchschnitt fortsetzt und sehr hochwertig gearbeitet wurde: Dafür ein chapeau an den Pinguin-Verlag!


    Marskolonie, irgendwann in der Zukunft:


    Nach dem es der Menschheit "gelungen" ist, den Blauen Planeten durch Streitigkeiten um die Ressourcen, Kriege und nukleare Zerstörung unbewohnbar zu machen, ist eine kleine Marskolonie, deren "Oberhaupt" Athena (KI) ist und die Geschicke der Menschen (ausser dem Liebesleben) durch diese gelenkt werden, entstanden. Nachdem einige "Zomos" (Berufssoldaten) in einer Expedition auf die Erde verschwanden, wird Robin Normandie ausgewählt, um zum einen den Verbleib der Zomos zu untersuchen - und zudem auszukundschaften, ob ein Leben auf der Erde wieder möglich ist. Robin hat Humor, kann Frauen zum Lachen bringen, liebt Yu, eine (genetisch verbesserte) Programmiererin, deren persönlichen "Einschübe" im Roman auch sehr interessant zu lesen sind, liest gerne Romane alter Autoren (also jenen vor der Apokalypse), Lesetipps bekam er vom Vater, einem Geologen, der ihm auch die Liebe zum Schachspielen vererbte... (Hobbys dürfen die Menschen haben in der Kolonie; zudem sollen sie soziale Kontakte ausbauen


    Er ist ein "Neutrum", diese werden eigentlich bald überfällig in der Kolonie; jedoch verspricht man sich dadurch, dass Robin sowohl sehr sprachbegabt ist als auch ein diplomatisches Verhalten an den Tag legt, eine erfolgreiche Mission: Dass die Kolonie allerdings andere Pläne mit ihm hat als Robin selbst, entdeckt der Leser erst am Romanende....


    Polynesien, diverse Inseln:


    Robin landet auf einer Insel und fühlt sich sehr glücklich: Mit allen Sinnen kann er nun das Meer, die Sonne und den Wind genießen, die er nur durch Dokumentationen kannte. Er lernt zwei Inselbewohner kennen, die zu Freunden werden: Tayo und Antina, die als Einzige anders leben als der Rest der Inselbewohner, die an der Küste leben und auch ohne Arbeit Robin sehr glücklich erscheinen. Später entdeckt er "Tahus Pforte", in die alle eintreten, die doch nicht glücklich sind und den Freitod wählen: Das Ende der Vorstellung des Paradieses auf Erden für Robin...

    Da er den Auftrag hat, die Zomos zu finden, steuert er mit den beiden Freunden, einem Paar, eine andere Insel an: Hier lebt ein eher kriegerisches Volk; anders als auf "Eros", von der Tayo und Antina stammen. Robin tauft die Insel "Ares" und entdeckt einen intelligenten Inselhäuptling, dem er nichts vormachen kann. Er erzählt also freimütig, er komme von den Sternen und durch seine Diplomatie gelingt es ihm, dass die drei Freunde als Gäste aufgenommen werden, die allerdings nicht aus den Augen gelassen werden. Bei einem Rundgang lernt er Titan kennen, einem Krieger, der über das Erbringen von Leistung (das auf dieser Insel einzig zum wahren Glück führen soll) zweifelt. Robin findet seine "Landsleute" in einer schmählichen Situation wieder und merkt, wie wichtig es ihm ist, diese zur Kolonie zurückzubringen - einschließlich Leutnant Zuma, eine Frau, die ebenfalls ein Auge auf Yu geworfen hatte...

    Auf dieser Insel gibt es "Überflüssige", die in der Nähe eines Vulkans leben und die dennoch mehr Verstand haben als die anderen Inselbewohner. Robin ersinnt eine List, wie er die anderen retten kann - und er, der mit wenig Selbstvertrauen auf die Erde zurückkam, spürt, dass er durch die Erfahrungen, die er hier machte, sehr gewachsen ist: Seine Persönlichkeit ist nun viel selbstbewusster und die Kraft der Liebe zu Yu, die er unbedingt wiedersehen will und die seither herauszufinden versucht, weshalb Athena ausgerechnet ihn auf diese Mission schickte, tut ein Übriges: So wandelt sich das "brave" Neutrum zu einem wahren Rebellen, dem es gelingen soll, die Pläne der Athena zu durchkreuzen...


    Der Schreibstil von Francois Lelord ist sehr atmosphärisch, teils humorig und dennoch regt der Roman sehr zum Nachdenken an: Es gibt durchaus Parallelen zum Zustand der Erde anno 2020 und besonders die These, dass Glück auch auf Verzicht von allem Unnötigem möglich ist, hat mir sehr gut gefallen; besonders in der heutigen Zeit.


    Psychologisch interessant, gar philosophisch am Ende, als Yu auf Robin's Notizen zum "Glück" antwortet, hat dieser Roman ein dramatisches Ende, das dennoch von Glück beschieden ist: Letzten Ende ist die Liebe durchaus dazu in der Lage, den Menschen zu retten. Der Wirkungskreis von "Athena" wird zukünftig eingeschränkt und Robin wird als Leiter einer neuen Expedition zum "Blauen Planeten" der erwählte "Leader" sein: Er will eine Welt ohne Ausgegrenzte, Neutren oder Überflüssige schaffen, in der jeder Mensch glücklich werden kann. Eine schwere Aufgabe liegt vor ihm und mein Wunsch begleitet Robin, dies auch zu schaffen: Es wäre wahrhaft "paradiesisch".

    Ein absoluter Lesetipp für fantasievolle und auch kritische LeserInnen und 5* von mir.


    ASIN/ISBN: 3328601066

    Vorausschicken möchte ich, dass Claire Winter seit vielen Jahren zu einer meiner (deutschen) LieblingsautorInnen gehört. Daher habe ich mich sehr auf "Kinder ihrer Zeit", ihren neuesten (historischen) Roman, gefreut: Ich sollte für die Wartezeit belohnt werden und dieser Roman steht den Vorgängern in nichts nach; er ist eher noch spannender und fesselnder, trägt im letzten Romandrittel gar Züge eines sehr guten Agententhrillers - so dass man sich als LeserIn dem Geschehen kaum entziehen kann....


    Der Roman ist (auf starken und spannenden 565 Seiten) im Diana-Verlag (HC, 2020) erschienen und in drei Teile gegliedert:


    Die Handlung beginnt mit der Flucht von Rosa, die ihre Zwillingstöchter Emma undAlice (11) auf der Flucht im letzten Kriegsjahr (1945) in den sicheren Westen bringen will. Da die Rote Armee schneller ist als viele Menschen aus Ostpreußen, die bis zuletzt ihre Heimat nicht verlassen durften, ist dieser Teil des Romans für mich sehr ergreifend dargestellt: Rosa muss einen Zwilling, der erkrankt ist (Alice) zurücklassen, um den anderen (Emma) zu retten. Die beiden Mädchen werden durch die Kriegswirren getrennt und denken beide viele Jahre, dass die Zwillingsschwester vermutlich nicht mehr am Leben ist - bis sie sich nach Jahren im Berlin des Kalten Krieges (1960/61) wiederbegegnen sollten.... Äußerlich sehen sich Emma und Alice sehr ähnlich; jedoch wuchsen sie in sehr verschiedenen Gesellschaftssystemen auf, der heutigen BRD und der DDR, die vollkommen in der Hand (und der Überwachung) des "großen Bruderlands" UdSSR, heute Russland, stand. Die Bühne, die wir als Leser betreten, ist die heiße Zeit in Berlin vor dem Mauerbau, die die Stadt für viele Jahre in zwei Teile spalten sollte....


    Im Romanverlauf lernen wir immer besser die Charaktere der Hauptprotagonisten kennen; die authentisch und sehr empathisch beschrieben werden: So ist es zum einen herzzerreißend, wie sich die beiden jungen Frauen wiedertreffen - und feststellen, wie unterschiedlich sie geprägt sind. Während Alice lange Zeit an die beste Staatsform des Sozialismus glaubt und linientreu später andere Menschen bespitzelt, sie ausspionieren muss; wächst Emma zu einer offenen, sympathischen und zu den Werten der Freiheit stehenden jungen Frau heran, deren große Sympathie den Sprachen gilt, weshalb sie diese Vorliebe zu ihrem Beruf macht und Dolmetscherin wird. Alice ist "Fachkraft im Schreibdienst", was einer Sekretärin im Westen zu dieser Zeit entsprochen hat. Ihre Art ist eher zurückhaltend und verschlossen, da sie früh in ihrem Leben alleine zurechtkommen musste - und durch eine harte Schule früherer DDR-Heime ging. Einzig Sergej, der sie damals auf der Flucht aus dem brennenden Haus rettete, obgleich sie Deutsche war und sich immer um sie kümmerte, vertraut Alice.

    Doch welchen Preis muss Sergej zahlen, damit sein Vorgesetzter beim KGB, Markov, ihn nicht belangt?


    Es ist die Zeit, in der es in Berlin vor Spionen nur so wimmelte - und sowohl der KGB als auch der BND gerne Menschen anwarben, die sie "umdrehen" konnten, um z.B. wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu bekommen.


    Zwei weitere Hauptprotagonisten, deren Geschicke mir ebenfalls sehr nahe gingen, waren Max, der beste Freund von Emma - und Julius, ein junger aufstrebender Wissenschaftler, der im Osten Deutschlands forschte und Zeuge einer Entführung wurde, die seinen besten Freund, ebenfalls Wissenschaftler, betraf: Wie wird sich Julius entscheiden, wird er es vorziehen, sich in den Westen abzusetzen - oder ist sein Gesinnungswandel, parteigemäßes und linientreues Verhalten, echt?


    Diesen und vielen anderen Fragen mehr, die sich im Roman stellen, geht der Leser mit großer Spannung nach: "Kinder ihrer Zeit" ist ein Stück Zeitgeschichte - die auch die endgültige Trennung der Stadt Berlin in Ost- und Westberlin beinhaltet: Im Showdown müssen sich unsere RomanheldInnen entscheiden und nicht alle kommen mit dem Leben davon. Die Autorin setzt Alice und Emma (wobei ich den Fakt, dass es sich um Zwillinge handelt, genial fand), Max und Julius, aber auch Sergej und Markov stellvertretend für viele Menschen in einer sehr berührenden, fesselnden Weise dar, die durchaus damals "Kinder ihrer Zeit" waren und teils großen Gefahren ausgesetzt waren, manche zum Spielball der Politik wurden. Tragisch empfand ich das Romanende, aber auch sehr stimmig.


    Claire Winter gelingt es wieder einmal, den geneigten Leser in eine Zeit der jüngeren deutschen Geschichte zu entführen und manches "spürbar" zu machen, was damals in Berlin Realität war. Die gewohnt sehr gute und akribische Recherche zu dieser Zeit Ende der 50er/Anfang der 1960er Jahre sind ein weiteres großes Plus der Autorin, die meinen Horizont und meine Sichtweise auf diese Ereignisse erweitern und verbessern konnte.


    Ich hatte die Freude, in einer Leserunde gemeinsam mit Claire Winter ihren neuen Roman zu lesen und danke ihr für die sehr spannende, aufschlussreiche und fesselnde Lektüre und die prickelnde Atmosphäre, die stets in ihren Romanen herrscht: Ich freue mich schon sehr auf den nächsten Roman von ihr und spreche eine absolute Leseempfehlung aus!


    ASIN/ISBN: 3453291956

    "Das Leben ist ein wilder Garten" von Roland Buti erschien im Zsolnay-Verlag (HC, 2020) und stellt für mich die erste Begegnung mit dem Schweizer Autor (*1964 in Lusanne) dar. Ich musste mich etwas in diesen Roman "hineinarbeiten, hineinlesen", aber letztendlich lohnte es sich, dies zu tun.


    Carlo Weiss, Landschaftsgärtner, Mitte 40, erledigt gerade einen Auftrag, als er auf dem Heimweg einen Anruf erhält: Seine Mutter, die "etwas speziell" sei, wie er Agon, seinem Assistenten und Freund erklärt, sei aus dem Seniorenheim verschwunden....

    Im Zimmer seiner Mutter, das sie mit Madame Jaquet teilt, findet er eine alte Fotografie: Sie zeigt Pia, seine Mutter, als ca. 17jähriges Mädchen, wie sie für den Großvater Gebäck und Brot an die großen Hotels der Umgebung in den Schweizer Bergen ausliefert: Weiss hat dieses Foto noch nie zuvor gesehen und gesteht sich ein,dass seine Mutter ein Leben vor ihm hatte - und auch eines danach. Genau genommen verbrachten Mutter und Sohn nur 12 Jahre miteinander...


    Ana, seine geschieden oder getrennt lebende frühere Ehefrau, mit der er eine gemeinsame Tochter hat, die in London Kunst studiert, wird im Roman oft von Weiss beschrieben, was oftmals auf reinen Äußerlichkeiten beruht, aber dennoch eine große Sehnsucht nach ihr ausdrückt. Später im Roman ahnt Ana, dass es kein Zufall seinkann, dass auf dem Foto das Hotel "Grand National", das einzige, das aus der Reihe der großen Luxushotels noch existiert, zu sehen ist: Weiss findet den Aufenthaltsort Pia's in diesem Hotel heraus und kann sie nicht umstimmen, ins Seniorenheim zurückzukehren: In Rückblicken erfährt der Leser, dass Pia als Kind in der Bäckerei aufwuchs und gerne Vögel aquarellierte; zu Zeiten des 2. Weltkrieges ein deutscher Graf im Hotel weilte, mit dem sie die Leidenschaft der Ornothologie teilte und sich als junges Mädchen in ihn verliebte. Auch Favre, ein alter Lehrer, der der Mutter noch immer sehr zugetan ist, wie er Weiss verrät, sieht Pia wieder...


    Agon, der eigentlich aus dem Kosovo stammt und sein Land verlassen musste, als dieses in Schutt und Asche fiel, Assistent und Freund von Weiss, ist einbreitschultriger, eher grob wirkender Mann, der jedoch ungemein sanft undeinfühlsam sein kann: So schließt er Freundschaft mit Mdme. Jaquet und bietet auch ihr seine spezielle Süßigkeit an; die berühmten "Geleekugeln", die noch eine sehr entspannende Substanz enthalten. Als Agon in seiner Gartenlaube bedroht und krankenhausreif geschlagen wird, ist es hingegen Weiss, der ihn umsorgt und ihm Bücher und die Notration der "Kugeln" bringt...


    Der Grundton dieses Romans umgibt ein Hauch von Melancholie; aber auch auf der anderen Seite eine Lebensfreude, die besonders von Agon ausgeht: Als dieGartenlaubenkolonie einem Fußballstadion weichen soll und die Lauben "umgesiedelt" werden, hat er den Kopf voller neuer Ideen für sein 'virtuelles Gärtchen' und widmet sich mit ganzem Herzen der neuen Aufgabe, denn


    "er besaß die Gabe, nur sich selbst unterworfen zu sein" (Zitat S. 167) und es wird gar philosophisch, wenn Agon zurecht meint


    "Man muss die Tür hinter sich zumachen können" (S. 168) oder "man darf nicht zulassen, dass sich die Dinge ansammeln und zu Paketen werden, dieeinen verbeulen und beschweren"(......) (ebd., S. 168)


    Während die Mutter, Pia, für mich im Schatten blieb und Mutter und Sohn sich schon länger voneinander entfernt hatten, wie mir schien "Ständig liegt ein Schleier über den Dingen. Ein undurchdringlicher Schleier" (S. 126), ist dieser Satz von Pia jedoch auch ein guter sprachlicher Ausdruck für Demenz, finde ich.


    Man muss sich - vielleicht ein wenig wie ein Maulwurf, der nach den besten Plätzen im Garten gräbt - in diesen Roman "hineinwühlen"; jedoch das letzte Romandrittel lichtet die Nebel, die über den Dingen liegen und entschädigen für die Verschleierung.


    Die Themen sind vielfältig; es geht um Beziehungen in Familien, das Alter, Demenz, Verlassen werden, Verlust von Nähe, Einsamkeit und auch um vorsichtige Annäherung und - um Freundschaft.


    Ich sympathisierte bereits zu Anfang mit Agon, der für mich einen sehr positiven, starken und dennoch sehr empathischen und feinfühligen Charakter darstellt, der Weiss in schwierigen Zeiten ein wahrer Freund ist. Auch die atmosphärische und authentische Erzählweise des Autors mochte ich. Traurig ist die Tatsache, dass aucheine Entfremdung in Familien spürbar ist, etwa, wenn der Sohn erst spät erkennt,dass die Mutter bereits ein Leben vor seiner Geburt hatte. Hierüber scheint es keine - und wenn eine fehlende - Kommunikation innerhalb der Familie gegeben zu haben. Schade, denn Pia Weiss hatte ein durchaus interessantes Leben! Ein leiser Roman, der vielleicht darauf aufmerksam machen möchte, einander zuzuhören - und auch zu erzählen und gleichzeitig auch eine Hommage an Gärten, die Menschen gut tun.

    Jane Gardam - Robinsons Tochter


    ASIN/ISBN: 3446267832


    „In Robinsons Tochter steht alles drin, was ich zu sagen habe.“ (Jane Gardam) Über das Leben einer zutiefst ungewöhnlichen Frau. Einfühlsam, witzig und raffiniert erzählt, wie man es von der Bestseller-Autorin der britischen Trilogie um „Old Filth“ kennt.

    England 1904 – Polly, mit sechs Jahren schon eine Pflegefamilien-Veteranin, kommt zu ihren frommen Tanten in das gelbe Haus am Meer. Hier gibt es kaum Unterhaltung, aber es gibt Bücher, und lesend entwickelt sich Polly unbemerkt zu einer stillen, unbeugsamen Rebellin. Ein Buch liest sie immer wieder: "Robinson Crusoe" wird zu ihrem Kompass in jeder Lebenslage. Ihre eigene einsame Insel verlässt Polly Flint nie ganz. Doch am Ende ihres fast ein Jahrhundert umspannenden Lebens wird sie Liebe und Enttäuschung, Depression und rettende Freundschaft kennengelernt und ihre Bestimmung gefunden haben. Ein großer Roman voller hinter gepolsterten Türen verborgener Geheimnisse, so raffiniert und klug, wie nur Jane Gardam sie inszenieren kann.