Beiträge von Frieda-Anna

    Als ich das Buch von der Vorderseite auf die Rückseite drehte und den Satz "Das Glück macht ein Geräusch, wenn es verschwindet" las, hatte der Band mit Anna Gavaldas neuen Kurzgeschichten bereits meine wärmste Sympathie gewonnen.


    Alle fünf Geschichten unterschiedlicher Länge fallen durch soviel Emotionalität und liebevoll gezeichnetetn Characteren auf, dass es fast weh tut, wenn die Protagonisten scheitern, sich wieder aufrichten, ihren Gedanken freien Lauf lassen und versuchen wieder in die Spur zu finden. Die Autorin erlaubt ihnen die schlimmsten Fehler und verzeiht ihnen alles auf deren Suche nach ein bißchen Glück. Das hat eine sehr beruhigende Wirkung, die fortwährend dauert.


    Die erste Geschichte rührte mich zu Tränen, die zweite machte mich ganz kribbelig, die dritte bestach durch eine perfekte Rede, bei der vierten benötigte ich zum Hineinfinden etwas mehr Zeit, war dafür aber gegen Ende zum Zerreißen gespannt und versöhnt, die fünfte war zu kurz und anschließend war ich auch wieder traurig, weil es danach keine Geschichte mehr gab.


    In jeder Geschichte gibt es Sätze, die angenehme Impulse setzen, die zum Verweilen einladen und wie Gehirnbalsam wirken.


    Besonders zu erwähnen sind Anna Gavaldas Perspektivenwechsel. Überflutend überzeugende Weltbilder werden unerwartet umgekehrt und völlig neu geschaffen. Genauso überzeugend und so überraschend.


    Anna Gavalda behält ihren Platz auf meiner Liste der außergewöhnlichsten Erzähler unserer Zeit.

    Hier geht es flott zur Sache!
    Oliver von Bodenstein und Pia Sanders, das bekannte Ermittlerduo aus Nele Neuhaus populären Krimis, ermitteln in einem Fall, der Oliver persönlich (be)trifft.
    Im Sommer 1972, als Bodenstein 11 Jahre alt war, verliert er seinen besten Freund. Artur, ein Junge, genauso alt wie er, der mit seinen Eltern aus Russland eingewandert ist, verschwindet spurlos. Bis heute ist sein Verbleib nicht bekannt geworden.


    Diverse aktuelle Morde im hessischen Ruppertshain erschüttern die Dorfgemeinschaft und deuten auf eine Verbindung mit der Vergangenheit hin. Oliver und Pia werden auf den Plan gerufen und rütteln ordentlich an der alten Geschichte. Das gefällt nicht jedem Ruppersthainer! Und Oliver manchmal auch nicht…


    Kaum sind die ersten Zeilen des Prologs gelesen, ist man verloren und der Atem beginnt schon zu stocken. Spätestens ab dem 1. Kapitel kann man nicht mehr aufhören umzublättern und ist heillos verstrickt in die Vorfälle des aktuellen Zeitgeschehens und der Vergangenheit.


    Die vielen Protagonisten rund um das Ermittlerteam K11, welches Nele Neuhaus so imposant schildert und auftreten lässt, kann man mit dem Personenverzeichnis am Anfang gut auseinanderdividieren, zumal auch die jeweiligen Eigenarten und Abgründe der Menschen gut in den Fokus gerückt werden.
    Frau Neuhaus gönnt ihren süchtigen Lesern keinen Aufschub und es geht Schlag auf Schlag, erstaunliche Sachverhalte aufzudecken und auch das kleinste Puzzleteilchen zu suchen und richtig einzufügen.
    Dieser Fall rührt an einem verdrängten Kindheitstrauma Olivers und hat dadurch eine erhebliche emotionale Ebene, deren Anteile das sentimentale Leserherz zu Tränen rühren können.
    Das hat mich ehrlich beeindruckt und mich zu einem neuen Fam der hochgehandelten Autorin werden lassen.
    Begeistert habe ich auch die rechtsmedizinischen Informationen aufgenommen und mich über die Zwistigkeiten und kleinen Rangeleien innerhalb des Ermittlerteams amüsiert.


    Der neue Band von Nele Neuhaus ist ein in sich schlüssiges und unvorhersehbares Gesamtpaket, mit vielleicht manchmal etwas zu viel Potenzial. An einigen Stellen hätten größere Puzzleteilchen die Komplexität der Zusammenhänge entzerren, und so die Konzentration des leicht gestressten Lesers besser aufrecht erhalten können.
    Trotzdem haben mich die Story und Schreibstil überzeugt und kurzweilig unterhalten.


    Empfehlung mit schlafloser-Nacht-Garantie.

    Wir alle kennen den österreichischen Monarchen Franz Joseph aus den Sissi Filmen und den Biographien rund um die Familie Habsburg.
    Als Franz im November 1916 stirbt, beginnt Birgit Mossers mitreißender Roman über den Untergang der großen Monarchie Österreich-Ungarn.


    Wir bekommen detailgetreue und authentische historische Einblicke in vier Familien aus verschiedenen sozialen Schichten, die alle zwar unterschiedlich aber jede massiv unter den den furchtbaren Konsequenzen des erbitterten ersten Weltkrieges leiden, der sich mittlerweile im dritten Jahr befindet. Es mangelt an Lebensmitteln und Brennstoff. Kaffee gibt es nicht mehr. Stattdessen wird ein unbekömmlicher Sud aus Eicheln oder Kastanien aufgebrüht, den eigentlich kein Mensch trinken kann. Brot wurde mit Sägemehl gestreckt. Ich glaube, dass hat mich neben den grausigen körperlichen und seelischen Verletzungen, die Frau Mosser sehr eindringlich schildert, am meisten entsetzt.


    Die Menschen hungern und frieren. Wer Glück hat und zur Dienerschaft einer der reicheren Wiener Familien gehört, kann einen einfachen Lebensstandard einigermaßen aufrecht erhalten. So auch die sympathische Berta Sogl, die dann jedoch ungewollt schwanger und von ihrer Hausherrin prompt vor die Tür gesetzt wird. Ledige Mütter haben es in der konservativen Gesellschaft wahnsinnig schwer. Für Berta beginnt ein harter Kampf um Brot und Geld.
    An der Front ist die Versorgung ebenso schlecht. Grausige Szenen, Desertation und Gefangenschaft sind die Folge der strauchelnden Monarchie. Österreich wird soweit gedemütigt, bis nur noch ein winziger Staat übrig ist.


    Birgit Mosser beschreibt berührend die schweren Schicksalsschläge und Entbehrungen ohne dabei umständlich zu wirken, so dass man sich ganz nah im Geschehen sieht. Trotz aller Tragödien war es schön, manches Glück der Menschen in dieser prägenden Zeit mit zu erleben. Die Autorin lässt “kleine Glücke”, in einer Epoche, in der nichts mehr selbstverständlich ist, zu etwas Essentiellem werden.


    Ein Buch, das gerade heute aktuell ist, neben aller Fiktion geschichtliches Wissen vermittelt und gelesen werden will.
    Ich empfehle vorherige Infos über die Sachverhalte des 1. Weltkrieges und Österreich-Ungarn, um alle Zusammenhänge zu verstehen und den Inhalt bis zum Schluss auszukosten.

    Es war, zumindest anfangs, nicht einfach Emma Clines “Girls” zu folgen.
    Evie, im Jahr 1969, missachtet, beeinflussbar, veränderbar und Evie als Frau im mittleren Alter, mit allen Erinnerungen von damals, eben jenem Sommer 1969.
    Dazu die vollmundig gesäuselten S-Laute Suzanne von Borzodys, die meine Ohren nicht so richtig verarbeiten wollten und meine Gedanken immer wieder abschweifen ließen. Die bis zum Gurgeln ausgedrückten englischen Begriffe waren der weiteren Konzentration auch nicht gerade sehr zuträglich.
    So durch die erste CD gehaspelt fing mich die eigentliche Geschichte um die 14-jährige Evie, deren Gedankengut sich ausschließlich darum drehte, gesehen und beachtet zu werden, doch ein.
    Nach der Scheidung der Eltern, die dann jeweils mit ihren neuen Partnern beschäftigt waren, fühlte sie sich so sehr zurückgesetzt und überflüssig, dass sie sich von einer Gruppe eigentümlicher, älterer Mädchen angezogen fühlte und immer mehr in deren Sog geriet. Das war gefährlich, denn alle scharrten sich um eine Art Guru, der auch schließlich Evie eine Gehirnwäsche verpasste, dass sie ebenso hörig umherlief, wie die anderen auch.
    Abwechselnd berichtet die “alte” Evie heute über die Geschehnisse damals und lässt dabei die Abgründe ihres eignen Seelenlebens nicht aus.
    Erstaunt hat mich Emma Clines Talent, als noch recht junge Autorin, ganze Gefühlspaletten und Nuancen kleinster emotionaler Regungen greifbar zu versprachlichen. Die ganze Geschichte ist gespickt davon und stand für mich neben der eigentlichen Handlung mehr im Fokus und sorgte für etliche Überraschungsmomente.
    Ein tiefgreifender Einblick in das mitunter dunkle Gefühlsleben eines Teenies, dessen Erleben damals bis heute geprägt hat.
    Lesenswert und nachhaltig. Trotzdem für mich nicht so hervorstechend, wie angekündigt.

    Die “Bühlerhöhe” ist ein fiktiver Roman mit historischem Hintergrund, einem realen Schauplatz und spielt in den frühen 50ern, als unser demokratischer Staat noch sehr jung war.
    Mit dem Glossar angefangen war ich über die deutsch-israelische Geschichte wieder gut informiert und auf den Roman vorbereitet.


    Auf Konrad Adenauer soll laut geheimer Infos ein Attentat verübt werden, denn die radikale jüdische Bewegung ist dagegen “Blutgeld” als so genannte Wiedergutmachung von Deutschland anzunehmen.
    Doch Israel braucht das Geld dringend und so soll Rosa als Agentin den Anschlag verhindern. Aufgewachsen in Deutschland, geflüchtet vor dem Naziregime und etablierte Bewohnerin eines Kibbuz kennt den Schwarzwald gut, und so ist sie die ideale Wahl für den Auftrag, obwohl sie das selber ganz anders sieht und widerwillig zurück nach Deutschland kehrt.
    Ziel ist das renommierte Hotel “Bühlerhöhe”. Adenauer wird hier dieses Jahr wieder seinen Urlaub verbringen und erschossen werden?
    Sophie Reisacher, die forsche Hausdame des Hotels merkt sofort, dass Rosa nicht die Person ist, die sie vorgibt zu sein. Ein Katz und Maus Spiel beginnt. Nicht nur zwischen Rosa und Sophie.
    Sophie ist meine Heldin in diesem vorzüglich ausgearbeiteten Roman und fasziniert mit einem außergewöhnlichen Gespür für Geheimnisse, die eigentlich nicht gelüftet werden sollen. Im Gegensatz zu Rosa, die sich von ihren Gefühlen leiten lässt und ihr die Zusammenhänge dabei vor der Nase verschwimmen.
    Die anderen Figuren sind nicht minder interessant und schwirren um die beiden Hauptpersonen herum, bis man als Leser hinterher jeden in Verdacht hat, der vorher völlig harmlos erschien. Überflüssig zu erwähnen, dass die Autorin das genial hinbekommen hat. Fans von Liebeleien und Affären kommen sogar auch noch auf ihre Kosten.


    Dieser Roman hat mich begeistert und mit aufgefrischtem geschichtlichem Wissen in der “Bühlerhöhe” zurückgelassen. Prädikat absolut lesenswert.
    Lesenswert ist übrigens auch die wahre Geschichte der “Bühlerhöhe”. Einfach mal vor Beginn des Romans googlen!
    Hat Brigitte Glaser eigentlich noch weitere Bücher geschrieben? Keine Ahnung...direkt mal nachschauen!

    Eine Saga?


    In diesem ersten Teil der stark beworbenen italienischen Saga versetzt uns die große Unbekannte Autorin Elena Ferrante ins Rione, einem ärmlichen Viertel bei Neapel.
    Sie, oder sind es mehrere Autoren?, lässt Elena und Lila, die beiden Hauptfiguren zunächst Kinder sein. Wir werden Zeugen etlicher Klein-Mädchen-Spiele und Mutproben, bis die beiden schließlich zueinander finden und auf einer fragilen Beziehungsebene die bekannten Stationen des Erwachsenwerden durchleben.
    Dazu gehören dramatische Alltagsszenen der italienischen Art innerhalb der Familien, von denen es im Buch eine Menge gibt und das erste Geturtel zwischen den Jungendlichen im Rione.
    Inhaltlich konnte mich an diesem Buch nichts überraschen, geschweige denn fiebrig werden lassen, wie es die Werbung versprach.
    Für mich passt “Meine geniale Freundin” eher in das Genre Jugendliteratur der anspruchsvolleren Art und könnte hier gut mit dem feinen Stil und der versuchten sprachlichen Eleganz punkten.


    Beide Protagonistinnen sind gut in der Schule, doch nur Elena ist es vergönnt den höheren Bildungsweg einzuschlagen, obwohl auch Lila sehr intelligent ist und sogar autodidaktische Fähigkeiten ausspielen kann. Beide konkurrieren in einer versteckten Art und Weise miteinander und ich kann eigentlich keine großartige Freundschaft erkennen. Immer wieder kommt es mir so vor als wünscht die eine der anderen nichts Gutes. Das hat mich sehr irritiert. Sollte es hier nicht um eine ganz besondere Beziehung zwischen zwei Frauen gehen?


    Ich habe mich nicht geärgert das Buch gelesen zu haben, gewundert, über den Hype, der darum gemacht wird habe ich mich schon.
    Ein einfaches, leichtes Gericht mit alltäglichen Zutaten, was hier inkognito gekocht wurde. Wer’s mag, wird auch die folgenden anderen drei Teile nicht verschmähen.