Erastes ist eine Sie und hat durch Harry Potter FanFiction mit Schreiben begonnen, gemerkt, dass Schreiben ihr sehr viel Spaß macht, und sich dann an das Schreiben von Original (eigene Charaktere und Plot) gewagt. Mehr oder weniger regelmäßig lese ich ihren Blog, der ganz amüsant ist.
Voriges Jahr im Sommer hatte ich im Internet ihre Website entdeckt. Das Probekapitel von "Standish" gefiel mir gut und klang sehr vielversprechend für die ganze Geschichte, daher habe ich mich auf die Veröffentlichung gefreut. Erastes hat uns in ihrem Blog regelmäßig auf dem Laufenden gehalten, sie war natürlich selber ganz aufgeregt und stolz, ihr erstes Buch (!), .... die letzte Überarbeitung ist fertig, mit dem Cover ist sie zufrieden, das Buch wird gedruckt, der Veröffentlichungstermin steht fest, es ist bei Amazon gelistet .....
Soviel zum Hintergrund. Direkt nach Erscheinen habe ich daher bestellt und an einem Samstag mit Lesen losgelegt.
"Standish" begann gut, die Grundidee, ihr Schreibstil, und auch dass Erastes den historischen Hintergrund recherchiert hat und nicht nur eine fluffige Geschichte erzählen wollte, gefiel mir.
Aus der Kurzbeschreibung klang die Konstellation der Charaktere interessant. Ambrose, dessen Großvater den Familiensitz verspielt hat und Rafe, der neue Eigentümer des Schlosses, ein Lebemann, der seelische Narben aus seiner Jugend mitschleppt (der klassische "tortured hero" also) mit einem kleinen Sohn, den er liebt und der ganz dringend einen Hauslehrer braucht.
Die Zutaten also, aus der eine Georgette Heyer eine ganz wunderbare Geschichte hätte zaubern können, wenn man mal von der Kleinigkeit absieht, dass sie leider keine m/m Geschichten geschrieben hat.
Erastes ist aber leider in mehrere Fallen getappt, auf die ich allergisch reagiere.
Rafe sieht Ambrose zum ersten Mal während dieser in einem See auf seinem Grundstück badet. Rafe ist sofort gebannt von der blonden zarten Schönheit dieses jungen Mannes, und aus fünfzig Meter Entfernung weiß er schon, dass er von ihm fasziniert ist, wie von niemandem zuvor. *urg*
Ambrose ist ständig in der Rolle der "damsel in distress", er muss gerettet werden. Weder Ambrose noch Rafe agieren wirklich selbstbestimmt. Sie scheinen zeitweise keinen Willen zu haben, das Schicksal oder andere Charaktere spielen ihnen übel mit oder manipulieren sie nach Lust und Laune.
Solche Charaktere finde ich uninteressant. Wenn wenigstens Rafe der Kämpfer wäre, als der er von seiner "Rolle" her prädestiniert ist, aber sein Verhalten mit diesem merkwürdigen italienischen Grafen (?) hat mich ziemlich genervt.
Will aus "Brethren: Raised By Wolves" zitiert auch immer wieder, dass "die Götter" sich einen Spaß mit ihm erlauben (dabei hat er ein Konzept im Sinn, wie die griechischen Götter in der Ilias, die sich darüber amüsieren wie die Menschen herumwuseln), aber Will ist ein starker, aktiver und dadurch attraktiver Charakter.
Der ehemalige Hauslehrer von Rafe, Quinn, taucht auch noch mal auf und ist ziemlich creepy, bei ihm hatte ich den Eindruck, die Autorin konnte sich nicht ganz entscheiden, was sie mit ihm anfangen sollte.
Nachdem Ambrose nach England zurückgekehrt war und sofort wieder in Gefahr, aus der man ihn retten musste, hatte es mir mit dem Melodrama für’s erste gereicht, und ich habe an dem weiteren Wochenende ein anderes Buch gelesen (genügend zur Auswahl habe ich ja). Seitdem wollte ich "Standish" zuende lesen, auf meinem Nachttisch liegt aber inzwischen ein Bücherberg von mindestens einem halben Meter obendrauf, daher ist bisher nichts daraus geworden. Ich werde meinen Bücherberg umschichten und es mir noch mal vornehmen, ich habe gehört, es gäbe in der zweiten Hälfte noch einen interessanten Charakter namens Fleury.
Ich freue mich aber für Erastes, da "Standish" anscheinend vielen Leserinnen sehr gut gefallen hat, und Geschmäcker sind ja unterschiedlich.
Slash (von Frauen geschriebene und gelesene Geschichten über zwei Männer als Liebespaar) gibt es schon seit über dreißig Jahren, dieser Trend wird seit einigen Jahren bekannter und geht inzwischen über die Verbreitung der Geschichten im Internet hinaus. Es gibt mehr und mehr Geschichten, die tatsächlich als Bücher (ja, die aus Papier) veröffentlicht werden. Yaoi Mangas sind auch sehr beliebt.
In einer m/m Geschichte will ich keine Charaktere, die zwar Männer "sein sollen", vom Charakter aber angelegt sind und sich benehmen wie Frauen. Ich möchte auch kein Paar mit der "klassischen Rollenverteilung", der eine ist "der Mann", der andere hat die Rolle "die Frau". m/m Geschichten machen erst gerade Spaß durch zwei sehr starke, dominante Charaktere, wo erstmal ordentlich die Fetzen fliegen und es eben keine festgelegten "Rollen" gibt.
Aber jeder hat persönliche Präferenzen, viele Leserinnen mögen an Slash/Yaoi ja gerade, dass die Männer sehr sensibel sind, ständig heulen und über Gefühle reden. (Achtung IRONIE, aber etwas Wahres ist doch dran). Die Menge der Geschichten ist inzwischen so groß, dass für jeden Geschmack was dabei ist.