Beiträge von Lille

    Mir ist in diesem Jahr bisher Paula Spencer aus "Paula Spencer" von Roddy Doyle sehr ans Herz gewachsen. Dann noch Paul aus "Das Gedächtnis des Wassers" von Francois Gantheret. Und die beiden Frauen aus "Das Zimmer" von Helen Garner.


    Und aktuell sind mir die Männer von der Korporalschaft Bertrand aus "Das Feuer" von Henri Barbusse ans Herz gewachsen, was bitter ist, denn "wir" verlieren immer mehr in der Schlacht um die Höhe 119... Jetzt sind schon Lamuse, Barque, Biquet, der kleine Eudore, Pépin, Mesnil, Cocon und Poterloo gefallen. Korporal Bertrand wird vermisst. Ich ahne nichts Gutes, verdammt!


    Liebe Grüße
    Lille

    Liebe Eulen,
    ich hoffe, ich bin im richtigen Thread gelandet... Ich würde euch gerne auf die TV-Premiere von "meinem" Debüt-Film "Vom Atmen unter Wasser" aufmerksam machen. Das Drehbuch war meine Diplomarbeit an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Regie: Winfried Oelsner, Hauptdarsteller: Andrea Sawatzki, Thorsten Merten und Adrian Topol.


    "Vom Atmen unter Wasser" wird am Freitag, den 17. April um 21 Uhr auf arte ausgestrahlt.
    Link zu arte: http://www.arte.tv/de/programm/242,date=17/4/2009.html


    Inhalt: Vater, Mutter, Sohn und Tochter. Die Bergmanns aus Freiburg waren eine ganz normale Familie mit ganz normalen Problemen. Dann wurde Sarah, die sechzehnjährige Tochter, auf dem Nachhauseweg von einem Unbekannten überfallen und erwürgt.
    Jetzt, fast ein Jahr später, ist der Gerichtsprozess vorbei, der Täter zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt und das Scheinwerferlicht der Presse auf andere Ereignisse gerichtet. Doch was passiert mit denen, die zurückbleiben und die in ihrer Trauer nicht einfach so weitermachen können?


    Das Drama lief im vergangenen Jahr auf vielen Filmfestivals und erhielt zwei Publikumspreise. Es wurde von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden mit dem Prädikat "Besonders wertvoll" ausgezeichnet: "Authentisch, einfühlsam, fesselnd, tragisch - ein Film, der aufwühlt und lange nachhallt."
    Auf der Webseite des Regisseurs kann man sich den Trailer ansehen: www.winfriedoelsner.de


    Liebe Grüße
    Lille

    Und dieses hier, das mich sehr beeindruckt und berührt hat:


    "Schlemm" von Nicola Bardola


    Kurzbeschreibung:
    „Elf Tage lang wird Luca noch Sohn sein, Kind seiner Eltern, mit Vater und Mutter, die man jederzeit anrufen kann. Dann werden sie sterben." Was für ein Auftakt. Nicola Bardola erzählt in seinem Erstlingswerk die Geschichte von Luca und seinen Eltern, die sich nach der Krebsdiagnose des Vaters für den gemeinsamen Freitod entschieden haben. In einer Collage aus Erinnerungen, Briefwechseln und Zeitungsartikeln entwickelt Bardola - vor autobiographischem Hintergrund - ein außergewöhnliches Familienporträt. Sensibel nähert sich der Autor, mit sanfter und intimer Sprache, den Figuren und ihren Geschichten, so dass man trotz Reizworten wie Patientenautonomie und Sterbehilfe weit entfernt ist von pauschalen Urteilen und vorschnellen Meinungen. Sehr vielschichtig und mit Zitaten von bekannten Schriftstellern ergänzt, setzt sich Bardola mit Alter, Tod und freiem Willen auseinander.


    Liebe Grüße
    Lille

    Und dieses:
    "Die letzte Lektion" von Noëlle Châtelet


    Kurzbeschreibung:
    Es wird nicht nur geweint, sondern auch gelacht in diesem Buch, das von den letzten Wochen vor dem Tod erzählt. Eine Tochter nimmt Abschied von ihrer alten Mutter, die nicht länger einen hinfälligen Körper ertragen, sondern nach einem erfüllten Leben selbstbestimmt in Würde sterben will. Eine aufwühlende Chronik über die letzten Monate und Tage einer ungewöhnlichen und mutigen Frau. Schon früh hatte sie ihrer Familie signalisiert, dass sie nicht bis zum bitteren Ende ausharren werde. Doch als sie dann mit 92, geistig klar, doch körperlich zunehmend gebrechlich, ihren Entschluss mitteilt, reagiert die Tochter mit einem Aufschrei. Noëlle Châtelet kann nicht akzeptieren, dass die Tage der Mutter, aber auch ihre Tage mit der Mutter gezählt sind. Diese Mutter, eine couragierte geistig unabhängige Frau, die bis ins hohe Alter als Hebamme gearbeitet hat, nimmt nun die Tochter an die Hand, erteilt ihr liebevoll und mit Humor eine »letzte Lektion«. Der Tod gehört wie die Geburt, für die sie einst zuständig war, zum Leben. Nach den Ritualen des Lebens zeigt die Mutter nun der Tochter die Rituale des Abschieds und des Todes. Als »Die Dame in Blau« ist Noëlle Châtelets Mutter schon in die Literatur eingegangen. Diese »letzte Lektion« über den Umgang mit dem Tod geht weit über den persönlichen Schmerz und das individuelle Schicksal hinaus.


    Liebe Grüße
    Lille

    Zu diesem Thema hab ich in meinem Bücherregal noch diese gefunden:


    "Ich wollte, dass du lebst" von Ilana Hammermann und Jürgen Nieraad


    Kurzbeschreibung:
    Ein schonungslos offenes und zartes Buch: Die Liebe im Angesicht des Todes


    Der Mann kehrt nach Deutschland zurück und will in den Bergen erfrieren. Die Frau begehrt auf - gegen ihn, gegen den Tod. Die Frau ist Ilana Hammerman, Übersetzerin und Lektorin. Der Mann ist Jürgen Nieraad, Literaturwissenschaftler und Philosoph. Nach heftigem Ringen schließen sie einen Pakt: Auch diese Erfahrung wollen sie gemeinsam bestehen. An den Worten halten sie sich fest. Er schreibt die letzten Monate auf, sie schreibt sie auf. So entsteht aus zwei Federn eine Lebens- und Liebesgeschichte, Poetisch und unverblümt, erschütternd und ermutigend, wahrhaftig und anrührend. Nach langjähriger Ehe mit Ilana Hammerman und einem gemeinsamen Leben überwiegend in Israel starb Jürgen Nieraad dort Ende 2000. Das Buch stand wochenlang auf der israelischen Bestsellerliste und löste eine Debatte über den Umgang mit dem Tod aus.


    Liebe Grüße
    Lille

    Liebe Booklooker,
    DAS ist sehr ärgerlich! Mein Freund macht mich schon rasend, wenn er die Niederländer zu den Engländern packt oder die Ungarn zu den Tschechen... Oder Ungarn und Tschechen zusammen zu den Russen. :bonk So was darf in der zweiten Reihe auf keinen Fall passieren, sonst find ich nix mehr.


    Seufz. Ich träum ja heimlich von einem dritten Zimmer - aus dem ich dann mein Arbeitszimmer plus Bibliothek machen könnte...


    Liebe Grüße
    Lille

    Vielen Dank, ihr Lieben, für das herzliche Willkommen!


    Ich hab immer noch nichts zu Philippe Grimbert gefunden. Ich werde demnächst eine Rezi zu "Ein Geheimnis" schreiben und hoffen, dass ich sie richtig platziere und nicht doch noch ein Thread auftaucht und die armen Mods dann wieder extra Arbeit mit zusammen kopieren haben.


    Wie macht ihr es, wenn ihr die Bücher in zwei Reihen ins Regal stellt - ich meine, WIE findet ihr dann Bücher, wenn ihr welche braucht, aber nicht mehr wisst, in welcher zweiten Reihe sie stehen? Ich hab mir überlegt, dass ich weiterhin die Fächer nach Ländern sortiere und dann auch die zweite Reihe diesem System unterordne. :gruebel Hm. Aber ich kann's nicht ändern, ich muss Bücher einfach besitzen. Ich gebe nur Bücher ins Antiquariat oder tausche sie, die ich definitiv nicht wieder lesen werde. Gibt es hier auch Leute, die Bücher tauschen? Ich werde noch eine Weile brauchen, bis ich mich in alle Threads eingelesen habe...


    Liebe Grüße
    Lille

    Liebe Büchereulen,
    peinlich, peinlich, ich hab mich noch nicht vorgestellt, obwohl ich schon eine Weile in eurem Forum sein darf und mich nun auch an die ersten Rezensionen gewagt habe. Bitte entschuldigt mein unhöfliches Verhalten.


    Ich bin 30 Jahre alt, vom Brotberuf Drehbuchautorin und überarbeite gerade mein erstes Romanmanuskript, das meine Agentin in ein paar Wochen verschicken will. So viel zum Beruf.


    Meine Leidenschaft sind Bücher. Ich gehe nie ohne Buch in der Tasche aus dem Haus. Da ich Hardcover liebe und total pingelig bin, was Knicke und Flecken und Abriebe angeht, hab ich mir angewöhnt, nur noch Taschenbücher "für unterwegs" mitzunehmen. Packe ich meinen Koffer für den Urlaub, fällt es mir sehr leicht, auf Klamotten zu verzichten, damit mehr Bücher Platz haben. Das führt dazu, dass ich immer zu wenig zum Anziehen dabei hab und mit der Hand waschen muss. Wenn mir dann auch noch ein Teil der Kleidung vom Balkon geklaut wird, wird's eng ;-)


    Vor einer Woche haben wir das letzte Bücherregal gekauft, das noch einen Platz in unserer kleinen Wohnung gefunden hat. Sollte das voll sein, muss ich die Bücher doppelt stellen :cry Sortiert habe ich nach Ländern, kleiner Tick von mir.


    Bisher habe ich nur Rezensionen von Büchern geschrieben, die mich schwer begeistert haben, vielleicht traue ich mich auch mal an andere.


    Ich lebe in Berlin und erlaube mir einmal im Halbjahr einen Besuch im Kaufhaus Dussmann - allerdings bleiben sämtliche Geld-Karten zuhause. Deshalb dauert es schon mal einen Tag, bis ich mich endlich entschieden habe, was ich für meine 100 Euro nach Hause nehmen will. Zum Glück haben die da ein Café und viele bequeme Sessel. Ansonsten versuche ich meine monatlichen Einkäufe auf Antiquariate und kleine Buchhandlungen im Kiez zu verteilen.


    Ansonsten liebe ich die Berge und gehe gerne mit Kollegen wandern. Ich mag Schokolade, Pasta und Caramel Macchiato, gute Filme, verregnete Sonntage und den Herbst.


    Ich freue mich auf einen regen Austausch - und darüber, hier unter Buchsüchtigen sein zu dürfen, was ja nicht immer von der Umwelt verstanden wird ("Musst du die Bücher besitzen, kannst du sie nicht ausleihen?", "So viel Lesen verdirbt die Augen", usw.).


    Liebe Grüße
    Lille


    PS: Ich habe gerade bei Suche "Ein Geheimnis" von Philippe Grimbert eingegeben - aber keine Rezi gefunden. Dieses Buch wurde hier aber sicher schon rezensiert, gibt es da einen Tipp, wie ich die Rezi finden kann?

    Ich bin vorhin in einer Arbeitspause über diesen Thread gestolpert und hab mir das Antworten aus Disziplinierungsgründen verboten, aber es hat die ganze Zeit "in mir gearbeitet" :gruebel Jetzt hab ich Feierabend und "darf" :-]


    Sofort gekauft habe ich und würde ich wieder von - ich nenne nur die noch lebenden Autoren, von denen noch Bücher kommen können:
    - Kveta Legatova (ein neues Buch ist leider nicht in Sicht :cry )
    - Francois Gantheret
    - Helen Garner
    - Joan Didion
    - Monika Fagerholm
    - Kerstin Ekman
    - Alice Munro
    - Annie Proulx
    - Sue Hubbel
    - Philip Roth
    - Connie Palmen
    - Philipp Grimbert
    - André Aciman
    - Stewart O'Nan
    - Roddy Doyle
    - Oliver Storz
    - Fred Vargas
    - Ketil Bjørnstad
    - Joyce Carol Oates
    - Viktorija Tokarjewa
    - Michael Ondaatje
    - Julien Barnes
    - Per Petterson
    - Veronique Olmi
    - Barbara Gowdy
    - Margret Atwood


    Oh, Gott, ich weiß, warum ich dauernd so pleite bin :cry Ich hör besser auf, auch wenn ich bestimmt ein paar wichtige vergessen hab.


    Liebe Grüße
    Lille

    Liebe Büchereulen,
    mir hat die Lesung in der Taufkapelle auch sehr gut gefallen. Schönes, passendes Ambiente - und eine angenehme Temperatur ;-) - sympathische, bescheiden wirkende Autoren, eine engagierte Moderatorin und das Wichtigste: Sehr gute Texte.


    Im Gegensatz zu manchen hier, fand ich Christoph Lodes Vortrag sehr gut. Auf der Messe habe ich einige Autoren erlebt, die beim Lesen "geschauspielert" haben, was meiner Meinung nach den Texten geschadet hat und die Autoren selbst stellenweise exzentrisch/überdreht wirken ließ. Aber das ist nur (m)eine Meinung und liegt vielleicht auch daran, dass ich Drehbuchautorin bin und aufs "Schauspielerische" strenger schaue. Ich fand auch, dass man Lode das Sprechtraining sehr wohl angemerkt hat. Aber auch das wieder nur mein subjektiver Eindruck.


    Das, was Christoph Lode über das Leben und das Arbeiten eines Autors gesagt hat, fand ich sehr interessant und wieder: wohltuend bescheiden. Zum Beispiel, dass er jeden Morgen um 9 Uhr (ich hoffe, es war nicht 8 Uhr) am Schreibtisch sitzt und schreibt. Dass sich seiner Meinung nach die Inspiration mit dem Arbeiten einstellt (eine Meinung, die er mit Somerset Maugham teilt). Dass er sich für die Beschreibung des mittelalterlichen Banketts an Bankett-Protokollen aus dieser Zeit gehalten hat. Usw.


    Genauso wohltuend bescheiden und sympathisch trat Deana Zinsmeister auf, die mich mit ihrem "Outing", dass sie ihre Romane nicht plotet gleichermaßen verblüfft wie begeistert hat. Es hat mich sehr gefreut, später noch mit ihr plaudern zu können. Und da sie ein wenig über ihr neues Projekt verraten hat, freue ich mich umso mehr auf ihr neues Buch - wenn nur die Zeit bis dahin nicht so lang wäre :cry


    Für mich eine gelungene Lesung und ein schöner Abend!


    Liebe Grüße
    Lille

    Klappentext:
    Als Simone Dreyer die Sicherheitskontrolle am Düsseldorfer Flughafen passieren will, bricht direkt neben ihr ein Mann tot zusammen ... Was als ein scheinbar zufälliges Zusammentreffen beginnt, entwickelt sich für die junge Frau zu einer Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit. Denn der Tote war vor 13 Jahren der Patentanwalt ihres Vaters - der bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Während der Düsseldorfer Hauptkommissar Zeitz im Umfeld des Toten ermittelt, versucht Simone herauszufinden, was damals wirklich zwischen ihrem Vater und seinem Anwalt geschah.


    Über die Autorin:

    Manchmal ist der Mörder näher als man denkt ...
    Manchmal ist er der Nachbar ...
    Der Frühling bringt Hochspannung!
    Drostes neue Krimireihe - weiß - nicht unschuldig!


    So bewirbt der Droste Verlag seine neue Krimireihe. "Patentlösung" von Carla Rot ist einer der ersten vier Titel. Carla Rot wuchs im Sauerland auf und studierte an der Ruhr-Universität Bochum Biologie. Nach einem Forschungsjahr in England zog sie nach Berlin, wo sie heute als freie Übersetzerin und Autorin lebt. Sie schreibt Sachbücher, Erzählungen und Romane, häufig mit fantastischem Einschlag. Patentlösung ist ihr erster Kriminalroman.

    Meine Meinung:
    Mit Carla Rot betritt eine neue Autorin das Parkett des Regionalkrimis. Ihr Debüt "Patentlösung", das in Düsseldorf spielt, hat mir von der ersten Seite an sehr gut gefallen. Passend dazu beginnt der Krimi so:

    Wow. Er hatte wirklich Wow gesagt.

    Rot eröffnet ihren Krimi nicht wie die meisten Krimis mit einer Leiche, einem Mord oder sonstigen „Paukenschlägen“. Sie lässt sich und dem Leser einen Moment Zeit, Simone Dreyer, die Hauptfigur kennenzulernen. Und da es sich bei der jungen, arbeitslosen Schauspielerin um eine originelle Figur mit spannender Backstory handelt, erzeugte die Autorin bei mir sofort Neugier. Gleichzeitig habe ich mich beim Lesen der ersten Seiten aber auch gefragt, wer denn das Mordopfer sein wird – denn das verspricht ja der Kappentext – und habe daher die Männer, denen Simone im Flughafencafé begegnet, genau beobachtet. Durch den atmosphärischen Einstieg entwickelt sich für mich die spätere Krimi-Geschichte sehr glaubwürdig, vor allem aus Sicht der ahnungslosen Simone heraus. Ab dem Tod des Patentanwaltes – kurz nachdem Simone das Café verlassen hat – wird die Handlung temporeich und spannend. In diesem Sinne könnte man Rots Einstieg zum Beispiel mit den Einstiegen der beiden Fred Vargas Krimis „Fliehe weit und schnell“ und „Das Orakel von Port-Nicolas“ vergleichen, in denen auf den ersten Seiten auch zuerst die originellen Figuren und ihre Beziehungen untereinander eingeführt werden, ehe sich ein Kriminalfall entwickelt bzw. "langsam" herauskristalisiert.

    In ihrem Debüt arbeitet Rot geschickt mit falschen Spuren, die sie glaubhaft auflöst und dabei wieder neue Fragen aufwirft. Ihre lebendigen Figuren, die mich immer wieder überrascht haben, tragen dazu bei, dass ich mir nie sicher war, wer von ihnen der Mörder sein könnte. Ganz besonders gut haben mir die originellen „Schrullen“ der Figuren gefallen. So zum Beispiel der Waschzwang von Thoms, einer der Anwälte, den Schmutz regelrecht in Panik versetzt. Toll fand ich auch, wie Rot das Schauspielen von Simone im Showdown einsetzt und so konsequent „zu Ende“ erzählt.

    Aufgefallen ist mir bei diesem Krimi auch, dass Rot die Beschreibung der Schauplätze oft mit der Handlung verbindet und dabei mit unterschiedlichen Tempi arbeitet. Ein Beispiel: In einer Szene wird einem die Örtlichkeit des Hafens aus der Sicht von Simone beschrieben, die dort entlang rennt, um ihren Gedanken zu entfliehen, die um den tödlichen Autounfall ihres Vaters kreisen. Das Tempo der Beschreibungen ist rasant und beschränkt sich auf die wichtigsten „Bildsplitter“, also dem, was für die Figur beim Rennen entscheidend ist. Kurz darauf setzt sich das Bild des Hafens dann langsam und ruhig zusammen, werden Lokalitäten, die der Leser bereits kennen gelernt hat, wie zum Beispiel das Studio von D-Games, im Medienhafen verortet - während sich die erschöpfte Simone auf einer Stufe ausruht. Klug gewählt ist auch, dass es sich bei Simone um eine Ortsunkundige handelt, die Düsseldorf mit einem ganz anderen Blick begegnet und die genauen Beschreibungen figurenperspektivisch motiviert.

    Die Handlung selbst wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, was dazu führt, dass der Leser stellenweise mehr über eine Figur weiß als zum Beispiel Simone oder Kommissar Zeitz. Auch das führt zum sprunghaften Anstieg der Spannung, besonders gegen Ende hin. Ebenfalls spannend ist, wie sich Simone durch ihre impulsive Art selbst zur Hauptverdächtigen macht. Vor allem für den jungen Kommissar Flessner. Zwischen diesem und dem alten, erfahrenen Kommissar Zeitz kommt es auch immer wieder zu Konflikten, die oft die lustigsten Stellen des Krimis enthalten. Herrlich:

    Als sie wieder nach vorn kamen und die Treppe hinaufstiegen, warf er (Zeitz) selbst einen Blick ins Wohnzimmer. Der Parkettboden war mit Scherben übersät. Wo einmal eine zimmerhohe Fensterfront gewesen war, wehte Nieselregen herein. Flessner hatte sich für seinen Einbruch die größte und teuerste Glasscheibe im Haus ausgesucht.

    Rot schreibt ihren Krimi mit einer schönen, klaren Sprache, deren Rhythmus wunderbar fließend ist. Gerade in den ersten Absätzen fällt auf, dass wir es mit einem Krimi zu tun haben, der sich sprachlich sehr deutlich vom Krimidurchschnittsniveau abhebt:
    Wow. Er hatte wirklich Wow gesagt.
    Simone Dreyer legte Notizbuch und Stift auf den Tisch, zog den Haarreif aus den Haaren, schüttelte sie aus und lehnte sich im Sessel zurück. Sie saß im vorderen Bereich des balkonartigen Starbucks-Cafés, gleich an dem gläsernen Geländer. Vor ihr öffnete sich die weite, lichte Halle des Düsseldorfer Flughafens. Läden, Ein- und Ausgänge, Abfertigungsschalter und Wechselstuben lagen ihr praktisch zu Füßen, Rolltreppen und schimmernde Säulen hoben sich aus dem Gewimmel, und direkt gegenüber schwebten die Züge des SkyTrain vorbei, der automatischen Schwebebahn, die Simone bei der Ankunft in Düsseldorf so fasziniert hatte.
    Aber Simone hatte keinen Blick dafür übrig. Statt der Menschen, die zwei Stockwerke tiefer zu Flugsteigen hasteten, Gepäck auf Rollwagen wuchteten oder ungeduldig auf Anzeigetafeln starrten, sah sie Bobby Blombergs Gesicht vor sich. Rund, bleich, verschwitzt, von schütterem Haar eingerahmt – überhaupt nicht ihr Typ –, aber die hellen Augen strahlten sie an, die dünnen Lippen öffneten sich, und durch die Lautsprecheransagen, das Geklapper von Tabletts, das Zischen der Kaffeemaschine und das Geschwätz der Menschen hindurch hörte sie deutlich seine Stimme.
    Wow.


    Neben der Sprache besticht die Autorin für mich auch durch ihre präzisen Beobachtungen, die stellenweise eine eigene Poesie entwickeln. Wegen Spoilergefahr hier nur Stichwort „Nasse Espandrillen“ oder „Das Wasser, das aus den Handschuhen rinnt“.

    Ein absolutes Highlight ist für mich aber Kommissar Zeitz, der eigentlich schon so gut wie in Pension ist und auf sein angeschlagenes Herz aufpassen muss. Dieser originellen Kommissarsfigur, diesem liebenswürdigen und lebensklugen Kauz möchte ich unbedingt wiederbegegnen.

    Für mich ein sehr gelungenes, spannendes Krimi-Debüt!

    Liebe Grüße
    Lille
    PS: Sollte eine Leserunde zu diesem Regional-Krimi zustande kommen, wäre ich sehr gerne dabei!


    Leseprobe: http://www.droste-buchverlag.d…9/978-3-7700-1321-0_L.pdf

    Klappentext: Als sie ihre Freundin Nicola einlädt, für eine dreiwöchige Krebstherapie bei ihr zu wohnen, ist Helen nicht bewusst, was es bedeutet, einen sterbenden Menschen zu begleiten. An alles hat sie gedacht: Das Bett ist auf Nord-Süd-Achse gebracht, dem positiven Energiefluss des Planeten folgend. Die Bettwäsche ist von einem Rosa, das auch bleicher Haut schmeichelt, der alte Teppich mit den gefährlichen Fußangeln ist ausgetauscht, eine vegetarische Suppe köchelt auf dem Herd.


    Meine Meinung:


    (...) Leise und ruhig fiel in der Nacht der Regen. Ich erwachte um 6 Uhr mit dem Gefühl, es stehe etwas Drohendes bevor; es war dieselbe Angst, die ich auch immer dann verspürte, wenn ich ein Manuskript zu einem festen Termin fertig haben musste: die unausweichliche Notwendigkeit, etwas Neues aus mir herauszuholen. Heute würde Nicola ankommen. Ich lag da wie unter einem Schatten. (...)


    Mit Nicola ziehen nicht nur Angst und Sorge um die todkranke Freundin bei Helen ein, nicht nur die anstrengende Pflegetätigkeit, nicht nur schlaflose Nächte, die sie mit dem Wechseln der schweißnassen Bettwäsche verbringt, nicht nur die Hilflosigkeit angesichts von Nicolas Schmerzen, sondern auch der Zorn. Zorn über dieses „wie auf ihr Gesicht gepflastertes Lächeln“, das Nicola wie eine Rüstung zur Schau trägt. Zorn über die sanftmütige Ergebenheit, mit der sie alles erträgt. Zorn über den naiven, aber absoluten Glauben, den sie den dubiosen Krebs-Therapien des Theodore Institute entgegenbringt. Aber vor allem Zorn darüber, dass die geliebte Freundin sich nicht eingestehen will, dass sie im Sterben liegt. Dieser Zorn überfällt Helen in ihrem erschöpften Zustand und bringt sie an ihre Grenzen. Erst als Nicolas Nichte Iris für ein Wochenende zu Besuch kommt, begreift Helen, dass sie nicht die einzige ist, die so zornig auf Nicolas Anwesenheit reagiert:
    (...)"Sie hat uns zu den Trägern all dieses Übels gemacht – und irgendwie haben wir das auch zugelassen. Sie segelt so dahin, mit diesem grausigen Lächeln im Gesicht, und sagt jedem, dass es ihr ab Mitte nächster Woche besser gehen werde, und währenddessen werden wir über den Grund geschleift und gabeln alles an Angst und Wut auf, was sie über Bord geworfen hat.“(...)


    Auf 173 Seiten erzählt Helen Garner in ihrem autobiografischen Roman, wie die beiden Freundinnen, beides Frauen Mitte sechzig, beides herrische Persönlichkeiten mit eisernem Willen auf engstem Raum aufeinanderprallen. Herausgekommen ist eines der schönsten Bücher, das ich bis dato gelesen habe. Helen Garner erzählt diese Geschichte in einer glasklaren Sprache und mit trockenem Humor – mehr als einmal habe ich laut aufgelacht. Etwa, als Helen ihre Schwester Lucie, eine ehemalige Nonne, spontan bittet, sie zu segnen. Das tut diese auch – mit einem Fahrradhelm auf dem Kopf. (...) „Lass ihn auf“, sagte ich. „Das gibt dir so was Amtliches.“ (...)
    Oder auch darüber, wie Helen ihre Wut über Nicolas Beschönigungen an den Blüten der Kletterrosen im Garten ihrer Freundin Peggy auslässt. Während sie mit der Gartenschere wütet, wird ihr klar:(...) Der Tod lässt sich nicht verleugnen. Das zu versuchen ist ungeheuerlich. Es teibt den Wahnsinn in die Seele. Es lässt jeden Anstand versiegen. Es vergiftet die Freundschaft und macht die Liebe zum Gespött. (...)


    Während Leben und Tod, Gastgeber und Gast erbittert gegeneinander antreten, spricht aus jeder Zeile dieses klugen und ehrlichen Romans das Mitleid und der Respekt für eine Person, die ihren eigenen Tod akzeptieren und sich ihm gegenüber behaupten muss.
    Nach dieser besonderen Lektüre gestaltet sich die Frage, was ich als nächstes lesen werde, schwierig. Ein paar Tage brauche ich sicher noch, um den Nachhall dieses wunderbaren Buches zu verarbeiten – und zu genießen.


    Helen Garner ist für mich eine Entdeckung. Ich hoffe, dass nach „Das Zimmer“ jetzt auch ihre früheren Bücher ins Deutsche übersetzt werden.


    Liebe Grüße
    Lille