Langsam geht es voran, aber es geht voran.
Dafür war in diesem Abschnitt jede Menge los. Da das meiste schon gesagt wurde, kann ich nur meine eigene Wahrnehmung zu den einzelnen Handlungsverläufen und Figuren loswerden.
In einem anderen Abschnitt hatte jemand geschrieben, dies sei kein typisches Steffi-Buch. Dem kann ich so nicht zustimmen. Der Stil mag hier und dort etwas variieren, ist aber an anderen Stellen durch und durch Steffi (ich muss nur an die "Hysterie unter den Wasserbewohnern" denken, die mit Reis gefüttert werden). Außerdem tauchen das ganz zentrale Motiv einer Heldin, die durch den asiatischen Raum reist und mit den Einheimischen Freundschaft schließt, verkörpert in Leah, sowie der Insiderblick auf Küche und Kultur wieder ganz klar auf. Das findet man so in gängigen "Love & Landscape"- Stories wohl eher nicht.
Persönlich war mir Leahs Odysee etwas zu lang. Ich kann nicht ganz glauben, dass eine Frau in den 1860er allein durch östliche Länder reisen konnte, ohne von den Behörden aufgegriffen, von Kriminellen entführt, verkauft oder sonst etwas zu werden. Soweit ich weiß, gab es im 19. Jahrhundert schon Damen, die diese Teile der Welt unsicher machten, aber meist mit ausreichender Begleitung ausgestattet. Aber gut, lassen wir's mal so stehen. Leah ist eben ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus. ![]()
Die Episode bei den Holländern und im spanischen Gefängnis war jedenfalls überzeugend; den Teil auf dem chinesischen Boot fand ich nicht ganz zum Rest passend, weil es hier plötzlich stark in Richtung Abenteuergeschichte geht und ich zudem ein Déja-vu zu Friedrichs Erlebnissen auf See hatte. Mir ist auch der Sinn dieser Episode nicht ganz klar geworden. Ging es darum, dass Leah nun auch die letzte Schwelle überschreitet und einen Menschen tötet? Nur um ihre Verbundenheit zu den Matrosen zu zeigen, halte ich nicht für ausreichend, um die Szene aufzunehmen. ![]()
Sehr gut hat mir Leahs Kennenlernen von Bertrand Burnett gefallen. Der Mann ist einfach klasse, könnte einer Screwball-Komödie oder einem Oscar Wilde-Stück entsprungen sein. Britisch-lässig mit einem strohtrockenen Humor à la Cary Grant. Das ist der Richtige für Leah. An dem beisst sich ihr Sturschädel die Zähne aus. Die Chemie zwischen den beiden stimmt. In diesem Teil hat die Geschichte auch schöne humorvolle Züge. Bravo.
Um Friedrichs Zögern, dem Sohn nachzuspringen, habe ich mir aufgrund der allgemeinen Diskussion auch ein paar Gedanken gemacht. Würde man als nicht schwimmfähiger Elternteil wirklich dem Kind hinterherspringen? Im Grunde würde das zu wenig führen, wäre allenfalls eine Demonstration blinder Vater-/Mutterliebe, wie Johanna gut veranschaulicht. Denn dem Kind ist dadurch nicht geholfen, stattdessen treiben zwei Leute hilflos im Wasser und gefährden sich im schlimmsten Fall gegenseitig. Doof rumstehen und runterschauen ist natürlich auch keine Lösung. Er hätte zumindest um Hilfe schreiben können, doch wahrscheinlich war der arme Friedrich starr vor Schreck.
Ich kann dem Mann einfach nicht böse sein, auch wenn Steffi ihn nach und nach mit allen verachtenswerten Wesenszügen ausstattet, die man sich so denken kann (weshalb müssen die Leute eigentlich immer so extrem sein? Reicht es nicht, dass sie nur feige oder nur brutal sind?). Ich nehme ihm das völlige "Loosertum" nicht so ganz ab. Liegt wohl auch daran, dass er immer wieder seine guten Momente hat, in denen er lieb und fürsorglich zu Frau und Kind ist und seine eigenen Schwächen auch ansatzweise erkennt.
Und dann ist da noch Johannas "love interest". Nachdem sie erkennt, dass ihr Friedrich eigentlich eine taube Nuss ist, tut sie das Naheliegende und wendet sich dem Trauzeugen, seinem besten Freund, zu. Henry darf zum zweiten Mal auf Tauchstation gehen und sich als Held erweisen. Was kann ein Mann Großartigeres tun, als das Leben des Kindes einer Frau zu retten?
Leider bleibt dieser Mann auch jetzt noch etwas blass für mich und seine plötzliche Anziehung für Johanna, die einem förmlich eingebläut wird, nicht so recht glaubwürdig. Johanna ist einfach nicht der Typ für so etwas, zumindest in meinen Augen. Ich hätte es ihr eher abgekauft, dass sie sich von einem Kerl wie Bowie von den Füßen reißen lässt, nicht aber von dem Stockfisch Farnell (auch wenn der plötzlich laut lachen kann ;-)). Zwischen den beiden knistert es für mich nicht, auch wenn die Szene auf der Insel wunderschön geschrieben ist. Die sind für mich eher wie ein Rosamunde Pilcher-Paar, das im Herbst des Lebens noch einmal die Liebe findet.
Da sprühen für mich eher die Funken zwischen Henry und seiner Amelia. Obwohl es nur eine kurze Szene war, schien mir das Gespräch der beiden im Hotel intimer als alle sehnsuchtsvollen Blicke zwischen ihm und Johanna. Ich führe das auf die gegensätzlichen Charaktere von Henry und Amelia zurück. Das hat Potential für Spannung. Und außerdem ist er scharf auf sie. Optisch scheint sie mehr herzumachen als Johanna. Johanna ähnelt für mich von Typ her Maria Schell und Amelia sieht für mich wie Eva Marie Saint aus.
Ich stimme den anderen Meinungen zu, dass Amelia eine überzeugende Vertreterin der Damenwelt ihrer Zeit ist. Sie entspricht wahrscheinlich sogar dem weiblichen Idealbild. Was Wunder, das Henry Farnell auf sie anspringt. Im Übrigen wurde damals noch nicht prinzipiell aus Liebe geheiratet, das kam erst so langsam in Mode. Andere Dinge wie eine gute Herkunft, Fähigkeiten zur Haushaltsführung, Gebährfähigkeit, finanzieller Hintergrund und gesellschaftliche Beziehungen waren weitaus wichtigere Kriterien.
Insgesamt hat mir der Abschnitt gut gefallen. Ein wenig hätte er abgespeckt werden können, weil doch etwas viel passiert und man als Leser kaum Zeit zum Atmen findet. Statt Leahs Schiffskoch-Episode lieber ein bisschen mehr Interaktion zwischen und Entwicklung bei den anderen Figuren.