Beiträge von arter

    Eines Tages beschloss Kai Beisswenger, dass es an der Zeit wäre, ein neues Buch zu veröffentlichen. Er spürte wieder dieses Kribbeln in den Fingern und außerdem hatte sich seinem Geiste die eine oder andere in der Öffentlichkeit unbemerkte Lebensweisheit offenbart und das politische Tagesgeschehen konnte auch nicht unkommentiert bleiben. Also flugs ans Werk, irgendwie würde er schon 100 Seiten zusammenbekommen – die magische Grenze ab der man sein Werk „Roman“ nennen durfte.


    Natürlich nahm er sich die Kritiken seiner Leser von Omega I und Omega II zu Herzen. Omega III sollte ein Knaller werden. Bessere Dialoge, mehr Gefühl eine nachvollziehbare, sich langsam entwickelnde Handlung mit klarem Spannungsbogen. Check. Check. Check. Am Ende von Kapitel 1 war er einigermaßen zufrieden, obwohl er zweifelte. Das Ganze mutete ein wenig an wie Cecilia Ahern oder Jojo Moyes.


    Es war also Zeit für etwas mehr Beisswenger. Also gut, wir führen eine Metaebene ein, einen krassen Stilbruch um den Leser nicht zu unterfordern. So eine Betrachtung aus dem Jenseits könnte das bisherige Geschehen vielleicht ein wenig aufpeppen. Außerdem könnte man dann so ein wenig Philosophie und Science Fiction unterbringen und das ganze bekäme einen Mystik-Touch (nur für die Kategorisierung um präsenter zu sein). Plötzlich gefiel ihm der Handlungsstrang nicht mehr. Aber es war zu schade um das erste Kapitel. Na gut, wir haben ja als Autor die Freiheit, die Finger im Spiel quasi. Erfinden wir doch mal schnell ein Paralleluniversum, für die Leute im Jenseits ist das ein Kinderspiel.


    Nachdem Kai sich den Schweiß abgewischt hatte, war es Zeit für das große Finale. Kapitel 3. Jetzt musste wirklich alles rein, was noch gefehlt hatte: Absurde Wendungen, Drama, Tote, ein sich überraschend wandelnder Charakter (der geläuterte Bösewicht ist immer ein Thema), Rückblick nach Jahrzehnten in verschieden konstruierten Ebenen. Das Puzzle war perfekt nur ein dem Autor ebenbürtiges Genie würde alles bis in letzte Detail entschlüsseln können, aber egal. Es gab genügend Zwischenebenen auf die sich der weniger bedarfte Leser zurückziehen konnte. Ooops aber eins fehlte noch, die Tagespolitik. Na ja so ein Kapitel lässt sich auch noch nachliefern, und voila, die 100 Seiten sind geschafft. Und alle Botschaften ans Volk sind untergebracht.


    Eine Lehre aus der bisherigen Omega-Erfahrung war für Kai, dass man das ganze vielleicht auch mal dem einen oder anderen Testleser vorab zum Probieren geben solle und sich – wenn auch schweren Herzens – das Feedback zu Herzen nehmen. Dieses war dann überraschend einhellig. Kapitel I – Wow, Kai bist du das? Kapitel II – Hm, na ja, was soll der Quatsch mit dem Jenseits? – Kapitel III, willkommen in Absurdistan, ja Kai, du bist es.


    Kai Beisswenger war ein wenig enttäuscht über diese Einschätzungen und er fragte sich, warum er das als einziger so anders sah. Trotzdem konsequent: Ab in die Tonne mit dem ganzen Zeug.


    Aber immerhin hatte er noch sein Leon-Ich, welches in solchen Situationen völlig cool blieb und dem zweifelnden Geist erst einmal den gesunden, fitnessgestählten Körper als Vorbild präsentieren würde. Also nix wie ab ins Studio, ein paar Gewichte gestemmt und ein paar Kilometer auf der Rolle runtergestrampelt.


    Plötzlich waren die Gedanken wieder frei. An der Theke lächelte ihn eine gepiercte Lady in Black mit ansehnlichem Hinterteil an. Natürlich verbot er sich als Beeinflusster der Genderbewegung jegliche Anzüglichkeit- außerdem wäre er dafür sowieso nicht der Typ – und außerdem war sie zu jung – und außerdem war er in festen Händen.


    Dann auf dem Heimweg fuhren seine Ideen Karussell und plötzlich ergab alles wieder einen Sinn. Schnell schrieb er seine Stimmung auf und packte sie als Rahmenhandlung rund um den Roman. Aber Mist, plötzlich hatte das ganze nichts mehr mit der Omega-Verschwörung aus dem Paralleluniversum zu tun. Na ja, so ein Titel lässt sich ja ändern. Es war zwar etwas bitter, 20 Seiten rauszustreichen, aber was solls. Immerhin konnte durch diese neue Meta-Ebene eine ganz andere Sinnhaftigkeit transportiert werden. Ich, der Autor, der Gott, der Puppenspieler habe immer die Finger im Spiel. Und nun war auch der neue Titel da. „Omega III“ hatte sowieso eher nach Margarine geklungen.


    Am nächsten Morgen war Kai immer noch begeistert. Aber - oh Schreck – es waren nur noch 90 Seiten. Was tun? Wie wäre es mit einem Prolog, der das Ganze im Rückblick von ein paar Jahren behandelt, Da ihm die sexuelle Komponente inzwischen etwas peinlich war, sollte er das im letzten Kapitel noch etwas abmildern auf seine Alterssituation beziehen und zusätzlich noch ein Statement zur aktuellen Diskussion im Literaturgeschäft und Verlagswesen unterbringen inklusive einer Tagträumerei Richtung Lottogewinn oder so.


    Jetzt waren seine Kritiker entwaffnet, indem er ihre Argumente vorführte. Es reichte, zu zeigen, dass er das alles verstanden und sich auf seine Art zu Herzen genommen hatte. Und gegen diese dritte Metaebene konnte ja nun keiner mehr etwas sagen, oder?

    Dieses Buch landete im Jahr des Reformationsjubiläums wieder in den Regalen des Buchhandels und anschließend als Geschenk für mich unter dem Weihnachtsbaum. Warum eigentlich nicht, dachte ich mir? Über das Leben des Reformators hat man ja so einiges gehört und gelesen, aber eine Biographie könnte das Bild noch ein wenig abrunden. Außerdem passte es zum Thema der vorhergehenden Lektüre von Büchern, die sich mit den weitgehenden Konsequenzen der durch Luther angestoßenen Umwälzung beschäftigten.



    Mein Fazit fällt insgesamt recht positiv aus. Dieckmann gelingt es, uns seine Sicht von Luther als Mensch zu präsentieren. Als Jemanden der trotz seines beinahe an Sturheit grenzenden Einstehens für seine Überzeugungen auch immer wieder von Zweifeln befallen ist, dabei aber kein trockener Gelehrter sondern ein sehr im Leben verwurzelter, humorvoller Mensch ist. Nicht nur die Klarheit und Überzeugungskraft seiner Ansichten, auch seine sympathische Ausstrahlung, ließ dadurch viele seiner Zeitgenossen quer durch alle gesellschaftlichen Schichten zu seinen Anhängern werden. Selbst seine ärgsten Feinde nötigten ihm einen gewissen Respekt ab. Diese Darstellung macht das eigentlich unglaubliche Phänomen Luther - ein einfacher Mönch rüttelt an den Grundfesten seiner Zeit - erklärbar und nacherlebbar.


    Das Leben Luthers wird dabei streiflichtartig erzählt, sich konzentrierend auf die wichtigsten Episoden. Dadurch erhält das Buch eine angenehme Knappheit und Dieckmann kann sich auf sein Hauptanliegen konzentrieren, welches natürlich nicht darin bestand, eine lückenlose, wissenschaftlich fudnierte Biographie zu präsentieren.

    Ein wenig störend fand ich die Perspektivwechsel. Dieckmann baut mit der Figur des Hieronymus Aleander einen Gegenspieler Luthers auf, die vielleicht für die Einordnugn der Geschehnisse, die sich hinter den Kulissen abspielten, eine gewisse Funktion erfüllt, das Konzept Dieckmanns diese beiden Persönlichkeiten gegenüberzustellen, geht für mich nicht auf, dazu hätte Aleander ausführlicher eingeführt werden müssen, was wiederum den Charakter des Buches völlig verändert hätte.


    Vielleicht hätte der Autor stattdessen uns noch mehr an dem Menschen Luther teilhaben lassen sollen, was ihm in den Passagen, wo Luther als Akteur agiert, hervorragend gelingt.


    Eine Buchempfehlung für alle, die das wichtigste über Luther in komprimierter Form erfahren möchten und sich nebenbei auch gut unterhalten lassen wollen.


    8 Eulenpunkte.

    Was das "Fundament der Ewigkeit" mit den großartigen "Säulen der Erde" zu tun haben soll, hat sich mir nicht offenbart. während man Follett damals noch einigermaßen begeistert Figuren wie Jack, The Builder folgte und das historische Geschehen quasi im Vorbeigehen vermittelt bekam, merkt man dem Autor inzwischen eine gewisse Unlust an, über 1000 Seiten mit Kingsbridge-Stoff vollzuschreiben. Nach der Neuzeit-Saga (Sturz der Titanen usw.) ist der Autor offenbar komplett in den Geschichtslehrer-Modus verfallen. Und dabei offenbaren sich eklatante Mängel. Sowohl im Erzählerischen als auch im Historischen. Follett erklärt seine Leser für dumm, indem er laufend überflüssige Erklärungen liefert, Gedanken schildert, die sich ohnehin aus der Situation ergeben, bei jedem Perspektivwechsel dasselbe nochmal erzählt. Ich habe gefühlte 50 Mal gelesen, dass John Langlais nur ein Pseudonym ist... und zur Not wäre ich auch ganz allein drauf gekommen. Es war hochgradig ermüdend, einzig der Stoff hielt mich bei der Stange. Aber ganz im Ernst. Figuren wie Elisabeth, Maria Stuart und Katarina di Medici habe ich auch schon wesentlich mitreißender präsentiert bekommen. Die Armada-Story war eine einzige Enttäuschung, jede Terra-X-Sendung im ZDF erzählt das spannender. Und vermutlich auch zutreffender. Genauso verhält es sich mit der Bartholomäus-Nacht und der Intrige, die Elisabeth zur Königin machte. Und wer die Urheberschaft der Pulververschwörung unterhalrsamer dargeboten haben möchte, dem sei "Tyll" ans Herz gelegt.

    Der Hauptheld Ned Wiliard ist ein total knochentrockener Unsympath, dem man nur halbherzig die Stange hält. Ein paar Figuren gelingen Follett, das muss ich zugeben. Besonders bei Bösewichtern hat er eindeutig seine Stärken. Die gelungenste Figur ist dann am Ende Pierre Aumeyade, aber leider vermasselt Follett auch diesen Charakter am Ende vollends. Als ich den Schinken zuklappte sagte ich mir, Sorry das war's, keinen Follet mehr. Das ist inzwischen nur noch jede Menge vertane Lebenszeit.

    4 Eulenpunkte von 10 für den Fleiß und das Bemühen des Autors. Es tut mir echt leid, aber nach dem Kehlmann war das mit ähnlichem Stoff eine einzige Leseenttäuschung über 1156 Seiten.


    Und P.S. ... welche Bedeutung hat eigentlich der Titel? Für mich reiner Etikettenschwindel. Weder Fundamente noch Ewigkeit spielen eine Rolle. Das Buch ist thematisch eher ein Prequel zur Titanentrilogie. Die Geburt der Neuzeit mit all ihrer Schnelllebigkeit ist das Thema, ganz im Gegensatz zu dem, was der Titel suggeriert.

    Der darf natürlich nicht fehlen, der obligatorische Musik Rückblick. Habe mir damit auch etwas mehr Zeit gelassen, ich musste das erstmal für mich selbst einordnen. Ich habe wirklich sehr viel Neues gehört dieses Jahr. Einiges wird im Gedächtnis bleiben, aber so die ganz große Offenbarung war nicht dabei. Aber vielleicht stellt sich das auch erst im Rückblick des Jahrzehnts heraus. Vielleicht hör ich ja auch doch noch tiefer in das ganze Ösi-Zeug rein, was dieses Jahr so abgefeiert wurde.


    Die Top 5


    1. The War on Drugs - A Deeper Understanding

    Wenn meine 2017er Jahres-Playlist einen Song aus diesem Album spielt, schlägt mein Herz höher. Und fast das komplette Album ist drin. Also muss es meine Nummer 1 sein. Ich habe die Band erst mit diesem wunderschönen Album kennengelernt.


    2. The National - Sleep Well Beast

    Wieder ein mehr als sauberes Werk. Wie es sich im Vergleich zu meinem bisherigen Favoriten "High Violet" einordnet, wird die Zukunft zeigen.


    3. Arcade Fire - Everything Now

    Ich mag das Album, obwohl es so anders ist. Trotzdem hoffe ich, dass das mit dem Abba-Sound nur so eine Phase ist und sie sich wieder auf das theatralische Pathos vergangener Zeiten zurückbesinnen - Inklusive Geigerin und Orgelmusik.


    4. Manchester Orchestra - A Black Mile To The Surface

    Tolle Indy Band mit einem Hammer-Album, kraftvoll bis sanft


    5. Portugal, The Man - Woodstock

    Flirten mit dem Mainstream, aber warum nicht? Die HipHop-Crossovers skippe ich, aber der Rest ist großartig. "Feel It Still" ist mein Pop-Song des Jahres, sozusagen das "Crazy" von 2017.



    Was sonst so längere Zeit von mir gehört wurde


    Feist - Pleasure

    Knapp an den Tops gescheitert. Sehr sperriges Album, was man sich aber gerne schön hört.


    Conor Oberst - Salutations

    Der Folk-Oberst as it's best.


    The Flaming Lips - Ozcky Mlody

    Das letzte Album "Terror" war mit seiner verstörenden transzendenten Überirdischkeit noch in den Tops. Das schafft das neue nicht, ist aber alles andere als ein Reinfall.


    Ron Sexsmith - The Last Rider

    Gute-Laune Pop-Melodien zum mitsingen. Wo Sexssmith draufsteht ist auch wieder einer drin.


    Kasabian - For Crying out loud

    Tolles Album. Punkt.


    Elbow - Little Fictions

    Reicht vielleicht nicht ganz an "The Take Off and Landing of Everything" heran, aber trotzdem wieder ein guter Elbow.


    Spoon - Hot Thoughts

    Bei "Spoon" höre ich immer wieder gerne rein. Album mit Stärken und Schwächen.


    Yalta Club - Hybris

    Schöne Indie-Mucke.


    Shout Out Louds - Ease my Mind

    Die muss ich auch immer checken, wenn sie ein neues Album rausbringen. Hat aber nicht so viele tolle Songs wie "Optica". Trotzdem gut hörbar.


    Afghan Whigs - In Spades

    Ein paar gute Songs sind drauf, aber insgesamt sind die mir zu un... mir fällt kein Wort ein ;-)


    The XX - "I See You"

    Irgendwie immer dasselbe. Hab ich mir längst übergehört. Nur "I dare you" sticht etwas raus und bleibt deshalb in der Jahresliste.



    Geheimtipps


    Allessandro Escovedo - Sunday Morning Feeling

    Alte-Schule-Rock mit Kracher-Melodien und "Crazy-Horse"-Neil-Young-Attidüde


    Laura Marling - Semper Femina

    Folk-inspirierter Sirenengesang mit Radiohead-artigen Auswüchsen, immer leise aber nie gewöhnlich. Großartig.


    Jake Xerxes Fussel - What in natural World

    Das ist mein Folk-Album des Jahres.


    Chuck Prophet - Bobby Fuller

    Noch so ein Oldscool-Rocker mit jeder Menge hörbarem Zeug, das dennoch nicht peinlich klingt.



    Alte Bekannte


    Mando Diao - Good Times

    Für mich wieder besser als zuletzt. Habe ich ganz gern gehört.


    Noel Gallagher's High Flying Birds - Who Build The Moon

    Liam Gallagher - As You Where

    Das Bruder-Duell geht diesmal untentschieden aus. Die können beide noch "Oasis". Deshalb sollten sie dabei bleiben. Vielleicht dann doch nochmal gemeinsam? Musikalisch sind sie jedenfalls immer noch auf derselben Spur.


    Ryan Adams - Prisoner

    Auf dem Weg der Besserung. Der einstige Indie-Folk-Held ist nicht mehr gar so nichtssagend wie beim Vorgängeralbum.


    Judith Holofernes - Ich bin das Chaos

    Manchmal klingt's wie "Wir sind Helden" in den besten Tagen.


    Robert Plant - Carry Fire

    Als Solist das deutlich bessere Pink-Floyd-Revival und auch mehr.


    Foo Fighters - Concrete and Gold

    Ein Album mit vielen richtig guten Rock-Songs, die sich mehr um Hörbarkeit als um Abhotten bemühen.


    Foxygen - Hang

    Dieses Mal war es mir der versponnenen Schlagloch-Musik zu viel. Du fährst erst auf einer Autobahn und erlebst dann das Schleudertrauma in jedem einzelnen Song.


    Kraftklub - Keine Nacht für Niemand

    Ich hör den Texten der Chmenitzer immer gern zu, besonders da es kein echter Rap ist. Aber ich habe den Eindruck, sie haben den frischen selbstironischen Humor von früher ein wenig verloren und sind mit größerem Sendungsbewusstsein unterwegs, was für mich keine gute Entwicklung ist.


    Depeche Mode - Spirit

    Der Spirit ist noch da. Mit einigen Songs, die sich in jeder Alltime DM-Playlist gut machen.


    Starsailor - All This Life

    Damals zur Jahrtausendwende waren sie mal gegen Coldplay angetreten als zweit-heißester Indy-Geheimtipp des Jahres mit Stadion-Band-Prognose. Nach versandeter Karriere und zwischenzeitlicher Auflösung mit mittelmäßigem Comeback Album.



    Mainstream-mäßiges


    Ed Sheeran :

    Über den Typen muss man keine neuen Superlativen erfinden. Von all der Charts-Musik dieses Jahres auch für mich im vertretbaren Pop-Konsens.


    Imagine Dragons - Evolve

    Jetzt haben sie es geschafft. Einstiger Teenie-Hype, wandelten musikalisch ein wenig auf Coldplay-Spuren, haben jetzt auch eine Prise Red-Hot-Chili-Peppers eingebaut. Jetzt haben sie all die Einflüsse in nicht so stromlinienfömige Charts-Radiomusik verwandelt, die man sich auch hin und wieder gern anhört.


    Harry Styles - Harry Styles

    "One Direction" ist noch so ein Teenie-Hype. Die Boyband wird erwachsen. Heraus kommt ein neuer Robby-Williams. Harry Styles hat ein Album für die Eltern und Großeltern der Mädels gemacht. Klasse Pop-Songs, die Hörgewohnheiten aus den letzten 50 Jahren verarbeiten und "Sign of the Times" ist nicht mal der beste unter ihnen.


    Lana del Rey - Lust for Life

    Die Lady kann wunderschön melancholisch düstere Stimmung verbreiten. Was für trübe Tage. Davon gabs ja eine Menge im Herbst.



    Konzerte


    Konzertmuffeliges Jahr. Außer dem Sommer-Event des Ü40-Radiosenders, wo gemeinsames Fremdschämen mit den letzten Überlebenden des vergangenen Jahrtausend betrieben wurde, gab es nur "The National", war damit automatisch das beste Live-Event des Jahres.



    Songs (Auswahl):

    "Feel It Still" - Portugal, The Man

    "Shape of you" - Ed Sheeran

    "The Gold" - Manchester Orchestra

    "Day I Die" - The National

    "Everything Now" - Arcade Fire

    "Evergreen" - Ron Sexsmith

    "Soothing" - Laura Marling

    "Farewell To The Good Times" - Allessandro Escovedo

    "Holding On" - The War on Drugs

    "Hot Thoughts" - Spoon

    "Wasted" - Kasabian

    "The Castle" - The Flaming Lips

    "I dare you" - The XX

    "Sign of the Times" - Harry Styles

    "Thunder" - Imagine Dragons

    "We were Beautiful" - Belle and Sebastian

    "Anytime Soon" - Conor Oberst

    "Where's the Revolution" - Depeche Mode

    "The Sky Is A Neighbourhood" - Foo Fighters

    "Magnificent" - Elbow

    beisswenger die historische Korrektheit war nicht Kehlmanns Anliegen. Deshalb tue ich mich auch schwer den Roman im Bereich "Hstorische Romane" einzuordnen (aber wohin sonst?). Noch ein paar "Unkorrektheiten" gefällig?


    - Die Begegnung von Friedrich von der Pfalz und Gustav Adolf war nicht wirklich so ein einmaliges Abservieren. Vielmehr wurde der Winterkönig lange vorher mit großem Trara willkommen geheißen und hat den Schwedenkönig auf Feldzügen begleitet. Das Ende der Episode mag ähnlich armselig gewesen sein wie im Roman.


    - Das Exil des Winterkönigs in den Niederlanden war wohl lange nicht so armselig wie dargestellt sondern eher standesgemäß (auch wenn der Stand eingebildeter Natur war)


    - Ich denke nicht, dass Elisabeth Stuart bei den Friedensverhandlungen erschienen ist.


    - Ein Drache hat nie gelebt, nicht einmal in Holstein ;-)


    Für mich ist das was uns Kehlmann über Kircher erzählt, eine der lehrreichsten Episoden in diesem Buch gewesen. Für uns Menschen des 21. Jahrhunderts ist das Wesen der naturwissenschaftlichen Forschung und des Erkenntnisgewinns mit Experiment, Nachvollziehbarkeit und Beweisbarkeit gepaart (Es sei denn man ist Verschwörungstheoretiker oder Homöopath). Das war früher anders. Selbst helle Köpfe wie Newton und da Vinci verbreiteten aus heutiger Sichtweise neben ihren noch heute anerkannten Lehren auch sehr viel esoterisches Gedankengut. Ein Experiment war nur dazu da, einen zuvor gefassten Gedanken zu beweisen. Im Zweifellsfall mussten halt die Rahmenbedingungen für das Experiment entsprechend modifiziert werden. Und darin war Kircher wohl Meister seines Faches. Aber ihn deshalb als Scharlatan abzustempeln wird ihm auch nicht gerecht. Schließlich führen zahlreiche bahnbrechende Forschungen auf seine Ideen zurück. Aber ich denke genau diese Ambivalenz wollte uns Kehlmann vorführen und das ist ihm großartig gelungen.


    Vielleicht stehen wir heutzutage erneut vor einer kulturellen Neudefinition des Begriffs Erkenntnis.

    “Tyll” ist ein groß angelegtes Verwirrspiel und ein schalkhaftes Scheingefecht, welches Daniel Kehlmann dem Leser auftischt. Man kann sich darauf einlassen oder das Buch unbefriedigt zur Seite legen entweder abbrechend oder vielleicht, nachdem man sich bis zum Ende durchgekämpft hat, ohne den “Aha”-Effekt, die Pointe oder so etwas wie eine Auflösung erlebt zu haben. “Sich darauf einlassen” bedeutet, die Achterbahnfahrt der Ideen einfach mitzumachen, Gedankensprünge zu bewältigen, Stilwechsel zu akzeptieren, bereit zu sein, die Story aus chronologisch ungeordneten und perspektivisch verzerrten Fragmenten zusammenzupuzzeln und zu guter Letzt auch, sich ein Stück weit veralbern zu lassen.



    Ich bin in dieses Abenteuer gegangen, ohne mich zuvor durch Bewertungen oder Empfehlungen zu dem Buch fehlleiten zu lassen. Die Referenz war einfach der Name des Autors und die Erinnerung an die großartige “Vermessung der Welt”. Dazu jede Menge Zeit und Ruhe über die Feiertage, denn - soviel war mir klar - einen Kehlmann muss man langsam lesen, manche Abschnitte vielleicht doppelt, innehalten, nachdenken, verarbeiten. Natürlich hoffte ich insgeheim auch auf eine klare Aussage oder ein furioses Finale eine eindeutige Antwort auf die Frage, was eigentlich ein mittelalterlicher Till Eulenspiegel mit dem Winterkönig und dem Dreißigjährigen Krieg zu tun haben könnte. Die Bedeutung dieser Verfremdung bleibt für mich letztlich unklar. Doch ich denke, es ging da weniger darum, einer vergangenen Zeit den Narrenspiegel vorzuhalten, als den Leser aufzufordern, diese Reflektion selbst vorzunehmen. Und das nicht nur bezogen auf historische Themen sondern vor allem auf die eigene Sicht auf das Verhältnis von Schein und Sein, die Relativität der Wahrheit, die nur noch verschwommen wahrgenommene Grenze zwischen Fake und Fakt. Und in dieser Hinsicht ist “Tyll” hochaktuell.



    Wenn man sich darauf einlassen kann, ist Kehlmanns neuer Roman ein seltenes literarisches Erlebnis, welches zwar mehr Fragen aufwirft, als beantwortet aber es sind spannende Fragen, die zum Nachdenken, Nachforschen und zur Selbstreflektion anregen. Stilistisch wagt der Autor einmal mehr ein Experiment. Während das Auftaktkapitel nach Art eines Prologs den Leser mit der ungewöhnlichen Wir-Perspektive emotional mitnimmt, wird man anschließend auf eine falsche Fährte geführt, die suggeriert, dass hier die Story von Tylls Leben erzählt werden soll, nur um später in den ironischen “Vermessung der Welt”-Stil zu wechseln, nicht ohne immer wieder in philosophische, naturwissenschaftliche und kulturgeschichtliche Themen abzuschweifen. Zwischen diesen Erzählweisen pendelt die Schilderung immer wieder hin und her. Dabei erlebt man das Geschehen aus der Sicht verschiedener Protagonisten, wobei Tyll als Protagonist erst kurz vor dem Ende vorübergehend wieder greifbar wird. Ansonsten begleiten wir die Gedanken von historischen Zeitzeugen: Friedrich von der Pfalz - dem tragischen Winterkönig, oder sollte man Fake-König sagen? - seiner Gattin Elisabeth Stuart, dem Gelehrten Jesuiten Athanasius Kircher, der dem eigenen Vernehmen nach die naturwissenschaftliche Forschung zu einem finalen Abschluss gebracht haben wollte - aber letztlich wohl nichts als Lügen produziert hat (es ist interessant, dieses Fazit hinterher noch einmal retrospektiv zu beleuchten ), sowie dem “dicken Grafen” Martin von Wolkenstein, der wohl ausnahmsweise eine echte Phantasiefigur ist. Darüber hinaus streifen weitere illustre geschichtsträchtige Persönlichkeiten den Handlungsgang: Da wären Paul Fleming - der selbsternannte Erfinder der deutschen Literatur, Adam Olearius, Schwedenkönig Gustav Adolf und viele andere.


    Als ich das Buch zuklappte, war ich zufrieden und unzufrieden zugleich. Einerseits war Tylls Lebensgeschichte als kleines Puzzle durchaus rekonstruierbar, die Rolle dieser Figur bleibt aber vage. Und je mehr man über sie nachdenkt, desto mehr drängt sich der Verdacht auf, dass sie von Kehlmann absichtlich als unerklärbares Phänomen eingebaut wurde. Zu welchem Zweck? Das herauszufinden, ist die Leistung, die der Autor dem Leser abverlangt. Jeder mag darauf seine eigene Theorie entwickeln. Aber genau das ist wohl beabsichtigt. “Tyll” ist kein Buch zum weglesen. Es ist eine Einladung zum Nachdenken, zum Recherchieren, zum Neubewerten, zum Infragestellen. 10 glasklare Punkte als Dank für diese Einladung von mir.



    Edit: Name des Schwedenkönigs.

    Bin über die Feiertage dazu gekommen, nochmal alles ganz in Ruhe nachzulesen. Die Vielfalt der Einfälle war einfach kaum zu toppen. Ob es ein wundersamer Trank war, oder die rassistische Schwiegermutter, eine weihnachtliche Schwulenparty, Gespräche zwischen Elchen und Weihnachtsmännern, ein lebensrettende Kater, eine überdrehte Rentnergang, die schadenfrohe Relativierung des Wunsches nach Schnee, die melancholische Stimmung eines Schwarzweißfilms, die Beschreibung, wie sich ein Weihnachtsbaum anfühlt und die Schilderung des Adventswahnsinns im frühveganen Zeitalter. Der vergebliche Versuch zu verreisen, die Erinnerung an vergangene Tage, als Weihnachten noch echt war, eine Schneeflocke zum Dahinschmelzen, der Weihnachtsmann als Rächer der sozial Schwachen, eine Sicht auf die Adventszeit als Abschied in ein ungewisses neues Jahr, der Weihnachtsmann in der Verkehrskontrolle. Oder der unbegreifliche Bestechungsversuch an der Musikschule, ein äußerst putziges Katzengeschwisterpaar, die magischen Zaubernüsse am Breitscheidplatz, die Enthüllungen über die Wahrheit hinter einer falsch überlieferten Kindergeschichte, das verhinderte Outing in Form eines schrillen Pullovergeschenkes, die Gottmaschine, die der fiesen Margot zwar ihren TM5 aber auch den Tod bringt und auch die nachdenklich machende Frage, wie wir mit der Verrohung unserer Kinder umgehen sollen.


    Es war wieder ein sehr schöner Kalender.


    Vielen Dank dafür.

    Es fällt mir dieses Mal besonders schwer, die fünf Highlights des vergangenen Jahres zu benennen. Es bleibt einfach zu viel auf der Strecke. Ob es sich um David Bowies Abgesang "Blackstar" oder Cohens Goodbye namens "You want it darker" handelt. Ich fand sogar die Alben von Kings of Leon, Red Hot Chilli Peppers, Wilco und Biffy Clyro, Nada Surf, Kakkmaddafakka und IggyPop richtig gut. Auch das hochgejubelte „22, A Million“ von Bon Iver war ständig in den Playlists und der olle Neil Young ist auch forever young.. Aber man muss sich ja am Ende des Tages entscheiden. Und das Ergebnis klingt dann doch vielleicht etwas langweilig. Da findet sich nicht einmal mehr das von mir sehr geliebte Debüt von „Sunflower Bean“ und die geniale „Lost Property“ von Turin Brakes wieder. Und so weiter und so fort. Ich könnte noch einige nennen. Manche habe ich aus Zeimtangel gar nicht mehr probiert, die es vielleicht auch verdient hätten.


    5. Dinosaur Jr. – „Give a Glimpse of What Yer Not
    Dinosauriermusik halt. Was soll ich machen, aber total mein Geschmack. Ich entdecke sie viel zu spät, aber diese Platte hat sich in diesem Jahr nach anfänglich anerzogener Abwehrhaltung voll in meine Gehörgänge gespielt und will da nicht mehr raus.


    4. King Kreosote – „Astronaut Meets Appleman
    Auch dieses Album musste sich erst seinen Status erspielen. Aber ich komme eigentlich nicht mehr aus ohne den Kreosotenkönig aus Schottland. Ob Dudelsäcke oder Geigen und psychedelisches Georgel. Ich kann nicht aufhören hinzuhören. Und der Barde hat eine so einschmeichelnde Stimme. Ich muss ihn einfach in die Toplist nehmen.


    3. Radiohead – „A Moon Shaped Pool
    Es war genau das, was die beste Band der Welt abliefern muss. Nicht weniger und nicht mehr. Zum Glück. Ich kann inzwischen damit leben, alle 5 Jahre einfach nur ein Radiohead-Album zu kriegen und nicht eine Neuerfindung der Popmusik.



    2. Band of Horses – „Why Are You OK
    Wie kann man eine Band so nennen? Das ist doch was für Teenager, oder nicht? Für mich hat sich die Pferdeband im zarten Alter von Xplus aber jetzt förmlich aufgedrängt. Mit Songs, die nichts anderes wollen, als gut klingen. Und ständig fragen sie „Warum geht’s dir gut?“. Die Antwort ist einfach. Weil ich die Platte höre.


    1. Avett Brothers – „True Sadness
    Gleiches gilt für diese Folk-Brüder. Ich konnte die mal nicht leiden. Zu traditionell, zu Pop-mäßig, irgendwie langweilig. Aber plötzlich stecken die alles locker in die Tasche, was auf dem New-Folk-Mark zu kriegen ist. Die erfinden die Musik auch nicht neu, aber sie liefern auf Albumlänge veritable Hits ab, die in besseren Zeiten mal die Top-Ten der Charts bestimmt hätten. Und „I Wish I Was“ habe ich zu DEM Lovesong 2016 schechthin gekürt.

    Wir sind immer noch im eher düsteren Abschnitt unseres Adventskalenders.


    Groupie , das Christkind hat zwar auch irgendwie seine Unbefangenheit zum Teil verloren, aber ich lese auch noch eine Spur Optimismus.


    Imandra , ich finde der Job des Lehrers hat einen viel zu schlechten Ruf in der Gesellschaft. Ich wünsche mir, dass ihr wenigstens zu Weihnachten auch einmal abschalten könnt, um Kraft für das neue Jahr zu tanken.


    leselampe , ich habe die Obdachlosengeschichte ja fast herbeigesehnt, allerdings inklusive Happy End. Deine Geschichte hat mich erinnert, dass ich für dieses Happy End mit verantwortlich bin.

    Vielen Dank Sonne, deine Geschichte erinnert mich an so manche Erzählung von Hans Christian Andersen, der es immer wieder schaffte, scheinbar leblosen Dingen eine Seele zu geben. Das hast auch du mit deinem Weihnachtslicht fertig gebracht.


    Idgie, ich musste ein wenig mit mir selbst kämpfen, um meine Enttäuschung zu verbergen, dass es keine rührselige Obdachlosenweihnachtsgeschichte wurde. Aber der Adventskalender braucht auch diese unbequemen Stachel
    .

    belladonna Das mit dem Geschenkeverstecken an Weihnachten kenne ich bereits seit einigen Jahren. ;-( Allerdings habe ich noch keinen betrunkenen Osterhasen erlebt. Danke für diese erfrischende Geschichte.



    Suzann "Fifty shades of red"... mich interessiert schon ein wenig, worum es darin geht... Deine Geschichte ist sehr stimmungsvoll geschrieben. Wer kann jetzt noch zweifeln, dass es nicht nur einen Weihnachtsmann, sondern auch eine Frau an seiner Seite gibt, so realistisch wie du diese Zweisamkeit schilderst?

    Und außerdem... Nikolaus lässt euch Dank ausrichten, dass ihr wieder so freundlich zugehört habt. Und Suzann, er möchte nicht missverstanden sein. Natürlich wird er - so es seine Gesundheit zulässt - auch im nächsten Jahr wieder beichten. Dann wird er allerdings weniger über Glaubensfragen fabulieren. Allenfalls über den Glauben an Wunder.

    Eine wahrhafte Probe für Nikolaus, ein geradezu nikolausiges Erlebnis. Dafür hat mir das Lesen die schönste aller Freuden bereitet: Nämlich die Schadenfreude. Und außerdem glaube ich jetzt zu wissen, warum es "Niko"-tin heißt :grin :-] :lache