Beiträge von Mariechen

    :heul Seufz!
    Wie schön, dass es euch auch so geht wie mir schon unzählige Male.
    Könnt ihr euch vorstellen, dass es mir vor diesen letzten Seiten graute? Wenn man übersetzt, die Worte also nicht nur liest, sondern sie auch schreiben muss, ist es manchmal, als würde man das, was man schreibt, auch tatsächlich tun.
    Und mir kam es so vor, als würde ich all die Toten tatsächlich berühren. Vielleicht fühlte ich mich deswegen mit dem Tod als Erzähler so verbunden.

    Zitat

    Wenn die die Juden damals wirklich so öffentlich durch die Straßen getrieben haben sollten, dann kann mir aber keiner erzählen, er hätte nichts gewusst. Ich weiß nur nicht, ob es solche Szenen damals gab.


    Diese Szenen gab es. Markus' Mutter, die in der Nähe von Dachau lebte, hat es mitangesehen - und später ihrem Sohn davon erzählt.

    Hallo Salome,


    das erste Buch von Markus, das ich übersetzt habe, war "Underdog" und liegt schon einige Jahre zurück. Damals kam der Lektor des Verlages auf mich zu. Leider lief das Buch nicht gut auf dem Markt, und Markus "verschwand in der Versenkung". Irgendwann erschien "The Messenger" (Der Joker) und ich bekam das Buch zum Begutachten auf den Tisch. Ich war sofort begeistert, aber es dauerte lange, bis sich ein Verlag fand. Der Grund war, dass hier in Deutschland noch ein ziemliches Schubladendenken herrscht. Sobald ein Protagonist das "Jugendbuchalter" überschritten hat, tun sich die Verlage und Händler schwer, den Roman als Jugendbuch einzustufen. Eine Lektorin von cbj war genauso enthusiastisch wie ich, und gemeinsam haben wir die Marketingabteilung überzeugt. Nachdem das Buch dann so erfolgreich war und sich Markus auf dem deutschen Markt etabliert hatte, war der Weg für "Die Bücherdiebin" frei. Und durch die Auszeichnung von "Der Joker" mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis war ich dann irgendwie auf Markus "abonniert". Nicht zuletzt macht es sich der Verlag zunutze, wenn Autor und Übersetzer gut meinander können ...


    Liebe Grüße!
    Mariechen


    PS: Nennt ihn doch ruhig Markus; ich glaube, kein Mensch spricht ihn mit "Herrn Zusak" an.


    Lieblingsfigur? Hmm, weiß nicht. Irgendwie geht man als Übersetzerin mit allen Figuren eines Buchs, an dem man arbeitet, ins Bett ... (Deswegen übersetze ich auch nur solche Bücher, die ich mag! :grin) Aber ich glaube, den Tod mochte ich am meisten, den armen, geplagten, überarbeiteten Tod, der nicht an sich halten kann und sich in die Menschen verliebt. Er gibt mir Hoffnung.

    Hallo!


    Aqualady schreibt:

    Zitat

    Dazu mal eine Frage: Warum wurde das Buch einmal in einem "Jugendbuchverlag" und einmal in einem "Erwachsenenbuchverlag" gedruckt?
    Sprachlich gibt es darin doch keinerlei Unterschiede. - Nur Marketing?


    Es ist so, dass hierzulande ein Buch, dass in einem Jugendbuchverlag erscheint, auch nur in der Jugendbuchabteilung der Buchhandlung zu finden ist. Umgekehrt findet ein Belletristik-Titel nicht immer den Weg zu den Jugendlichen. "Die Bücherdiebin" ist ein sogenannter "all-age-Titel" und sollte auch alle LeserInnen erreichen, junge und alte. Daher die Entscheidung des Verlags, das Buch in zwei Bereichen herauszugeben. Ich persönlich finde übrigens beide Cover total schön!

    Hallo Lesebiene,
    nicht ALLE Namen sind authentische Namen. Einige Namen hat Markus aus den Erzählungen seiner Eltern entnommen.
    Und ganz offensichtlich hat er nicht bedacht, dass dies zu einem Problem werden könnte, ansonsten wäre es wohl nicht dazu gekommen. Aber in dieser Beziehung kann ich ebenfalls nur spekulieren. Ich bin ja nicht der Autor, sondern nur die Übersetzerin.

    Hallo Schnatterinchen,
    du bist ja schnell!
    Meinst du mit "dem anderen Mann im Keller" Max' Freund Walter Kugler, der ihn mit Proviant versorgt und ihn aus Stuttgart rausgeschafft hat?


    S. 176: "Ich muss bald gehen", sagte sein Freund Walter Kugler zu ihm. "Du weißt schon, an die Front." (...) Dies war ihr letztes Beisammensein.
    EXIT Walter


    Gruß!
    Mariechen

    Über die Zeit von Markus' Eltern unter den Nazis - seine Mutter stammt aus der Nähe von Dachau, sein Vater aus Österreich - weiß ich nichts; ich weiß nur, dass sie oft von dieser Zeit erzählten. Über die Gründe ihrer Auswanderung kann auch ich nur spekulieren.
    Aber noch mal: Ich denke, Markus hat diesen Satz hauptsächlich deswegen geschrieben, um deutlich zu machen, dass es enorm viel Zivilcourage bedurfte, um sich beispielsweise öffentlich einer Mitgliedschaft in der NSDAP zu widersetzen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass es vielleicht seinen Eltern so vorkam - dass die Mehrheit hinter Hitler stand und nur ganz wenige Menschen eben nicht. Möglicherweise haben sie diesen Eindruck ihrem Sohn weitervermittelt.
    Aber an diesem Beispiel sieht man, wie wichtig es ist, bei einem solchen Buch präzise zu arbeiten. Ich hätte mich wohl mit meinem Wunsch, die akkurate Prozentzahl zu schreiben, durchsetzen sollen ...

    Hallo Beatrix,
    habe mich gerade im anderen thread (zur Übersetzung) dazu geäußert. Die 90 % waren sicher ein Fehler, der dem Autor unterlief, aber lies ruhig weiter, du wirst sehen, wie differenziert die Schilderung der Figuren im Folgenden ist.
    Gruß!
    Mariechen

    Hallo Beatrix,


    völlig richtig, was du sagst.
    Mir persönlich wäre es auch am liebsten gewesen, man hätte die tatsächliche Prozentzahl der Wahl im Buch abgedruckt; die Formulierung, die jetzt dort steht, ist ein Kompromiss, den ich mit der Lektorin eingegangen bin.


    Ich glaube, 1933 war vielen Menschen noch gar nicht klar, was mit Hitler auf sie zukam, aber als die Katze aus dem Sack war, regierte schon die Angst, die eben die Mehrheit der Bevölkerung zu Mitläufern machte. Was der Autor wohl mit diesem Satz ausdrücken wollte, wird, glaube ich, erst später im Buch deutlich, nämlich das Hans ein Mensch ist, der nicht nur stillschweigend gegen Hitler ist und sich arrangiert, sondern auch den Mut besitzt, etwas zu tun - im Rahmen seiner Möglichkeiten.
    Was mich persönlich an der Person von Hans Hubermann ungeheuer beeindruckt hat, war die Deutlichkeit, mit der anhand dieser Figur der Konflikt zutage tritt, der in dieser Zeit wohl viele Menschen schier zerrissen hat: Man weiß genau, dass das, was geschieht, falsch ist, kann aber kaum etwas dagegen unternehmen, ohne die Menschen, die man liebt, in tödliche Gefahr zu bringen. Wir als Mütter können uns wohl vorstellen, wie grausam dieses Dilemma sein muss.


    Viele Grüße!
    Mariechen

    Hallo Beatrix,


    ja, über diese Aussage bin ich seinerzeit auch gestolpert, aus genau dem gleichen Grund wie du. Übersetzt habe ich die Passage folgendermaßen:


    1933 war die Mehrheit der Deutschen für Adolf Hitler. Eine Minderheit war gegen ihn.


    Obwohl das mit den 43,9 % immer noch nicht genau hinkommt, denke ich, dass man das so vertreten kann, zumal wegen der Aussage, die dahintersteht, nämlich dass Hans Hubermann auch im Folgenden den Mut hat, sich bewusst gegen die NSDAP zu stellen.


    Gruß!
    Mariechen

    Oh ja, ich fand das Buch von Anfang an grandios. Ganz besonders, weil ich die Entwicklung, die Markus als Schriftsteller genommen hat, mitverfolgen konnte. Ich war schon von seinen ersten Büchern ziemlich angetan, hätte aber nicht gedacht, dass er einmal dort ankommt, wo er jetzt steht.
    Mariechen

    Hallo!


    Markus spricht deutsch, allerdings nur gebrochen. Er hat so das eine oder andere Wort von seinen Eltern aufgeschnappt, "Saumensch" zum Beispiel. :grin


    Zu der Frage, ob das Übersetzen leichter ist, wenn man den Autor kennt: Nein, eigentlich nicht. Man übersetzt ja nicht den Autor, sondern den Text, und das sind schon zwei verschiedene Paar Schuhe. Es ist der Text, der zu einem "sprechen" muss. Als ich "Die Bücherdiebin" übersetzte, kannte ich Markus ja auch noch nicht; ich kannte nur seine Bücher.
    Wenn ich sagte, dass ich versuche herauszufinden, was der Autor mit dies oder jenem meint, war das vermutlich missverständlich. Ich denke, es ist eher das, was die Figur oder der Erzähler in diesem Moment meint. Ich kann mich noch erinnern, dass ich mich immer bemüht habe, mich in den Tod hineinzuversetzen (wie das klingt!!!), und überlegt habe: wie fühlt der sich gerade? Was will er mir sagen mit dem, was er sagt? Das war unheimlich spannend!


    Bis bald!
    Mariechen

    Also, da bin ich ...


    Ich denke, ich fange mal mit Markus an: Ich weiß nicht, ob er von dieser Leserunde weiß, glaube es aber eher nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich ihm kurzfristig darüber berichten werde, weil ich denke, dass "Die Bücherdiebin" für ihn schon Vergangenheit ist. Er arbeitet bereits seit etwa einem halben Jahr an einem neuen Roman, und so, wie ich ihn verstanden habe, ist es dieses neue Projekt, das derzeit seine ganze Aufmerksamkeit beansprucht. Aber ich werde ihm unter Garantie von den vielfältigen Reaktionen erzählen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe - was noch eine Weile dauern kann. :cry (Schnief!)


    Zitat

    Ich empfinde den Schreiber beim Lesen als sehr feinfühlig, sensibel geradezu sinnlich. Er malt richtig schöne Bilder in meinen Phantasiehimmel. Jemand, der solche Bilder malt, muss ein guter Mensch sein, oder um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: Einen Mann, der die Farben nicht nur sieht, sondern auch noch darüber spricht, muss man einfach mögen


    Ja, so isses. Der Kerl ist wirklich einfach klasse. Ich mag ihn sehr. Und er ist tatsächlich all das, was du geschrieben hast: feinfühlig, sensibel, sinnlich. Außerdem noch unendlich freundlich, geduldig und warmherzig. - Definitiv der Mensch, mit dem ich am liebsten zusammenarbeite.


    Zu der Frage, wie viel von mir in dem Text drinsteckt: Emotional eine ganze Menge. Stilistisch ist es wohl eine Mischung aus Markus und mir, in dem Sinne, dass er mir Wort und Inhalt vorgibt und ich etwas gutes Deutsches draus machen muss. Grundsätzlich entferne ich mich nicht gern vom Text, versuche, mich selbst weitestgehend im Hintergrund zu halten und dem Text unterzuordnen, aber das geht nicht immer. Es gibt unübersetzbare Wortspiele, Zusammenhänge, die im Deutschen erklärt werden müssen - auch Fehler, die den Autoren manchmal unterlaufen, und die Übersetzer und Lektoren korrigieren müssen. In diesem Fall glaube ich, dass tatsächlich viel von uns beiden - von Markus und mir - drinsteckt. Wobei man sich das echt so vorstellen muss, dass ich mir immer überlegt habe: Was meint er damit - nicht nur vordergründig, sondern: warum hat er dieses Wort gewählt und nicht ein anderes? Und wie kriege ich das, was er meinte (Stimmung, Zwischenton, was auch immer) ins Deutsche?
    Da wir schon öfter zusammengearbeitet haben (mittlerweile habe ich vier Bücher von ihm übersetzt), ging diese Arbeit Hand in Hand. Die zusätzlichen Recherchen ergaben sich aus dem Umstand, dass Markus nie im Leben damit gerechnet hat, dass sein Buch auch in Deutschland veröffentlicht werden würde. Er selbst hatte schon ausgiebig recherchiert, war auch in Deutschland deswegen. Aber wenn ein solches Buch hierzulande erscheint, will man halt alles hundertprozentig richtig machen.


    Noch kurz zu schnatterinchen: Wenn du mit "frei nach Schnauze" eigenständig und unabhängig meinst, dann ja, so übersetze ich. Kontakt mit dem Autor ergibt sich meistens nur dann, wenn man Fragen hat oder Unklarheiten auftauchen. Mit Markus war dieser Kontakt so intensiv, weil sich eben auch inhaltliche Probleme ergaben: Namen mussten geändert werden, es stellte sich die Frage, ob man die Seiten aus "Mein Kampf" tatsächlich verwenden darf, und da gingen die Mails schon hin und her. Und letztlich habe ich ihn ja im März in Leipzig auch persönlich kennengelernt.


    Grüße!
    Mariechen

    Nochmal zu der Liebe zu Büchern:
    Du hast völlig recht: Liesel kann noch nicht lesen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass ihr erster Bücherdiebstahl mehrere Gründe hat: Sie findet das Buch in dem Moment, in dem sie ihren Bruder verliert. Es muss ihr wohl wie ein Geschenk vorkommen. Zum anderen ist es rätselhaft, gerade weil sie nicht lesen kann. Sie will wissen: Was ist das? Was steht da drin? Die Welt und ihre Ereignisse sind ihr unbegreiflich - die Mutter verlässt sie, der Bruder stirbt, diese fremde Frau nennt sie "Saumensch" ... Vielleicht glaubt sie, in dem Buch - in Büchern - eine Erklärung für all die Merkwürdigkeiten zu finden.
    Außerdem ist sie eine Kämpferin. Es macht sie fuchsteufelswild, dass sie wegen ihres Unvermögens (nicht lesen zu können) gehänselt wird. Sie will sich beweisen, will es den Stänkerern zeigen.
    Im Verlaufe des Buchs (ohne vorgreifen zu wollen) wird auch klar, dass jedem Bücherdiebstahl ein emotionales Ereignis vorausgeht.
    Später dazu mehr ...
    Mariechen

    Zitat

    So ganz klar, warum sie so eine Affinität zu Büchern hat, ist mir das nicht. Ich hoffe einfach, dass das im Laufe der Geschichte erklärt wird.


    Hmm, warum hat man eine Affinität zu Büchern bzw. zu Worten? Ich glaube, Liesel unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von uns büchereulen: Sie will mehr wissen, will Dinge erfahren, will Welten erleben - will ihre eigene Welt verstehen und gleichzeitig vielleicht auch ein Stück von dieser Welt abrücken.
    Mariechen

    Guten Morgen!
    Noch mal zum "Saumensch". Der Begriff steht bereits im englischen Original so da. Die Erklärung beschränkt sich dort auf die "Übersetzung" ins Englische. Da diese Erklärung im Deutschen überflüssig ist, habe ich sie auch nicht übersetzt. Das wäre ja doppelt gemoppelt. Das trifft übrigens auch auf einige andere Begriffe zu. Markus erklärt z. B. auch, dass "Himmel" (in Himmelstraße) im Englischen "Heaven" bedeutet. Diese Erklärungen sind nötig, weil er viele deutsche Wörter benutzt, die englische Muttersprachler nicht immer verstehen. Diese Erklärungen im Original dienen also ausschließlich dem Verständnis der Leser.
    Gruß!
    Mariechen

    Moin!
    Noch ein kurzer Hinweis bzgl. der englischen Ausgabe: Vergleicht doch besser mal, ob ihr alle die gleiche Originalausgabe habt. Es gibt nämlich eine australische und eine amerikanische Ausgabe, die wohl (laut meiner Info) nicht identisch sind. Ich weiß nicht genau, ob sich das nur auf den Inhalt oder auch auf die Seitenzahlen bezieht
    Gruß!
    Mariechen