Ich bin sehr froh, dass in der Gegenwartsebene - auch wenn da immer noch jede mit ihren eigenen Problemen kämpft - die Schwere der Kindheit- und Jugendkapitel durch witzige Szenen aufgelockert wird. Der Maibaumklau zum Beispiel .
Mir kommt es so vor als seien Eigenbild und Fremdbild jeweils nicht sehr deckungsgleich.
Eigen- und Fremdbild passen hier überhaupt nicht zusammen. Am krassesten fällt mir das bei Helen auf. Sie IST eine Super-Woman und Powerfrau, bloß leider sieht sie das nicht. Sie managt nicht nur das Familienleben mit drei kleinen Kindern inkl. eines chronischen kranken Kindes + Haushalt + alle anderen 1000 Kleinigkeiten (ich sag nur Schule, Kindergarten, Arztbesuche ...) die damit zusammenhängen komplett alleine, sondern geht auch noch 25 Stunden zusätzlich arbeiten!!! Ja, was denn noch alles? Ist das ein Wunder, dass sie mit dieser Aufgabenfülle alleine komplett überfordert ist und dann leider einiges auf der Strecke bleibt????
Je älter ich werde, umso mehr macht es mich wütend, dass wir selber diese - nicht zu schaffenden - Anforderungen so annehmen und uns dann die Schuld daran geben, wenn es nicht funktioniert. Das ist einfach nur Blödsinn! Zu viele Aufgaben sind zu viele Aufgaben und die können nicht mehr geschafft werden, egal wie man sich anstrengt!
Helen braucht keine Absolution, sie braucht (Frauen-)Solidarität und ein verändertes gesellschaftliches Bewusstsein dafür, dass man - egal ob Frau oder Mann - nicht Aufgaben ohne Ende aufhalsen kann. Sich selbst nicht und schon gar niemanden anderem!
Für ihren Ehemann habe ich nahezu kein Verständnis. So ein Verhalten geht einfach nicht! Wahrscheinlich gab es zwar nie ein Gespräch über eine gerechte und sinnvolle Aufgabenverteilung in der Ehe, aber ganz ehrlich, Väter, die nicht wissen, dass sie die gleiche Erziehungsaufgabe haben wie Mütter, sollten keine Kinder in die Welt setzen.
Ich finde es schade, dass sich hier der Vater so ganz "selbstverständlich" aus der Verantwortung stehlen kann, ohne dass das groß angeprangert wird. Bastian wäre genauso verantwortlich gewesen für die Kinder wie Helen, aber nur ihr wird das - auch aus Sicht der beiden Töchter - angelastet. So kriegen wir nie ein anderes Bild .
Ich bin gespannt, ob wir erfahren werden, ob auch Chrissi Trägerin des Gens ist oder ob sie einfach riesengroßes Glück gehabt hat, dass ihre drei Kinder gesund sind.
Auch wenn man davon ausgeht, dass sehr wahrschlich Chrissi ebenfalls Trägerin des mutierten Gens ist, ist es wahrscheinlicher, dass ihre Kinder gesund sind als andersrum. Bitte jetzt die Gefahr nicht zu hoch einschätzen. Ich habs ja im ersten Abschnitt schon geschrieben (und extra nochmal nachrecherchiert, damit ich hier ja nichts falsches erzähle - aber es bleibt wie es ist): das Risiko, ein Baby mit Mukoviszidose zu bekommen besteht nur, wenn BEIDE Elternteile Träger des mutierten Gens sind. Nicht nur die Mutter! Und bei einer Verbreitung in der Bevölkerung von 4 - 5 % passiert es, dass zwei Menschen mit mutierten Gen zusammenkommen, aber die Chance, auf einen nicht-mutierten Partner zu treffen ist viel viel höher. Wir wissen ja nicht mal, ob nicht Chrissi eine gute Frauenärztin hatte, die das abgeklärt hat.
Dass sich Theresa deswegen sterilisieren hat lassen, kommt in diesem Abschnitt ja deutlich zur Sprache. Hier bin ich sehr auf die Hintergrundgeschichte gespannt - ich nehme mal an, Philipp hat sich testen lassen, ist ebenfalls Überträger und Theresa hat daraufhin komplette Panik bekommen. An der Stelle hätte ich mir schon gewünscht, dass es nicht so stehenbleibt, als könnte die Mutter die Krankheit alleine vererben, aber ich gehe zuversichtlich davon aus, dass das im Lauf des Buches noch aufgeklärt wird.
Schade nur, dass sie diese schwerwiegende Entscheidung vorschnell getroffen hat, denn es ist ja deutlich zu erkennen, dass sie damit nicht glücklich ist und hadert. Da kann der Kopf so viel von "Vernunft" reden wie er will.