Beiträge von Cabriofahrerin

    Hallo,
    ich verstehe nicht so recht, was ich alles falsch mache ... Nach der Aufforderung meine Rezi unter Antworten einzustellen, habe ich dieses auch getan, oder ist das immer noch falsch???
    Was versteht Ihr unter "nicht am Forenleben teilnehmen"?
    Was heißt "PN"s habe ich geblockt?
    Ich habe nicht den Eindruck, dass ich dem Leser den Spaß am Lesen nehme, im Gegenteil ich fordere ihn auf, sich dieses Buch nicht entgehen zu lassen...
    Bitte um Hilfe
    Mit lieben Grüßen und Entschuldigung
    Cabriofahrerin

    "Stories" - Geschichten, die das Leben schreibt


    Ferdinand von Schirach hat ein Buch mit elf Geschichten veröffentlicht, die er selbst erlebt hat - als Verteidiger in Strafprozessen. Gebunden an seine Schweigepflicht, wird er die Ereignisse verändert haben, um den Schutz der realen Personen zu wahren. Als Verteidiger ist er parteiisch und steht auf der Seite seines Mandanten. Als Erzähler ist er frei.
    Von Schirach hat mit seiner Auswahl für den Leser ein Kaleidoskop unterschiedlichster Straffälle ausgewählt. Wir lesen von einer Ehe mit tödlichem Ende, von dem Diebstahl einer wertvollen Teeschale, einem Kannibalen, Kriminalität im Drogen- und Prostituiertenmilieu und anderen Taten.
    Gemeinsamkeiten aller dargestellten Fälle sind ihre absolut unerwarteten Verläufe, die psychischen Veränderungen der handelnden Personen und eine unbeschreibliche Brutalität.
    Manche Fälle verlaufen "im Sande". So entlastet ein Mann seinen angeklagten kriminellen Mitbruder durch eine geschickte Zeugenaussage. Ein anderer Mann mit eindeutigem Hang zum Kannibalismus entzieht von Schirach sein Mandat.
    Während man die meisten Geschichten mit Distanz lesen kann, sind andere dabei, denen man sich gefühlsmäßig nicht entziehen kann. Das Leid ist manchmal so stark, dass man es selbst spüren kann.
    Wir erleben die nach außen hin intakte Ehe eines anerkannten Mediziners, der nach 48 Jahren physischer und psychischer Demütigung seinen Lebenszustand nicht mehr aushält und seine "geliebte" Ingrid umbringt. Da von Schirach gemächlich und präsise beschreibt, wie es zu der Tat kommen konnte, wird sie zu einer zwingenden, nicht mehr abwendbaren Konsequenz. Auch diese überzeugende Erzählweise ist allen beschriebenen Fällen zu eigen.
    Furchtbar zu lesen ist, wie zwei Kinder in einer mutterlosen Familie aufwachsen: Ein liebloser, strenger Vater verlangt von ihnen bedingungslose Disziplin und Verzicht. Obwohl Vermögen vorhanden ist, müssen die Kinder sich ihr Taschengeld erarbeiten, z. B. indem sie Löwenzahn ausstechen.
    An manchen Stellen klärt von Schirach den Leser sehr kurz, aber ausreichend informativ über das deutsche Rechtssystem, insbesondere den Prozessverlauf auf.
    Auch die immer wieder diskutierte Frage nach dem Sinn von "Strafe" spricht er an und erörtert das rechtsphilosophische Problem (vgl. S. 17).
    Das Buch liest sich sehr schnell. Von Schirachs Sprachstil ist klar; seine Sätze sind meist kurz und einfach.
    Sicher lesen wir tagtäglich von neuen kriminellen Geschehnissen, aber so stark, wie von Schirach seine Erzählungen aufbereitet hat, indem er uns ins Innerste der Handelnden schauen lässt, bleibt Nachdenkenswertes hängen. Sind wir parteiisch geworden? Stehen wir mehr auf der Seite des Kriminellen als auf der der Opfer?
    Bilden Sie sich selbst ein Urteil, indem Sie dieses Buch lesen.

    François Lelord, der zunächst als praktizierender Psychologe arbeitete, bevor er die Schriftstellerei begann, hat schon mehrere internationale Bestseller verfasst (deren Inhalte aber nicht aufeinander aufbauen). Seine Lebensweisheiten, seine Anleitung zum Glück und zu einem erfüllten Leben möchte er in seinen Büchern auf amüsante, unterhaltsame Weise weitergeben. So entstand die Idee zu seinem Protagonisten Petit Hector und seinen Erlebnissen. Nun bringt er sein neues Buch "Hector & Hector und die Geheimnisse des Lebens" heraus.
    Petit Hector, ein Einzelkind, lebt wohlbehütet mit Maman Clara und Vater Hector zusammen. Sie sind die "BestenElternderWelt". Papa ist Psychiater, Maman arbeitet als Schriftstellerin. Sie gehören zur Upper class.
    Petit Hector ist ein Kind wie aus dem Bilderbuch: sensibel, angepasst, einsichtig und klug.
    In dieser Familie spricht man viel miteinander. Dabei ist alles auf den kleinen Jungen zentriert, der seinen Alltag sehr bewusst erlebt und seine Beobachtungen den Eltern mitteilt. Zu allen Unbilden des Lebens finden sie Hilfen, und sie vermitteln ihrem Kind reichlich Lebensweisheiten. Am Ende jedes Kapitels fasst Petit Hector sie (kursiv gedruckt) zusammen.
    Besonders nett ist der Waldspazierung von Vater und Sohn. Letzterer eröffnet seine für ihn schweren Sorgen und kommentiert drastisch: "Mir reicht das mit den Sorgen."
    Phantasievoll beschrieben wird auch, wie Maman und Petit Hector den Zoo besuchen. Dort entdecken sie, dass die Lebensweisheit, dass man immer die guten Seiten des Lebens zu sehen versuchen solle, auch für Löwen gelten kann. Das ist eine amüsante, ungewöhnliche - und überzeugende Beobachtung.
    Die Beschreibungen der kindlichen Erlebnisse - Zoobesuch, Schummeln in der Schule, Fußballspiel mit Freunden und Amandine, das einzige Mädchen, das Petit Hector interessiert - erinnern mich sehr an die liebenswerten Bestseller von René Goscinny mit Illustrationen von J. J. Sempé aus den Sechziger Jahren: Le petit Nicolas (Der kleine Nick).
    Diese Bücher werden von Groß und Klein gelesen, und wenn man sich in sie verliebt hat, kann man sich nicht mehr davon lösen. Man will sie nicht nur lesen, sondern auch besitzen. So erhalten sie einen besonderen Platz im Bücherregal.

    Ohne Geld läuft gar nichts!


    Unter Führung des Protagonisten Parker überfällt eine kleine Gruppe Gangster einen Geldtransport in Massachusetts. Da die Polizei schnell vor Ort ist, müssen sie den größten Teil ihrer Beute verstecken und fliehen. Presse und Fernsehen berichten ausführlich von diesem Aufsehen erregenden Verbrechen.
    Dann trennen sich die Wege der Männer - aber alle wollen sie nur möglichst rasch das Geld holen.
    McWhitney arbeitet wieder in seiner Bar.
    Nick Delesia wird von der Polizei verhaftet, als er mit einem "schmutzigen" Schein bezahlt (denn die Seriennummern aller Scheine waren registriert). Nachdem er einen Marshall erschießt, kann er aus dem Gefängnis entfliehen.
    Parker plant mit seiner Freundin Claire, getarnt als Ehepaar Willis, einen Kurzurlaub in der Nähe des Tatortes. Hier möchte er die Situation auskundschaften.
    Aber nicht nur die Gangster zieht es an den Tatort:
    Die Polizei startet einen Großeinsatz und kontrolliert mit Straßensperren die Bevölkerung.
    Auch Sandra Lozcalzo, eine Kopfgeldjägerin, ist zur Stelle. Sie gibt aber keineswegs der Polizei Hinweise, sondern verspricht sich größeren Profit, wenn sie sich an Parker hängt.
    Zeitweise wird die urige Frühstückspension Bosky Rounds zum turbulenten Hauptschauplatz, denn bei der geschwätzigen Mrs. Bartlett findet sich der harte Kern der Akteure ein. Hier laufen Polizisten, Sandra Lozcalzo, das Ehepaar Willis und andere einander über den Weg, ohne sich zu begegnen - geschweige denn zu erkennen.
    Dieser Krimi ist ein Lesegenuss. Er kommt ohne Blut und Folter aus. Das Plot-Konzept - Überfall auf einen Geldtransport - ist zwar nicht gerade neu, sondern schon oft literarisch und filmisch variiert worden. Aber Richard Stark gestaltet es auf originelle, den Leser fesselnde Weise. Im Vordergrund seines Erzählens stehen die Charaktere der Gangster: Keiner traut dem anderen, jeder möchte alleine "Kasse machen" - und dennoch kommen sie wieder zusammen. Dabei scharen sie immer mehr Personen um sich, die ihnen bei ihrem Coup helfen sollen. Sie schmieden Pläne - aber irgendwie kommt es immer anders als vorhergesehen. Und: Ohne Geld läuft gar nichts ... Das ist alles sehr reizvoll zu lesen.
    Bei manchen Textpassagen hat man den Eindruck, dem Autor (und dem Übersetzer) sitze der Schalk im Nacken. So wird Mrs. Bartlett von ihren Gästen im Stillen liebevoll "Mrs. Apfelkuchen" und ihre Pension "Quartier für Hänsel und Gretel" genannt. "Laubgucker" heißen die Touristen ... und es gibt noch viele weitere solch witzige Einfälle zu beschmunzeln.

    Lovestory - ein Jo-Jo-Spiel


    Die 48-jährige Rina zieht mit ihrer Tochter Noa, dem Hund und der Katze in eine kleine Wohnung mit Balkon in einen Stadtteil Haifas. Ihr älterer Sohn Michael führt ein eigenständiges Leben. Ihr Lebensabschnittsgefährte, Jakob, steht ihr immer treu, geduldig und hilfreich zur Seite.
    Rina ist keine Emanze - im Gegenteil: ihre eigene Psyche ist labil, ihr Psychologe hält sie für zartbesaitet. Ihre Intuition, ihr humorvoller Kontakt zum Gott, den sie wie eine lebendige Person erlebt, die Botschaften ihrer toten Schwester Seffi und die Deutungen des Kaffeesatzes ihrer "Privathexe" Masal helfen ihr bei wichtigen Entscheidungen. Diese Art Lebenshilfe gefällt mir sehr gut und zeichnet Rinas Charakter weich und liebenswert.
    An einem Freitagmorgen zwingen starke Schmerzen im Oberkörper Rina zu einer ärztlichen Untersuchung. Die Diagnose ist furchtbar: ein schwer zu operierender Tumor.
    Nach ausgiebiger Recherche lässt sie sich von Dr. Eres Green operieren. Wie eine Prinzessin fordert Rina ein Krankenzimmer für sich alleine; die Schwestern sind ihr zu ruppig und nervig - ja, sie stören sie sogar bei ihrer wohlverdienten Ruhe. Jedes Wehwechen muss von ihrem Operateur begutachtet und behandelt werden.
    Und so verliebt sie sich wie eine pubertierende 14-Jährige in ihren Arzt. Sie schickt ihm ein kindisches Gedicht, und schon wird ihre Liebe von Eres erwidert.
    Aus dem Krankenhaus entlassen, vertieft sich die Liebe des Paares. Der treue Jakob verlässt Rina. Eres erklärt ihr seine Liebe, und nun wartet sie nur darauf, dass er seine Frau Klara und Tochter Avi verlässt, um sie zu heiraten. '
    Rina verhält sich wie ein Dummchen. Wieder und wieder ist sie sauer auf Eres, weil er die Trennung von seiner Familie nicht konsequent durchzieht. Aber mit kleinen Schmeicheleien lässt sie sich dann doch wieder einlullen.
    Mir hat das Buch zu Anfang sehr gefallen, aber die öde, langweilige, kitschige und schmalzige Beschreibung der Paarbeziehung hat mich nicht überzeugt. Das Verhalten Rinas zu ihrer Umwelt, insbesondere ihre oberflächliche Schwärmerei für Eres, passt nicht zu den anfangs beschriebenen positiven Eindrücken. Für mich ist das Buch ein Flop.

    Clara (51) und Werner Backmann (61) sind seit 30 Jahren verheiratet. Sie gehören mit ihrem Haus an der Algarve zur Upper Class. Man spielt Golf, fährt einen Land-Rover und ist Mitglied im Lions Club. Ihre Ehe ist nur noch ein Arrangement.
    Werner ist immer schon ein arroganter Macho gewesen, der die kostenlose Rundum-Versorgung durch seine Frau für selbstverständlich hält.
    In der Öffentlichkeit behandelt er sie despektierlich. Da sie ein "Heimchen" ohne Selbstvertrauen ist, wehrt sie sich nicht gegen seine Unverschämtheiten. Eine Trennung kommt für sie nicht in Frage. Die soziale Absicherung ist ihr immer noch lieber. Sie ertränkt ihren Kummer mit Alkohol, Koffein und Nikotin.
    Werner fliegt nach Brasilien, wo er seine Traumfrau trifft. Nach seiner Rückkehr will er sich sogleich von Clara trennen. Statt sich zu freuen, dieses Ekelpaket endlich loszuwerden, fällt diese noch tiefer in Depressionen.
    Auf leisen Sohlen betritt sie langsam ihr neues Leben. Sie bevollmächtigt einen Anwalt, ihre Forderungen gegen Werner zu vertreten, kauft sich einen VW-Bulli und erwirbt im öden Alentejo ein großes Grundstück mit einer heruntergekommenen Hütte. Schnell wird sie mit den einheimischen Bewohnern warm, besonders mit Joao (74-jährig) und seiner Ehefrau Ana.
    Mit Joaos Hilfe renoviert Clara ihre Hütte. Sie wird selbstbewusst. "Ich selbst mochte mich. Und ich mochte das Leben, das ich mir eingerichtet hatte." (S. 196)
    Natürlich erlebt Clara eine kleine Romanze, und Heike und Celeste, zwei überkandidelte Freundinnen, wollen sie gerne "an den Mann bringen" und nerven sie ziemlich.
    Mit einem möglicherweise unsicheren Zukunftsprojekt endet die Handlung.
    Dieser unterhaltsame, leicht zu lesende Roman ist aus Claras Sicht in der Ich-Form geschrieben. Claras Weg zu neuen Verhältnissen verläuft langsam. Das Ergebnis - Leben auf dem Lande - entspricht völlig ihrem Wesen und Charakter. Immer wieder hält Clara inne und reflektiert über sich selbst mit spitzer, ironischer Feder. Das ist amüsant und witzig.
    Portugals Alentejo ist eine karge, von Olivenbäumen geprägte Landschaft; sie ist dünn besiedelt, nur die älteren Einheimischen sind geblieben. Diese strahlen eine Herzlichkeit aus, die förmlich ansteckt. Diese Stimmung wiederzugeben ist Barbara Haskamp durch ihre genaue Beobachtungsgabe und die entsprechende Beschreibung sehr gut gelungen.
    Wohltuend ist, dass dieser Roman sich von anderen Frauenbüchern absetzt, indem er nämlich nicht das übliche Klischee der Frauen bedient, die nach der Trennung von ihrem Angetrauten endlich im Turbo-Gang abheben, um alles zu erleben, was ihnen bisher versagt war: jede Menge Bubis mit Geld, Auto und Designerklamotten, Sex im Rausch und zusätzlich noch den Top-Arbeitsplatz, der immer schon auf sie gewartet hat ...
    Als interessierte Leserschaft werden sich wohl überwiegend Frauen im Alter 40 plus angesprochen fühlen.

    Reiseweltmeister - und wo bleibt der Pokal?


    Wenn man sich zunächst das Inhaltsverzeichnis des Buches "Daheimbleiben kann jeder" von Thomas Baumann durchliest, wird man wegen des gigantischen Ausmaßes (sieben Seiten Überschriften mit je einem Kurzkommentar) erschlagen. Hinzu kommt, dass die Formulierungen einen falschen Eindruck vom Inhalt des Buches nahelegen: Man glaubt, man habe das ultimativ-lockere Urlaubsunterhaltungsbuch in Händen, in dem ein "Brüller" dem andern folgt. Das trifft aber nicht den Kern. Der Autor hat vielmehr umfassend über das Thema Reisen - im allerweitesten Sinne - recherchiert und die unterschiedlichsten Texte dazu verfasst bzw. kompiliert, was er anderswo fand.
    Nicht nur im Urlaub sind wir Deutschen Weltmeister, sondern auch im Meckern: "Gott schütze uns vor Sturm und Wind und Deutschen, die im Urlaub sind" (S. 174). Das Loben fällt uns in allen Bereichen schwer. Dennoch möchte ich in meiner Rezension den Schwerpunkt auf meine positiven Impressionen von diesem Buch legen und die amüsanten, kurzweiligen, phantasievollen, zutreffenden (bisweilen auch absurden und unverständlichen) Beobachtungen loben.
    Mal sind es Beschreibungen eigener Reiseerlebnisse des Autors. Mal sind es Berichte über Kreuzfahrtschiffe, über Auktionen von Fundsachen, über Zwangsneurosen, über die Arbeit deutscher Botschaften im Ausland und ganz, ganz viel mehr.
    Manche Kapitel sind ausgesprochen unterhaltsam, vor allem, wenn man sich irgendwie im Text selbst wiederfindet. Im Kapitel "Paranoia vor der Abfahrt" zum Beispiel ist für jeden etwas dabei, denn wer ist nicht schon mal wieder nach Hause zurückgefahren, um sich zu überzeugen, dass der Stecker des Computers tatsächlich herausgezogen ist?
    Einen Handlungsreisenden als Promoter zu bezeichnen ist schon eine nette Idee, aber diese Spezies nach Versionen für West- und Ostdeutschland zu differenzieren ist lustig.
    Ich kann aber leider auch nicht verschweigen, dass manch auf den ersten Blick pfiffige Kapitelüberschrift viel mehr verspricht, als die nachfolgende eher langweilige Beschreibung halten kann: vgl. "Hit the road, Jack!" oder "Die sich mit Geländewagen ins Gelände wagen" - was könnte man hier nicht an zeitkritischen Skurrilitäten erwarten ...
    Dies ist ein Buch für Häppchen-Leser und für alle Eventualitäten. Man kann die Kapitel in beliebiger Reihenfolge lesen und es auch mal mittendrin weglegen, um sich dem wahren Reiseleben zu widmen, zum Beispiel dem Zwiegespräch eines Ehepaares auf der Sitzbank nebenan während eines Fluges oder dem Familienleben am Strand

    Eine Chance zum Glauben an Gott


    Als ich das Buch "Die Hütte - ein Wochende mit Gott" in Händen hielt, hatte ich ein Déja-Vu: Es klingelt an der Tür - ich öffne - draußen stehen Zeugen Jehovas - ich höre ihnen freundlich zu, beende ihren Vortrag möglichst schnell - schließe die Tür wieder.
    Genauso fühlte ich mich mit diesem Buch: ein bisschen lesen, aber mich nicht wirklich in meinem gewohnten Alltag berühren lassen. Aber dann hat mich ein Satz auf Seite 16 geraderzu herausgefordert, das Buch zu lesen: "Falls Sie auf diese Geschichte stoßen und sie schrecklich finden, soll ich Ihnen von Mack ausrichten ... 'Tut mir leid ... aber sie wurde nicht in erster Linie für Sie aufgeschrieben'."
    Mack lebt mit seiner tiefgläubigen Frau Nan und seinen Kindern in Oregon. Am Labor Day-Wochenende geht er mit seinen drei jüngsten Kindern campen. Am Tag der Heimfahrt geschehen zwei entsetzliche Unfälle: Sein Sohn Josh kentert mit dem Kanu und ertrinkt fast, und seine Tochter Missy wird während seiner Abwesenheit von einem Serienkiller entführt. In einer Hütte findet das FBI klare Beweise für ihre Ermordung.
    Mack kann mit der Frage, welche Schuld er trage, warum er nicht besser auf Missy aufgepasst habe, nicht umgehen und fällt in tiefste Depressionen. Die Frage "Wie konnte Gott das zulassen?" verstärkt seine Hassliebe zu Gott.
    Im tiefsten Winter erhält Mack einen unfrankierten Brief mit der Einladung, zu einem Treffen zu kommen - ausgerechnet in die Hütte, in der Missy starb. Der Absender lautet "Papa", und dabei denkt Mack zunächst an einen makabren Scherz, dann aber, dass es ein Brief von Gott sein könnte (Auf diese Idee wäre ich in meinem ganzen Leben nicht gekommen ...). So macht er sich auf den Weg.
    Als er sich der Hütte nähert, geschieht ein Wunder: Der Schnee schmilzt, die Hütte verwandelt sich zu einem gepflegten Blockhaus, die Umgebung wird schlagartig zum Paradies. (Hier sträuben sich meine Nackenhaare.)
    Die Tür wird aufgerissen, eine dicke Frau "schloss ihn in die Arme. Sie hob ihn in die Höhe und wirbelte ihn herum wie ein kleines Kind." Nun lernt Mack drei Personen kennen, die mal als Mensch, mal als Gott auftreten. Elouisa ist zugleich Frau, Papa und der wirkliche und wahrhaftige Schöpfergott. Sarayu ist eine kleine asiatische Frau, die Tränen sammelt (!), aber gleichzeitig auch der Heilige Geist. Die dritte Person ist ein Handwerker - und manchmal Jesus. Alle zusammen verkörpern sie Gottes Dreifaltigkeit. Während Mack sich mit ihnen unterhält, wechselt ihr Geschlecht bisweilen innerhalb eines Satzes ( "er" ... "sie").
    Da sie allwissend sind, kennen sie auch Macks Lebensgeschichte. Jedoch wollen sie nicht zeigen, dass sie damit den Menschen überlegen sind.
    Es bereitet ihnen große Freude, Macks Darstellungen zuzuhören. Die Diskurse drehen sich um Theologie, Mythologie, Zusammenhänge zwischen Liebe und Vertrauen, Gut und Böse, Wahrheit und Freiheit. Ich finde den Text dadurch thematisch stark überfrachtet: "Mack hatte große Mühe, das zu begreifen, was er da hörte" (S. 116) - so erging es mir auch. Alles drehte sich in meinem Kopf, ich fühlte mich dizzy.
    Ich habe dieses Buch mit großem Respekt vor dem Autor William Paul Young gelesen. Im letzten Kapitel "Die Geschichte hinter DIE HÜTTE" erfahren wir von seiner grausamen Kindheit und Jugendzeit. Er hatte keine guten Voraussetzungen für sein Leben. Und so stand er dem letzten aller Abgründe sehr nahe: dem Selbstmord. Mit der Idee, ein Buch für seine Kinder zu schreiben, hat er den Weg zum Leben wiedergefunden.
    Das Buch findet bei den Amerikanern riesengroßes Interesse. Viele von ihnen, v. a. im berühmten "Bible Belt", leben ihre Religion aktiv. In Deutschland dagegen steigt die Zahl der Kirchenaustritte.
    Ich bin ein zu rationaler Mensch, um an Phänomene zu glauben, die man weder sehen noch wissenschaftlich beweisen kann. Wer will, mag das für ein oberflächlich-vordergründiges Weltbild halten, aber eben in dieser Sichtweise unterscheiden sich Gläubige von Ungläubigen. Für alle die Menschen, die in Gott ihren Ansprechpartner haben, der ihnen Trost und Halt geben kann, freue ich mich.
    Dies Buch wurde vielleicht auch als Ansporn veröffentlicht, beim Leser Glauben anzustoßen, aber ich hatte kein Erweckungserlebnis ...

    Melange mit Esprit


    Manfred Wieningers Roman "Rostige Flügel" ist ein weiterer Marek-Miert-Krimi. Er setzt sich bewusst von den aktuellen Krimis ab. Sein Inhalt ist nicht angefüllt mit "literarischer Blutsäuferei" (S. 47).
    Die Handlung wird aus der Sicht des liebenswürdigen, kauzigen Privatdetektivs Marek Miert erzählt. Er wohnt, wie gehabt, in einem abrissreifen Haus im Rotlicht- und Migrantenmilieu in der fiktionalen österreichischen Kleinstadt Harland. Der Autor charakterisiert Marek Miert (wie auch alle weiteren handlungsbezogenen Personen - alles Individuen, die nicht irgend welchen Trends folgen) detailliert, wenn nicht sogar pingelig, wobei er zunächst die körperliche Erscheinung und die Bekleidung betont. Privatdetektiv Miert kommt erst in die Gänge, wenn er des Morgens seine Melange konsumiert hat; des Tages Arbeit beschließt er mit einem Quantum Rotwein.
    Weitere beispielhafte Attribute für den kultigen Marek Miert sind "Hände wie Klodeckel", "Anzuggröße Minivan", "italienische Importschuhe, handgefertigt aus Lederimitat und einem bisschen Spucke" usw.
    Doch nicht nur hierbei kann der Leser sich an Wieningers Sprachvermögen ergötzen. Immer wieder spielt er mit einem anderen sprachlichen Stilmittel, nämlich dem Paradoxon. Wer kennt nicht die absurde Ballade vom Auto, das, als es dunkel war, aber der Mond helle schien, blitzeschnelle langsam um die Ecke fuhr? Und diese Klaviatur beherrscht auch Manfred Wieninger perfekt und virtuos: "Stille, laut wie Weihnachten", "Meeresschildkröte ohne Flossen"; dazu witzige Wendungen wie "ein Ende mit Schnecken", "mit der Kirche ums Kreuz fahren".
    Es ist Februar, der Monat der Depressionen und anderer Katastrophen, als Marek Miert, der eigentlich immer pleite ist, zwei Arbeitsaufträge erhält.
    Bei dem ersten verfolgt er Herrmann Frischauf, einen Buchhändler. Er pirscht ihm in den Auen bei Harland nach, bis beide etwas ungeschickt und von Marek Miert unbeabsichtigt zusammenstoßen. Frischauf hält sich schon über einen längeren Zeitraum in diesem Gebiet auf, wo er die Überreste eines Zwangsarbeiterlagers entdeckt hat.
    Der zweite Fall verwickelt Marek Miert in eine Prügelei, die ihn auf direktem Wege in die Untersuchungshaft bringt. In seiner Zelle lernt er den Afghanen Dr. Achmed Adin kennen. Dies gibt dem Autor die Gelegenheit, ausgiebig zu politisieren und Österreichs Asylpolitik zu kritisieren. Ich persönlich finde so einen Krimi keine passende Plattform dafür - das vorherige Lachen bleibt mir im Halse stecken -, verstehe aber des Autors Anliegen.
    Trotz dieses kleinem persönlichen Missfallens möchte ich dieses Buch weiterempfehlen. Es wird allen Lesern, die Spaß an ironischen, alternativen, regional gefärbten Krimis haben, gefallen.

    Louise Jakobs Buch "Gesellschaftsspiele" ist ein Roman über die aktuelle Kunstszene.
    Leo Becker, 37 Jahre alt, ist der Protagonist. Nach zehn Jahren freiem künstlerischen Schaffens wird er entdeckt. Eine Ausstellung seiner Werke in einer Galerie bringt den Durchbruch und Erfolg. Leo erhält die einmalige, sensationelle Chance, einige seiner Bilder in New York in der MET auszustellen. Vier Bilder müssen noch fetiggestellt werden, aber Leo ist wie gelähmt; er hält den Druck nicht aus und kann seine Arbeit nicht vollenden..
    Das Gesellschaftsspiel hat längst begonnen, und alles ist auf Leo fokussiert. Er hat sich korrumpieren lassen; nur das Geld zählt. Er wird am Marktwert seiner Bilder gemessen. Alle Strategien sind darauf ausgerichtet, den Preis nach oben zu treiben..
    Umgeben ist er von vielen Menschen - falschen Freunden -, die wie Statisten zu diesem Spiel gehören. Man trifft sie überall, sie wollen dabeisein, sehen und gesehen werden und nichts verpassen. Man begegnet ihnen in Bars, auf Partys und in anderen Ausstellungen. Wenn man ihnen die Maske vom Gesicht zöge, so bliebe nur Oberflächlichkeit und Belanglosigkeit..
    Louise Jakobs zeigt in einem - im gesamten Romantext verteilten - Psychogramm, wie sehr Leo in diesem Spiel leidet: Er ist erfüllt von Selbsthass, Leere, Selbstzweifeln, Schuldgefühlen und vor allem Einsamkeit.
    Es gibt nur drei Menschen, die ihm zeitweise etwas bedeuten:
    Da ist sein Freund Tobias, der ihm ehrlich seine Meinung sagt ( "Du willst ein Held sein und spuckst denen, die dich feiern, ins Gesicht.").
    Glückliche Jahre hat Leo mit seiner Frau Rachel verbracht. Sie ist eine Frau mit Minderwertigkeitskomplexen, und erst mit dem Erfolg ihres Mannes wird sie zu seiner ehrgeizigen Managerin. Allerdings steht sie in seiner schlimmsten Lebensphase, als zehn Tage vor dem Beginn der Ausstellung in New York seine Bilder noch nicht fertig sind, nicht zu ihm. Deswegen hängt Leo völlig ab, und Alkohol und Drogen führen ihn auf direktem Weg ins Krankenhaus.
    Leos dritter und letzter Anlaufpunkt ist seine ehemalige Freundin Ebba. Während eines gemeinsamen Abends sprechen beide über Leos Arbeit. Er öffnet sich ihr und spricht über seine Ängste und Selbstzweifel. Er hofft diese Beziehung nach seiner Ausstellung in New York wieder aufnehmen zu können.
    Beide Frauen lieben ihn, aber Rachel weiß, dass Leo sich schon längst von ihr getrennt hat. Ebba hingegen hat für sich entschieden, dass sie ihr frühere Beziehung zu Leo nicht wieder aufnehmen will.
    Das Buch beginnt mit einem Prolog: Leos Beerdigung. Ich finde dieses Stilmittel sehr gut, weil man beim Lesen des Romans viel intensiver auf mögliche Anzeichen achtet, die auf den Tod hinweisen könnten.
    Das Cover gefällt mir teilweise: Zwei Diagonale schneiden etwas von der Schrift "Gesellschaftsspiele" weg. Ist dies ein Hinweis auf die Zerrissenheit desProtagonisten?
    Mein Fazit: Da das Thema Künstlerszene überhaupt keinen Reiz auf mich ausübt, fand ich das Buch langweilig.
    Interessiert habe ich mich allerdings sehr für die Psyche des Protagonisten. Er kann ohne das leicht verdiente Geld nicht leben und willigt kurz nach seiner Ausstellung in die Vorbereitung einer Retrospektive seiner Schaffenszeit ein ... Er ist die goldene Spinne in seinem eigenen Netz.

    Bruchlandung ohne Verletzte


    Gaby Hauptmanns neuestes Buch "Rückflug zu verschenken" hat ein schönes Sommercover: Sandstrand, Liegestühle, blaues Meer und blauer Himmel - eine schöne Postkartenidylle, leider ohne Sonne und leider nicht in Hochglanz - das wär's gewesen.
    Auf dem Cover ist doch tatsächlich ein Aufkleber "Bestseller". Dies hat mich einen Moment innehalten lassen, aber dann war mir klar, dass diese Auszeichnung kein Gütesiegel für literarische Qualität ist.
    Gaby Hauptmans Schreibstil ist locker, flockig, aber auch seicht und hohl.
    Clara, betrogen von ihrem Lebensabschnittsgefährten, erhält von ihrer Mutter eine Mallorcareise geschenkt: Hier soll sie entspannen und über ihre Zukunft nachdenken. In kürzester Zeit lernt sie vier Frauen kennen; mit ihnen erlebt sie wie auf einer Achterbahnfahrt die tollsten Abenteuer. Natürlich lernt Clara einen Millionär kennen (obwohl ich schon seit vielen Jahren nach einem suche, war mir bislang noch kein solcher Erfolg beschieden).
    Sie stellt sich bei einem Hausverkäufer vor - zwecks Job. Auch die neureichen Russen dürfen in diesem Buch nicht fehlen. Eine Erpressungsgeschichte bringt noch ein bisschen Spannung ins Handlungeschehen ...
    Charaktere und Handlungen sind oberflächlich und austauschbar. Ein Klischee folgt auf das nächste. Man gewinnt den Eindruck, dass Gaby Hauptmann mit Textbausteinen arbeitet: neue Personen, neue Handlungsorte, Liebesprobleme, harmloser Schluss - das ganze heftig gemixt, und - flupp - ist ein neues Buch entstanden ...
    Das Buch lässt sich schnell lesen, da man oft ahnt, wie die Handlung weitergeht.
    Dieses Buch ist für mich wegen seiner inhaltlichen Leere, wegen seiner Klischeehaftigkeit, wegen seiner völlig fehlenden Aussage fast ein Kulturschock. Aber sicher mögen viele andere Leserinnen dieses Buch, und es sei ihnen gegönnt.
    Da von diesem Buch keine Gefahr für die Menschheit ausgeht, schicke ich es auf die Reise: nach Mallorca und anderen Reisezielen ...

    Sebastian Hauser, der Wahn, die getriebene Unruhe, das Ende


    Clemens Lindner wurde 1965 in Hall geboren. Er ist Stipendiat und lebt sowohl in Tirol als auch in Tokio. Dieses Buch entstand mit Unterstützung der Kulturabteilung des Landes Tirol.
    Lindner zeichnet in seinem Roman das Psychogramm des Außenseiters Sebastian Hauser. Viele Begebenheiten sind ganz offensichtlich Parallelen zum Leben des Dichters Georg Trakls.
    Obwohl Trakls Leben und Werk nicht direkt Inhalt dieses Romans sind, möchte ich zum besseren Verständnis einen kurzen Abriss zu Trakl voranstellen.
    Georg Trakl wurde am 3. Februar 1887 in Salzburg geboren. Er wuchs in einer intakten Familie als viertes von sechs Kindern auf. Seine Schullaufbahn war von Versagen geprägt (zwei Nichtversetzungen). Nach dem Studium der Pharmazie (ab 1908 in Wien) arbeitete er als Apotheker und lebte abwechselnd in Salzburg, Wien und Innsbruck.
    Seine ersten literarischen Werke wurden in der Zeitschrift "Der Brenner" veröffentlicht.
    Trakl war depressiv, nahm Drogen und hatte eine enge inzestiöse Beziehung zu seiner Schwester Margarethe. Deren Heirat war ein prägender Schock für Trakl; er inspirierte ihn so stark, dass in dieser Zeit seine besten Werke entstanden. Sie sind geprägt von Depressionen.
    Trakl starb früh - im Alter von 27 Jahren - an einer Kokainvergiftung. Seine Schwester Margarethe erschoss sich drei Jahre später.
    Sebastian Hauser, der Protagonist in Clemens Lindners Roman, weist frappierende Ähnlichkeiten mit Trakl auf: die sexuelle Liebe mit seiner Schwester Judith; beide wählen für sich den Freitod; Hauser ist drogenabhängig und schwermütig; er zieht sich in seine eigene Welt zurück.
    Aber Hauser ist ein eigenständiger Mensch. Seine Individualität ist durch unsere moderne globale Welt geprägt. Er muss kein Kriegserlebnis verarbeiten. Sein krankhaftes, unruhiges Leben mit der Obsession Orte, Dinge und anderes zu sammeln, haben andere Ursachen, die nichts mit Trakl zu tun haben.
    Das erste Kapitel beginnt mit dem Satz "Georg Fischer erhielt spät nachts einen Anruf ..." Weitere nächtliche anonyme Arufe erzeugen Spannung wie in einem Krimi.
    Aber dann meldet sich Fischers Exfrau Karla und später sein ehemaliger Mitschüler Sebastian Hauser. Der Anruf Hausers veranlasst Fischer, in seiner Vergangenheit zu forschen. Im Jahresheft des Maturajahrgangs 1986 f. indet Fischer ein Klassenfoto, auf dem alle handlungsrelevanten Personen abgebildet sind: Georg Fischer und seine Frau Karla, Sebastian Hauser und seine Schwester Judith. Diese vier Personen verbindet etwas, z. T. lose Frundschaft, sexuelle Beziehunen, einschließlich mehrerer Vergewaltigungen.
    Georg Trakls Werk, seine Geburt am 3. Februar und sein Selbstmord sind ein gemeinsames, verbindendes Interessensfeld der vier Personen.
    Ab dem vierten Kapitel konzentriert sich Lindner zunehmend auf die Person Sebastian Hauser. Das Kapitel beginnt mit dem Satz "Sebastian Hauser ging mit gedankenvoller Miene ...". Hauser ist Einzelgänger, Atheist, schwarz gekleideter Grufti und Muttersöhnchen. Hauser sieht sich selbst als "Alter Ego von Georg Trakl". Seine Einstellung zu Mitschülern und Lehrern ist von Arroganz geprägt. Handlung und Ereignisse reduzieren sich mehr und mehr. Zunehmend erleben wir Sebastian Hauser als Drogenabhängigen, umgeben von einer Randgruppen-Gesellschaft.
    Durch seine Spleens ist er fremdbestimmt und kann sich diesen Süchten nicht entziehen: Er treibt sich auf Friedhöfen herum, sammelt Gräber von Dichtern und Persönlichkeiten aus der Film-, Theater- und Musikwelt.
    Der Bücherwahn jagt ihn durch viele Buchhandlungen. Dabei schreckt er nicht vor systematischem Diebstahl zurück. Widersinnigerweise sehnt er sich danach, ertappt zu werden ...
    Unerwartet für den Leser beschreibt Clemens Lindner eine absurde, kafkaeske Situation (am 3. Februar 1986): Ein Clown sitzt in einem engen Raum, durchlebt Halluzinationen. Nach der langsamen Verbesserung seines krankhaften Zustandes darf er den Raum wieder verlassen. Was hat es damit auf sich? Aufschluss über derlei Rätsel gibt der Autor mit einem besonderen Stilmittel:
    Immer wieder sind in den Text des Romans deutlich anders gesetzte Zeilen eingefügt. Sind es Verse aus Trakls Werk? Sind es Verse aus Hausers eignenen literarischen Versuchen? Oder sind es einfach nur kommentierende Einschübe? Auch nach der Clown-Szene folgt eine solche Sentenz: "Dämonen durch die kranke Seele gehen". Manche dieser Kommentare sind schwer verständlich, andere erhellen Zusammenhänge.
    Im Sommer 1991 zieht der ruhelose Hauser nach New York. Er lernt eine Japanerin kennen, die er später in Japan besucht.
    Hausers permanente Unruhe lässt den Leser nicht unberührt. Lindner ersetzt die direkte Rede durch gesprochene Gedanken, die nur so hin und her jagen. Sinnlose Sätze wie z. B. "Spiderman hat Urlaub" häufen sich.
    Ab Kapitel 9 setzt Lindner ein neues sprachliches Stilelement ein: Dominique, eine Transsexuelle, schreibt Briefe an Hauser: fünfzehn Stück.
    Der letzte psychotische Wahn lässt Hauser auf der Suche nach öffentlichen Telefonen und fremden Telefonnummern durch New York rennen.
    Im vorletzten Kapitel stellt Lindner noch einmal sein kriminalschriftstellerisches Talent unter Beweis: Er beschreibt einen brutalen Mord, dessen Aufklärung und die Festnahme des Mörders.
    Eine gelungene Abrundung des Buches ist das letzte Kapitel. Hier treffen sich die Protagonisten wieder. Ihre Beziehungs- und Liebespaarungen klären sich. Der 3. Februar spielt eine katastrophale Rolle.
    Christoph Lindners Buch wirkt puristisch - auf dem kargen Deckblatt finden sich nur drei Sätze; Informationen zu Autor und Inhalt fehlen völlig.
    Dieses Buch wird wahrscheinlich nur eine kleine Leserschaft finden. Das finde ich schade, denn es verdient Aufmerksamkeit und Anerkennung.

    Michaela Vieser hat einen herzerfrischenden Roman über ihren einjährigen - sicherlich außergewöhnlichen Aufenthalt in einem japanischen Kloster geschrieben.
    Sie hat den Roman aus ihrer Perspektive (Ich-Form) geschrieben, allerdings nicht in der zeitlichen Abfolge ihres Aufenthaltes, sondern nach den Erlebnissen, die während des ganzen Jahres zu ihrem Alltag gehörten.
    Ihr Schreibstil ist flüssig, mit viel indirekter Rede und handlungsorientierten Beschreibungen. Diese sind klar und gut verständlich.
    Ihre Darstellungen der für sie völlig unbekannten Menschen in ihrem Umfeld, das eigene Verhalten und Einleben in diesen Lebenskreis sind sehr feinfühlig,oft sogar mit einem kleinen Augenzwinkern beschrieben. Das erheitert den Leser.
    Gleichzeitig gewinnt er den Eindruck, dass Michaela selber mit dem ehrfürchtigen, respektvollen Verhalten, das stets von ihr eingefordert wurde, entspannt umgeht. Sie selber ergreift oft die Initiative und möchte Lehren des Buddhismus kennenlernen und typische Rituale einüben. Dabei bringt sie sich selber auch ein, indem sie z. B. Englischunterricht für die japanischen Kinder des Klosters anbietet.
    Gut vorbereitet durch Sprach- und Kulturstudium reist Michaela nach Japan. Doch sie stellt sehr schnell fest, dass es an sprachlichen Feinheiten fehlt. Das führt zu Missverständnissen. So fragt sie z. B. nach der Toilette und wird zum Tempel geschickt.
    Im Kloster selbst leben nur vier Mönche (drei mit Familie), ansonsten Männer, Frauen und Kinder, die hier dem Glauben näher sein möchten. Sie leben im Einklang mit Gebet und Arbeit innerhalb eines festen Tagesablaufs, der natürlich auch für Michaela gilt.
    Ein Besuch im Klosterbüro, in dem Wado, einer der Mönche, seiner Arbeit nachgeht, rückt auch ihr Bild von Rückständigkeit zurecht. Die Mönche sind mit allen modernen Arbeitmaterialien ausgerüstet. Wado stehen Computer, Internet, Fax etc. zur Verfügung.
    Kalligraphie, Schwertkampf, Teezeremonie, Ikebana u. a. sind Michaela völlig neu, und sie erarbeitet sich, mit Unterstützung der japanischen Meister, mühselig ein kleines Wissen. Besonders reizvoll sind die Reisen, die ihr die Mönche ermöglichen. So besucht sie andere Kloster in Kyoto und Tokio.
    Der Höhepunkt ihres Aufenthaltes ist sicher die Begegnung mit dem Zen-Meister, der sie in die Meditation einführt.
    Die Erkenntnisse, Erfahrungen und eigenen Verhaltensänderungen, die Michaela aus ihrem Japan-Jahr mit nach Hause nimmt, vermittelt sie dem Leser sehr gut: Alles dient dem Ziel, eine Gesellschaft auf der Basis von Demokratie, Gleichheit und Frieden zu schaffen.
    Äußere Lebensziele sind unwichtig; dagegen sind Dankbarkeit, Harmonie, Respekt und Mitgefühl von großer Bedeutung. Diese Tugenden hält ja nicht nur der Buddhismus hoch, sondern sie gehören auch zu den Grundwerten des Christentums.
    Die Lektüre dieses Buches halte ich für sehr lohnend, öffnet sie uns doch auch die Augen angesichts des westlichen Werteverfalls.

    " Ne, was hatten wir dieses Jahr für einen heftigen und lang andauernden Winter. Selbst in den Mittelgebirgen lag so lange Schnee wie seit Jahren nicht mehr." Natürlich können solche im Supermarkt vorgetragene Thesen nicht unbedingt über viele Jahre hinweg bewiesene Gültigkeit beanspruchen. Aber beim Allerweltsthema Wetter wollen wir alle mitreden, und an diesem zwischenmenschlichen Kommunikationsbedürfnis setzt Sven Plöger an:
    Sein Buch ist ein allumfassendes, sehr informatives und stets wissenschaftlich untermauertes Sachbuch - keine leichte Kost; das Lesen erfordert schon volle Konzentration. Dennoch wird jedermann in der Lage sein, es zu lesen, denn es erfordert weder Vorwissen noch schwingt es sich zum Niveau eines Studiums der Meteorologie auf. Ich habe mir die klare Struktur des Buches zu Nutze gemacht (drei Teile mit vielen Unterkapiteln) und mir meine Lektüre entsprechend portioniert: So konnte ich mich auf angenehme Weise nach und nach mit dem gesamten Inhalt auseinander setzen. Besonders hilfreich fand ich in diesem Zusammenhang "Das Buch im Buch", in dem man sehr kompakt noch mal einen Überblick erhält.
    Kapitel 1 heißt: "Den Klimawandel verstehen". Hier stellt Sven Plöger die Kategorien "Wetter" und "Klima" gegenüber und beschäftigt sich mit den Faktoren, die unser Klima beeinflussen, wie etwa dem Treibhauseffekt.
    Kapitel 2 widmet Plöger den "Stimmen der Interessengruppen", denn Medien, Forscher, Regierungen - alle wollen gehört werden, wenn es um das Klima geht.
    In Kapitel 3 - "Die Chancen für morgen" - stellt der Autor dar, dass die Problematik des Klimawandels eine globale ist: Die Abschmelzung der Pole, die Erwärmung der Weltmeere, der FCKW-Ausstoß usw. betrifft alle Kontinente, alle Staaten, alle Wirtschaftssysteme, alle Menschen. Deshalb müssen wir alle uns verständigen und versuchen, einen Konsens zu finden. Dabei darf man nicht übergehen, dass jedes Land seine berechtigten eigenen politischen Schwerpunkte hat; die heftigsten Auswirkungen des Klimawandels - Unwetter, Überschwemmungen, Stürme, Tornados - erleben ja ausgerechnet die ärmsten Länder, die gerade kein Geld haben, um zu ihrem eigenen Schutz aufwändige und langfristige Strategien zu initialisieren, z. B. das Investment in alternative Energiequellen. Die Verantwortung bleibt also bei den reichen Ländern.
    Und gerade in diesem Zusammenhang fand ich das Unterkapitel "Was kann ich selbst tun" besonders informativ, denn auch ich, so habe ich gelernt, kann mit meinen Möglichkeiten, im Kleinen zu handeln (etwa Energie einzusparen), zu einem besseren Klima beitragen.
    Fazit: Dies war das erste Sachbuch, das ich gelesen habe. Es war eine ungewohnt anstrengende Lektüre. Auch wenn Plögers Aussagen nicht unbedingt neu sind und selbst ich als Laie vieles schon vorher einmal gehört hatte (man schätzt ja schließlich auch Sven Plögers ausschweifende Erläuterungen im Anschluss an die Tagesthemen), so kann ich sagen, dass das Buch die Lektüre lohnt. Bemerkenswert fand ich auch, dass Sven Plöger insgesamt eine weniger pessimistische Perspektive einnimmt, als ich es bisher getan hatte; zumindest in meinem Fall hatte das Buch also sogar eine gewissermaßen entspannende Wirkung.

    Melange mit Chilli


    Der Kriminalroman von Manfred Wieninger beginnt irrwitzig, komisch, endet aber ernst mit einem Hoffnungsschimmer.
    In Harland, einem kleinen österreichischen Kaff, wird Privatdetektiv Marek Miert in das barocke Jagdschloss des Kommerzialrats Schieder gebeten. Der todkranke 92-jährige Mann hat einen Auftrag für Miert. Er soll die verschwundene 11-jährige Helene Kafka finden. Welche Veranlassung der Kommerzialrat für diese Suche hat, bleibt bis kurz vor dem Buchende unklar.
    Miert nimmt schnell Kontakt mit Helga Kafka, Helenes Mutter auf. Sie ist Alkoholikerin und lebt mit Freund Willi zusammen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Helene durch die Mutter und ihren Lebenspartner zur Prostitution gezwungen wird.
    Der Roman ist aus der Perspektive des Privatdetektivs Miert in der Ich-Form geschrieben.
    Was den Roman so lesenwert macht, sind seine ungewöhnlichen Beschreibungen. Viele Textpassagen, ergänzt mit Ironie, lassen den Leser innerlich lachen. Vergleiche, wie z. B. "auf einem Hügel liegt die Villa, dieser Alptraum einer ganzen Architektengemeinschaft", verstärken diese Intention.
    Sehr skurril ist die ausführliche Beschreibung des Krankenzimmers, in dem Kommerzialrat Schieder in seinem Bette liegt: Auf seiner "Matratzengruft" - das Wort hat Wieninger bei Heinrich Heine ausgeliehen - ist er mit Schläuchen an alle zur Verfügung stehenden medizinischen Hightech-Apparaturen angeschlossen.
    Abgerundet wird der Lesegenuß durch nicht enden wollende Aufzählungen - z. B. sämtlicher Arzneimittel, die Schieder einnehmen muß, von Nitroglycerin bis zu Verapamil. Wie mit einem Zoom holt der Autor die kleinsten Details heran, um sie dann pingeligst wiederzugeben.
    Das gilt auch für den Protagonisten, Privatdetektiv ( "Diskontdetektiv") Marek Miert, der Anzuggröße XXL ( "Bagger") trägt. Er lebt allein in einem abrissbedrohten Haus und fährt einen uralten Ford Granada. Niemals würde er in Urlaub fahren, weil er in keinem anderen Land Wasser aus der Leitung trinken würde ...
    In der Mitte des Romans wird der Inhalt ernsthafter. Da geht es dann um Judenverfolgung und Ausländerproblematik in Österreich.
    Ein unterhaltsamer, absolut lesenswerter Kriminalroman!

    Kein Krimi zum Fürchten


    Der Krimi von G. Wolff ist ein ruhiger, leiser Roman.
    Er erzeugt seine Spannung nicht durch eklige Beschreibungen blutrünstigen Abschlachtens, grausamer Folterungen, widerlicher Vergewaltigungen der Akteure. Auch lebt er nicht in der z. Zt aktuellen Vampir- und Werwolfmanie.
    Das hat mir sehr gut gefallen.
    Der Sprachstil der Autorin ist gekennzeichnet durch sehr detaillierte, mit Adjektiven angereicherte Beschreibungen der handelnden Personen, der Tatorte, der Arbeitssplätze - hier die Kommissariate - oder der Umgebung. Dieser Stil wird nie durchbrochen, selbst in den Beschreibungen der kriminellen Handlungen und der daraus resultierenden Konsequenzen.
    Das Buch ist in tägliche Zeitraster eingeteilt, d. h. es beginnt am "Sonntag, 1. Mai" und endet am "Freitag, 13. Mai". Dies ist eine sehr schnelle Sachbearbeitung. Aber für den Leser fließt die Zeit langsamer dahin.
    Friederike Weber, Kriminaloberkommissarin, untersucht zunächst die Ursachen, die zum Tod eines jungen Mannes, Markus Vierling, geführt haben. Man findet ihn leblos in seinem Zummer. Er hatte zuletzt Kontakt mit Mira, die von ihm Nachhilfestunden erhielt. Seine letzte Begegnung soll er allerdings mit der geheimnisumwitterten und nicht auffindbaren Jessica gehabt haben ...
    Friederike Weber wird aber dann von diesem Fall abgezogen und ins Kommissariat für Sexualdelikte versetzt.
    Ihr neuer Fall: die dreizehnjährige Jenny, die ihren Stiefvater angezeigt hat. Er soll sie vergewaltigt haben ...
    Diese beiden Handlungsstränge verlaufen zunächst parallel, berühren sich dann aber während der Beerdigung des Markus Vierling. Auf dem Friedhof glaubt Friederike, Jessica gesehen zu haben ...
    Der eigentliche Showdown, die Aufklärung beider Fälle, vollzieht sich auf den letzen ca. 30 Seiten. Beide Fälle gehören zwangsläufig zusammen. Die Auflösung wirkt nicht schriftstellerisch konstruiert.

    Parallelwelten aus Zuckerwatte


    Lionel Shrivers Buch Liebespaarungen dreht sich um drei Hauptfiguren: Lawrence, der intellektuelle und politische Mann, lebt seit mehreren Jahren mit Irina in einem eheähnlichen Zustand. Die dritte Person ist der etwas dümmliche Snookerspieler Ramsey.
    Irina fühlt sich zu beiden Männern hingezogen. Bei Ramsey allerdings ist die sexuelle Anziehungskraft stärker. Mit ihm sucht sie den ultimativen Kick. Es soll keine romantische, zartfühlende Beziehung sein.
    Um das zu verdeutlichen, gebraucht Lionel Shriver in diesen Passagen ein - nach meinem Empfinden - ekliges, abstoßendes und Frauen entwürdigendes Vokabular.
    Wenn man darüber hinweglesen kann und das Buch hier nicht zur Seite legt, so gewinnen Inhalt und literarischer Wert. In kurzen abgeschlossenen Episoden beschreibt Shriver das weitere Leben der drei Personen.
    Irina, die mittlerweile kurz und schmerzlos Ramsey geheiratet hat, lebt mit diesem ein Leben, das durch das Snookerspiel diktiert wird.
    Es steht im Gegensatz zu ihrem Alltagsleben mit Lawrence.
    Beide Welten bleiben bestehen und verlaufen parallel, aber doch mit feinen, zum Teil konträren Unterschieden.
    Lionel Shriver springt zwischen den beiden jetzt erschaffenen Partnerschaften hin und her, wie ein Windows-Anwender zwischen den verschiedenen geöffneten Anwendungen seines Computers mit den Tasten ALT+TAB hin und her switcht.
    Die Autorin baut ein äußeres Handlungsgerüst, das für beide Parallelwelten gleich ist. Innerhalb dieser Rahmen können die hier beschriebenen Personen sich völlig unterschiedlich verhalten. Auch äußere Bedingungen können sich verändern. In der einen Welt stellen sie ein belastendes Problem dar, in der anderen Welt verläuft die Handlung darin hingegen reibungslos.
    Der Leser kann nicht mehr unterscheiden, welche der beiden Welten der Phantasie entsprungen ist und welche eine wirkliche Realität darstellen könnte.
    Beide Schicksale sind möglich. "Es gibt keinen richtigen Weg, gegen den alle anderen Wege nichts taugen" (S. 424).

    Sehnsucht nach Elena oder der Weg zu neuen Lebenszielen
    "Gleich kommt sie ..." Obwohl es nicht ausgesprochen wird, spürt der Leser, daß der Ich-Erzähler ein Mann sein muß. Er fährt Straßenbahn und verbringt seine Zeit im Park. Also vielleicht ein älterer Mann im Ruhestand. Erst zum Ende des Buches erfährt der Leser Einzelheiten.
    Während der Ich-Erzähler im Park auf einer Bank sitzt, begegnet ihm ein junges Mädchen. Er versucht ihre Wege täglich zu kreuzen und mehr von ihr zu erfahren. Den Namen Elena findet er in ihrem Buch (Dostojewski "Der Idiot"), weil sie es liegenläßt, um ihrer Freundin entgegen zu laufen. Auch ihre Wohnung findet er und beobachtet ihr Zimmer. Er ist von Anfang an süchtig nach ihr und leidet körperlich, wenn er sie an einem Tag nicht sehen kann.
    Haahtela zieht den Leser mit in diese Suche mit Suchtcharakter. Man stürzt sich von Kapitel zu Kapitel, um mehr zu erfahren, um den Grund zu finden, warum dieser ältere Herr keine Ruhe findet.
    Seine süchtige Abhängigkeit zieht ihn sogar auf eine Insel. Dort bucht er ein Zimmer in dem Hotel, wo sie jobbt.
    Als ein junger Mann allerdings eine Beziehung zu Elena beginnt, kommt der Wendepunkt. Er spürt, daß seine Sehnsucht nach Elena Ersatz war für eine andere Suche. Liegt die Erklärung in seiner Vergangenheit, seiner Ehe mit Greta ...?
    Nun kann er zurückschauen, entwickelt Hoffnung und Lebensmut für sein zukünftiges Leben.
    Dieses Buch, welches ohne direkte Rede auskommt, hat mir sehr gut gefallen: die zarte Sprache, die detaillierten Beschreibungen und natürlich sein Inhalt, der in seiner Wendung Spannung aufkommen läßt, ist ein Lesegenuß. Es ist ein kleines Buch, vier Teile mit vielen kurzen Kapiteln, das sich schnell liest, aber volle Konzentration verlangt.
    Möglicherweise spricht es eher Frauen an, weil die Frage nach dem Schmerz der Seele, der reinen Liebe, dem Ende durch Verlust und Tod Themen sind, die nicht jeden Mann interessieren.
    Ich finde das Buch ein literarisches Kleinod.

    Christian Mørk beginnt sein Buch mit einem grausamen Mord in einem Haus in Dublin: "Sklavenschwestern von eigener Tante ermordet". Er erzeugt gruselige Spannung und legt hier Handlungsstränge, die viele Lösungsungen ermöglichen und Höchstspannung auslösen.
    Danach sackt der Leser in ein literarisches Loch.
    Im Ort taucht ein ausnehmend hübscher Mann auf, der ein auffälliges rotes Motorrad fährt. Er wird zum Anziehungspunkt aller Frauen einschließlich der Zwillingsschwestern und der Tante.
    "Darling Jim", so nennt ihn eine Geliebte, erzählt in den örtlichen Lokalen Geschichten. Mørk beschreibt das Äußere Jims mit den Attributen eines Wolfs. Diese geben Jim den Charakterzug eines reißenden Tieres.
    Die Gruselgeschichte, die Jim zum Besten gibt fasziniet die Frauen. Der begehrte Jim nutzt seine bevorzugte Situation voll aus, indem er sich mit allen Frauen, die sich ihm freiwillig anbieten, sexuell vergnügt; manche tötet er sogar. Auch mit Fiona, eine der Nichten treibt er es, und ihre Schwester Aoife vergewaltigt er.
    Dieser Teil des Buches zieht sich über ca. 150 Seiten hin. Teilweise hat mich die Handlung nicht sonderlich interessiert, teils hat mich die sprachlich niveaulose, manchmal ordinäre Wortwahl angeödet.
    Da mich das Buch aber am Anfang so fasziniert hatte, hielt ich mir vor Augen, dass Christian Mørk ja doch irgendwie gut und spannend schreiben kann, und hoffte, dass es vielleicht irgendwo wieder besser werden würde. Also weiter lesen ...
    Und tatsächlich wir erfahren, warum die Nichten bei ihrer Tante im Haus leben und wie es zu dem entsetzlichen Blutbad kommen konnte.
    Diesen Teil des Buches hat Mørk sprachlich besser und spannend ausgestaltet. Die logische Handlung um die drei Schwestern, die Jim töten, ist stimmig.
    Wir sind wieder im Mordhaus
    Hier rundet sich der Krimi und nimmt den Spannungsbogen und die Handlungsstränge des Anfangs gekonnt wieder auf. Die Erwartungen an einen mitreißenden Krimi. erfüllen sich doch noch.
    Schließlich gelingt es Christian Mørk im letzten Teil, "Der gelähmte Prinz", Fantasy und Reality zu verknüpfen - und das sehr überzeugend und glaubwürdig.