Beiträge von Hermann

    also james rollins hab ich gegen die wand geworfen, nachdem ich fertig war. selten so ein blödes buch gelesen. reise zum mittelpunkt der erde mit beuteltieren. abgesehen davon, daß die story nicht sonderlich originell war, war es auch nur am anfang leidlich spannend und dann nur noch albern.

    @lovecraft


    also meiner meinung nach lohnt es sich unbedingt, das buch zu lesen, aber erwarte nicht, daß der ganze roman im poetischen stil dieses zitats gehalten ist. über weite strecken ist das buch sehr trocken, vor allem in den die handlung immer wieder unterbrechenden kapiteln über wale und walfang, die den damaligen wissenschaftlichen kenntnisstand widerspiegeln. ein bißchen ausdauer braucht man schon, es ist keineswegs kurzweilige unterhaltung.

    wäre schön, wenn es etwas vergleichbares gäbe, aber ich habe bisher niemanden gefunden, der sich mit dem autorenduo preston/child messen kann. am ehesten noch michael chrichton, an dem sie sich offenbar orientiert haben, aber den lassen sie in puncto nervenkitzel weit hinter sich. ich finde, die numa-romane von clive cussler sind noch dicht dran. was matthew reilly angeht, der hat das genre des high-speed-thrillers quasi erfunden. ich wüßte niemanden, der ähnlich schreibt wie er. aber da er schon eine weile auf dem markt ist, wird er bestimmt bald nachahmer finden.

    was mich an vernes fortsetzung stört, ist die entmystifizierung, die er betreibt. ich habe das gefühl, daß poe mit dem ende des romans eine art gott-erlebnis darstellen wollte. der antagonismus zwischen schwarz und weiß auf den inseln und die bedeutung der einzelnen schriftzeichen weisen ja schon auf den antagonismus gut-böse hin, und dann die gigantische weiße gestalt am ende - ich denke nicht, daß poe den roman abgebrochen hätte, wenn er sich das als irgendetwas anderes gedacht hätte als die sichtbare manifestation gottes. das verne dann daraus seinen ------ vorsicht! spoiler! ---------- magnetischen eisberg macht, ist wohl eher seinem naturwissenschaftlich veranlagten verstand zuzuschreiben und wird der idee poes in keinster weise gerecht.


    vielen dank übrigens für den tip. ich werd mich mal bei gelegenheit nach "a strange discovery" umsehen.

    also ich l i e b e moby dick. aus mehreren gründen.


    zum einen kann man melville einen vorläufer von michael chrichton nennen. melville, der selbst auf walfängern unterwegs war, hat alles zusammengetragen, was zu seiner zeit über wale und walfang bekannt war. wenn man moby dick gelesen hat, weiß man mehr über das walfanggewerbe als nach dem lesen eines modernen sachbuchs über das thema (obwohl die erkenntnisse in zoologischer hinsicht natürlich veraltet sind).


    dann beschreibt er das leben auf see und den walfang in einer ganz schonungslosen art und weise, ohne irgendwelche romantisierungen. man bekommt förmlich schwielen an den händen, wenn man nur liest, wie die armen kerle an bord der pequod sich abrackern mußten.


    seine charaktere sind richtig großartig gezeichnet, sie alle wirken total echt, ohne daß er irgendwelche klischeebehafteten heldenfiguren erschafft.


    hauptfigur ist nicht der wal, auch nicht der ich-erzähler, sondern kapitän ahab. ahabs hauptkampf gilt nicht dem wal, sondern einer welt, in der gott die erste geige spielt und der mensch einem schicksal unterworfen zu sein scheint, ein gedanke, den ahab nicht akzeptiert. was er auslebt, ist eine art sozialdarwinismus, ähnlich wie später jack londons seewolf. er jagt den wal, weil er es nicht hinnehmen kann, als mensch eine schwächere kreatur zu sein als dieses tier. sein fehlendes bein erinnert ihn immer daran, daß er einen kampf verloren hat, den er eigentlich hätte gewinnen müssen, wenn es stimmt, was in der bibel steht, daß das tier dem menschen untertan ist. er muß moby dick töten, um das weltbild wieder gerade zu rücken, dem er sein ganzes bisheriges leben untergeordnet hat. moby dick ist in erster linie ein religiöses buch, und man muß es unter diesem gesichtspunkt lesen, wenn man es verstehen will. melville selbst gab einem freund gegenüber zu, daß es ein gottloses buch sei. in der tat handelt es eher von der auseinandersetzung mit der den puritanischen walfängern von nantucket gepredigten göttlichen ordnung als von der auseinandersetzung mit dem wal. normalerweise ist der kapitän eines schiffes der mann "next to god", aber ahab akzeptiert gott nicht über sich, solange er es ist, der den kurs bestimmen kann. zwar klingt immer wieder seine ahnung an, daß er sich irren könnte, aber er fühlt, daß er erst dann ruhe finden wird, wenn er sich dessen sicher ist, und deshalb muß er tun, was er sich vorgenommen hat.


    die art und weise, wie ahab seine mannschaft manipuliert, damit sie tut, was er will, kann man sehr schön auf die verhältnisse eines staates interpolieren, in dem ein tyrannischer staatsmann, nur seinen eigenen interessen treu, sein volk in den untergang zieht. das war auch teilweise ein anliegen melvilles. "moby dick" ist nicht einfach nur ein seefahrtsroman. es ist ein buch, das eine unmenge von religiösen und philosophischen fragen anspricht, die damals vielleicht ein wenig aktueller waren als heute, aber heute immer noch aktuell genug sind.


    das buch hat sich zu melvilles lebzeiten übrigens ganz schlecht verkauft, und ich denke, daß es seinen heutigen ruhm wohl größtenteils den verfilmungen verdankt, die natürlich den kampf ahabs gegen den wal in den vordergrund gerückt haben. es ist ein schwierig zu lesendes buch, und wenn man es wirklich mögen will, muß man sich von der fokussierung auf den wal freimachen und genau lesen, was an bord der pequod sonst noch alles geschieht.

    es hat ja etliche gladiatoren gegeben, die jahrelang regelrechte stars der arena gewesen sind. wenn es immer so blutig abgegangen ist, wie uns die gängigen klischees suggerieren, dann wäre ihr ruhm wahrscheinlich nur ein kurzer gewesen.
    ich muß den junkelmann unbedingt mal lesen. ich kenne von ihm nur das buch über die römische reiterei "reiter wie statuen aus erz" hat es glaub ich geheißen. aber wenn ich meinen stapel ungelesener bücher, der bei mir in der ecke steht, sehe, dann komm ich in den nächsten zwei jahren wohl nicht dazu.


    ich glaub gar nicht, daß homer so sehr der gassenhauer war. den namen werden schon die meisten gekannt haben, aber ich denke, daß die meisten geschichten über den trojanischen krieg auch so durch die mündliche überlieferung weitergetragen wurden, so wie die leute ihren kindern "grimms" märchen erzählt haben, lange bevor die grimms sie aufgeschrieben haben. namen wie achilles oder hektor werden wohl auch ohne homer nicht in vergessenheit geraten sein, aber wahrscheinlich würde es heute x versionen jeder geschichte geben, hätte homer nicht die ultimative fassung aufgestellt.

    ich lasse mich immer gern eines besseren belehren. die wissenschaftler können ja nichts dafür, daß man den filmen nicht unbedingt ansieht, daß sie mit von der partie waren.
    daß manche kaiser selbst in die arena gestiegen sind, war mir schon bekannt. auch nero soll sich ja als wagenlenker hervorgetan haben (es gibt heute ja stimmen, die meinen, er soll auch als dichter nicht so schlecht gewesen sein, wie in quo vadis dargestellt, nur waren seine biografen eben keine freunde von ihm). aber waren das tatsächlich kämpfe auf leben und tod? (andererseits, warum auch nicht, es sind ja sachließlich auch kaiser in die schlacht gezogen und haben dort ihr leben gewagt).


    was den homer angeht - sicher hat den das gemeine volk nicht unbedingt gekannt. aber zumindest alle wichtigen dichter und schriftsteller der antike. auch wenn nicht alle ihn gemocht haben.


    jedenfalls bin ich froh, endlich mal menschen zu finden, mit denen ich tatsächlich über commodus und homer diskutieren kann. das wirkt richtig besänftigend auf meine seele.

    Zitat

    Wozu auch? Es gibt doch die Filme -- und außerdem ist Gladiator doch viel besser gemacht. ;-)


    oh oh, erwähne lieber nicht diesen film (am smilie erkenne ich, daß Du es wahrscheinlich ironisch gemeint hast). daß das computeranimierte rom nicht halb so echt aussieht wie das aus pappe ist nur der kleinste einwand, den ich gegen diesen film habe.
    aber es gibt ja viele leute, die zu den büchern greifen, wenn ihnen ein film gefallen hat. nur guckt auch kaum noch jemand die alten filme. dabei hat man bei den dreharbeiten zu ben hur sogar archäologen als berater hinzugezogen (die haben dann unter anderem bei den speiseszenen die tomaten von den tischen entfernt). ich kann mir nicht vorstellen, daß bei gladiator ein einziger historiker auch nur aus der ferne zu sehen war.


    beim stöbern im forum ist mir auch aufgefallen, daß es leute gibt, die homer und plato lesen. trotzdem bleiben wir eine minderheit. und so wird es auch kaum jemandem auffallen, daß es ziemlich weit hergeholt ist, kaiser commodus in der arena sterben zu lassen, von der hand eines mannes, der mitten in der tiefsten kaiserzeit die herrschaft des senats wiedererrichten will. es gibt so viele gute geschichten in den römischen quellen, ich frage mich, warum man immer wieder auf teufel komm raus erfinden muß.

    Iris


    ich habe wirklich nicht alle modernen historischen romane abwerten wollen. kann ich gar nicht, da ich viele gar nicht gelesen habe. was den baudolino angeht, den hab ich gelesen, und ich ziehe, wie schon nach "der name der rose" und meinem liebling "das foucoltsche pendel" den hut vor umberto eco. manchmal habe ich das gefühl, der mann schreibt nicht über das mittelalter, sondern er lebt darin. aber was ihn vor den meisten schriftstellerkollegen auszeichnet, ist die ungeheure vorbildung, die er hat. er muß nicht erst groß für ein buch recherchieren, sondern er schreibt über dinge, von denen er etwas versteht. und das gilt für viele autoren des 19. jahrhunderts ebenso, schon von ihrer schulischen bildung her. wer hat denn heute schon, wenn er nicht durchs studium dazu gezwungen war, die klassischen tragödien und komödien gelesen, die griechischen historiker oder die römischen biografen? nur wer die originale kennt und nicht nur aus sekundärquellen schöpft, kann neben den historischen fakten auch das lebensgefühl der zeit wiedergeben. und die meisten alten schriftsteller haben die texte gar noch in latein oder griechisch lesen müssen, während man heute selbst die allerältesten sumerischen tontafeln in bequemen übersetzungen bekommt. ich denke, daß es das ist, was die authentizität vieler älterer werke ausmacht.


    dennoch will ich nicht allzu sehr verallgemeinern. es gibt auch im 19. jahrhundert viel historischen schund, ich denke da vor allem an die beliebten germanen-romane, und heutigentags gibt es natürlich auch sehr gute sachen, z. B. finde ich den gilgamesh und den attila von Thomas R. P. Mielke ziemlich gut (auch wenn Mielke sehr zum fabulieren neigt, wo die historischen quellen schweigen, und man schnell merkt, was er aus den quellen hat und was er selbst erfunden). leider sind es nicht unbedingt die guten bücher, die in die bestsellerlisten kommen (bei baudolino hat mich das ehrlich gesagt gewundert, fast jeder, den ich nach dem buch fragte, fand es langweilig und hatte keinen spaß beim lesen), und so wie das geschichtsbild der deutschen früher von den germanen-romanen geprägt worden ist, prägen es heute "der medicus" oder die schon angesprochenen historischen frauenromane. ich will den leuten auch gar nicht vorhalten, was sie lesen sollen, jeder soll schließlich das lesen, was ihm spaß macht, ich finde es nur schade, daß kaum noch jemand die wirklich guten alten sachen kennt. in meinem bekanntenkreis zum beispiel gibt es zahlreiche medicus-fans, aber keiner hat ben hur oder quo vadis gelesen.

    ich finde, die alten romane wie "quo vadis" wirken wesentlich authentischer als die modernen, auch wenn sie mitunter grobe fehler enthalten, weil der wissensstand damals noch nicht so hoch war (viele moderne romane enthalten auch grobe fehler, weil der autor sich keine mühe gegeben hat). was mich bei vielen neueren büchern abstößt, ist, daß die figuren von ihrem charakter her viel zu modern wirken, wie in "säulen der erde" oder "medicus", sie passen einfach nicht in die zeit der handlung. da fehlt dem autor das nötige einfühlungsvermögen in den historischen rahmen. dieses gefühl hatte ich bei flaubert oder sienkewicz noch nie.

    es war wohl schon zu mays lebzeiten so, daß die leute ihn mehr mit old shatterhand als mit kara ben nemsi in verbindung brachten. das hat wohl mit der figur des winnetou zu tun, die den meisten lesern besser gefiel als all die anderen gestalten, die may erfunden hat.
    ich bin allerdings auch der meinung, daß die sechsbändige orientreise das meisterwerk von karl may ist. ich habe sie mittlerweile dreimal gelesen, und selbst beim letzten mal war es noch spannend.
    von den amerika-erzählungen finde ich "old shurehand" am besten. jedenfalls band 1 und 3. dann folgt winnetou 1. bei winnetou 2 und 3 merkt man leider zu sehr, daß sie aus früheren erzählungen zusammengestückelt sind.
    was das moralisieren betrifft, so finde ich may gerade deswegen lesenswert, weil sein held so strenge humanitäre grundsätze befolgt und sie auch an andere weitergeben will. eigentlich sollte man may zur pflichtlektüre in den schulen machen. wo kriegt man sonst neben so viel spannenden abenteuern soviel nächstenliebe gepredigt?


    die mühe, die sich karl may gemacht hat, um seine bücher mit fremdsprachigen wörtern und sätzen zu bereichern, ist bewundernswert. dabei hat er weder arabisch, persisch oder die apatschen-sprache gesprochen, sondern alles aus wörterbüchern und der reiseliteratur zusammengesucht. bei den orientromanen hat er selten fehler drin, desto mehr aber bei den amerikaromanen, da gab es einfach zu wenig linguistische literatur, die ihm zugänglich war.


    übrigens, may war erst im orient und in amerika, nachdem er die meisten seiner bücher geschrieben hatte. er kannte die länder, über die er schrieb, wirklich nur aus der literatur.

    es gibt übrigens eine Reihe "Digitale Bibliothek", die haben alle karl-may-bücher auf CD rausgebracht, und es sind auch alle kurzgeschichten dabei, die er irgendwann mal in zeitschriften veröffentlicht hat. letztere bekommt man heutzutage anderswo gar nicht mehr.


    lex barker hat auch kara ben nemsi gespielt, aber der in der vorabendserie war ein anderer. ich weiß nur, daß es den Schut als spielfilm gab.

    Edgar Allan Poe - "Die denkwürdigen Erlebnisse des Arthur Gordon Pym"


    Dieses Buch ist das wohl einzige Werk von Poe, das man seinem Umfang nach als Roman bezeichnen kann, und gleichzeitig wohl eines seiner merkwürdigsten Werke. Es beginnt wie ein spannender Seeroman mit Meuterei, Schiffbruch und allem Drum und Dran und endet, als hätte der Schriftsteller die letzten Kapitel im Delirium geschrieben. Ich selbst habe es schon zweimal gelesen und finde es ziemlich mitreißend.


    Zur Handlung: Arthur Gordon Pym träumt davon, zur See zu fahren, und dieser Traum wird war, als ein Freund von ihm ihn als blinden Passagier auf das Schiff seines Vaters bringt. Geplant ist, daß er ihn so lange versteckt hält, bis es unmöglich ist, ihn nach seiner Auffindung wieder zurückzuschicken. Allerdings meutert unterwegs die Besatzung, und Pym verdurstet beinahe, bis es seinem Freund gelingt, sich zu ihm in den Laderaum zu schleichen. Mit der Hilfe des halbindianischen Matrosen Dirk Peters gelingt es den beiden, sich wieder in den Besitz des Schiffes zu bringen, aber ein schwerer Orkan beschädigt es so schwer, daß es nur noch als Wrack auf den Wellen treibt. Die Überlebenden haben keine Nahrungsvorräte mehr, und schließlich bleibt ihnen nichts anderes mehr übrig, als zu losen...
    Erst, nachdem einer von ihnen gegessen worden ist, werden sie von einem anderen Schiff gerettet. Dieses aber befindet sich auf einer Fahrt in die unerforschten Regionen des Südmeeres. Auf einer geheimnisvollen Insel, auf der es nichts Weißes gibt, werden ihre Retter Opfer von Eingeborenen, die eine panische Angst vor allem haben, das von weißer Farbe ist. Pym und Peters entkommen in einem Boot und treiben auf den Südpol zu. Als sie eine riesige weiße Gestalt zu Gesicht bekommen, bricht die Erzählung ab. Im Nachwort erklärt Poe, daß Arthur Gordon Pym gestorben wäre, ohne daß er irgendjemandem die Geschichte zu Ende erzählen konnte.


    Das Buch ist eine spannende Seefahrergeschichte, in die Poe einige nette Schockeffekte eingebaut hat, wie es so seine Art war. Der zweite Teil, die Fahrt zum Südpol, hat dann plötzlich ganz anderen Charakter, es ist die Beschreibung einer Entdeckungsfahrt, die sich immer mehr im Geheimnisvollen verliert, und zum Schluß macht sich Poe auch nicht mehr die Mühe, irgendetwas erklären zu wollen, sondern liefert einige dunkle Andeutungen, die das Rätsel nur noch vertiefen, statt es zu lösen. Wer also lieber Geschichten mit einer vernünftigen Aufklärung am Ende mag, wird den Arthur Gordon Pym nicht unbedingt mögen, aber die Atmosphäre, die Poe in seinem Buch schafft, ist richtig unheimlich und mysteriös, und das macht es lesenswert.
    Die Ausgabe, die ich zu Hause hab, ist von 1965 und hat keine ISBN, ich hab also die ISBN einer anderen Ausgabe unten angegeben. Witzig ist, daß das Buch bei Ullstein unter der Rubrik: Ullstein Urlaubs-Klassiker erschienen ist. Also die richtige Lektüre für eine zünftige Kreuzfahrt.
    Wer unbedingt eine Auflösung der Handlung haben möchte, kann hinterher von Jules Verne den Roman "Die Eissphinx" lesen, in dem der Franzose versucht hat, Poes Roman zuende zu erzählen. Allerdings bleibt der Verne meilenweit hinter dem Vorbild zurück.

    Ich sehe schon, Ihr habt's nicht so sehr mit den Klassikern. Trotzdem möchte ich einen meiner Lieblingsromane vorstellen. Erschienen ist er 1862, und es handelt sich um einen der ersten historischen Romane, der diese Bezeichnung wirklich verdient.


    "Salambo" von Gustave Flaubert


    Im Jahre 244 v.Chr. führt Karthago Krieg auf Sizilien. Sein Heer besteht vorwiegend aus Söldnern, die aus allen Ländern des Mittelmeerraumes stammen. Aber Söldner kosten Geld, und als das Heer nach Nordafrika zurückkehrt, sieht sich die Stadt nicht in der Lage, die Soldaten zu entlohnen. Man hält sie hin, macht ihnen halbherzige Versprechungen, würde sie am liebsten los sein. Aber die Söldner, die ihr Lager in der Nähe Karthagos aufschlagen, sind nicht gewillt, das Land zu verlassen, solange sie nicht die ihnen zustehende Belohnung in den Händen halten.
    In dieser Situation lernt der Libyer Matho, einer der Krieger des Söldnerheeres, Salambo kennen, die Tochter des ehemaligen Oberbefehlshabers Hamilkar und Priesterin der Göttin Tanit. Er entbrennt in Liebe zu ihr, was unter den gegebenen Umständen keine gute Idee ist, da es letztendlich zum Krieg der Söldner gegen Karthago kommt. Zu Beginn sieht es so aus, als würden diese die Oberhand behalten, und auch Matho macht bei der Tochter des Suffeten Fortschritte. Doch dann ernennt man ihren Vater erneut zum Oberbefehlshaber des Heeres, und Hamilkar geht mit Energie daran, die abtrünnigen Söldner vom Erdboden zu vertilgen...


    Für einen so alten Roman ist "Salambo" erstaunlich gut recherchiert. Flaubert hat fast alles gelesen, was es zu seiner Zeit zu diesem Thema in französischer Sprache gab und sich auch die damals stattfindenden Ausgrabungen in Karthago angesehen. Selbst dort, wo er Wissenslücken mit eigener Phantasie zu füllen hatte, wirkt das Buch ungemein realistisch. Für die Handlung hatte er sich einen Teil der Punischen Kriege ausgesucht, der durch römische Quellen recht gut bekannt war; darüberhinaus gelang es ihm ausgezeichnet, diese Epoche lebensnah zu beschreiben. Trotz der Liebesgeschichte gibt es keine kitschigen Stellen, Flauberts Stil ist ungemein nüchtern und distanziert, einfach in seinen Beschreibungen und nie langweilig. Es ist allerdings kein Buch für all jene, die beim Lesen gerne dahinschmelzen und auf einem Happy End bestehen.


    Trotz der beinahe anderthalb Jahrhunderte, die das Buch inzwischen auf dem Buckel hat, ist es einer der gelungensten historischen Romane bis heute, und steht bei mir in den Top3, neben "Quo Vadis" und "Ben Hur".


    Auf der Webseite von Projekt Gutenberg kann man "Salambo" übrigens kostenlos lesen.

    Für meine erste Buchvorstellung hier im Forum will ich mal einen Klassiker rauskramen.


    "Lope de Aguirre - Fürst der Freiheit" von Miguel Otero Silva.


    Das Buch des venezolanischen Autors erschien 1979 und wurde vom Aufbau-Verlag in Ost-Berlin 1981 in Deutsch rausgebracht (exzellente Übersetzung).


    "Lope de Aguirre" ist eines der lesenswertesten Bücher, die ich kenne, und sehr zu Unrecht heutigentags in Deutschland fast vergessen.


    Über Aguirre, den Konquistador, der an einer Amazonasexpedition teilnahm und als wahnsinniger Schlächter in die Geschichte einging, brauche ich ja sicherlich nicht viel zu erzählen. Die meisten werden ihn aus dem Herzog-Film "Aguirre - Der Zorn Gottes" kennen, mit einem gnadenlos guten Klaus Kinski in der Hauptrolle. Die historischen Quellen, die ja meist von königstreuen Beamten verfaßt wurden, gehen nicht sehr wohlwollend mit dem Hochverräter um, und Silva war der erste Autor, der versucht hat, ein gänzlich anderes Bild von Aguirre zu zeichnen, der versucht hat, die Gründe für seinen Verrat an der Krone und für seine blutigen Morde darzulegen. Er macht aus ihm eine geschundene Kreatur, dessen Schrei nach Freiheit sich nach und nach in brutale Raserei verwandelt.


    Der junge Lope de Aguirre geht nach Südamerika, weil sowohl er als auch seine Familie meint, daß er dort durchaus sein Glück machen und Reichtümer erwerben kann. Aber es dauert nicht lange, bis er all seine Ideale und seine Hoffnungen verliert. Peru zeigt sich ihm als eine von korrupten königlichen Beamten ins Chaos gewirtschaftete, ausgebeutete Provinz. Der König im fernen Spanien ist nur an ihren Reichtümern interessiert und schert sich einen Dreck um jene Kämpfer, die ihr Leben wagen, um diese Reichtümer für ihn zu erobern. Nur die Speichellecker machen ihr Glück; er selbst verliert sein Vermögen und seine geliebte Frau, und alles, was ihm bleibt, ist die Tochter, die er vergöttert, und sein Rachedurst gegen Philipp, den spanischen König.
    Er schließt sich einer Expedition an, die unter dem Kommando von Pedro de Ursúa den Amazonas erforschen soll, um das sagenhafte Goldland El Dorado zu finden. Aguirre ist es, der in seiner rücksichtslosen Art das gefährliche Wagnis immer wieder vorantreibt, während der eigentliche Befehlshaber sich als unfähig erweist. Schließlich reißt er den Befehl über die Konquistadoren an sich und ermordet all jene, die ihm im Wege stehen. Dem König erklärt er offen den Krieg; sein Ziel ist es, ein Königreich El Dorado zu gründen, ein Land der Freiheit für Männer wie ihn, die von der Krone und ihren Beamten mit Füßen getreten werden. Auf einer Insel errichtet er ein Terrorregime, und seine Herrschaft verwandelt sich je mehr in blutige Tyrannei, desto hoffnungsloser seine Lage wird. Seine Rache gegen den König richtet sich gegen all jene, die ihm dienen, und er stillt den Haß, den er in sich trägt, mit ihrem Blute. Schließlich bricht seine Rebellion zusammen. Er selbst wird von königlichen Soldaten ermordet, vorher noch tötet er eigenhändig die geliebte Tochter, um ihr ein Leben in Schande zu ersparen, wenn sie den Feinden in die Hände fällt.


    O-Ton Klappentext:
    "Doch was Lope de Aguirre zum Tyrannen macht, ist sein Haß auf die Tyrannen, was aus ihm einen Mann des Chaos werden läßt, ist seine Sehnuscht nach einer wahren Ordnung. Er stirbt, ohne sein Ziel, Peru den Klauen der königlichen Gewalt zu entreißen, erreicht zu haben, aber in dem stolzen Bewußtsein, sich selbst treu geblieben, Lope de Aguirre, der Fürst der Freiheit, gewesen zu sein."
    Ob diese Darstellung des Lope de Aguirre als gescheiterter Revolutionär, als Vorgänger eines Simón Bolívar, nun historisch korrekt ist, mag dahingestellt bleiben. Das Beeindruckende an dem Buch ist, wie es über die Beschreibung der bloßen Historie hinausgeht und eine Geschichte erzählt, die bis ins Lateinamerika der Gegenwart hinein Aktualität hat. Dabei ist es glänzend recherchiert und fängt auf einmalige Weise das damalige Zeitgefühl ein. Der Stil, in dem es geschrieben ist, ist packend und emotionsgeladen, wie eben nur die Südamerikaner schreiben können. Vor allem die Monolge Aguirres, in denen er all seine Gefühle offenlegt, von der Liebe zur urwüchsigen Wildnis Amazoniens bis zu dem Haß, den er König Philipp förmlich ins Gesicht speit, gehören meiner Meinung nach zu dem Besten, was lateinamerikanische Autoren jemals verfaßt haben.
    Lope de Aguirre ist ein historischer Roman, wie er meiner Meinung nach sein muß: gut recherchiert, exzellent geschrieben, aber mit einer Botschaft, die bis in die Gegenwart hinein Gültigkeit hat und auch in etlichen Jahren noch aktuell sein wird.


    Hermann R. Heim

    Also, ich bin überrascht, daß es so wenige negative Kritiken über das Buch gibt. Bei mir steht "Die Säulen der Erde" auf einer Ebene mit "Der Medicus"; die beiden Bücher sind schuld daran, daß ich kaum noch moderne historische Romane lese.


    "Die Säulen der Erde" mag ja spannend sein, ist aber ziemlich vorhersehbar. Besonders gut recherchiert ist es auch nicht. Der Hauptgrund, warum ich historische Romane lese, nämlich um auf angenehme Art Handfestes über die jeweils behandelte Zeit dazuzulernen, wird hier so gut wie gar nicht erfüllt. Die ganze historische Szenerie ist ein nur flüchtig entworfener Hintergrund, um die Geschichte, die sich überall und zu fast allen Zeiten so ähnlich hätte zutragen können, farbenprächtig zu untermalen.


    Das wirklich Schlimme aber sind die Charaktere. Die sind absolut unglaubwürdig. Alle Bösewichte sind eigentlich so, wie sie im Mittelalter hätten sein müssen, aber alle Guten sind ausgesprochen modern wirkende und modern denkende Gestalten und haben Ansichten, die absolut untypisch für ihre Zeit sind. Und ich finde, daß es einen guten historischen Roman ausmacht, daß auch seine Protagonisten in den zeitlichen Rahmen passen. "Die Säulen der Erde" warten zwar nicht mit solch haarsträubenden historischen Fehlern auf wie der "Medicus", aber man erfährt auch nicht viel mehr über die Zeit als in jedem Reiseführer. Und ich weiß nicht, ob das nur an der deutschen Übersetzung liegt, aber den Stil fand ich grottenschlecht.


    Da lese ich doch lieber Walter Scott. Der hatte zwar nie den Anspruch, wirklich authentisch zu schreiben, ist aber bei der Schaffung eines Zeitgefühls für das Mittelalter wesentlich näher dran.