The Wheel of Time - Robert Jordan
(Das Rad der Zeit)
Lews Therin Telamon, genannt der Drache, ein vor Jahrtausenden lebender Mann von dem nur noch Mythen überliefert sind, zerstörte einst den Großteil der Welt. Auch heute noch, in einem neuen Zeitalter der Menschheit, in dem die Errungenschaften von damals nur noch Legenden sind und der stete Kampf ums Überleben den Tagesablauf beherrscht, sorgt allein der Name "Drache" für Angst und Schrecken. In seinem Namen wurden Kriege geführt und Imperien errichtet, Länder erobert und Völker vernichtet.
Die Welt dreht sich weiter und alles, was einst war, kehrt in alter und neuer Form wieder. Wenn nicht bei der nächsten, dann bei einer späteren Umdrehung des Rad der Zeit. Jetzt ist es wieder soweit: Der Drache wurde wiedergeboren und erneut neigt sich ein Zeitalter seinem Ende zu - vielleicht zum letzten Mal.
James Oliver Rigney, Jr., veröffentlichte unter dem Pseudonym Robert Jordan 1990 "The Eye of the World" (Die Suche nach dem Auge der Welt), den ersten Band des Rad der Zeit. Ursprünglich als eigenständiges Buch gedacht, nach dem großen Erfolg zu einer Trilogie ausgeweitet und später als zehnbändige Serie geplant, wird sie Anfang 2013 mit dem 14. Band ein Ende finden (die deutsche Ausgabe ist im Heyne-Verlag auf 37-38 Bände aufgeteilt; die neue Ausgabe "Das Original" im Piper-Verlag entspricht den originalen 14). Ergänzt wird das Rad der Zeit durch die Vorgeschichte "New Spring" und den illustrierten Begleitband "The World of Robert Jordan's The Wheel of Time".
Nach dem Tode Jordans 2007, nachdem er noch seine Notizen, Entwürfe und Ideen fertigstellen und einige Kapitel beenden konnte, übernahm Brandon Sanderson ("Mistborn", "The Stormlight Archive") die Serie und bringt zusammen mit Roberts Witwe Harriet, der guten Seele und Lektorin der Bände, die Geschichte zu ihrem würdigen Abschluss.
Insbesondere der Beginn der Reihe wirkt heute sehr traditionell und schon oft gesehen: Ein junger Mann als Protagonist, ein Auserwählter, eine Gruppe von Gefährten auf einer Reise und vorherbestimmende Prophezeiungen. Dabei sollte zwar nicht vergessen werden, dass es auch diese Reihe war, die diese Klischees zu dem gemacht hat was sie heute sind, seine wahren Stärken zeigt das Rad der Zeit aber besonders ab dem vierten Band, wenn viel betretene Pfade verlassen werden und die Geschichte an Komplexität enorm zunimmt.
Konzepte, die im ersten Band angesprochen werden, finden sich in den späteren Bänden ausgearbeitet und in die Welt wunderbar integriert wieder, scheinbar unwichtige Nebendetails werden tausende Seiten später wieder aufgegriffen und schaffen eine glaubwürdige und ungeheuer lebendige Welt, ohne dass es für das Verständnis der Geschichte essentiell ist diese Details auch zu bemerken - es liest sich viel mehr wie ein Präsent für aufmerksame und auch wiederholte Leser, bei denen sich ein Aha-Effekt einstellt und die in die tieferen Zusammenhänge dieser Welt eintauchen können.
Die besondere Stärke der Reihe ist die durchdachte und glaubwürdige Welt. Während beinahe sämtliche in den letzten Jahren populär gewordene Fantasybücher und -serien auf das phantastische Element der Geschichte setzen ohne dabei auf Konsistenz oder Glaubwürdigkeit zu achten, ist die hier erschaffene Welt eine äußerst realistische, mit einer eigenen komplexen Geschichte.
Zentrale Elemente sind die zyklische Natur der Welt und die Vergänglichkeit. Ein jeden Band einleitender Text in der Form
The Wheel of Time turns, and Ages come and pass, leaving memories that become legend.
Legend fades to myth, and even myth is long forgotten when the Age that gave it birth comes again.
In one Age, called the Third Age by some, an Age yet to come, an Age long past, a wind rose in the Mountains of Mist.
The wind was not the beginning. There are neither beginnings nor endings to the turning of the Wheel of Time.
But it was a beginning.
(Das Rad der Zeit dreht sich, Zeitalter kommen und gehen und hinterlassen Erinnerungen, die zu Legenden werden.
Legenden verblassen zu Mythen und selbst die sind längst vergessen, wenn das Zeitalter wiederkehrt, das an ihrem Ursprung stand.
In einem dieser Zeitalter, manche nennen es das Dritte Zeitalter, das einst kommen wird, das schon lange vergangen ist,
erhob sich ein Wind in den Verschleierten Bergen. Der Wind war nicht der Anfang.
Es gibt keinen Anfang und kein Ende der Drehungen des Rad der Zeit. Aber es war ein Anfang.)
fängt die Stimmung sehr schön ein. Uralte Geschichten, vergangene Mythen und die Erzählkunst der umherfahrenden Gaukler und Barden erzählen aus der Vergangenheit und geben gleichzeitig einen Ausblick auf die Zukunft und die zu erwartenden Geschehnisse.
In einer Welt, die dem Stand des (Fantasy-)Mittelalters entspricht, in dem Kriege seit dreitausend Jahren alltäglich sind und die meisten Menschen nur in Ruhe leben möchten - welchen Geschichten und Erinnerungen, welchen Gerüchten und Mythen, welchen Erzähungen und Prophezeihungen kann hier wirklich getraut werden und welche Informationen haben sich im Verlauf der Zeit verändert, welche wurden bewusst manipuliert. Was steckt wirklich hinter dem überlieferten Kampf zwischen Mosk dem Giganten und Elsbeth der Königen der Welt mit ihren Lanzen aus Feuer?
Das originelle Magiesystem das hier benutzt wird ist sehr durchdacht und wirkt zu keinem Zeitpunkt willkürlich, aufgesetzt oder als Deus ex machina missbraucht. Es integriert sich vielmehr auf natürliche Art in die beschrieben Welt. Auch wenn die Leser nicht mit den Regeln und Techniken gelangweilt werden sind sie vorhanden und können bei aufmerksamem lesen bis ins Detail erkannt und verstanden werden.
Eine längst vergessene Traumwelt parallel der Wirklichkeit, kriegerische Wüstenvölker, pazifistische Weltenwanderer und mit Menschen umherziehende Wölfe, über zweitausend benannte Personen, Dutzende sich abwechselnde Erzählperspektiven, unzählige Handlungs- und Nebenhandlungsstränge, komplexe Hierarchien, politische Intrigen, Hintermänner und unzählige Völker und Kulturen runden die Welt ab.
Das Rad der Zeit bedient sich frei der verschiedensten Mythologien, Historien und der Literatur. Aus dem Buddhismus entstammt die zyklische, sich wiederholende Welt, aus einer Mischung aus Hinduismus und abrahamischem Monotheismus die Schöpfergottheit und als Gegenstück der Zerstörer; Sinnbilder für Ordnung und Chaos: Licht und Schatten, wie es in der Serie heißt.
Die Eigenschaften der germanischen Götter (ohne deren Kräfte) finden sich gezielt auf die Figuren verteilt wieder, die Artussage ist in eigener Form in die fiktive Geschichte und aktuelle Ereignisse eingefügt. Der erste Band liest sich wie eine Homage an den Herrn der Ringe, in späteren folgt unweigerlich ein Vergleich zu Dune.
Schicksalsergebenheit und Freiheitsdrang sind sich ständig gegenüberstehende Motive; Prophezeihungen, die den Figuren jegliche Entscheidungen und Verantwortung abnehmen, werden zunächst abgelehnt, später ignoriert oder manipuliert und schließlich von einigen so verstanden, wie sie gedacht sind. Wer es sich zu einfach macht und denkt, dass mit dem Vorhandensein von Prophezeiungen die Spannung raus ist, sollte bedenken, dass diese selten das besagen was sie zu besagen scheinen, da Wörter und manchmal ganze Sprachen sich in den Jahrtausenden ändern können. Und dass auch der dunklen Seite in Prophezeiungen der Sieg versprochen wurde.
Darin lässt sich ein weiteres Motiv der Reihe sehr schön sehen: Wissen. Die Bewahrung des Wissens, das Studieren des Bekannten und die Anwendung auf aktuelle Probleme, neues Wissen erwerben und altes wiederzuentdecken. Die dunkle Seite des Wissens, die Korrumpierung und Manipulation des Wissens, Spionage und Misstrauen, Folter und Heuchelei. Viele Personen behalten Wissen für sich, aus Egoismus oder Misstrauen oder um andere Menschen zu manipulieren. Wissen ist auch im Rad der Zeit Macht.
With his coming are the dread fires born again. The hills burn, and the land turns sere. The tides of men run out. And the hours dwindle.
The wall is pierced, and the bell of parting raised. Storms rumble beyond the horizon, and the fires of heaven purge the earth.
There is no salvation without distruction, no hope this side of death.
-- Fragment from The Prophecies of the Dragon, believed to be translated by N’Delia Basolaine,
First Maid and Swordfast to Raidhen of Hol Cuchone (circa 400 AB)
Am Anfang schuf der Schöpfer die Welt und mit ihr das Rad der Zeit. Weggesperrt außerhalb der Schöpfung steht Shai'tan, die Verkörperung des Chaos und Gegenstück des Schöpfers. In seinem Versuch, alles existierende zu vernichten und die Schöpfung wieder umzukehren, nimmt er immer wieder Einfluss auf die Welt und vergiftet den männlichen Teil der Einen Macht, die ihre Träger zu magischen Wundern befähigt, mit seiner eigenen Form der Magie, der Wahren Macht. Jeder Mann, der die Befähigung zur Magie hat, wird in kurzer Zeit wahnsinnig und wendet die Macht wahllos und zerstörerisch gegen alles in seiner Umgebung. Geschützt sind nur seine eigenen Anhänger, die Verlorenen, heute nur noch bekannt als Schreckensgestalten, deren Namen nicht nur Kindern Angst einjagen („Seid artig, sonst holen euch heute Nacht die Verlorenen”).
So ist es kein Wunder, dass mittlerweile die Frauen beinahe überall das Sagen haben und über die Geschicke der Welt bestimmen. Insbesondere die Aes Sedai, die magiebegabten Frauen der Welt, üben einen nicht unbedingt subtilen Einfluss aus und nur der selbst auferlegte und magisch bindende Schwur, die Macht nicht als Waffe oder gegen Menschen zu benutzen, hindert sie daran, die ganze Welt zu beherrschen. Ursprünglich als Bollwerk gegen das Böse gedacht sind sie bereits seit Jahrhunderten der Welt entfremdet und längst nicht mehr so vereint wie sie es sein sollten.
Shai'tan ist bei seinen Versuchen nicht ohne Unterstützung der Menschen selbst. Ein ständig wiederholter Katechismus, seit Jahrtausenden überliefert, lautet
The Dark One and all the Forsaken are bound in Shayol Ghul, bound by the Creator at the moment of Creation, bound until the end of time.
(Shai'tan und alle Verlorenen sind gefangen in Shayol Ghul, gefangen durch den Schöpfer im Augenblick der Schöpfung, gefangen bis zum Ende der Zeit.)
Shai'tan, die Verlorenen - die mächtigsten und skrupellosesten Magier - und die im Namen des Schattens (als Gegenstück zum Licht im ewigen Kampf Licht gegen Dunkelheit) agierenden Menschen setzen alles daran, ihre Ziele zu erreichen.
Trotz alldem spielt Religion in der Welt keine Rolle. Der Schöpfer existiert und sein Einfluss kann direkt erfahren werden. Shai'tan nimmt Einfluss auf die Welt und seine Anhänger morden ohne Rücksicht. Ein Bedürfnis für Kirchen oder Rituale scheint nicht zu existieren, religiöser Fanatismus ist auf eine kleine, aber einflussreiche, Gruppe beschränkt.
Die größte Schwäche der deutschen Auflage ist die Qualität der Übersetzung. Wechselnde Übersetzer, inkosistente Übersetzung und manchmal fragwürdig (der "Dunkle König" ist weder dunkel noch König, der "Brudermörder" hatte nie Brüder, Feuchtländer?) oder in deutscher Sprache seltsam anmutend ("Behüter" erweckt nicht wirklich das Bild der grimmigsten und mächtigsten Kampftruppe). Und das sind nur einige der allgemeineren Probleme; Schreib-, Grammatik- und Übersetzungsfehler ziehen sich durch die Übersetzungen. Viele Nuancen und Wortbedeutungen fehlen, die Unterscheidung zwischen "Shadow" und "shadow", als Beispiel, ist im Englischen eindeutig und enthält viele Konnotationen, im Deutschen existiert dazu kein Pendant.
Auch die Aufspaltung auf jeweils mehrere deutsche Bände bringt seine Tücken mit sich. Einige Bücher haben dadurch keinen klaren Handlungsstrang, es fehlen die Höhepunkte oder der Zusammenhang wird nicht deutlich. Es fehlt auch das klassische Muster der Originale. Insgesamt seien die Originale jedem mit auch nur mittelmäßigen Englischkenntnissen wärmstens ans Herz gelegt.
Einen Tiefpunkt der Erzählung erreicht die Reihe mit dem 9. und 10. Band, die sich sehr lange hinziehen und deutlich hätten gestrafft werden können. Mit dem 11. Band konnte der Spannungsbogen aber wieder aufgebaut werden und mit dem Einstieg Sandersons ab dem 12. wird die Klasse der ersten Bände problemlos wieder erreicht. Sanderson setzt zwar andere Schwerpunkte als Jordan (Szenen- statt Charakterorientiert) und vermurkst einige Persönlichkeiten, insgesamt ist aber auch Sanderson ein starker Autor und liefert eine mehr als ordentliche Arbeit ab.
And his paths shall be many, and who shall know his name, for he shall be born among us many times, in many guises, as he has been and ever will be, time without end.
His coming shall be like the sharp edge of the plow, turning our lives in furrows from out of the places where we lie in our silence.
The breaker of bonds; the forger of chains. The maker of futures; the unshaper of destiny.
-- From Commentaries on the Prophecies of the Dragon by Jurith Dorine, Right hand to the Queen of Almoren, 742 AB, the Third Age