Antoine Audouard - Abschied von Heloise

  • Antoine Audouard, Abschied von Heloise. Roman. 360 S. geb. mit SU. ISBN 3-546-00297-0; vergriffen (Restauflage wird derzeit verramscht).


    OA: Au revoir, mon unique. 466 S. geb. Edition Gallimard, Paris 2000. ISBN 207075877X; Eur (Fr) 18,29. TB 466 S. Gallimard, Paris 2002. ISBN 207042183X; Eur (Fr) 7,--


    Über den Autor
    Antoine Audouard, geboren 1956, war nach drei ersten Romanveröffentlichungen (Marie en quelques mots, Le Voyage au Liban, Abeilles, vous avez changé de maître) über zwanzig Jahre im Verlagswesen tätig, zuletzt als Leiter des Verlags Laffont-Fixot in Paris. Heute widmet er sich als freier Autor ganz dem Schreiben.
    Nach Au revoir, mon unique veröffentlichte er die Romane Une maison au bord du monde (2001, TB 2004), La Peau à l'envers (2003, TB 2005) und Le Messager des sables (2003, TB 2005).


    Über das Buch
    Als William von Oxford auf seinem Streifzug durch Paris einer jungen Frau begegnet, verliebt er sich auf den ersten Blick in sie. Er folgt ihr, lernt die schöne Heloise näher kennen, und es gelingt ihm, sie für seine philosophischen Studien bei Peter Abaelard zu begeistern, jenem Philosophen, dessen Ideen ganz Paris beschäftigen. Hätte William allerdings geahnt, welchen Eindruck Abaelard auf Heloise machen würde, hätte er sie von seinem Lehrer und Meister ferngehalten.
    Doch Abaelard und Heloise verlieben sich ineinander, und als Heloise schwanger wird, bricht der Zorn ihres Onkels über Abaelard herein, und ihm bleibt -- wie Heloise -- nur der Weg ins Kloster.
    Antoine Abaelard gelingt es, die Zeit und ihre geistigen Umwälzungen ebenso klar und prägnant einzufangen wie er es versteht, diesem Mythos von Liebe und Leidenschaft ein modernes Gesicht zu verleihen. Ein Roman über gelebte Philosophie und eine -- gegen alle Widrigkeiten -- gelebte Liebe, die von der französischen Presse zu Recht gefeiert wurde.

    (Klappentext)


    Meine Meinung
    Im Nachwort, in dem Audouard sich mit den Rahmenbedingungen dieses schwierigen Projekts beschäftigt, heißt es: »Einen Roman zu schreiben, der sich an realen, zur Legende gewordenen Personen inspiriert, ist ein Vorhaben, bei dem der anfängliche Enthusiasmus rasch einem Gefühl von Mutlosigkeit weicht. Wie stellt man es an, Personen „zum Leben zu erwecken”, denen bereits jahrhundertealte Träume und Illusionen, Hoffnungen und Phantasmen innewohnen?«
    Dieses Problem stellt sich jedem Autor historischer Romane, und man kann es beiseiteschieben und einen unbekümmerten Lesespaß für wenige Stunden produzieren -- oder man nimmt die Mühe auf sich, wühlt sich in die Zeit ein, ihre Art zu denken, zu fühlen und zu handeln, wie sie sich in zeitgenössischen Texten und Bildern spiegeln, wobei man versuchen muß, Modernismen zu meiden.


    Audouard gelingt das in weiten Teilen des Romans. Sprachlich und erzählerisch ist Abschied von Heloise ein geradezu typisch französischer Roman: Der Autor legt Wert auf einen flüssigen und zugleich literarischen Stil, der sich äußerst angenehm liest, ohne dabei einzulullen. William/Wilhelm ist hervorragend gezeichnet, seine Gedanken und Gefühle transportieren das Denken und Fühlen des 11. Jhs. in schlüssiger und nachvollziebarer Weise. Seine lebenslange Liebe zu Heloise, die ihn davon abhält, die Gelübde abzulegen, gehört zu den interessantesten und schönsten Stimmen dieser Art, die ich gelesen habe.
    Auch die Vermittlung der Biographien von Heloise und Petrus Abaelardus läßt nichts zu wünschen übrig. Zudem erweckt Audouard neben Bernhard von Clairvaux und vielen anderen damals bedeutenden historischen Personen auch einen Baumeister zum Leben, von dem nichts die Zeit überdauert hat außer seinem Werk, der Kathedrale von Autun, dessen Typnanon er signierte: »Gislebertus hoc fecit« - »Giselbert schuf dies«


    Abstriche gibt es ausgerechnet bei der Schilderung der Liebe zwischen Abaelard und Heloise. Auch wenn ich die Emotionen des Erzählers William berücksichtige, der selbst in die junge Frau verliebt ist und Abaelard sein Leben lang als Rivalen ansieht, fehlt mir einerseits die historische Einbindung -- die Beziehung erscheint phasenweise als sehr heutige "rein sexuelle" Beziehung --, andererseits die Intensität.
    Zudem wird die Bedeutung von Abaelard Philosophie zwar behauptet, aber nie herausgearbeitet; sein Denken blieb mir in diesem Roman schleierhaft (was merkwürdig war, weil ich mich schon einmal längere Zeit mit seinen Texten beschäftigt habe).


    Abgesehen von diesen Kritikpunkten bleibt der Roman ein äußerst lesenswertes Buch, und es schmerzt mich, daß Abschied von Heloise neben einigen ziemlich trivialen Umsetzungen dieses Themas und zahllosen anderen historischen Romanen ein Schattendasein führte, so daß die Restauflage jetzt sogar verramscht wird.
    Hoffentlich führt diese Rezi wenigstens dazu, daß diese Bücher bald glückliche Besitzer finden!


    Ein wirklich empfehlenswerter Roman, bei dem die Abstriche eigentlich vor allem den "Fachmenschen" betreffen.

  • Der Text auf dem Buchrücken: "Die unsterbliche Liebe von Abaelard und Heloise:
    Er ist einer der größten Philosophen des 12. Jahrhunderts. Sie ist seine begabteste
    Schülerin. Er verführt sie, doch sie zeigt ihm, was Liebe ist ..."
    hat m.E. nicht sehr viel mit dem Inhalt des Buches gemein, denn die beiden Figuren
    sowie ihre Liebe bleiben bis auf wenige Szenen ziemlich blass.


    Dennoch ist es ein wunderschöner Roman, der mir besonders aufgrund der Sprachgewalt
    in guter Erinnerung bleiben wird.


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Für den Klappentext der deutschen Ausgabe kann der arme Antoine Audouard nichts. Hier wurde wieder mal auf eine weibliche Hauptfigur und eine zentrale Rolle der Liebesgeschichte rekurriert -- voll daneben!
    Auf diese Weise frustriert man per Marketing die Freunde der Romanze, die das Buch kaufen, und diejenigen, für die es gedacht ist, kommen angesichts des Klappentextes gar nicht erst darauf, es zu kaufen.


    Mich hat dieser Klappentext zunächst abgeschreckt -- allerdings weiß ich ja, wie so was entwickelt wird, seitdem schaue ich ins Buch erstmal rein oder besorge mir andere Meinungen.

  • Mir wurde das Buch ja auch von "sicherer Seite" ans Herz gelegt und ich wurde
    nicht enttäuscht.
    Gekauft hätte ich es allerdings ansonsten nicht, auch weil ich nirgendwo darauf
    gestoßen bin. Eine Schande!


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Zum Glück kannte ich den Klappentext nicht, sondern habe das Buch rein auf Empfehlung einer Büchereule gelesen. :wave


    Ich war auch noch sehr skeptisch, da a) historische Romane nicht mein Ding sind und b) französische Autoren schon gleich gar nicht. Das Buch hatte es also nicht einfach mit mir.


    Dennoch hat es mich durch wunderschöne Momente (wie z.B. mit dem Bild, das Chrétien auf Williams Haut malt) und eine bildhafte, intensive Sprache überzeugt. Es ist wirklich ganz wunderbar geschrieben.


    Ich muß mich allerdings meinen Vorlesern anschließen: Die eigentliche Liebesgeschichte zwischen Abaelard und Heloise bleibt bis auf wenige Momente seltsam blass und leblos.


    Sehr, sehr interessant fand ich dagegen die Rolle und das Leben des William von Oxford. Ein Mann, der eigentlich gar kein eigenes Leben führt, sondern in der Freundschaft und Liebe zu den beiden Protagonisten aufgeht. Eigentlich ist die wahre Liebesgeschichte, die Objekt des Buches ist, die unerfüllte Liebe des William von Oxford zu Heloise... und die zu seinem Meister. Zumindest empfand ich das so.


    Es ist kein Buch, das man einfach mal so nebenbei liest. Man muß schon darin eintauchen. Wenn man das aber tut, dann liest man eine wirklich wunderschöne und interessante Geschichte.


    Ich war zwar ein wenig benachteiligt, weil ich den Mythos von Abaelard und Heloise nur in groben Zügen kannte und auch über die geschichtlichen Hintergründe dieser Zeit oder die Lehren Abaelards nur wenig weiß - aber das tat dem Lesevergnügen keinerlei Abbruch.


    Auf der Schulnotenskala würde das Buch bei mir auf jeden Fall eine 2 kriegen - zu einer 1 reicht es nicht ganz, weil bei der Abaelard/Heloise-Liebesgeschichte noch mehr Potential drin gewesen wäre. ;-)

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Nachdem ich die Rezi von Iris gelesen hatte und eine Freundin es unbedingt loswerden wollte, weil es ihr gar nicht gefallen hat, habe ich natürlich zugegriffen und es nicht bereut.


    Ich hätte mir zwar auch gewünscht, dass die Liebesgeschichte zwischen Abaelard und Heloise etwas mehr hervorgehoben wird, aber ich konnte dann trotzdem gut damit leben, dass eigentlich die Liebe von William zu den beiden im Vordergrund stand.


    Bisher habe ich mich eigentlich immer etwas davor "gedrückt" französische Autoren zu lesen (so genau weiß ich allerdings auch nicht warum), aber in diesem Falle hat es sich gelohnt. Durchweg ließ es sich wunderbar lesen und obwohl ich mir extra viel Zeit lassen wollte, hatte ich es doch bald zu Ende gelesen.


    Viele Grüße
    Shirat

    Viele Grüße
    Shirat


    Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere. (Groucho Marx)

  • Zitat

    Original von Shirat
    Bisher habe ich mich eigentlich immer etwas davor "gedrückt" französische Autoren zu lesen (so genau weiß ich allerdings auch nicht warum)


    Ich mag französische Autoren an und für sich auch nicht.Ich finde, sie schreiben irgendwie "unrund" und man kann sie meist nicht flüssig lesen.


    Entweder schreiben "die Franzosen" nun mal so oder - was ich eher glaube - es liegt an der Übersetzung ins Deutsche.


    Egal - aufgrund Iris' eindringlicher Empfehlung :grin habe ich dem Autor eine Chance gegeben und es ebenfalls nicht bereut.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)