Weiße Mäuse - Andreas Stammkötter

  • ASIN/ISBN: 3839224217


    Andreas Stammkötter: Weiße Mäuse. Kriminalroman, Meßkirch 2019, Gmeiner Verlag, 978-3-8392-2421-2, Softcover, 278 Seiten, Format: 12,1 x 2,5 x 20 cm, Buch: EUR 12,00 (D), EUR 12,40 (A), Kindle: EUR 9,99.


    „Ja, ja, das wissen wir schon alles.“ Der Anwalt war genervt. „Sie stehlen mir meine kostbare Zeit mit alten Kamellen. Ich dachte, Sie hätten etwas Neues.“ (Seite 207)


    So ähnlich wie dem oben zitierten Anwalt ging es mir beim Lesen streckenweise auch.


    Die Ausgangssituation ist für einen Krimi-Konsumenten vielversprechend: Trotz schlechten Wetters lässt sich der Leipziger Zoo-Tierarzt Dr. Hans Hasenhaus von einem befreundeten Piloten mit einem Sportflugzeug nach Turin fliegen, angeblich, um dort ein Wildtierbaby zu untersuchen. Über dem Voralpenland stürzt das Flugzeug ab. Pilot und Passagier sind tot.


    Absturz eines Sportflugzeugs

    An der Absturzstelle angekommen, wird den Leipziger Kommissaren Kroll und Wiggins und deren bayrischen Kollegen schnell klar, dass das kein tragischer Unglücksfall gewesen ist. Im Wrack werden Spuren von Sprengstoff gefunden sowie eine einzelne antike Goldmünze, die vermutlich aus einem Museum gestohlen worden ist.



    Horst Werner, der erfahrene Pilot, war ein einfacher und bescheidener Mann. Es ist unwahrscheinlich, dass er in krumme Geschäfte verwickelt war. Dr. Hasenhaus dagegen brauchte Geld, weil die Therapiekosten eines Familienangehörigen Unsummen verschlungen haben. Hat er deshalb nebenher für das Institut mit dem unsäglich albernen Namen UNFUK gearbeitet und dort im Bereich Kosmetika geforscht? Und bewegte er sich dabei vielleicht außerhalb der Legalität? Es gibt gewisse Unregelmäßigkeiten, die diesen Verdacht nahelegen. Hier kommen die titelgebenden Mäuse ins Spiel. Von illegalen Aktivitäten hätten eigentlich seine Kollegen im Zoo oder bei UNFUK etwas mitkriegen müssen. Haben sie aber angeblich nicht.


    Wer profitiert vom Tod des Tierarzts?

    Wer profitiert eigentlich von Hasenhaus’ Tod? Die SOKO Tierarzt fühlt seinem Umfeld auf den Zahn und macht vor allem im Kreise der Freizeitpiloten vom Flugplatz in Böhlen ein paar interessante Entdeckungen. Dort ist eine verschworene Gemeinschaft zugange – gute Kumpels seit Jahrzehnten, die sehr genau wissen, wo ihre Vereinskameraden „Leichen im Keller“ haben. Und manch einer, der dort groß und wichtig auftritt, sollte mal lieber den Mund nicht so weit aufreißen, weil ihm das Wasser schon bis zum Hals steht.



    Die Polizisten stellen zahlreiche Theorien auf, wie das alles zusammenhängen könnte. Wie es wirklich war, erfahren wir erst auf den letzten 30 Seiten. Da wird’s auch so richtig interessant!


    Beziehungsgezicke und Anwaltspalaver

    Zwischendrin gibt’s viel authentische polizeiliche Ermittlungsarbeit, privates Beziehungsgezicke und reichlich Anwaltspalaver. Staatsanwalt und Rechtsanwälte liefern sich verbale Scharmützel, und Polizisten und Journalisten mischen mit ihrem juristischen Halbwissen auch noch mit.


    Die Juristenlastigkeit ist kein Wunder: Der Autor ist Rechtsanwalt in Leipzig. Aber für Nichtjuristen sind diese Wortgeplänkel nicht so wahnsinnig interessant. Als Klient möchte man normalerweise auch nicht haarklein aufgedröselt bekommen, wie die Anwälte zu ihren Schlüssen kommen, sondern will nur hören, was das konkret bedeutet und was man jetzt tun muss.


    Von den Kommissaren im Buch weiß man nur den Rang und den Nachnamen und dass Kroll vermutlich ein bisschen attraktiver ist als Wiggins. Krolls Freundin hat einen Vornamen, eine beachtliche Oberweite und reichlich naive Vorstellungen von der Beziehung mit einem viel beschäftigten Polizisten. Sie scheint noch sehr jung zu sein.


    Auch wenn wir wissen, wie sie aussehen und wie sie sich kleiden – besonders nahe kommen wir keiner der Figuren. Man nimmt sie mehr als „Funktionsträger“ wahr denn als Menschen (Freundin von A, Tochter von B, Konkurrent von C.) Wenn einem aber keine Romanfigur besonders am Herzen liegt, ist man bei der Lösung des Falls emotional ungefähr so involviert wie bei der Lösung einer mathematischen Gleichung.

    Für Leser mit Insiderwissen

    Für LeserInnen, die juristisch vorbelastet sind, sind die Anwaltsszenen möglicherweise sehr vergnüglich. Auch wer mit der Fliegerei zu tun hat, könnte Spaß an der Geschichte haben. Und wer sich in Leipzig – insbesondere in der dortigen Kneipenszene – auskennt, dem dürfte einiges bekannt vorkommen. Nur der Comedian, der ziemlich am Anfang der Geschichte im Haus Leipzig auftritt, ist hoffentlich frei erfunden. Der ist ja dermaßen zum Fremdschämen! :-D


    Mag sein, dass es ein Fehler war, bei Band 5 in die Reihe einzusteigen, und dass ich deshalb mit den Figuren nicht so recht warm geworden bin. Mein Ding war der Krimi jedenfalls nicht.


    Der Autor

    Dr. Andreas Stammkötter, Jahrgang 1962, lebt als Rechtsanwalt in Leipzig. Er war dort viele Jahre Dozent an der Fachschule für Bauwesen und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen. »Weiße Mäuse« ist Stammkötters fünfter Leipzig-Krimi im Gmeiner-Verlag.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner