"Der keltische Gobelin" von Rebecca Loebbert

  • "Der keltische Gobelin" von Rebecca Loebbert

    erschienen im Mai 2021, im Oeverbos Verlag

    Printausgabe: Taschenbuch mit 572 Seiten, ISBN: 3947141505

    weitere bekannte Formate: eBook


    Klappentext:

    In der Pension im Hafen von Calais, wo Mary mit ihren Eltern und ihrer Schwester Urlaub macht, soll schon Maria Stuart mit ihren Hofdamen übernachtet haben, bevor sie nach Schottland zurückkehrte. Ein uralter Wandteppich zieht Marys Blicke an. Er scheint zu leuchten, sie hört Stimmen, schiebt den Gobelin zur Seite - und plötzlich findet sie sich unter den Hofdamen der schottischen Königin. Nicht nur das: Mary Seton, eine der Damen, scheint ihren Platz im Jahr 2016 eingenommen zu haben. Warum? Hat sie eine Aufgabe hier? Und wird sie jemals heimkehren können?


    Mein Fazit:


    Ein erfrischend anderer Roman


    Ich hatte die Ehre und das Vergnügen, diesen Roman als Rezensionsexemplar im Format eBook von der Autorin zu erhalten und lesen zu dürfen.

    Anfangs noch nicht ganz sicher, ob ich einem historischen Roman mit ganz leichten Einflüssen aus dem Fantasybereich viel Freude abgewinnen könnte, schaffte es Rebecca Loebbert jedoch, mich sehr schnell mit der Geschichte abzuholen und voller Spannung weiterlesen zu lassen. Und ich muss sogar einräumen, dass selbst die Elemente des Fantasy sich so geschmeidig in die gesamte Geschichte einfügen, dass sie schlüssig und so gar nicht unglaublich klingen.


    Wie der Klappentext bereits verrät, erlebt Mary Montgomery mit ihrer Familie die letzten Urlaubstage in einer Pension, in der die legendäre schottische Königin, Mary Stuart, bereits den Abend vor ihrer Abreise nach Schottland verbrachte.

    Ein alter Gobelin zieht Marys Aufmerksamkeit auf sich. Das seltsame Leuchten, ferne und doch nah erscheinende Stimmen und die unbeschreibliche Anziehungskraft reißen die junge Frau in einen Bann. Als sie wieder zu sich kommt, findet sie sich unter den Hofdamen der Mary Stuart wieder, wo sie für die Freundin der Königin, Mary Seton gehalten wird. Im Gegenzug landet Mary Seton in der heutigen Zeit, wo man sie für Mary Montgomery hält.

    Zu all der Verwirrung, wie es überhaupt möglich ist, zudem auch unfreiwillig, in eine andere Zeit zu reisen, stellt sich für beide Marys die Frage nach dem Grund.


    Bevor ich auf Details eingehe, die mich an dem Roman beeindruckt haben, möchte ich zuerst einmal sagen, dass ich vom Schreibstil der Autorin begeistert bin. Sie hat eine leichte und mitnehmende Art zu erzählen und auch wenn ich sonst Bücher, die in der ich-Perspektive geschrieben sind nicht unbedingt bevorzuge, passt sie in diesem Fall wie keine andere. Durch eben diese ich-Perspektive kommt man den beiden Marys als Leser näher, fühlt sich wie ein Zuhörer, der ihre Reisen begleitet und kann sich so in die Geschichte besser einfühlen.


    Aus meiner Sicht ein sehr schönes Erstlingswerk der Autorin und man bemerkt auch ihre Leidenschaft für die schottische Geschichte, die sie studiert. Ich bin sogar überzeugt, dass sie das Talent besitzt, unter den Autoren historischer Romane ein gern genannter und bekannter Name zu werden.

    Auch die im Anhang genannten und tatsächlich belegten historischen Begebenheiten, die manchmal so beiläufig wirken, sind wunderbar und schlüssig in die Geschichte des Buches verflochten.

    Meine Empfehlung zu „Der keltische Gobelin“: Wer ein etwas anderes Buch sucht, das sowohl Historie, als auch Gefühl miteinander vereint, wird in diesem Roman sicher fündig. Mich hat die Geschichte sehr berührt.



    Ab hier könnte es zu Spoilern kommen!

    Beide Marys, trotzdem sie noch jung sind, zeigen starke und ausgewogene Persönlichkeiten. Äußerlich sehr ähnlich, scheinen sie im Wesen zumindest anfangs recht gegensätzlich zu sein. Die selbstbewusste Mary Montgomery, gegenüber die eher etwas stillere, sehr durchdachte Mary Seton. Allerdings bemerkt man als Leser auch schnell, dass diese beiden Marys sich auch im Charakter gar nicht so unähnlich sind, sondern zu großen Teilen aus ihrer Zeit heraus geprägt wurden.

    Mir hat vor allem der Vergleich gefallen, wie jemand aus der Vergangenheit die heutige Gegenwart erlebt und umgekehrt. Dabei stoßen die beiden Marys, jede für sich, in der Zeit der anderen, auf alltägliche und gesellschaftliche Herausforderungen, die für sie anfangs noch sehr fremd sind.

    Ein kleiner Kritikpunkt aus meiner Sicht: An manchen Stellen hätte ich mir noch ein wenig tiefer gehend das Erstaunen und teilweise beängstigende Erleben der heutigen Moderne gewünscht, denen Mary Seton in der Gegenwart begegnet. Dennoch bleiben diese nicht unerwähnt und man kann sicher auch gut nachvollziehen, wie verunsichernd diese Epoche für die Mary aus der Vergangenheit sein muss.

    Auch die inneren Konflikte, die Sehnsucht wieder in die eigene Zeit zurückkehren zu können, andererseits aber in dieser fremden Epoche Gründe zum bleiben wollen kennen und erfahren zu lernen, ließ mich emotional den Figuren noch näher kommen.

    Rein historisch bin ich begeistert, Mary Stuart aus einer Perspektive nahe gekommen zu sein, die sie rein menschlich so viel deutlicher zeichnet, als viele rein sachliche Zusammenfassungen. Eine junge Frau zwischen Pflichtgefühl, manchmal Verunsicherungen und den Umgang mit den Menschen ihres Umfeldes, denen sie vertraut, selbst wenn sie dieses Vertrauen nicht immer verdienen. Und als Leser versteht man schnell, dass die königliche Verpflichtung nicht nach dem fragt, was der Mensch unter der Krone sich für sich selbst wünschen würde.

    Liebe Grüße,

    Sylvia


    Tippfehler sind special-effects meiner Tatstatur und dürfen mit "Ahhh!" und "Ohhh!" bestaunt werden!  8)