Stewart O'Nan - Ocean State

  • Titel: Ocean State

    Autor: Stewart O'Nan

    Übersetzt aus dem Englischen von: Thomas Gunkel

    Verlag: Rowohlt

    Erschienen: März 2022

    Seitenzahl: 256

    ISBN-10: 3498002686

    Preis: 24.00 EUR


    Das sagt der Klappentext:

    Westerly, eine Arbeiterstadt in Rhode Island, dem kleinsten Bundesstaat der USA. Die Highschool-Schülerin Birdy wird umgebracht – sie hatte sich in den Falschen verliebt. Die Täterin: ihre Mitschülerin Angel. Beide verband die Liebe zu Myles, Sohn wohlhabender Mittelschichtseltern mit einem traumhaften Sommerhaus am Meer, und die Hoffnung, der Perspektivlosigkeit der eigenen Herkunft auf diesem Wege zu entkommen.


    Der Autor:

    Stewart O’Nan wurde 1961 in Pittsburgh/Pennsylvania geboren und wuchs in Boston auf. Bevor er Schriftsteller wurde, arbeitete er als Flugzeugingenieur und studierte an der Cornell University Literaturwissenschaft. Für seinen Erstlingsroman «Engel im Schnee» erhielt er 1993 den William-Faulkner-Preis. Er veröffentlichte zahlreiche von der Kritik gefeierte Romane, darunter «Emily, allein» und «Die Chance», und eroberte sich eine große Leserschaft. Stewart O'Nan lebt in Pittsburgh.


    Meine Leseeindrücke:

    Lieder wird die Kurzbeschreibung diesem Roman nicht ganz gerecht. Dieses Buch ist weitaus mehr als eine banale Kriminalgeschichte. Es schildert auch anschaulich das Leben in einer amerikanischen Kleinstadt mit all seinen Facetten. Ein Leben das so gut wie nie unbeobachtet gelebt wird. Die Konturen der handelnden Personen sind klar gezeichnet, auf gängige Klischees wird weitgehend verzichtet.

    Und so erleben wir junge Menschen in einer eigentlich ganz banalen Situation – die für diese jungen Menschen aber alles andere als banal ist. Sie sehen ihre Lebensentwürfe, ihre Existenz bedroht – auch wenn es für den Außenstehenden sicher nicht so dramatische aussieht.

    Ein wirklich lesenswerter Roman.


    ASIN/ISBN: 3498002686

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Achtzig Prozent


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    In Rhode Island, dem so genannten „Ocean State“ und zugleich kleinsten Bundesstaat der U.S. of A., gibt es entlang der Küste die noblen Strandhäuser der Reichen. Weiter im Hinterland, etwa im weniger pittoresken Ashaway, befinden sich die allmählich verfallenden Häuser derer, die es qua Geburt nicht so gut getroffen haben. Dazu gehört die Familie der Spätteenagerin Angel, die mit der Mutter und der jüngeren Schwester Marie in einem schäbigen Häuschen direkt gegenüber der vor Jahren stillgelegten Line & Twine-Fabrik lebt. Die dreizehn Jahre alte Marie, im Gegensatz zur großen Schwester still und weit weniger attraktiv, erzählt die Geschichte manchmal aus der Ich-Perspektive, aber O’Nan wechselt auch personal in die Mutter, in Angel – und in deren Kontrahentin Birdy, die eine Affäre mit Angels festem Freund Myles anfängt, dessen wohlhabende Eltern unter anderem eines der Strandhäuser besitzen. Diese Affäre wird Birdy das Leben kosten, wie wir gleich am Anfang des Romans erfahren. Wie es dazu kommt und welche Konsequenzen es haben wird, davon erzählt „Ocean State“.


    Der Text erinnert mich stark an einen von O’Nans früheren Romanen, nämlich an „Eine gute Ehefrau“, der von auswegloser Treue erzählt, vor allem aber von Ausweglosigkeit. Hier wie dort sind die Hauptfiguren in ein Schicksal hineingeboren, das wie zähes Baumharz an ihnen zu kleben scheint, bewirken die wenigen Stellschrauben, die sie bewegen können, kaum etwas, zeigt sich Lebensqualität höchstens im Klitzekleinen, und sei es in einem Stück Mikrowellenpizza. Hier wie dort geht es um einen nicht beabsichtigten Mord und die daraus entstehenden Konsequenzen vor allem für die Menschen in der zweiten Reihe des Geschehens – die Eltern, die Freunde und die Angehörigen. Es geht aber auch um Alkoholismus, um Vernachlässigung, um geplatzte kleine Träume, um den Versuch, einen Zipfel vom Glück zu erreichen, um Selbsttäuschung. Es geht um die Dummheit, die die Liebe bewirkt, und umgekehrt. Es geht ums Erwachsenwerden, was auch immer das eigentlich ist. In diesem Fall hauptsächlich die Erkenntnis, dass sich nichts ändern wird.


    Die Milieustudie, die im Zentrum steht, ist von hoher Dichte und Anschaulichkeit. O’Nan hält sich wie immer gekonnt zurück, überlässt das Feld vollständig seinen plastisch gezeichneten, lebensechten Figuren, die in ihr Unglück stolpern, weil das eben so ist. Aber anders als in „Eine gute Ehefrau“ oder in den Emily-Henry-Geschichten erdrücken die Detailfülle und erzählerische Präzision in diesem Buch einen Großteil der Emotionen, und das vergleichsweise hastige, gedrängte Ende wirkt dramaturgisch wie ein plötzlicher Sturz von der Klippe nach einer langen Wanderung. Ich habe das Gefühl, O’Nan hat sich hier ein früheres Projekt noch einmal vorgenommen und zu Ende geführt, was nur zu siebzig, achtzig Prozent gelungen ist. Ein achtzigprozentiger O’Nan lässt vieles von dem, was es sonst zu lesen gibt, immer noch weit hinter sich, aber der Meister kann es eigentlich besser.

  • Auch ich habe diesen Roman sehr geschätzt, da er ein starkes US-amerikanisches Gesellschaftsporträt ist. Es handelt im Bundesstaates Rhode Island im Jahr 2009.

    Viele dort leben irgendwo zwischen Mittelschicht oder doch eher untere sozialer Stufe.

    Der Plot zeigt ein Drama zwischen Jugendlichen.

    Die Erzählart ist sofort überzeugend. Stewart O´Nan ist ein sehr kluger Autor, der es vermag, den Lesern Zugang zu den Figuren zu ermöglichen.


    Man spürt Stewart O´Nans ganze Routine, vielleicht manchmal zu sehr, aber seine literarischen Qualitäten sind ganz und gar da.