Seiten: 380
Herausgeber: Independent Bookworm
Erscheinungstermin: 12. September 2022
ISBN: 978-3956812323
Meine Meinung:
Erst habe ich gezögert, als Stefanie Goldbrich auf mich zukam und fragte, ob ich ihr Buch lesen möchte. Lesen soll doch Spaß machen und nicht traurig! Aber dann dachte ich, dass es nicht schaden kann, zu wissen, wie sich eine Mutter fühlt, die ihr vor fünf Tagen geborenes Baby verliert. Rückblickend kann ich sagen, dass ich froh bin, dass ich das Buch gelesen habe.
Nach einer erfolgreichen Kinderwunschbehandlung war die Autorin voller widerstreitender Gefühle. Sie war nicht nur aufgeregt und hatte etwas Angst, sie war auch voller Vorfreude und glücklich, dass sie, ihr Mann und ihre Tochter bald eine vielköpfige Familie sein würden. Aber es kam alles völlig anders. Bis zum letzten Tag der Schwangerschaft war alles in Ordnung, dann gab es Komplikationen bei der Geburt, die beinahe auch die Mutter nicht überlebt hätte. Dominik wurde schwerkrank in die Neonatologie verlegt und hat sein ganzes Leben dort verbracht bevor er im Alter von fünf Tagen starb.
Obwohl ich keine Mutter bin, war für mich die Schilderung der Geburt kaum auszuhalten, aber ich finde, dass auch das zu dieser Art Buch dazu gehört. Wenn man ein Buch über das Thema Sternenkind schreibt, kann man den Grund dafür nicht weglassen. Als Leserin war es für mich natürlich schon vorab klar, dass Dominik es nicht schaffen würde. Stefanies Gefühle, die nicht immer gradlinig verliefen, haben mich aber auch immer Hoffnung schöpfen lassen.
Die Autorin hat das Leben nach Dominiks Tod für jeden Folgetag bis zu der Beerdigung beschrieben, anschließend monatsweise bis zu seinem ersten Geburtstag. Es war für mich schön zu sehen, dass sie und ihr Mann immer zusammengehalten haben und dass sie die Phasen der tiefen Trauer immer wieder hinter sich lassen konnte. Heute kann sie ganz normal über ihr verstorbenes Kind reden, was ich eine große Leistung finde. Normalerweise wird ja der Tod in unserer Gesellschaft, egal wer verstorben ist, lieber nicht erwähnt.
Es hat sich mal wieder bestätigt, was ich auch schon oft bei Schicksalsschlägen oder auch bei Dingen, die einen stärker als gewohnt beschäftigen, festgestellt habe: Reden hilft! Dabei ist es völlig egal, ob man seine Geschichte zum tausensten Mal erzählt. Auf diese Art kann man sein Schicksal annehmen und den Alltag wieder erleben ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, dass man weiterlebt, obwohl der geliebte Mensch nicht mehr da ist - um bei dem Beispiel Tod eines lieben Menschen zu bleiben. Dafür braucht man aber auch Menschen, die bereit sind, sich alles, unter Umständen auch mehrmals und über Monate, anzuhören. Wenn es niemanden gibt, helfen Selbsthilfegruppen oder wie in Stefanies Fall sowas wie eine Rückbildungsgruppe für Sternenmütter. Beim Lesen habe ich verstanden, dass Trauer immer in Wellen verläuft. Wenn man sich klar macht, dass das und auch die widerstreitenden Gedanken normal sind, wird man die schlimmen Zeiten überstehen.
Für mich ist “Eine Handvoll Sonnenschein” nicht nur der Erfahrungsbericht einer Frau, die das schlimmste erlebt hat, das eine Mutter erleben kann, sondern auch ein Ratgeber für Betroffene und für Menschen, die Sterneneltern kennen und nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen. Mir gefällt, wie Stefanie mit diesem schwierigen Thema umgeht.
Ich würde mir wünschen, dass viele Leute dieses Buch lesen, damit Trauernde, egal um wen sie trauern, unterstützt werden können. Oftmals machen diese Menschen ja leider die Erfahrung, dass sie ausgeschlossen werden, weil viele nicht wissen, wie man mit ihnen umgehen soll.
Das Buch wurde mir von Stefanie Goldbrich zur Verfügung gestellt. Ich bedanke mich herzlich dafür.
Ich habe mit Stefanie ein Interview geführt, weil ich es sehr wichtig finde, dieses Thema in die Öffentlichkeit zu bringen, damit drüber geredet wird und entsprechend gehandelt werden kann. Das Interview findet man bei allen gängigen Podcastapps unter "Kunterbunte Bücherreisen" und auf meinem Blog (ab 16. Oktober 2022).
ASIN/ISBN: 3956812328 |