Michael Knoblauch - Gihad - Der heilige Krieg des Islam

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  • Michael Knoblauch - Gihad - Der heilige Krieg des Islam

    ASIN/ISBN: 3639450027


    Periodisch ist bei Anschlägen und Terrorakten, besonders in Zusammenhang mit dem Konflikt im Nahen Osten und in der übrigen Welt vom "Heiligen Krieg" die Rede, oder es wird synonym das Wort "Jihad", "Gihad" oder "jihhadd" verwendet. Der Autor versucht in diesem Buch, das Phänomen des Gihad einzuordnen in die religiöse, historische und politische Dimension, die es im Islam einnimmt.

    Ghihad heißt zunächst einmal nicht "Heiliger Krieg ". Heilig könnte man noch verstehen im Sinne von "religiös verdienstvoll", Krieg aber ist irreführend, weil der Gihad immer eine auf ein Idividuum bezogene Handlung darstellt, genauer: "sich bemühen für Gottes Sache unter Einsatz von Gut und Leben". Der sich da bemüht, ist dabei immer nur der einzelne Muslim, nie aber eine Institution wie etwa ein Staat.

    (Vgl. Motzki, Rotter - Welten des Islam, Frankfurt 1993)

    Zudem gibt es im arabischen für Krieg ein eigenes Wort (al-harb), nicht jedoch Gihad.

    Das verdienstvolle Kämpfen des Muslim für die "Sache Gottes " kann dabei durchaus auch mit Krieg verknüpft sein, ist aber auch rein zivil denkbar.


    Wer ruft nun zum Gihad auf?

    Wenn ein muslimischer Führer oder Potentat zum Gihad aufruft ( z.B. Saddam Hussein 1990, Anm.d.Verf.) ,so ist das keine Kriegserklärung im völkerrechtlichen Sinne. Alle Muslime, die auf ihn hören wollen, können sich zum freiwilligen Kampf bereit erklären, die Gegner sind zumeist intern andere Muslime, aber nicht zwingend ein konkreter äußerer Gegner. Zudem kann Gefolgschaft zum Gihad nicht erzwungen werden.

    Gihad ist also: "sich bemühen", alternativ zu arabisch "quital" - kämpfen.

    In den koranischen Offenbarungen, aus denen sich der Begriff des Gihad herleiten lässt, spielte der Begriff Heiliger Krieg nur eine untergeordnete Rolle. Es galt in einer Krisenzeit für den Propheten, Gefolgsleute zu finden, die Gut und Leben für die neue Bewegung wagen.

    In den ersten zwei bis drei Jahrhunderten nach Mohammeds Tod, wurde dann der Rahmen für Gihad innerhalb der islamischen Gesetzgebung, der "Scharia" gesteckt.

    Dort wird neben Normen der allgemeinen Rechtsetzung auch die des Kampfes gegen Nicht - Muslime behandelt, dabei wird auch der Frieden mit Nicht - Muslimen behandelt, der Gihad ist ein äußerst komplexer Bereich von Rechtsfragen und Lösungsvorschlägen, der Friedensverhandlungen mit einbezieht. Man muss hier zwischen dem koranischen Befund und dem klassischen islamischen Völkerrecht differenzieren.

    Erst seit den Medinischen Suren kann Gihad speziell auch Krieg bedeuten. Der Koran zeigt hier den Wandel von Mohammed als gottgetriebenen Einzelgänger in Mekka bis zum Leiter eines theoretischen Staatswesens in Medina. (Suren 2, Vers 190, 2,62, 8,93, 9,61


    "Wenn Sie ( die Ungläubigen) euch denn Frieden anbieten, wenn Sie nicht gegen euch kämpfen, erlaubt Gott euch nicht, gegen sie vorzugehen. Gott liebt keine Übertretungen".( Sure 4,90)

    (Übers.v.Mohammed Salim Abdullah)


    Unterschieden wird auch zwischen dem Gihad- dem Gihad-an-nafs, dem Kampf gegen Böse Neigungen in sich selbst, und dem Gihad als bewaffnete Auseinandersetzung.


    Es besagt zudem im Koran etwas, das Gihad an keiner Stelle von der Wortwurzel qds (heilig) oder dem Stamm hrm (geweiht sein) abgeleitet werden kann. Moderne islamische Theologen lehnen daher die Übersetzung des Gihad als Heiliger Krieg zurück. Die Fehldeutung wird darauf zurückgeführt, daß das klassische islamische Völkerrecht die ganze Welt in Islamgebiet und Krisengebiet unterteilt. Das letztere heißt dal-al-harb.

    Harb ist wirklich Krieg, aber kein Synonym von Jihad.

    Für die Traditionalisten ist der Gihad der Kampf für den Glauben und die Vorherrschaft des Islam in der Welt. Zumindest die Fundamentalisten sehen hier auch Krieg als geeignetes Mittel, durch weltumfassende Revolution die Herrschaft des Islam herbeizuführen. Daran gibt es nichts zu beschönigen und zu verharmlosen.

    Es gibt aber auch eine wachsende Zahl islamischer Denker und Rechtsgelehrter, die eine differenzierter Haltung zum Gihad einnehmen. Sie betonen die moralische, geistige und soziale Seite des Gihad.

    "Im täglichen Bemühen für den Glauben, im Einsatz im sozialen Bereich und in der Förderung der Wohltätigkeit" (Adel Khoury), sehen die modernen Islamisten einen Gegenwartsbezogenen Sinn für den Gihad.

    Die Deklaration von Gewalttaten und Terroranschlägen als Heiliger Krieg oder Gihad, ist auch in der islamischen Welt umstritten.

    Der Islamforscher Martin Robbe subsummiert:

    "Bis heute versuchen reaktionäre wie progressive Kräfte, ihr Vorgehen als Jihad darzustellen, einfach um es zu rechtfertigen und die Gläubigen zu motivieren".


    Fazit:

    Michael Knoblauch hat sich einer gewaltigen Aufgabe unterzogen und versucht, die Hintergründe der Begrifflichkeiten Gihad und Heiliger Krieg zu klären. Dabei war exakte exegetische Arbeit an den Koranischen Offenbarungen aus dem 7. Jahrhundert unumgänglich.

    Das mittelalterliche Element dieses Textes, das im neu aufkeimenden Fundamentalismus wieder an Evidenz gewinnt, macht das Verständnis und die Übertragbarkeit auf unsere Zeit nicht eben einfacher.

    Gihad und Heiliger Krieg sind zwei Begriffe, die, so unpräzise sie auch sind, sich zunehmend in die politische und religiöse Debatte einmischen.

    Gut stellt Knoblauch dar, daß es sich bei der Retraditionalisierung der Begriffe um einen Angriff auf die Kultur der Moderne handelt.

    Zurecht wird hier Meyer zitiert, der diesen Rückzug aus der Moderne als Reaktion darauf sieht, daß Aufklärung, rationales analytisches Denken und Fortschrittsglaube die Fragen nach grundlegenden Werten, Glauben und Geborgenheit nicht zu beantworten vermochten. ( Vgl. Meyer,Thomas - Der Fundamentalismus )

    In vielen Teilen der islamischen Welt vollzog sich der Prozess der Modernisierung oft als "Invasion" einer fremden Kultur, unter Mitwirkung und Zuspruch winziger einheimischer Machteliten.

    Es ist daher nachvollziehbar, daß Knoblauch hier die Fehldeutung der Begriffe Gihad und Heiliger Krieg als Symptome des islamischen Fundamentalismus einschätzt. Aber mit einiger Sicherheit haben auch die westliche Berichterstattung und die Politik dazu beigetragen, diese Begrifflichkeiten zu verfälschen.

    Wer aber sinnvolle Friedensforschung betreiben will, muß zumindest präzise sein.

    Knoblauch Argumentation ist schlüssig, seine Herleitung erscheint gangbar.

    Es wurde hier mit Erfolg versucht, die Geschichte, die Grundlagen und das Friedenspotential des Gihad zu erfassen. Das vorliegende Buch richtet sich sowohl an den Fachwissenschaftler, als auch an alle Interessierten, es beinhaltet Fachtermini und ist in einer dem wissenschaftlichen Standard gemässen, klaren Sprache verfasst.

    Der ausgezeichnete Anhang lässt keine der entscheidenden Publikationen zum Thema vermissen. Textbegleitend habe ich den Koran gelesen in der Übersetzung von Mohammed Salim Abdullah, die in den meisten islamischen Ländern in hohem Ansehen steht.


    Michael Knoblauch ist Diplomtheologe mit dem Schwerpunkt Fundamentaltheologie.

    Die Studie entstand in Zusammenarbeit mit der Hessischen Siftung Konflikt- und Friedensforschung in Frankfurt/Main.