Böse Bäume. Wie sie töten, stehlen, Feuer legen … - Markus Bennemann

  • Markus Bennemann: Böse Bäume. Wie sie töten, stehlen, Feuer legen – die dunkle Seite unserer liebsten Waldbewohner, München 2022, Wilhelm Goldmann Verlag, ISBN 978-3-442-31676-2, Klappenbroschur, Format: 13,4 x 2,4 x 21,1 cm, 269 Seiten mit s/w-Zeichnungen von Janine Czichy, Buch: EUR 18,00 (D), EUR 18,40 (A), Kindle: EUR 14,99.


    Ein Buch über DAS GEHEIME LEBEN DER BÄUME gibt es schon. Das ist der Bestseller von Peter Wohlleben, von dem wir sicher alle schon gehört haben. Jetzt hat Markus Bennemann ein Buch über das GEMEINE Leben der Bäume geschrieben.


    Selbstverständlich ist ihm klar, dass die Natur nicht vorsätzlich fies ist. Lebewesen tun, was ihnen für ihr Überleben von Nutzen ist und der Erhaltung ihrer Art dient. Dabei sind sie nicht zimperlich und das gilt auch für Bäume.


    „Ein Baum, der wie die Feige […] andere Bäume erwürgt, ist verblüffend. Einer, der wie die Walnuss den Boden vergiftet, noch mehr. Die Zusammenarbeit von Akazien und Ameisen ist faszinierend. Die Perfektion, zu der es die Buche im Kampf um Licht gebracht hat auch. Doch ein Baum, der auf irgendeine Weise zu Waldbränden beiträgt, kann das wirklich sein?“ (Seite 86)


    Seitdem ich dieses Buch gelesen habe, traue ich unseren Bäumen so ziemlich alles zu! Auch wenn sie einander vor Fressfeinden warnen und ihren Nachwuchs über das Wurzelgeflecht mit Wasser und Nahrung versorgen können: Sie haben auch ihre dunklen Seiten. Im Wald geht’s zum Teil zu wie im Krimi! Und so schildert der Autor das auch. Die Fakten, denke ich, werden schon stimmen, auch wenn er sie auf locker-flockige Art präsentiert. Auch vor einem gepflegten Kalauer schreckt der Autor nicht zurück, und so lesen sich die Verbrechen der kriminellen Bäume amüsant und spannend.


    Würger im Wald


    Würgefeigen winden sich wie riesige Schlangen um Bäume und rauben ihnen Wasser, Nahrung und Licht. Nicht selten stirbt der Baum im Inneren des Parasiten-Geflechts ab und nur das Feigenkorsett bleibt stehen. Das ist okay für die Feige und schlecht für den Baum. Pech gehabt! Das scheint ein sehr altes Erfolgsrezept der Natur zu sein. Feigen gibt’s schon seit mindestens 60 Millionen Jahren.


    Ich bin davon ausgegangen, dass sich die Würgefeigen vom Boden aus an ihren Opfern emporranken, aber es funktioniert ganz anders. Raffiniert, wie die Feigen sich vom harmlosen Untermieter zum parasitären Alptraum entwickeln! Das nehme ich der Pflanze nicht übel, das ist halt ihre Natur. Aber ob ich jetzt, da ich weiß, wie Feigen bestäubt werden, noch eine essen möchte, ist fraglich …


    Gnadenlose Giftmörder


    Der Walnussbaum hält sich Licht- und Nährstoff-Konkurrenten mittels Chemie vom Leib. Er bildet in Wurzeln, Fruchthüllen, Blättern, Rinde und Walnussschalen einen giftigen sekundären Pflanzenstoff, der dafür sorgt, dass rund um den Baum nichts gedeiht, nicht einmal die eigene Saat.

    Bissige Bodyguards


    Akazien schrecken ihre Fressfeinde mit Dornen und bitteren Pflanzen-Sekundärstoffen (Tanninen) ab. Es gibt sogar Arten, die hochgiftige Blausäure produzieren. Andere halten sich eine eigene „Killerbrigade“: Sie leben in symbiotischer Beziehung mit Ameisen. Nicht mal Ziegen, die nahrungstechnisch wirklich nicht wählerisch sind, mögen Akazienblätter mit bissiger Ameisenbeilage. Natürlich haben die Ameisen auch was von diesem Deal. Aus reiner Baumfreundlichkeit machen sie den Bodyguard-Job nicht!


    Rücksichtslose Rabauken


    Gäbe es keine Forstwirtschaft, würden Buchen nach und nach 75 Prozent der deutschen Waldfläche bedecken. Da stellt sich die Frage:

    „Wieso gelang es der Buche trotz ihrer späten Ankunft in Europa, fast überall besser dazustehen als der Rest der Bäume? Welche geheime Kraft oder Fähigkeit erlaubt es ihr, diese so einfach aus dem Weg zu räumen?“ (Seite 73)


    Buchen sind extrem erfolgreich im Kampf ums Licht. Sie selbst brauchen wenig davon, lassen aber, wenn sie erst mal groß sind, kaum Helligkeit nach unten durch. Jedenfalls zu wenig für andere Baumarten. Nur ihrem eigenen Nachwuchs macht das nichts aus. Buchen brauchen ja, wie gesagt, nicht so viel Licht. Und ruckzuck sind alle anderen Arten verdrängt und es gibt ringsherum nur noch Buchen. Rücksichtslos aber wirksam.


    Fiese Feuerteufel


    Bäume, die Feuer legen? Das wäre doch Selbstmord, oder? Und doch macht der australische Eukalyptus genau das. Gut, er stellt sich jetzt nicht hin und sagt: „So, jetzt zündeln wir ein bisschen“, aber weil ¾ der australischen Wälder aus Eukalypten bestehen und es dort sehr trocken ist, brennt so ein Wald wie Zunder, sobald der Blitz in einen ausgetrockneten Eukalyptusbaum einschlägt. Der Baum explodiert dann regelrecht und verteilt Funken und Feuer großzügig in der Umgebung.


    Was bringt den Eukalypten das? Nun: Ihnen selbst macht das Feuer nicht viel aus. Sie treiben nach dem Brand wieder aus und nach fünf Jahren sieht alles wieder aus wie vorher. Nur die Konkurrenz ist dezimiert. Die Tierwelt allerdings auch.


    Die Frage ist, ob im Zuge der Klimaerwärmung der Eukalyptuswald nicht in immer kürzeren Zeitintervallen abfackeln wird. Irgendwann haben die Eukalypten dann nicht mehr genügend Zeit, um sich zu regenerieren, und dann funktioniert das ganze System nicht mehr. Auch wenn der Autor sie hier wie menschliche Pyromanen hinstellt: Sie können ja nicht beschließen, mit dem Feuerlegen aufzuhören, sobald es ihnen mehr schadet als nutzt.


    Grausame Götterbäume und andere Baum-Bösewichte


    Wir lernen noch viele weitere kriminelle Subjekte aus dem Reich der Bäume kennen. So erfahren wir, auf welch hinterhältige Art chinesische Götterbäume – eine in Europa und Amerika invasive Art – ihre kurze Lebensdauer wettmachen, warum es verboten ist, solche Bäume zu pflanzen und wieso man weibliche Ginkgo-Bäume oft schnellstmöglich fällt.


    Wir begegnen „weißen Vampiren im Monsterwald“: Das sind Albino-Exemplare der amerikanischen Küstenmammutbäume, die über kein Chlorophyll verfügen und damit eigentlich gar nicht überlebensfähig wären. Wer oder was hält sie am Leben? Und warum? Freiwillig oder unfreiwillig?


    Wir treffen auf schmarotzende Sandelhölzer, zu denen auch die Mistel gehört, die wir vom Weihnachtsmarkt oder aus den Asterix-Comics kennen. Also, das sind ja besonders fiese Gesellen! Da kann das Sandelholz noch so gut duften, die Kerle sind bei mir unten durch! :-D


    Es ist einfach unfassbar, was es da für Tricks und Gemeinheiten gibt:

    • Bäume, die eine Art eingebaute hölzerne Gartenschere haben, mit der sie anderen Pflanzen die Wurzeln abknapsen.,
    • Bäume, die das Salz aus dem Grundwasser in den oberen Erdschichten ablagern und so anderen Baumarten den Boden versalzen,
    • Bäume an denen buchstäblich alles giftig ist, selbst für uns Menschen,
    • Bäume, deren reife Früchte mit einem lauten Knall explodieren und ihre Samen mit bis zu 250 km/h in alle Richtungen schießen. Da möchte man nicht in der Nähe sein!
    • Und was war eigentlich genau mit dem „Baum der Erkenntnis“ in der Bibel …?


    Ich mag diese Art der flapsigen Wissensvermittlung und hätte noch ewig so weiterlesen können. Natürlich ist mir klar, dass Markus Bennemann hier die Pflanzen „in unzulässiger Art und Weise“ vermenschlicht. Für ein unterhaltendes Sachbuch kann man das aber schon mal machen. Solange alles sachlich korrekt ist – und davon gehe ich angesichts des umfangreichen Quellenverzeichnisses aus – ist das für mich in Ordnung.


    Der Autor


    Markus Bennemann konnte sich während des Studiums nicht zwischen Literatur und Biologie entscheiden. Schließlich ist er bei der Literatur geblieben und schreibt heute Bücher über – Biologie. Mehrere Sach- und Kinderbücher sind bereits von ihm erschienen und wurden in verschiedene Sprachen übersetzt. Er lebt in Wiesbaden.


    Die Illustratorin


    Janine Czichy, geboren 1986 in Jena, schließt gerade ihren Master of Arts mit Schwerpunkt Illustration an der HAW Hamburg ab. Sie ist Illustratorin mehrerer Kindersachbücher, Böse Bäume ist ihr erstes Buch für Erwachsene. Janine Czichy lebt mit ihrer Familie in Hamburg.


    ASIN/ISBN: 3442316766

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner