Ulrich Großmann - Die Welt der Burgen

  • Georg Ulrich Großmann - Die Welt der Burgen - Geschichte, Architektur, Kultur


    ASIN/ISBN: 3406645100




    Die Burg als erste ausgewiesene aristokratische Wohnform prägte die Welt der Selbstdarstellung hoheitlicher Rechte vor allem des niederen Adels, des Dienstmannentums (Ministeriale), im Mittelalter.

    Die Burg als ein befestigter Platz, der Höhen- oder Wasserlage durch Wälle, Gräben und Mauern ausbaut und fortifiziert, ist aus allen europäischen und vorderasiatischen Kulturkreisen bekannt.

    Ihre Funktion konnte die einer Grenzwache sein (Markenburg), die einer innerstädtischen Machtsicherung (Stadtburg), oder vor allem zur politischen und ständischen Repräsentation dienen. ( Hofburg, Pfalz, Königsburg)


    Im frühen Mittelalter hatten Wohnbau und Wehrbau zumeist noch getrennte Funktionen. Einerseits der Wohnbau, ein größerer Bauernhof, als Haus zumeist als Ständerbau in Fachwerktechnik gebaut, allenfalls durch eine Pallisade geschützt, andererseits die Fliehburg, auf einer Anhöhe (Motte) zur Verteidigung errichtet, oft auch noch aus Holz, ab dem 10. Jhdt. auch aus Feldsteinen, und nur im Verteidigungsfall bezogen. Erst seit der karolingischen Zeit kam es immer mehr zur Verschmelzung mit ersten Bautypen, die beide Funktionen vereinigten und mit einer festen Mauer umringten.


    In salischer- und staufischer Zeit entstanden dann Bautypen, die heute als klassische Burgen bekannt sind: Belfried (Wehrturm), Pallas, Ringmauer, Söller samt den zugehörigen Wirtschaftsgebäuden, wuchsen zu einem geschlossenen baulichen Ensemble zusammen.


    Besonders die Einfälle der Normannen im 9. Jhdt. und der Ungarn im 10. Jhdt., brachten starke Impulse des Burgenbaus. Vor allem der Liudolfinger König Heinrich I. leitete nach 930 eine massive Burgenbaupolitik ein, um seine Reichsgrenzen, so ungenau diese auch noch waren, zu befestigen und zu sichern.


    Aus der Fluchtburg wird ab dem Hochmittelalter die Wohnburg, die der Dienstadel, der bisher wie die Bauern in den Dörfern gewohnt hatte, an meist prominenter Stelle, auf Felsspornen, auf Berggraten, oder auch inmitten von stehenden Gewässern, errichtete. Das war zugleich auch eine symbolische wie örtliche Erhöhung, zum Zeichen der vom Fürsten verliehenen Dienstmacht. (Lehensherrschaft)


    Die "festen Häuser" des niederen Adels hatten sich somit zu Herrensitzen hochgearbeitet, die ab dem 11. Jahrhundert auch zunehmenden Ansprüchen an die Bequemlichkeit gerecht werden sollten.

    Der Pallas entwickelte sich von der Versammlungs- und Schlafhalle aller Burgbewohner zur strukturierten Wohneinheit mit beheizbaren Räumen (Kemenate v. lat. Caminus), Wohn- und Schlafräumen, sowie einem Repräsentationsraum. (Rittersaal)


    In den ersten Burgen fehlte noch der Pallas und der Bergfried (Wehrturm) war so massiv, das er alle Wohnräume des Burgherren samt der Waffenkammer aufnehmen konnte.

    Der Pallas als Eigenbau nebendem Bergfried entwickelte sich ab dem 12. Jahrhundert.


    Entscheidender Nachteil der Höhenburg war die Wasserversorgung, nur im Idealfall gespeist aus einer Bergquelle. Meist erforderte sie allerdings enorme Mühen, unter denen Brunnen gegraben werden mußten, die auf Grundwasserniveau stießen und z.T. über 100 Meter tief waren.


    Indessen war die Burg nicht nur Zufluchtsort der ansässigen Landbevölkerung in Krisenzeiten, sondern auch Mittelpunkt eines landwirtschaftlichen Eigenbetriebes mit dem Zubehör von Dörfern, Mühlen, Teichen, Äckern, Wiesen und Weinbergen. Die Rechte darüber waren mit der Verleihung des Burgenbaurechts an einen adeligen Dienstmann verbunden. (Vasallenordnung)

    Der Burgherr hatte seine Eigenbauern in allen Rechtssachen nach außen zu vertreten und beanspruchte die niedere Gerichtsbarkeit und die Frohnpflicht.



    Fazit:


    Dieser Band verbindet in anschaulicher Weise den Stand der historischen Forschung mit dem Interesse einer sehr breiten Öffentlichkeit an historischen Burgen und Ruinen von Burgen.

    Dabei wird berücksichtigt, daß glanzvolle Feste, Darbietungen der Troubadoure in großen Hallen und die Celebration höfischen Lebens allenfalls in den größten dieser Bauten, den Fürstensitzen und Königsburgen vorkam. Diese Burgen machten aber nur einen sehr kleinen Prozentsatz aller Burgen aus. Die häufigste Variante der "Ritterburg" des Mittelalters war die eines befestigten Landguts, das großer Bauernhof und Verteidigunsanlage in einem war. Diese Wohnsitze waren in der Regel überbevölkert, qualvoll beengt, kalt, dunkel, ungesund und unbequem.

    In den exponierten Höhenlagen lebten Menschen und Tiere meist in großer Raumnot und Kargheit zusammen.

    So beschrieb noch Ulrich von Hutten, Zeitgenosse Luthers, seine heimische Burg in Franken, als Burgen schon Relikte der Vergangenheit geworden waren.



    Großmann bringt es in seinem Resümee auf den Punkt:

    Die Burgen des Mittelalters waren Symbole und Werkzeuge der Aristokratie, Macht auszuüben, Angriffe abzuwehren und den Landfrieden zu wahren. Das war ein Teil des mittelalterlichen Gesellschaftsvertrags, den der Adel zu erfüllen hatte. Die dem Burgherrn untenstehenden Bauern und Handwerker hatten dafür die Pflicht, den Herren und seine Familie, sowie die waffentragenden Burgmannen, zu kleiden, zu ernähren und ihnen durch Arbeit zu dienen. ( Fronordnung)


    Als die Burgen ab dem Hochmittelalter zunehmend auch Repräsentationsbauten und kulturelle Zentren wurden, entwickelten sich aus den Keimzellen Burg - Dorf die meisten unserer heutigen Städte.


    Mit der Entwicklung immer weitreichenderer und brisanterer Technik im Arsenal der Feuerwaffen, verloren die Burgen ihre Bedeutung und ihre Wertigkeit. Die modernen Landheere der frühen Neuzeit umgingen diese einfach und machten die Burgen damit ebenso überflüssig, wie ihre schwergepanzerten Herren.

    Dennoch steht die Burg als Wegmarke europäischer Kulturentwicklung in ihrer Bedeutung gleichauf mit dem mittelalterlichen Klosterwesen, beide waren Zivilisationskerne und Wegbereiter des heutigen Europas.


    Großmann hat sein enormes Wissen Über die Burg des Mittelalters in eine allgemein verständliche Sprache gebracht und führt didaktisch klug durch die wichtigsten Beispiele. Grundrisse, Zeichnungen und Bebilderung, sind den Erklärungen in ausreichender Zahl hinzugefügt.

    Dabei kommt auch die Kultur- und Sittengeschichte nicht zu kurz. Dennoch hätte der historische Aspekt der Bedeutung, die die Burgen gesamtpolitisch für die Beherrschbarkeit eines Reiches ohne nennenswerte Kommunikationsmögkichkeiten hatten, noch stärker hervorgehoben werden dürfen.

    Der rein deskriptive Teil überwiegt, die historisch - wissenschaftliche Einordnung ist recht kursorisch ausgefallen.


    Für die Liebhaber von Burgen und Wehrbauten hat dieses Buch aber alles, was es braucht. Eine umfassende und stimmige Darstellung, die ich gerne weiterempfehlen möchte.


    Georg Ulrich Großmann, geb.1953, ist ein deutscher Kunsthistoriker und war viele Jahre Direktor des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Architektur und Kultur des Mittelalters.