Der Büchereulen-Adventskalender 2023

  • Der 21. Dezember von Johanna


    Der Bär und der Weihnachtsmann


    „Laaangweilig, mir ist sooo langweilig“, quengelte Marianne.

    Die vier Mädchen saßen wieder einmal im Wohnzimmer, genossen ihren Kakao und langweilten sich.

    „Dieses Jahr ist aber auch gar nichts los. Keine Engel, kein Weihnachtsmann, die sich gemeldet haben. Dabei haben wir uns doch so an die beiden gewöhnt, daß wir sie immer kurz vor Weihnachten treffen und ein Problem lösen müssen.“ Seufzte Mathilde.

    „Ich vermisse das richtig, Ihr auch?“

    „Oh ja,“ stimmte ihr Madita zu. „Das wird bestimmt ein langweiliges Weihnachten so ganz ohne Treffen mit dem Weihnachtsmann. Ist Euch eigentlich mal aufgefallen, daß bisher immer er uns geholt und gerufen hat, wir aber gar nicht wissen, wie wir ihn erreichen können?“

    „Na kommt, bevor wir hier noch vergehen vor Langeweile, schlage ich vor, wir gehen in den Wald und machen eine Schneeballschlacht.“ Schlug Juliana vor.

    „Au ja und einen Iglu bauen wir auch“, meinte Mathilde aufgeregt. „Darüber habe ich Letzens etwas gelernt. Da soll es ganz warm drin sein, obwohl er ganz aus Schnee ist.“


    Schnell waren die vier Mädchen angezogen und zogen los.

    Lachend und sich mit Schneebällen bewerfend liefen sie in den Wald, bis sie eine geeignete Stelle fanden, an der sie ihren Iglu bauen wollten.

    Sie hatten gerade begonnen, da ertönte plötzlich eine Stimme:“ Oh, darf ich mitmachen, das macht Spaß.“

    Erschrocken hielten die Mädchen inne und blickten auf.

    Mathilde und Madita stießen einen kleinen Schrei aus und Juliana stand stocksteif da und hatte auf einmal Marianne im Arm, die da vor Schreck hinein gehüpft war.

    Ein paar Meter entfernt stand ein kleiner Bär.


    „Oh oh, ganz langsam zurück gehen und so wenig wie möglich dabei bewegen.“ raunte Juliana.

    Als sie ihren Rückzug beginnen wollten, rief der kleine Bär: „Geht nicht weg, Ihr braucht keine Angst zu haben. Ich tu Euch nix.“


    Perplex fragte Mathilde: „Wieso bist du überhaupt wach, machst Du nicht eigentlich Winterschlaf? Und warum kannst Du sprechen?“

    „ Ach, ich kann einfach nicht wieder einschlafen“, entgegnete der kleine Bär traurig.

    „Ich hab ja alles versucht, aber es geht nicht. Und je mehr ich mich zwingen will, desto weniger geht es. Naja und da bin ich eben aufgestanden und habe geguckt, ob ich nicht etwas Abwechslung finde. Und da habe ich Euch entdeckt und mich gefreut.

    Ach ja und sprechen kann doch jeder Bär, aber nur die wenigsten verstehen halt, was sie sagen.

    Das können nur ganz besondere Menschen.“


    „Ok“, dann darfst Du mitmachen,“ entschied Marianne , die ihre Angst ganz schnell wieder vergessen hatte.

    „Kannst du denn einen Iglu bauen? Wenn Du uns hilfst, dann können wir Dir ja hinterher beim Einschlafen helfen.“


    Und flugs ging es an den Iglu, den der kleine Bär doch erstaunlich gut mit errichten konnte.

    Kaum fertig, machten es sich die vier Mädchen mit dem Bären darin gemütlich und Madita meinte: „Wenn wir Dir jetzt ein Schlaflied singen, müßte es doch eigentlich klappen mit dem Einschlafen, oder?“

    Aber es half alles nichts, so schön sie auch im Quartett ihr Repertoire sämtlicher Schlaflieder sangen, der kleine Bär schlief einfach nicht ein.



    Plötzlich erscholl ein Rauschen, Wind kam auf, die Bäume bogen sich und ließen den Schnee hinunter rieseln und schon rauschte der Weihnachtsmann auf seinem Schlitten heran.

    „Oh, wie gut“, keuchte er:“ Hier finde ich Euch meine lieben Mädchen. Zu Hause habe ich Euch nicht angetroffen und da hoffte ich, Euch in Eurem schönen Wald zu finden.“

    „Hallo Weihnachtmann“, rief Marianne erfreut, ihren alten Bekannten zu sehen.


    „Diesmal haben wir ein kleines Problem“, ließ sich Madita vernehmen.

    „Unser neuer Freund hier, der kleine Bär, kann nicht schlafen.“


    „Du siehst aber auch sehr besorgt aus,“ merkte Juliana an, die das gramgebeugte Gesicht des Weihnachtmannes sah.


    „Oh, das ist erstaunlich, sollte er doch eigentlich im tiefsten Winterschlaf stecken“, sagte der Weihnachtsmann verwirrt und strich sich über den Bart.

    „Nun gut, das Problem werden wir dann eben auch noch lösen. Aber jetzt brauche ich dann doch noch einmal Eure Hilfe.

    Etwas schreckliches ist passiert. Paul, mein Wichtel ist von einem Troll entführt worden.

    Der verlangt nun, daß ich ihm sämtliche Geschenke die eigentlich für die Kinder gedacht sind, herausgebe, wenn ich Paul wiedersehen möchte.“


    „Ne, das ist ja mal richtig gemein,“ schimpfte Madita: „ Da müssen wir sofort überlegen, wohin der böse Troll den kleinen Paul entführt hat und ihn retten. Das geht ja mal gar nicht, daß der die ganzen Geschenke bekommen soll. “


    „Eben deswegen brauche ich Eure Hilfe. Damit wir gemeinsam überlegen, wo ein geeigneter Platz zum verstecken wäre, wie stark er bewacht wird und wie wir Paul aus den Fängen des Trolls retten können:“

    Resümierte der Weihnachtsmann.


    „Ohh, bitte, bitte, laßt mich mitmachen. Ich bin auch gar nicht mehr müde. So ein aufregendes Abenteuer hatte ich lange nicht mehr.“ Bettelte der kleine Bär: „Ich helfe Euch, den Troll aufzuspüren, das kann ich bestimmt.“


    „Hmm“ brummte der Weihnachtsmann: “Warum nicht, ich kenn mich zwar nicht so gut mit Bären aus, da sie normalerweise schlafen, wenn ich unterwegs bin - soviel aber weiß ich doch, daß sie hervorragende Spürnasen sind und Du uns vielleicht wirklich helfen kannst, den Troll zu finden“.

    Also kurzerhand alle auf den Schlitten und los ging es, nachdem sie überlegt hatten, zuerst den gesamten Wald zu überfliegen und zu gucken, wo sich ein geheimer Unterschlupf des Trolls befinden könnte.

    Der kleine Bär, ganz in seinem Element, streckte die Nase immer in den Wind und schnüffelte in der Hoffnung, den Geruch des Wichtels Pauls aufzunehmen, nachdem der Weihnachtsmann ihm dessen Mütze zum schnuppern unter die Nase gehalten hatte.


    Plötzlich meinte Marianne: „ Ich muß mal, können wir mal kurz anhalten und da unten in

    dem Café aufs Klo gehen?“

    „Na gut, aber beeil Dich.“ Madita schloß sich gleich an und die beiden Mädchen hüpften schnell auf das Café zu und verschwanden.

    Als nach 10 Minuten noch keine der beiden zurück gekehrt war, machten sich die andern langsam Sorgen.


    „Ich geh mal nachgucken“, bot sich Mathilde an.

    Auch das dauerte dann wieder mindestens 10 Minuten, so daß sich die anderen noch ernstlichere Sorgen machten.

    Auf einmal kamen dann die drei kleinen Damen angerannt, ganz aufgelöst und aufgeregt.

    „Die Tür ging nicht mehr auf und wir waren gefangen“, rief Marianne atemlos.

    „Mathilde ist dann über die Türe geklettert und hat uns gerettet“, ergänzte Madita


    „Das war bestimmt der Troll der weiß, daß wir ihm auf der Spur sind und da hat er die Tür einfach zugezaubert.“ Meinte Marianne, froh wieder draußen zu sein.


    „Könnte aber auch sein, daß ihr in der Aufregung einfach den Schlüssel in die falsche Richtung gedreht habt“, murmelte Juliana fast unhörbar in Mathildes Ohr. Die grinste nur.



    „Aber“, sagte Mathilde dann: „Das Ganze hatte auch etwas Gutes. Als ich da herum geklettert bin, um über die Tür in die Kabine zu kommen, habe ich durch das Fenster etwas entdeckt. Hinter dem Café liegt in einiger Entfernung ein kleiner Schuppen der kaum zu erkennen ist, da er total unter Tannenzweigen und Gestrüpp verborgen ist.

    Wetten, daß das ein Versteck ist. Und sicher sogar das Versteck des Trolls.“


    „Na, worauf warten wir“, rief Juliana. „Hin und nachsehen. Aber vorher schnell einen Befreiungsplan machen.“


    Wieder auf dem Schlitten, lenkten sie ihn in die Richtung des Schuppens, während der kleine Bär bereits den Kopf hob und schnüffelte. „Jaa, da ist der Wichtel, ich kann ihn riechen. Aber da ist noch etwas, etwas sehr unangenehmes, das kann nur der Troll sein.“

    Jetzt konnten sie den versteckten Schuppen auch erkennen. Ein kleines Holzgebäude, das vorne eine Brettertür besaß und nach hinten hinaus ein kleines Fenster.


    Madita schlich sich kurz von hinten an das Fenster, sah hinein und kam schnell zurück. Ganz aufgeregt berichtete sie, daß im hinteren Raum mit dem Fenster, der kleine Wichtel gefesselt auf einem Stuhl sitzt.


    „Ok, dann machen wir es so“, instruierte Juliana: „ Der Weihnachtsmann und der Bär gehen mit Rudolph vor, klopfen an die Tür und wenn der Troll dort ist, müßt Ihr ihn in Schach halten, während wir uns von hinten anschleichen und schnell durchs Fenster klettern um Paul herauszuholen.

    Alles klar? Dann los“, flüsterte sie.


    Und los ging es. Als der Weihnachtsmann an die Tür klopfte und der Troll diese öffnete, streckte sich der kleine Bär ganz lang um größer zu wirken, funkelte und brummte den Troll böse an, zugleich röhrte Rudolph laut und der Troll blieb wie erstarrt stehen, unfähig, sich zu rühren.

    „Tut mir nix, bitte bitte, ich bin nur ein armer lieber Troll, der nix böses gemacht hat.“ Jammerte dieser.


    Währenddessen kletterten die Mädels hinten durchs Fenster, gingen auf den kleinen Wichtel zu.

    „Du bist Paul, stimmt’s“ fragte Mathilde das kleine Männlein.

    „Woher weißt Du das?“

    „Ich weiß sowas eben und hab Dich sofort erkannt.“


    „Wir befreien Dich jetzt“, erläuterte Juliana, wobei sich schon daran machte, die Fesseln des Wichtels zu lösen. „Dann schnell ab durchs Fenster und sofort zum Schlitten. Schaffst Du das? „


    „Ja, ich bin ja so froh, wenn ich hier wegkomme. Der Troll ist so furchterregend.“

    Schnell flüchteten sie aus dem Fenster, rannten zum Schlitten und da kamen auch schon Rudolph, der kleine Bär und er Weihnachtsmann und los ging es mit dem Schlitten.

    Die Begrüßung zwischen Paul und dem Weihnachtsmann war sehr herzlich. „Endlich habe ich Dich wieder, mein Paul. Nun geht’s ab nach Hause, damit Du Dich von Deinem Schrecken erholen kannst.“


    Nach einiger Entfernung meldete sich Marianne: „Ich will auch mal den Schlitten fahren“, bettelte sie.

    Und da der Weihnachtsmann ihr nicht widerstehen konnte, durfte sie die Zügel übernehmen und ab ging es in atemberaubender Geschwindigkeit, so daß alle in ihre Sitze zurückgeworfen wurden.


    Durch Mariannes wilde Fahrt hindurch, hörten sie alle auf einmal ein leises brummendes Geräusch.

    Madita sah sich um und lachte: „Nun ist der kleine Bär tatsächlich doch noch eingeschlafen und das bei Mariannes Fahrkünsten.“

    „Na, dann laßt uns den kleine Bären doch noch schnell in seine Höhle bringen, damit er seinen weiteren Winterschlaf genießen kann“, meinte der Weihnachtsmann.


    Das taten sie und anschließend setzte der Weihnachtsmann die vier Mädchen zu Hause ab.


    Am nächsten Abend, Heiligabend, kamen sie ins Weihnachtszimmer und bewundernden den Baum mit den Geschenken darunter und dachten an ihr erneutes Weihnachtsabenteuer.

    Ganz oben auf den Geschenken saß ein kleiner Teddybär und den Mädchen erschien es fast so, als zwinkere er ihnen zu.

  • Der 22. Dezember von Salonlöwin


    Brückentag


    Als Kirstin ihm vorschlug, sich in diesem Jahr bereits zwei Tage vor Heiligabend zu treffen, hatte er verwundert eingewilligt. Überpünktlich kam er auf dem Parkplatz an der Brücke an, wo sich Autobahn und Bundesstraße kreuzten und werktags viele Pendler ihren Wagen abstellten, um anschließend in einer Fahrgemeinschaft nach Hamburg zu fahren. Doch an diesem letzten Freitag vor dem Weihnachtsfest stand auf diesem ansonsten gut gefüllten Parkplatz nur noch ein älterer Kombi, in dem ein Mann mittleren Alters saß und offensichtlich auf jemanden wartete.


    Da bis zu seiner Verabredung noch ausreichend Zeit für eine Zigarette blieb, stieg er aus seinem Wagen aus, holte ein Päckchen Zigaretten hervor, klopfte die Schachtel bedächtig auf sein Handgelenk bis eine Zigarette herausfiel und steckte sie sich an. Während er den Rauch langsam aus seiner Nase blies und von der Brücke herab die immer dichter werdende Autokolonne beobachtete, die sich von Hamburg in Richtung Berlin bewegte, rechnete er mit einem baldigen Stau.


    Als er den letzten Zug der Zigarette genommen hatte, dachte er, dass sich in diesem Jahr alles anders verhielt und warf den noch glühenden Zigarettenstummel mit Schwung über das Brückengeländer. Er mochte diese kleinen Übertretungen, die ihn vom Rest der Spießer unterschieden. Danach zündete er sich eine weitere Zigarette an und blickte sich um. Der Fahrer des anderen Fahrzeugs war mittlerweile ausgestiegen, um sich die Füße zu vertreten. Sie nickten sich wie zwei Bekannte zu, die wussten, warum man sich an einem Freitagnachmittag vor Weihnachten auf diesem Parkplatz traf. Gesehen hatte er den anderen Mann, der einen beigefarbenen Grobstrickpullover und eine grüne Cordhose sowie eine runde Brille trug, noch nie. Mit seinem Lockenkopf wirkte er sympathisch und keinesfalls wie einer, der seine Familie verlassen hatte und den man hier an jedem Wochenende zum Kindertausch antreffen konnte.


    Mehr als drei Jahre lag die Trennung von seiner Familie nun zurück und für ihren Sohn Jon, den alle nur Jonny nannten, sollte es das dritte Weihnachtsfest werden, das er mit seinem Vater und dessen Freundin Linda feiern würde. Wie die beiden Jahre zuvor, sollte Kirstin Jonny zum Parkplatz bringen und am Silvesternachmittag wieder abholen. Kirstin und er waren nicht die einzigen Eltern, die ihrer geteilten Sorgerechtspflicht auf diesem Parkplatz nachkamen. Wochenende für Wochenende wiederholte sich ein ähnliches Szenario, in dem gehetzte Väter in Wagen der oberen Mittel- oder Oberklasse auf diesem günstig gelegenen Parkplatz vorfuhren, um von wartenden Müttern in Kleinwagen mit gerade noch erhaltener TÜV-Plakette die Kinder zu übernehmen. Wenn es gut lief, begrüßten sich die Getrennten, gaben Hinweise und tauschten Neuigkeiten über ihre Kinder aus, die währenddessen mit ihren Trolleys geduldig warteten. Anders sah die Situation aus, wenn die Eltern ihre Trennung noch nicht verarbeitet hatten. In diesen Fällen parkten die Beteiligten möglichst weit auseinander, grüßten einander nicht und schickten ihre Kinder von der einen Seite des Parkplatzes zur anderen, jedoch nicht ohne eine vorherige Umarmung, die deutlich zeigte, welcher Elternteil den Kindern näherstand.


    Linda, die ihn die Jahre zuvor immer zum Parkplatz begleitet hatte, kam dieses Mal nicht mit, da sie pünktlich zum 3. Advent verkündet hatte, ihre Beziehung erst einmal zu überdenken und ein gemeinsames Weihnachten ausschloss, da er bislang keine Anstrengungen unternommen habe, seine familiäre Situation auch rechtlich zu klären. Während er sich eine dritte Zigarette ansteckte und auf den Feiertagsverkehr blickte, fragte er sich nach dem eigentlichen Grund für seine Trennung von Kirstin. Er erinnerte sich daran, dass sie kurz nach der Geburt von Jonny den Wunsch geäußert hatte, das Weihnachtsfest gemeinsam mit ihren Eltern in ihrer finnischen Heimat in einer abgelegenen Schneehütte zu feiern.


    Jedes Jahr suchte er neue Ausflüchte, schob es auf die Arbeit, auf die lange Anreise oder sein Bedürfnis nach Entspannung. Natürlich wollte er nicht zugeben, dass er keinen Wunsch verspürte, mit seinem Schwiegervater nackt in der Sauna zu sitzen und dabei Unmengen an Alkohol zu trinken, obwohl Kirstin ihm vorausschauend versichert hatte, dass es kein Problem darstelle, eine finnische Sauna bekleidet zu betreten und er keine Höflichkeitsetikette verletze, wenn er Alkohol ablehne. Auch die Aussicht auf meterhohen Schnee zu treffen, gefiel ihm ebenso wenig wie die Vorstellung, in Eiseskälte vor einem Grill zu stehen, um ein Weihnachtsessen zuzubereiten, das weit davon entfernt war, einem Festessen zu ähneln. Jahr für Jahr wiederholten seine Schwiegereltern ihre Einladung und beteuerten, wie zwanglos man in Finnland Weihnachten feiern würde. Irgendwann hatte Kirstin es aufgegeben, ihn nach einer Weihnachtsplanung zu fragen oder um Hilfe beim Kauf eines Weihnachtsbaums zu bitten. Als sie beide feststellten, sich nichts mehr zu sagen zu haben, zog er aus dem dörflich gelegenen gemeinsamen Haus aus und nahm sich ein Apartment in Hamburg. Kurze Zeit darauf lernte er Linda kennen. Mit ihr gestaltete sich das Weihnachtsfest um einiges einfacher. Am Tag vor dem Fest stellten sie einen künstlichen Weihnachtsbaum auf, der alles andere als an einen echten Nadelbaum erinnerte und eher einem skandinavisch designten Garderobenständer glich, an dessen kugelförmigen Haken sich LED-Lampen befanden und der sich nach Weihnachten auf praktische dreißig Zentimeter zusammenklappen und problemlos wegräumen ließ. Das Essen bestellten sie in einem nicht allzu weit entfernten Restaurant und Jonny beschwerte sich solange nicht, wie die Geschenke groß genug und die Süßigkeiten zahlreich ausfielen.


    Jetzt da er auf diesem Parkplatz im Nieselregen bei warmen 15 Grad Celsius stand und hinunter auf die Autos starrte, die einem Weihnachtsfest entgegenfuhren, dachte er darüber nach, warum er sich so vehement gegen ein familiäres Weihnachtsfest in Finnland gewehrt hatte. Eine spontane Erklärung fiel ihm nicht ein und er fragte sich, ob Kirstin auch in diesem Jahr den Weihnachtsbaum allein die Treppe hinauftragen würde und wie für sie ein Weihnachtsfest ohne Jonny aussah. Doch bevor er seine Gedanken zu Ende bringen konnte, fuhr Kirstins Wagen - vielleicht eine Spur zu schnell - auf den Parkplatz.


    Beide stiegen aus und während Jonny seine Tasche von der Rückbank nahm, kam Kirstin auf ihn zu, nahm ihn in die Arme und wünschte ihm frohe Weihnachten. Als sie sich löste und er sich zögerlich nach ihrem Weihnachtsbaum erkundigen wollte, drehte sie sich plötzlich um. Der Mann vom anderen Ende des Parkplatzes stand jetzt hinter ihr und stellte sich als Kirstins neuer Partner vor. Sie würden gleich nach Travemünde aufbrechen und dort die Fähre nach Helsinki nehmen, um das Weihnachtsfest gemeinsam mit Kirstins Eltern zu verbringen, erklärte der neue Mann an ihrer Seite. Jonny, der mittlerweile unbeteiligt und wortlos neben seinen Eltern stand, sah seinen Vater an und zog die rechte Augenbraue hoch. Auf einmal kamen Erinnerungen an jenen unendlich heißen Sommer auf, in dem die Wärme sich wie eine Trägheit über die Menschen legte und Jonny mit seinem finnischen Großvater das Hochziehen der Brauen übte. Am Ende dieser Sommerferien im hohen Norden wurde die hochgezogene rechte Augenbraue zum Markenzeichen für Jonnys Unentschlossenheit.


    Als der Kombi den Parkplatz bereits 100 Meter verlassen hatte und nur noch die Rücklichter zu sehen waren, winkte Jonny dem Auto immer noch hinterher. Vater und Sohn stiegen ins Auto ein und fuhren auf der Autobahn in Richtung Norden. Jonny, der immer noch schwieg, stellte das Radio an, um die Stille zu überbrücken. Im Hintergrund bimmelten Glöckchen und in seiner Anmoderation kündigte ein überfröhlicher Radio-DJ an, an diesem Nachmittag über Erwartungen an das Weihnachtsfest zu sprechen.


    Kurz bevor sie Hamburg erreichten und den „Echten Norden“ verließen, ein Slogan, der nur von in Glasstahlbeton arbeitenden Menschen erdacht sein konnte, die mutmaßlich genauso wenig wie er wussten, was den Norden als „echt“ adelte, hatte ein Bauer die Antwort darauf offensichtlich schon gefunden. Fast gleichzeitig bemerkten Jonny und er auf einem Feld ein riesiges Schild mit einem überlebensgroßen Weihnachtsmann, der in einer Sprechblase mit „Echte Weihnacht nur mit echten Nordmanntannen“ warb. Darunter stand eine mit einem Pfeil versehene Entfernungsangabe von 500 Metern. Einen Augenblick lang sahen sie sich an und dann entdeckte er im Gesicht seines Sohnes zum ersten Mal eine linke hochgezogene Braue und ein Lächeln, von denen eine nie dagewesene Bestimmtheit ausging. Nach einem kurzen Zögern setzte er den Blinker und nahm gerade noch rechtzeitig die Ausfahrt.

  • Der 23. Dezember von Tom


    Pedda, der Kohleneimer und ich


    „Wenn du dich das traust“, flüsterte Pedda, unterbrach den Satz aber. Dann nickte er. „Wenn du dich das traust, bekommst du mein größtes Weihnachtsgeschenk.“

    Ich betrachtete den großen Blecheimer, der vor uns auf dem Fensterbrett stand. Das dazugehörige Fenster befand sich am Treppenabsatz zwischen dem dritten und vierten Stock des Mietshauses, in dem wir wohnten - Peddas Familie im zweiten Stock und meine im vierten -, und man sah aus diesem Fenster auf unseren Innenhof, denn unser Haus war ein Hinterhaus. Der Eimer, der auf der Fensterbank stand, und mit dem Pedda oder seine Brüder normalerweise Kohlen aus dem Keller holten, war mit pappigem Schnee gefüllt, oder mit Schneematsch, weil der Schnee darin allmählich schmolz. Gleich würde die olle Läuse unten durch die Haustür gehen. Wir nannten sie so, weil die anderen Kinder sie auch so nannten. Die olle Läuse hatte angeblich ständig Kopfläuse, sozusagen chronisch, weshalb sie sogar im Sommer Kopftücher trug – man sah sie nie ohne. Sie hieß eigentlich Frau Ruppert und war im Alter meiner Eltern, also ungeheuer alt. Fast schon vierzig, schätzte ich, aber bei Erwachsenen war das Alter schwer zu erraten, außer, sie hatten weiße Haare und viele Falten, so, wie meine Omas, dann waren sie sicher über fünfzig.


    „Dein größtes?“, fragte ich Pedda.


    Er nickte abermals und sah mich dabei so ernst an, als hätte er soeben angeboten, sich direkt vor meinen Augen selbst zu massakrieren. Aber das Angebot war überhaupt nicht besonders sensationell. Peddas Vater besaß wenig Geld, und Pedda hatte fünf Geschwister. Was sie zu Weihnachten bekamen, bekamen sie meistens gemeinsam, oder es handelte sich um Kleidung aus zweiter Hand, Stifte für die Federmappen und solche Sachen. Im vergangenen Jahr hatten sie einen Schlitten bekommen, und sonst nichts, nur noch ein paar Süßigkeiten und etwas Obst, und der Schlitten war nicht einmal neu gewesen. Aber Pedda war jedes Jahr wieder zuversichtlich, dass er ein großes, spektakuläres Geschenk nur für sich unter dem Weihnachtsbaum finden würde. So wie ich im vergangenen Jahr den erstklassigen High-Riser, auf dem ich ihn ab und zu fahren ließ. Aber ich hatte auch noch beide Eltern und nur eine Schwester, die selbst fast schon erwachsen war. Meine Mutter machte irgendwas Wichtiges in einem Büro im Krankenhaus, während mein Vater zu Hause seine Geschichten tippte, die in den Sonntagsausgaben einiger Tageszeitungen abgedruckt wurden, und wir besaßen sogar zwei Autos, einen Ford und einen VW Käfer. Peddas Vater war Hausmeister in einem Gymnasium im Norden der Stadt. Er verdiente sehr wenig Geld und fuhr mit dem Bus zur Arbeit. Pedda bekam kein Taschengeld; er hatte letztens auf dem Schulweg einen Groschen entdeckt, der auf dem Bürgersteig gelegen hatte und ein bisschen von einem frischen Hundehaufen bedeckt gewesen war, aber er hatte ihn trotzdem genommen.


    „Wenn du in diesem Jahr wirklich was Großes bekommst, dann willst du mir das geben, nur weil ich der ollen Läuse Schneematsch auf den Kopf gekippt habe? Wofür wir vermutlich auch noch Dresche kriegen, weil es hier keinen Fluchtweg gibt? Bist du verrückt?“ Das mit dem Fluchtweg stimmte nicht ganz, denn wir würden es natürlich in meine Wohnung schaffen, aber sicher wären wir dort nicht, denn mein Vater war zu Hause und die olle Läuse würde wahrscheinlich bei uns klingeln, nachdem sie die Lawine abgekriegt hatte.


    Er grinste kurz. Dann veränderte sich seine Mimik.


    „Ich kriege doch sowieso nichts Großes“, sagte er und senkte den Kopf. „Nur wieder Socken aus kratziger Wolle und eine Mütze und Handschuhe und so“, murmelte er. „Und das hat vorher auch noch fremden Leuten gehört.“


    „Na toll“, sagte ich und versuchte ein Lächeln, um ihn aufzumuntern. „Ich riskiere also Dresche, um eine gebrauchte Mütze zu bekommen, und du frierst dann den ganzen Winter am Kopf?“ Als ich ihn ausgesprochen hatte, bereute ich den Satz, weil er seine lausigen Geschenke in noch schlechterem Licht erscheinen ließ, wie mir bewusst wurde, aber - gesagt war gesagt.


    Pedda verzog das Gesicht, dann grinste er wieder. „Und wahrscheinlich ist es sogar eine hässliche gebrauchte Mütze“, verkündete er, fast ein bisschen zu laut, denn aus dem Erdgeschoss war in diesem Augenblick die Wohnungstür der ollen Läuse zu hören. Wir gingen aus der Hocke in den Stand über, damit wir uns ein wenig aus dem Fenster beugen könnten, das Pedda mit dem Vierkantschlüssel geöffnet hatte, den er sich vom Schlüsselbund seines Vaters ausgeborgt hatte. Mit diesem Vierkantschlüssel konnte man erstaunlich viele verschlossene Dinge öffnen.


    „Ich will deine Mütze aber nicht“, sagte ich leise. Wir nahmen unsere Hände an den Eimer, zwei Paar frierender Jungshände. Ich war fast zwölf, Pedda zweieinhalb Monate älter; eigentlich waren wir zu alt für sowas. Das laute Quietschen der Haustür erklang. „Jetzt“, zischte er.


    Und dann kippten wir den Eimer um. Allerdings dachte keiner von uns beiden daran, ihn festzuhalten, weshalb kurz darauf von unten mehrere Geräusche zu hören waren: Ein platschendes Geräusch, fast gleichzeitig ein blechernes Poltern und kurz darauf ein verärgerter Schrei. Pedda wuchtete das Fenster zu, drehte den Vierkantschlüssel, zog ihn aus dem Schlüsselloch und schlug mir dann grinsend auf den Rücken.


    „Rückzug!“, befahl er.


    Wir polterten die halbe Treppe hoch, ich zerrte den Wohnungsschlüssel aus der Hosentasche und schaffte es fast nicht, das Schloss zu treffen.


    „Mach hinne!“, murmelte Pedda.


    „Ich mache ja schon“, erwiderte ich, da rutschte der Schlüssel ins Schloss, ich ließ es aufschnappen und wir schoben uns durch die Tür, wo wir uns auf der Fußmatte drängten, um unsere Stiefel auszuziehen, denn wenn wir Flecken auf die Auslegeware im Flur machten, wäre der Teufel los. Kurz darauf saßen wir in meinem Zimmer auf der Kante meines französischen Bettes. Pedda teilte sich ein Zimmer mit seinen zwei Brüdern. Er hatte außerdem noch drei Schwestern, die sich das andere Zimmer teilten. Peddas Vater übernachtete im Wohnzimmer.


    So saßen wir dann da, ungefähr eine halbe Stunde lang, die Hände zwischen die Oberschenkel geklemmt, schweigsam und flach atmend, die Blicke auf die Zimmertür gerichtet, die Ohren gespitzt. Aber es geschah nichts. Es geschah einfach überhaupt nichts.


    „Auf dem Eimer steht unser Name“, sagte Pedda dann plötzlich, wobei er die Stirn in Falten legte. Das stimmte. Peddas Schwester Monika beschriftete einfach alles, seit sie schreiben konnte.


    Ich nickte und sagte: „Wir haben es zusammen gemacht, deshalb gilt die Wette nicht. Du musst mir dein größtes Geschenk nicht geben.“



    Die olle Läuse hatte nicht bei uns geklingelt, weil sie in Eile gewesen war, und das umso mehr, weil sie noch die Jacke und das Kopftuch wechseln musste. Sie klingelte am späten Nachmittag bei Peddas Vater, als sie von der Arbeit kam, und präsentierte ihm den Kohleneimer, der sie haarscharf verfehlt hatte, während sich der Schneematsch fast komplett über sie ergossen hatte. Pedda bekam zehn Schläge mit dem Riemen auf den blanken Hintern, aber er verpetzte mich nicht.


    „Ich hätte die Dresche ja trotzdem bekommen“, sagte er.


    Er bekam am nächsten Tag, am Heiligen Abend, außerdem 48 Filzstifte, die in einer knittrigen Klarsichtverpackung fächerförmig angeordnet waren. Pedda malte leidenschaftlich gerne, weshalb er auch ziemlich schnell feststellte, dass die Filzer keine gute Qualität hatten. Das Zitronengelb trocknete schon aus, kaum dass er eine fünfmarkstückgroße Sonne damit coloriert hatte, und auch das Anfeuchten der Watte in den Stiften mit etwas Essigwasser half nur kurz.


    Meine Eltern schenkten mir eine große Carrerabahn, den Hockenheimring mit zwei Formel-Rennwagen, Rundenzähler und einer Steilkurve, alles im Maßstab eins zu zweiunddreißig. Ich freute mich sehr darüber, denn ich war ein großer Fan von Carrerabahnen, genau wie Pedda – wir drückten uns nachmittagelang die Nasen an der Schaufensterscheibe von Spielwaren Hinze platt, hinter der eine riesige Bahn aufgebaut war, an der manchmal erwachsene Männer standen und spielten, aber nie Kinder. Ich fuhr den ganzen Heiligabend Rennen gegen meine Eltern und meine Schwester, bis der Regler in meiner Hand so heiß wurde, dass das Gehäuse zu schmelzen drohte, aber der Entschluss, den ich am Morgen des ersten Weihnachtstages fasste, stand trotzdem fest. Ich fragte meine Eltern, die nur kurz zögerten, aber dann einverstanden waren, wobei es in den Augen meiner Mutter ein bisschen glitzerte. Ich baute die Bahn ab und verstaute sie in der großen Packung, die ich anschließend schulterte und in den zweiten Stock hinuntertrug.


    „Was willst du denn hier?“, fragte Peddas Bruder Kurt, der fast schon fünfzehn war und einen Schnurrbart aus ganz dünnen, feinen Haaren hatte. Das sah total albern aus, aber er war sehr stolz auf seinen Bart.


    „Ich bin der Weihnachtsmann“, sagte ich.


    Pedda war total aus dem Häuschen, aber er tat trotzdem so, als wolle er mein großzügiges Geschenk auf keinen Fall annehmen. Wir bauten die Bahn schließlich im Wohnzimmer auf („Nur, um sie mal anzuschauen“, sagte Pedda), wo der Vater nachts auf dem Sofa schlief und eine hüfthohe, struppige Fichte mit etwas Lametta und einer Handvoll echter Kerzen geschmückt war.


    Wann immer ich in den nächsten Tagen an Peddas Wohnungstür vorbeikam, hörte ich von drinnen das Klacken des Carrera-Rundenzählers. Er und seine Geschwister und auch der Vater schienen rund um die Uhr mit der Bahn zu spielen. Die Regler schmorten ein paar Male durch, aber Peddas Vater, der Gymnasiums-Hausmeister, war handwerklich geschickt und reparierte alles ziemlich schnell. Ich hörte einen Moment lang zu, lächelte dann und ging weiter, meistens jedenfalls, aber wir fuhren natürlich auch jede Menge Rennen gegeneinander, die mein Freund Pedda häufiger gewann, jedenfalls am Anfang, bis ich den Dreh auch raushatte.



    Die olle Läuse hatte nie Kopfläuse gehabt, sondern eine flächige Schuppenflechte im Nacken und seitlich am Hals, die sie mit Hilfe des Kopftuchs vor anderen Menschen zu verbergen versuchte. Ein Jahr nach der Blecheimerattacke heiratete sie Peddas Vater, und die dann achtköpfige Familie verteilte sich immerhin auf zwei Zweieinhalb-Zimmer-Wohnungen. Die Carrerabahn blieb im zweiten Stock, genau wie Peddas Zimmer, das er sich nur noch mit einem Bruder teilen musste – mit Klaus, dem kleineren. Es war trotzdem nicht groß genug für den Hockenheimring.


    Ich bin noch heute mit Peter Hinrichs befreundet. Ich bin nach dem Bund nach Hamburg gezogen, um Journalist zu werden, während Peter nach Berlin ging, um dem Wehrdienst zu entgehen, und dort Architektur studierte. Wir skypen mindestens einmal pro Woche und sehen uns häufiger, als ich Carla, meine Schwester, sehe. Ich treffe Peter, der es nicht mehr so gerne hört, Pedda genannt zu werden, oft bei Slotcar-Events, was keine so alberne Beschäftigung für erwachsene Menschen ist, wie die meisten meinen. Unsere Eltern sind längst tot, aber auch zwei von seinen Geschwistern sind schon gestorben - Luise, die jüngste, an Brustkrebs, und Kurt bei einem Autounfall, den er selbst verursacht hat. Peter ist verheiratet und hat einen Sohn, der in England eine Ausbildung zum Koch absolviert. Ich lebe mit meinem Partner schon seit zwölf Jahren zusammen, aber wir wollen nicht heiraten.


    Wenn ich Peter kurz vor Weihnachten für zwei, drei Tage besuche, was sich zum Ritual entwickelt hat, holt er die alte Bahn vom Dachboden, unser gemeinsames Weihnachtsgeschenk, und wir verbringen dann einige Zeit damit, die Schienen vom Flugrost zu befreien und die alten Autos zu warten. Dabei reden wir nicht viel, weil wir beide das gleiche denken, nämlich an damals, diesen Vormittag am Tag vor Heiligabend, als ein blecherner Kohleneimer aus dem dreieinhalbten Stock stürzte und mit unserer beider Leben etwas machte, ohne das sie heute nicht dieselben wären.

  • Der 24. Dezember von Churchill


    Der Adventskalender


    Ein bisschen stressig ist es schon

    (inzwischen seit nun siebzehn Jahren).

    Es gilt, die liebe Tradition

    alljährlich sorgsam zu bewahren.


    So suchen wir mit sanftem Druck

    die Eulen, welche Türen füllen.

    Und viele geben sich nen Ruck,

    um dann ihr Können zu enthüllen.


    Wird der Kalender so bestückt

    mit Kurzromanen und Gedichten,

    (mal sehr verknappt, mal ausgeschmückt):

    Wir naschen köstliche Geschichten


    von Liebe, die im Stau beginnt,

    von Wichteln, Kobolden und Elfen,

    von Knospen, die am Platzen sind,

    von Fundbueros, die lesen helfen,


    von Kasimir, von Candytown,

    und Mutti schmückt die Weihnachtsbäume,

    wenn wir auf letzte Züge schaun

    und Tiefgaragenweihnachtsträume.


    Von Bamberg, das in Bombay liegt,

    von Nachbarn, die nicht nur laut reden,

    vom grünen Ding, das niemand kriegt,

    von Sandra und dem Glück in Schweden.


    Vom Weg, vom Rückweg ganz allein,

    vom Weihnachtswunder in der Trauer,

    es wird das dritte Foto sein,

    ein Radrennen von langer Dauer.


    Der Engel der Vergesslichkeit

    ein Singleweihnachtsrunningdinner,

    Geschichten in der Weihnachtszeit,

    ein Bär, vier Mädchen als Gewinner.


    Der Zauber der Carrerabahn,

    Getrennte, die ihr Kind austauschen.

    Manches hat ganz schön weh getan,

    doch möcht ich trotzdem weiter lauschen.


    Wie jährlich mit dem Weihnachtsbaum

    ist es mit dem Adventskalender:

    Ein Atemholen. Sehnsuchtsraum.

    „So schön wie nie“ - ein Hoffnungsspender.


    So sei euch allen heut gedankt:

    Wir durften wieder uns erfreuen

    und haben etwas aufgetankt,

    konnten ein wenig uns zerstreuen.


    Eure Gedanken taten gut,

    Ideen, Bilder und Geschichten

    machten in dunklen Zeiten Mut.

    Nun gilt‘s, den Blick nach vorn zu richten.


    Viel Grund zum Feiern gibt es nicht:

    Dunkel die Zeit. Die Welt in Kriegen.

    Es bleibt die Sehnsucht nach dem Licht,

    der Wunsch, das Gute möge siegen.


    Wer liebend durch das Leben geht,

    die Herzen weit, die Ohren offen,

    die Weihnachtsbotschaft recht versteht,

    darf glaubend auf den Frieden hoffen.