Issa - Mirrianne Mahn

  • Rowohlt, 2024

    304 Seiten


    Kurzbeschreibung:

    Eigentlich will Issa diese Reise gar nicht antreten. Schwanger sitzt sie im Flugzeug nach Douala, angetrieben von ihrer Mutter, die bei der bevorstehenden Geburt um das Leben ihrer Tochter fürchtet. In Kamerun, dem Land ihrer Kindheit, soll sie den heilsamen Weg der Rituale gehen, unter den Adleraugen ihrer Omas. Doch so einfach ist das alles gar nicht, wenn man in Frankfurt zu schwarz und in Buea zu deutsch ist. Der Besuch wird für Issa eine Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte und der Gewissheit, dass sowohl Traumata als auch der unbedingte Liebes- und Lebenswille vererbbar sind.


    Über die Autorin:

    Mirrianne Mahn wurde 1989 in Buea/Kamerun geboren und wuchs in einem kleinen Dorf im Hunsrück auf. Mittlerweile lebt sie in Frankfurt, wo sie sich als Aktivistin und Theatermacherin gegen Diskriminierung und Rassismus engagiert. Sie ist Referentin für Diversitätsentwicklung und Antidiskriminierung und seit 2021 Stadtverordnete in Frankfurt am Main. Für ihr politisches Engagement wurde sie vom FOCUS Magazin zu einer der 100 Frauen des Jahres 2021 gewählt.


    Mein Eindruck:

    Issa ist ein Roman, der ein Gefühl dafür vermittelt, was es heißt, als PoC in Deutschland aufzuwachsen und in der alten Heimat inzwischen fremd zu sein.

    Die Protagonistin Issa teilt einige Eckdaten ihrer Erschafferin, der Autorin Mirrianne Mahn. Dadurch wird die Figur sehr glaubhaft.

    Issa ists schwanger und reist nach Kamerun, wo sie geboren ist. Aufgewachsen ist sie aber in Deutschland. In Kamerun trifft sie ihre Familie, insbesondere ihre Großmutter und ihre Urgroßmutter beeinflussen sie stark.

    Die dazwischengeschobenen Abschnitte der Vergangenheit fand ich nicht so zwingend.

    Mich überzeugen die Passagen, in denen sich Issas Fremdheit mit dem Land zeigen, aber wo schließlich auch eine Verbundenheit entsteht.

    Viele Passagen haben mich beim Lesen wirklich gepackt und auch das Ende ist stimmig.

    Ein gutes Debüt.


    ASIN/ISBN: 3498003909

  • Wir haben "Issa" als Buch in unserem Lesekreis gelesen. Aufgefallen ist es mir durch das Cover schon vorher, denn das blaue Titelbild mit der auffälligen Frau und ihrem Haarschopf ist wirklich ein Hingucker. Die Buchstaben sind leicht erhaben, wie mit Farbe aufgemalt.


    In zwei Zeitebenen erfahren wir die Geschichte von Issa in der Jetztzeit 2006, und die Geschichte ihrer Vorfahrinnen, beginnend mit dem Jahr 1903.


    Auf den letzten Seiten ist ein Glossar der fremdsprachlichen Begriffe und ein

    Familienstammbaum abgedruckt, der mir sehr hilfreich war.


    Issa, eine junge Kamerunerin, die seitdem sie Jugendliche ist, in Deutschland lebt, ist von ihrem deutschen Freund schwanger. Ihre Mutter und auch ihre Tante beschwören sie, dass sie unbedingt in die kamerunische Heimat reisen muss und verschiedene Rituale durchlaufen soll, damit diese Schwangerschaft unter einem guten Stern steht. Zuletzt war sie vor 10 Jahren dort, als ihre Mutter eine siebenjährige Gedenkfeier zum 25. Todestag ihres Vates organisiert, der damals als Chief eine wichtige Persönlichkeit in seinem Dorf war, der Großneffe von Chief Manga Bell, der in Kamerun wohl auch heute noch verehrt wird.


    In der Vergangenheit, beginnend mit Issas Urururgroßmutter Ihanna erfahren wir von der deutschen Kolonialgeschichte in Kamerun, von den Kämpfen während des 1. Weltkriegs zwischen den verschiedenen Kolonialmächten Deutschland, Frankreich und England, wo auch Einheimische mitkämpfen mussten (was mir überhaupt nicht bekannt war). Wir lesen von der Macht der Männer, die eher als gewalttätige und einflussreiche Randfiguren in diesem Roman die Lebenswege der Frauen beeinflussen.


    Spannend fand ich, über Kamerun und die einheimischen Rituale und Famlienbande zu lesen. Dass Polygamie auch heutzutage noch üblich sein soll, und immer die erste Ehefrau die meiste Macht hat. Dass die weißen Kolonialherren sich an den afrikanischen Frauen vergangen haben, die dann die Schande tragen mussten, weil sich die Einheimischen natürlich nicht an den Herrschaften rächen durften.


    Doch auch der Lebensweg Issas ist interessant. Ihre Mutter ist nach Deutschland gezogen, weil das Visum ihres Verehrers Jürgen ausgelaufen ist. Dort wollte sie ihr Medizinstudium fortsetzen, doch ihre Abschlüsse wurden nicht anerkannt. Und so musste Issas Mutter Ayudele kämpfen, um sich etwas aufzubauen und hat auch von Issa immer Haltung und beste Leistungen verlangt. Das Verhältnis zwischen Issa und ihrer Mutter ist entsprechend angespannt.

    Für Deutschland war Issa immer zu farbig, in Kamerun ist sie die Deutsche, die fremd in der eigenen Heimat ist, und die man ausnehmen kann.


    In diesem doch relativ kurzen Roman kommen viele Themen vor. Die Kolonialgeschichte, die Herrschaft der Deutschen, die Unterdrückung der Frauen. Aber auch die Wichtigkeit der Familie und der Kultur. Wie man ein Gespräch führt, dass man den Teller keineswegs leer essen darf, wenn man keinen Nachschlag mehr verträgt. Und dass man als Schwangere wie eine Königin behandelt wird, auch wenn man dafür eine Ziege schlachten muss.


    Mich hat Issas Geschichte sehr gefesselt, die Vergangenheit ihrer Vorfahrinnen war genauso spannend wie die Gegenwart, in der Issa sich mit ihrer eigenen Biografie und den Wurzeln befassen muss, die in ihr schlummern, auch wenn sie das zunächst abtut.


    Für mich war dieser Roman eine echte Entdeckung, sehr gut zu lesen, immer wieder voller Humor und Stoff für Diskussionen bietend.


    10 Punkte von mir.