Sara Gmuer - Achtzehnter Stock

  • Klappentext

    »Unerfüllte Träume sind auch Träume. Sie sind bloß viel gefährlicher.« – Wanda hat sich ihr Leben anders vorgestellt. Ganz anders. Statt auf Filmdrehs und Premieren verbringt sie die heißen Sommertage im Hof einer Berliner Platte, wo sie mit ihrer fünfjährigen Tochter Karlie im achtzehnten Stock wohnt. Der Lift ist defekt und das Treppenhaus ein einziges Funkloch, in dem man, wenn man Pech hat, das ganze Leben verpasst. Am anderen Ende der Stadt scheint dagegen alles möglich. Als Wanda eine einmalige Chance bekommt, taucht sie ein in eine Welt, in der Geld keine Rolle spielt und Türen immer offenstehen. Doch wie weit sie auch geht, die Platte in ihrem Rücken wird nie wirklich kleiner.


    Über die Autorin

    Sara Gmuer, 1980 in Locarno geboren, zog nach ihrem Abschluss an der Filmschauspielschule Zürich nach Deutschland. Sie stand für Dominik Graf und Die Ärzte vor der Kamera und als Rapperin auf der Bühne. Sie schrieb Songs, textete für Agenturen und fand dabei ihre ganz eigene Stimme. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Berlin.


    Mein persönliches Fazit

    Ich wollte das Buch wirklich mögen, weil ich die Grundidee wirklich gut finde. Mir gefällt die Darstellung, von Wandas sozialem Umfeld, der Tristesse, der Ausweglosigkeit, dem Wohnviertel. Den Menschen, die sich ihr Leben irgendwie eingerichtet haben. Diese Schicksalsgemeinschaft der Nachbarinnen hat gleichzeitig auch etwas sehr rühriges. Es führt mir auch vor Augen, wie privilegiert ich im Grunde lebe.

    Und dann ist da Wanda, die ich auf den ersten Seiten noch halbwegs sympathisch finde, was sich mit der Zeit immer mehr verliert. Dieses permanente Herausstellen, dass sie etwas Besseres ist, nicht zum unteren Ende der Gesellschaft gehört - basierend auf einer vor Jahren gedrehten Waschmittelwerbung. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich auch im realen Leben mit solchen Menschen nur schwer zurecht komme.

    Vielleicht ist das auch der Grund, dass ich Wanda nicht mochte. Ich konnte ihre Handlungen oft nicht nachvollziehen und mein Mitleid mit ihr hielt sich wirklich sehr in Grenzen. Durch das hohe Erzähltempo passiert auf wenigen Seiten doch ziemlich viel, aber es ist immer direkt das große Drama. Wanda erfährt nur Ungerechtigkeiten, niemand ist für sie. Dabei wandelt sie so unüberlegt und planlos durch die Welt, dass man sich zwischendurch schon fragt, wie sie es schafft ein Kind zu versorgen. Das war mir einfach zu viel. Zu viel Klischee, zu überzogen. Als Wanda dann für ihren Traum auch noch ihr Kind massiv vernachlässigt, musste ich das Buch wirklich erstmal beiseite legen.

    Gute Idee, wirklich guter Anfang, danach wurde es für mich einfach unsympathisch und wirr.


    ASIN/ISBN: 3446282785

  • Träume im Plattenbau

    Sperrmüll im Flur, Pissegestank im Fahrstuhl und rundum eher keine heile Welt: Die Schauspielerin und alleinerziehende Mutter Wanda lebt mit ihrer kleinen Tochter in einem Berliner Plattenbau und träumt von der Welt der Schönen, Reichen und Berühmten. Das prekäre Leben ist ihr von Kolleg*innen peinlich, wenn sie einen Casting-Termin oder gar ein Engagement hat, und zwischen Vorsprechen, Frust und Hoffnung auf den großen Erfolg verliert Wanda manchmal wesentliches aus dem Blickfeld - etwa dass ihre Tochter schwerer krank ist als es mit einem eiternden Ohr zunächst den Eindruck hat.

    In "Achtzehnter Stock" lässt Sara Gmuer Ich-Erzählerin Wanda zwischen Schnoddrigkeit und Poesie, großen Erwartungen und Ernüchterung, Leidenschaft und Verzweiflung erzählen. Auch bei chronischem Geldmangel steht für Wanda immer fest - in den Plattenbau gehört sie nicht, die Umstände müssen sich ändern und sie wird ihrer kleinen Karlie (die für eine Fünfjährige eher unglaubwürdig weil ungemein erwachsen klingt) schon irgendwann etwas Besseres bieten.

    Dass Wanda sich für etwas Besseres als ihre Nachbarn hält, wird schon davon deutlich, dass sie sich nicht mal die Mühe macht, den Namen der hilfsbereiten türkischen Nachbarin zu lernen, die sich immer wieder um Karlie kümmert - die heißt durchgehend bloß Aylins Mama.

    Die Autorin schreibt in einem angenehmen, gut lesbarem Stil, schafft es aber nicht, Stereotypen und Klischees zu vermeiden: sei es die raue aber herzliche Platten-Nachbarschaft, in der die Hartz 4-Nachbarn recht uniform prollig dargestellt sind, sei es die Welt der der Filmproduzenten und -Sets mit Schampus und ChiChi und schönem Schein. Insofern ist "Achtzehnter Stock" zwar gut lesbar und hat durchaus seine Momente, bietet aber auch viel Oberflächlichkeit und eine Protagonistin, mit der ich angesichts ihrer Ichbezogenheit nicht wirklich warm werden konnte.

  • Wanda hat es so satt. Seit Längerem träumt sie davon, als Schauspielerin durchzustarten. Doch eine ungeplante Schwangerschaft hat ihre Karriere beendet, bevor sie überhaupt losgehen konnte. Statt die Ausbildung auf der Schauspielschule zu beenden, muss sich die alleinerziehende Mutter nun um ihre fünfjährige Tochter Karlie kümmern. In ihrer schäbigen Wohnung im 18. Stock eines Berliner Plattenbaus fristen die beiden ihr Dasein mit Geldsorgen und Langeweile. Als schließlich doch ein vielversprechender Anruf kommt, schmeißt ihr das Schicksal erneut Steine in den Weg. Doch Wanda weigert sich, ihren Traum aufzugeben…


    „Achtzehnter Stock“ ist ein Roman von Sara Gmuer.


    Vor allem die raue, sehr passende Sprache des Romans hat mich begeistert. Ungewöhnliche, kreative Bilder, authentische Dialoge und eindrückliche Beschreibungen zeichnen den unverwechselbaren Stil aus. Dabei ist der Text sehr dicht und atmosphärisch stark. Kein Wort ist zu viel. Immer wieder finden sich kluge Sätze und Gedanken.


    Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Wanda, in chronologischer Reihenfolge, aber mit mehreren Rückblicken. Die Handlung umfasst einige Monate und spielt fast ausschließlich in Berlin. Viele kurze Kapitel treiben die Geschichte voran.


    Auch in inhaltlicher Hinsicht hat die Geschichte einiges mehr zu bieten als nur Einblicke in die Filmbranche. Es geht vielmehr um die Probleme alleinerziehender Mütter, vererbte Armut und soziale Ungerechtigkeit. Dabei setzt der Roman auch feministische Impulse und macht nachdenklich.


    Wanda ist eine Protagonistin mit Ecken und Kanten. Sie ist stur, macht Fehler und reagiert bisweilen impulsiv statt vernünftig. Trotzdem mochte ich diesen unbeschönigten Charakter gerne, denn wir erfahren nach und nach, wie ihr das Leben mehrfach übel mitgespielt hat. Ihr Denken und Handeln lassen sich nachvollziehen. Es erschreckt schlüssig. Nur wenige Nebenfiguren der Filmszene wirken etwas klischeehaft. Dies tut dem Lesevergnügen jedoch keinen Abbruch.


    Auf den kaum mehr als 200 Seiten ist die Geschichte unterhaltsam und berührend. Die Handlung nimmt unerwartete Wendungen und ist überraschend innovativ.


    Das Cover konzentriert sich auf den Plattenbau, eine treffende Wahl. Sowohl der prägnante Titel als auch das Motiv stechen heraus und passen hervorragend zum Inhalt.


    Mein Fazit:

    Mit „Achtzehnter Stock“ hat mich Sara Gmuer auf ganzer Linie überzeugt. Ihr Roman zählt für mich zu den Highlights im Frühjahr 2025 und hat das Potenzial, auch bei der zweiten und dritten Lektüre nichts von seiner Faszination einzubüßen. Absolute Empfehlung!


    Ich vergebe 5 von 5 Sternen.