Chi Zijian - Das letzte Viertel des Mondes

  • Herausgeber: Karl Blessing Verlag (28. Mai 2025)

    Taschenbuch: ‎416 Seiten

    ISBN-10: ‎ 3896677594

    ISBN-13: ‎ 978-3896677594

    ASIN/ISBN: 3896677594


    Kurzbeschreibung


    Ein großes Epos von Liebe und Krieg, Widerstand und Überlebenswillen


    Eine alte Frau blickt auf ihr Leben: Sie ist die Witwe des letzten Häuptlings der Ewenken, eines Nomadenvolkes an der russisch-chinesischen Grenze. Ihre Existenz und die ihres Stammes sind bestimmt von den klaren Regeln der Gemeinschaft, der engen Symbiose mit der Natur, den Rentieren, der Jagd, den Wäldern. Doch im China des 20. Jahrhunderts machen die politischen Umwälzungen auch vor der Welt der Nomaden nicht halt. Die japanische Besetzung der Mandschurei zwingt die Männer in den Krieg, der Sozialismus der Mao-Zeit die Familien in die Städte und in geschlossene Häuser. Nur die alte Frau und ihre Sippe halten unbeirrt an ihrer traditionellen Lebensweise fest.


    Mit diesem außergewöhnlichen Roman setzt die preisgekrönte Schriftstellerin Chi Zijian dem Volk der Ewenken ein Denkmal und gibt Einblick in das China der Vergangenheit und Gegenwart.


    Autorin


    Chi Zijian wurde 1964 in Chinas nördlichstem Dorf, Mohe, an der russisch-chinesischen Grenze geboren. Seit ihrem literarischen Debüt »Unter den Bäumen« 1983 hat sie mehr als vierzig Einzelwerke veröffentlicht und gehört zu den erfolgreichsten Autorinnen Chinas. Ihr Werk wurde dreimal mit dem Lu Xun-Literaturpreis ausgezeichnet. 2008 erhielt sie u.a. für ihr Werk »Landschaft im See« mit dem Mao Dun-Preis die höchste Auszeichnung für Belletristik in China. 2004 erhielt sie das Suspence-Sentence Fellowship der australischen James Joyce-Foundation. Ihre Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, auf Deutsch ist dies die erste Übersetzung.


    Rezension


    Stell dir vor, du sitzt an einem Lagerfeuer, tief in den Wäldern an der russisch-chinesischen Grenze, und eine 90-jährige Frau beginnt, dir die Geschichte ihres Volkes zu erzählen und du merkst, du wusstest nicht einmal, dass es dieses Volk gibt. Das letzte Viertel des Mondes von Chi Zijian erzählt von den Ewenken, einem Nomadenvolk, das seit Generationen in enger Verbindung mit der Natur lebt, den Jahreszeiten folgt, mit den Rentieren zieht und jeden Fluss, jeden Berg kennt.


    Die Erzählerin der Geschichte ist 90 Jahre alt, die Witwe des letzten großen Häuptlings der Ewenken und sie blickt zurück auf ein Jahrhundert voller Veränderungen, Verluste und Kämpfe. Sie erzählt von einer Zeit, in der die Welt der Ewenken noch unberührt war, und davon, wie Kriege, politische Umbrüche und Umweltzerstörung diese Welt Stück für Stück zerstören. Wälder werden gerodet, Flüsse verschmutzt, Tiere finden kein Futter mehr. Das alles passiert nicht mit einem großen Knall, sondern Stück für Stück, in kleinen Beobachtungen und Veränderungen. Gerade diese leisen Szenen haben mich wirklich tief getroffen.


    Chi Zijian zeigt nicht nur das harte Leben der Ewenken, sondern auch ihre Kultur, die Mythen, die Rituale, das Wissen um die Natur. Man spürt den Stolz dieses Volkes, aber auch die Zerbrechlichkeit seiner Welt. Sesshaftmachung, Eingriffe in ihre Traditionen, das Verschwinden der Wälder, all das sind nicht nur Veränderungen, sondern Angriffe auf ihre Identität.


    Und doch blitzen immer wieder Momente von Zärtlichkeit und tiefer Verbundenheit auf. Alles wirkt authentisch, und es ist klar, wie viel Recherche und Herzblut in diesem Roman steckt. Ein großes Kompliment geht auch an die Übersetzerin Karin Betz, die es geschafft hat, nicht nur die Worte, sondern auch die Stimmungen und Nuancen ins Deutsche zu übertragen.


    Für mich ist dieses Buch nicht nur das Porträt einer Frau, sondern auch das Porträt eines ganzen Volkes, das in wenigen Jahrzehnten an den Rand des Verschwindens gedrängt wurde. Gleichzeitig packt die Autorin Gesellschaftskritik rein -Umweltzerstörung, Raubbau und politische Entscheidungen, die ohne Rücksicht auf kulturelle Folgen getroffen werden.


    Das letzte Viertel des Mondes ist für mich ein literarisches Denkmal für die Ewenken, ein kleines Meisterwerk, das betroffen macht und den eigenen Horizont erweitert. Ein Buch, das zeigt, wie wichtig es ist, Geschichten zu bewahren, bevor sie für immer verloren gehen.


    10/10


    Auf meinem Blog findet ihr eine ausführlichere Rezension: https://buchkomet.wordpress.com/2025/08/12/das…ken-geschichte/